Einladung auf das Land

[44] Morgen flieg' ich auf das Land,

Komm, mein frommer Amarant,

Laß uns Hirten werden!

Komm! vergiß am Wasserfall'

Ruhm und Akten, Spiel und Ball,

Diesen Tand der Erden.

Was den Hirten Rosen streut:

Unschuld und Zufriedenheit,

Haben wir ja Beide!

Und den Hirten gleich zu seyn:

Welcher Königskrone Schein

Strahlt so viele Freude?

O so laß den kurzen May

Dieses Lebens uns getreu

Mit einander schmecken![45]

Wenn der Sommer uns erreicht,

Hinkt die Lust, im Winter schleicht

Sie den Gang der Schnecken.

Und, o Mann! wie ungewiß,

Ob nicht Todesfinsterniß

Unser Aug' umziehet,

Eh' es von der ganzen Zahl

Sommerfreuden, nur einmal

Eine wirklich siehet?

Komm denn, küß' als Hirtin mich!

Aber ach! ich bitte dich,

Schone deiner Pferde;

Denn ich mag nicht, daß ein Thier

Bloß aus Leidenschaft zu mir

Abgemartert werde.

Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 3, Frankfurt a.M. 1821, S. 44-46.
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