An Nantchen, als er erfuhr, daß sie ihre Hand an einen Andern überlassen wolle

[115] Ha! nun kenn' ich endlich deine Tücke!

O du Falsche! o du Buhlerin!

Sieh! zerrissen hab' ich deine Stricke!

Dich verlieren, ist für mich Gewinn!

Schande! Schande! daß durch deine Blicke

Jemals ich bezaubert worden bin!

Aber, welches Aug' auf Erden ist

Scharf genug für deine Schlangenlist?[115]

Hast du nicht bei Mondlicht manche Stunde

Ach! so gern an meiner Brust geruht?

Weggeküßt mit deinem Feuermunde

Meiner Augen milde Thränenfluth?

Und verließ, im Riesenhöhlengrunde,

Deine Tugend nicht zuerst der Muth?

Aber ich, du weißt es wohl, ich rang

Mit der Wollust, bis ich sie bezwang.

Und warum dieß Ringen? Sieh! gestehen

Will ich's dir, aus Tugend rang ich nicht!

Zwar ich höre willig auf ihr Flehen,

Aber in dem Taumel! – was ist Pflicht?

Nur, dich in voraus schon weinen sehen,

War für mich, mehr als das Weltgericht.

Lieber mir den Tod, als dich betrübt:

Sage, wer hat zärtlicher geliebt?

Rede nun! wo bleiben deine Schwüre?

Schwurst du, sichrer zu betrügen, sie?

Nicht genug, daß ich dein Herz verliere,[116]

Sondern wie verlier' ich's, Falsche, wie?

Gibst du dich nicht einem wilden Thiere?

Denn was ist der sonst, der seine Knie

Mit Geschenken kriechend vor dir biegt,

Und, mit Brunst im Auge, Liebe lügt?

Geh denn! hole Amarantens Lieder,

Die er oft um Mitternacht ersann;

Geh und gib ihm seine Briefe wieder;

Der sie schrieb war ein bethörter Mann;

Und ein jeder Tropfen, der hernieder

Auf das Lob von einer Falschen rann,

Brenne nun in schlummerloser Nacht

In dem Auge, das der Treue lacht!

O! ihr Küsse! die sie meinen Wangen,

In der Rebenlaube aufgedrückt,

Werdet so viel Bisse falscher Schlangen,

Wenn sie in dem Garten Veilchen pflückt!

O! du Druck der Hand! womit vergangen

Sie mich noch zum letzten mal berückt,[117]

Presse doch ihr schwurvergeßnes Herz,

Wenn die Reu' erwacht, mit Folter-Schmerz!

Und ihr Tropfen Schweiß, die mir entfielen,

Wenn ich zu ihr eilt' in fremder Tracht,

Drohende Gefahren mir zu Spielen,

Nacht zum Tage, und den Tag zur Nacht,

Oder, in dem hohen Schnee zu wühlen,

Zum Vergnügen, (ach! für wen?) gemacht:

O ihr Tropfen! badet feuerheiß,

Ihre Stirn' dereinst im Todesschweiß'!

Schrecklich macht sie dieser Lieb' ein Ende,

Welcher keine gleich an Freude zwar,

Aber auch, von einer Sonnenwende

Bis zur andern, gleich an Untreu' war.

Doch, was ist das? Himmel! ich verschwende

Diese Thränen, Nante! noch sogar?

Strafe dich der Himmel nicht dafür!

Ja! dein eigen Herz vergebe dir!

Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 3, Frankfurt a.M. 1821, S. 115-118.
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