An den Mond

[70] Lieber Mond! verstecke dich,

Wenn mein Liebster zu mir fliegt,

Daß die Neugier müde sich

Auf dem platten Bauche liegt.

Lieber Mond! verstecke dich,

Wenn zu viel mein Auge sagt;

Denn wer ist so schwach, wie ich?

Lieber keinen Streit gewagt!

Lieber Mond! verstecke dich,

Wenn er meine Lippen küßt;

Denn ich Arme schäme mich,

Ob er gleich ein Engel ist.[71]

Lieber Mond! verstecke dich,

Wenn die Abschiedsstunde schlägt,

Daß bei meinem Kummer sich

Nicht das Herz in ihm bewegt.

Lieber Mond! verstecke dich,

Wenn zurück mein Liebster kehrt,

Bis du – was klingt süßer? sprich! –

Seiner Flöte Ton gehört!

Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 3, Frankfurt a.M. 1821, S. 70-72.
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