1787

[112] 8/2546.


An Friedrich Constantin von Stein

Rom, den 4. Januar 1787.

In meinen weiten Mantel eingewickelt, und meinen Feuernapf bei mir, schreib' ich dir, mein lieber Fritz, denn in meiner Stube ist weder Ofen noch Camin, und seit gestern weht ein Nordwind. Das Wetter ist schön und man geht gern auf den trocknen Straßen spazieren.

Nun muß ich dir allerlei Geschichten erzählen. Neulich sind wir in der Peterskirche fast (wie man zu sagen pflegt) über den Pabst gefallen. Wir gingen nach Tische in der Kirche herum und besahen die schönen Steinarten, womit Alles ausgeziert ist. Tischbein zeigte mir eben einen vorzüglich schön gezeichneten Alabaster (eigentlich Kalkspath) an einem Grabmale, als ich ihm auf einmal in die Ohren sagte: da ist der Pabst. Ihro Heiligkeit knieten[112] wirklich in langem weißem Gewande mit der rothen Schnur an einem Pfeiler und beteten. Die Monsignores vom Gefolge, davon einer den rothen goldbesetzten Hut hielt, standen mit ihren Brevieren nicht weit davon und sprachen mit einander, und anstatt einer feierlichen Stille machten die Leute, welche in der Peterskirche zu reinigen haben, einen Lärm auf den andern, damit der Pabst sie und ihren Fleiß bemerken sollte, denn wie er weg war, feierten sie auch wieder.

Wenn man dem Pabst begegnet, es sey wo es wolle, so kniet man nieder um den Segen zu empfangen. Er hat keinen Bart, sondern sieht aus wie die Paste die du kennst, nur daß er älter. Hier trägt Niemand einen Bart als die griechischen Priester und die Kapuziner.

Nun zu einer andern Scene. Neulich sahen wir, und ich kann wohl sagen, hörten wir 1000 Schweine in einem engen Bezirk abschlachten. Es geschieht dies den Winter über, alle Freitage, auf einem Platze, wo früher ein Minerventempel stand. Die Schweine werden zu Hunderten zwischen Stangen eingesperrt; auf ein gegebenes Zeichen springen Kerls hinein zu den Thieren, ergreifen sie, rammeln sich mit ihnen herum und stoßen ihnen unter der einen Vorderpfote ein rundes Eisen in den Leib, das sie, weil es oben eine Art Hacken hat, mit der flachen Hand in der Wunde leyernd herumdrehen bis das Thier todt ist.

[113] Das Lärmen der Menschen, das von dem Geschrei der Thiere überschrieen wird, die Händel, die dabei vorfallen, der Antheil der Zuschauer und noch allerlei Detail machen dieses Amazzamento zum sonderbarsten Spektakel. Es geschieht auf diese Weise, weil hier Alles Monopol ist, und die Regierung die Schweine aufkauft, schlachten läßt, und dann an die Fleischer austheilt.

Dann war ich auch in einer ersten Vorstellung einer Oper, wo das Parterre noch einen größern Lärm machte als die 1000 Schweine, davon will ich dir künftig das Detail erzählen. Alexander in Indien hat mir Langeweile gemacht. Dagegen war das Ballett, die Eroberung von Troja, recht schön. Wie viel hätte ich darum gegeben, dich und die Herder's an meine Seite zu bringen, wie würde Euch das große Pferd und die heraussteigenden Griechen, Hector's Schatten, die Flucht des Aeneas, die brennende Stadt und der Triumph der Griechen, ergötzt haben! Die Kleider sind sehr schön, die Dekorationen mäßig. Gestern sah ich in einem andern Theater die Locandiera von Goldoni. Da hier alle Rollen, wie du weißt, von Männern gespielt werden, machte ein römischer Bürger, der sonst seines Handwerks ein Färber ist, die Locandiera so schön, daß nichts zu wünschen übrig blieb. Auch die Tänzerinnen der großen Oper sind Männer, die allerliebst ihre Künste ausführen.

