An den Schlüssel zu Nantchens Gartenthür

[140] So wie ich dich, (bist du auch nur von Eisen,

Und gibst du gleich nicht Fürsten-Sold, nicht Rang,)

Auf jenen Nacht verhüllten Reisen

Mit meinen Küssen fast verschlang:

So starrte nie der Ehrsucht lodernd Feuer

Im Arouet, den goldnen Schlüssel an,

Den seine sittenlose Leyer

Mit eines Königs Gunst gewann.

Der Antichambre goldne Flügelthüren,

Eröffneten vor seinem Schlüssel sich,

Du konntest mich zu Nanten führen;

Wer hatte mehr? Er, oder ich?[141]

Ich hatte dich! wie spielten um mein Leben

Die Freuden da gleich einem Bienenschwarm'!

Nur halb so viel als du zu geben,

War selbst der König viel zu arm!

Wer dich besaß, (Neapels Schatz verlöre

Den Sonnenglanz bei diesem aufgestellt!)

Besaß das Herz, ja selbst die Ehre,

Des ersten Mädchens auf der Welt.

O! hätt' ich nichts als einen Thron verloren,

Dann würd' ich stolz wie Sobiesky seyn,

Und zöge heiter zu den Thoren

Der Ruhe und der Weisheit ein.

So aber will die Weisheit mich nicht kennen!

Die Ruhe schlägt vor mir die Thüren zu!

Will nichts mir eine Freistadt gönnen?

O Tod! so gönne mir sie du!

Begleite mich, du den ich lieber habe,

Als alles, was zurück hier bleiben muß,[142]

Begleite mich zu meinem Grabe,

Nimm zum voraus den Abschiedskuß!

Und unter meines Hauptes Küssen, zehre

Der Rost dich auf von meinem Thränenbach'!

Da laß uns ruhn! nicht Nantens Ehre,

Nur ihre Reue folgt uns nach!

Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 3, Frankfurt a.M. 1821, S. 140-143.
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