Ferner muß ich dir erzählen, daß ich zum Pastore[114] dell Arcadia bin ausgerufen worden, als ich heut in diese Gesellschaft kam (von der dir Herr Schmidt erzählen mag). Vergebens habe ich diese Ehre abzulehnen gesucht, weil ich mich nicht öffentlich bekennen will. Ich mußte mir gar schöne Sachen vorlesen lassen, und ich erhielt den Namen Megalio per causa della grandezza oder grandiosità delle mie opere, wie sich die Herren auszudrücken beliebten. Wenn ich das Sonnett, das zu meiner Ehre auch verlesen wurde, erhalte, so schicke ich dir's.

Für heute lebe wohl. Ich habe sehr gesudelt und viel zu schreiben, ahme meine Hand nicht nach.

Es ist kalt, und ich schließe meinen Brief, wie du mit den Zwillingen. Grüße Herder's und lies ihnen diesen Brief.

G.


8/2547.


An Charlotte von Stein

Rom d. 6. Jan. 87.

Eben komme ich von Moritz dessen zerbrochner Arm heute aufgebunden worden. Es geht und steht recht gut. Was ich diese 40 Tage bey diesem Leidenden, als Beichtvater und Vertrauter, als Finanzminister und geh. Sekretair pp gelernt, soll auch dir, hoff ich, in der Folge zu Gute kommen.

Heute früh erhielt ich deinen bitter süßen Brief von 18ten Dec. Unsre Correspondenz geht gut und[115] regelmäßig, daß sie nun nicht wieder unterbrochen werde solang wir leben.

Ich kann zu den Schmerzen die ich dir verursacht nichts sagen als: vergib! Ich verstocke mein Herz nicht, und bin bereit alles dahin zu geben, um gesund zu werden für mich und die meinigen. Vor allen Dingen soll ein ganz reines Vertrauen, eine immer gleiche Offenheit mich aufs neue mit dir verbinden.

In einem vorigen Briefe, schrieb ich meine Reisevorsätze, in einem Anhang zu diesem, eröffne ich dir einige neue Ideen und Zweifel. überlege sie mit Herders, bringe sie für den Herzog und die Herzoginn und laß mich besonders auch die Gedancken der letzten wißen, denn der Herzog wird mich nur im Notfall zurück berufen, es gibt aber soviel mittlere Fälle.

Schon habe ich viel in meinem Innren gewonnen, schon habe ich viele Ideen auf denen ich fest hielt, die mich und andre unglücklich machten hingegeben und bin um vieles freyer. Täglich werf ich eine neue Schaale ab und hoffe als ein Mensch wiederzukehren. Hilf mir aber nun auch, und komme mir mit deiner Liebe entgegen, schreibe mir wieder von deinem Schreibtische und gedencke göttlich des vergangnen nicht, wenn du dich auch dessen erinnerst. Ich habe in der Welt nichts zu suchen als das Gefundne, nur daß ichs genießen lerne, das ist alles warum ich mich hier noch mehr hämmern und bearbeiten laße.

[116] Mit meinem Tagebuch wenn es ankommt mache was du willst, eben so mit den ostensiblen Blättern, und den Stellen meiner Briefe an dich. Gieb davon zu genießen wem und wie du willst, mein Verbot schreibt sich noch aus den stockenden Zeiten her, mögen die doch nie wieder kehren.

Meine Iphigenie ist fertig und ich kann mich noch von ihr nicht schreiben, besonders da Herder in einem Brief vom 11. Dec. noch nicht auf Manuscript dringt, noch nichts schreibt von den zwey ersten Bänden und wieweit der Druck gekommen ist.

Seit gestern hab ich einen kolossalen Junokopf in dem Zimmer oder vielmehr nur den Vordertheil, die Maske davon. Es war dieser meine erste Liebschafft in Rom und nun besitz ich diesen Wunsch. Stünd ich nur schon mit dir davor. Ich werde ihn gewiß nach Deutschland schaffen und wie wollen wir uns einer solchen Gegenwart erfreuen.

Keine Worte geben eine Ahndung davon, er ist wie ein Gesang Homers.

Des Herzogs Fall hat mich sehr erschüttert, ich fürchte er endigt noch so. Wollte Gott er könnte sich auch einmal von diesen unglücklichen Ideen rein baden und waschen, und sich und den Seinigen wiedergegeben werden.

Schreibe mir doch ja von seinem Befinden! dancke ihm für seinen Brief und grüße ihn aufs beste. Nächsten Posttag schreib ich ihm. So auch Herders.

[117] Heute hab ich, als am 3 Königsfeste, die Messe nach grichischem Ritus lesen und agiren sehn und hören. Sage dies Herdern. Die Cärimonien sind, oder scheinen mir vielmehr, theatralischer, pedantischer, nachdencklicher und doch populärer als die lateinischen. Davon mündlich das ausführliche. Durch eine besondere Gunst kam ich ins Sancktuarium zu stehn und sah das Spiel von innen.

Auch da hab ich wieder gesehn, daß ich für alles zu alt bin nur fürs Wahre nicht. Ihre Cärimonien, und Opern, Umgänge und Ballette, es fliest wie Waßer an einem Wachstuch ab. Eine Würckung der Natur, ein Werck der Kunst wie die viel verehrte Juno machen allein tiefen und bleibenden Eindruck.

Lebe wohl. Wenn ihr Lieben beschließt daß ich nach Ostern von Rom zurückkehren soll; so darf mir nach dem Schluße des Februars nicht viel mehr geschrieben werden, höchstens noch einen Posttag. Wollt ihr mich noch hier wissen; so erfreue mich ja immer fort mit Briefen. Ich gehe das Carneval nicht nach Napel. Ich bleibe hier und nutze die Zeit. Der März ist dort schon sehr anmuthig, und jene herrliche Natur soll mich dann erfreuen. Grüße alles.

Der deine.

G.[118]


8/2548.


An den Freundeskreis in Weimar

[6. Januar.]

Nach allem diesen muß ich noch von der Unschlüßigkeit reden die mich wegen meines Aufenthaltes in Italien anwandelt. In meinem letzten Brief schrieb ich meinen Vorsatz: gleich nach Ostern von Rom zu gehen und meiner Heimat zuzurücken. Ich werde bis dahin noch einige Schaalen aus dem grosen Ocean geschlürft haben und mein dringendstes Bedürfniß wird befriedigt seyn. Ich bin von einer ungeheuren Leidenschafft und Kranckheit geheilt, wieder zum Lebensgenuß, zum Genuß der Geschichte, der Dichtkunst der Alterthümer geneßen und habe Vorrath auf Jahrelang auszubilden und zu kompletiren.

Nun aber kommen mir die freundlichen Stimmen daß ich nicht eilen, daß ich mit vollständigerem Gewinn nach Hause kommen soll, ich erhalte einen gütigen, mitfühlenden Brief vom Herzog, der mich auf eine unbestimmte Zeit von meinen Pflichten losbindet und mich über meine Ferne beruhigt; Mein Geist wendet sich dem ungeheuern Felde zu, das ich ganz unbetreten verlaßen müßte; so hab ich Z. B. im Fache der Münzen, der geschnittnen Steine noch gar nichts thun können. Winckelmanns Geschichte der Kunst hab ich angefangen zu lesen, und habe erst Egypten zurückgelegt und fühle wohl daß ich nun erst wieder von[119] vorne sehen muß; auch hab ich es in Absicht auf die Egyptischen Sachen gethan. Je weiter hinauf desto unübersehlicher wird die Kunst und wer sichre Schritte thun will muß sie langsam thun.

Das Carnaval warte ich hier ab und gehe also etwa Aschermittwochen nach Neapel, ich nehme Tischbein mit, weil ich ihm Freude mache und in seiner Gesellschafft dreyfach lebe. vor Ostern bin ich wieder hier, wegen der Feyerlichkeiten der Charwoche.

Nun aber liegt Sicilien noch daunten. Dahin wäre eine Reise nur mehr vorbereitet und im Herbste zu thun, auch nicht eine blose Durch und Umreise, die bald gemacht ist, wo von man aber nur das: ich habs gesehen! für seine Mühe und Geld mitbringt. Man müßte in Palermo nachher in Catanea sich erst festsetzen um sichre und nützliche Exkursionen zu machen und vorher D'orville Riedesel pp wohl studirt haben.

Bliebe ich also den Sommer in Rom, und studirte mich hier recht ein und bereitete ich mich auf Sicilien vor, wohin ich im September erst gehn könnte und Okt. Nov. und Dec. bleiben müßte so würde ich erst Frühjahr 88 nach Hause kommen können. Dann wäre noch ein Medius Terminus, Sicilien liegen zu laßen einen Theil des Sommers in Rom zu bleiben, sodann nach Florenz zu rucken und gegen den Herbst nach Hause zu ziehen.

Allein alle diese Aussichten werden mir durch des Herzogs Unfall verdunckelt. Seit den Briefen die mir[120] diese Ereigniß melden hab ich keine Ruhe und ich möchte am liebsten mit den Fragmenten meiner Eroberungen beladen nach Ostern gleich aufbrechenden obern Theil Italien kurz abthun und im Juni wieder in Weimar seyn. Ich bin zu einsam um mich zu entscheiden, und schreibe diese ganze Lage so ausführlich daß Sie die Güte haben mögen, in einem Concilio derer die mich lieben und die Umstände zu Hause besser kennen, über mein Schicksal zu entscheiden, vorausgesetzt, wie ich betheuren kann, daß ich geneigter bin zurückzukehren als zu bleiben. Das stärckste was mich in Italien hält ist Tischbein, ich werde nie und wenn auch mein Schicksal wäre das schöne Land zum zweitenmal zu besuchen, so viel in so kurzer Zeit lernen können als jetzt in Gesellschafft dieses ausgebildeten, erfahrnen, feinen, richtigen, mir mit Leib und Seele anhängenden Mannes. Ich sage nicht wie es mir schuppenweise von den Augen Fällt. Wer in der Nacht steckt hält die Dämmrung schon für Tag, und einen grauen Tag für helle, was ists aber wenn die Sonne aufgeht?

Dann hab ich mich bisher aller Welt enthalten, die mich so nach und nach zu faßen kriegt und die ich auch wohl gern mit flüchtigen Blicken beobachtete.

Ich habe Fritzen scherzend von meiner Ausnahme in der Arkadia geschrieben, es ist auch nur darüber zu scherzen, denn das Institut ist zu einer Armseligkeit zusammengeschwunden.

[121] Montag über acht Tage wird das Trauerspiel des Abbate Monti aufgeführt, es ist ihm sehr bang und er hat Ursache, es ist ein unbändiges Publikum, das von Moment zu Moment amüsirt seyn will, und sein Stück hat nichts brillantes. Er hat mich gebeten mit in seine Loge zu gehn um ihm als Beichtvater in diesem kritischen Augenblicke beyzustehn. Ein andrer wird meine Iphigenie übersetzen, ein dritter Gott weiß was zu meinen Ehren thun. Sie sind sich alle unter einander so ungünstig, jeder möchte seine Partey verstärcken, meine Landsleute sind auch wie mit einer Stimme für mich, daß wenn ich sie gehen liebe und nur ein wenig einstimmte; so singen sie noch hundert Thorheiten mit mir an und krönten mich zuletzt auf dem Capitol, worauf sie schon im Ernste gesonnen haben, so toll es ist einen Fremden und Protestanten zum Protagonisten einer solchen Comödie auszusuchen. Wie das alles aber zusammenhängt und wie ich ein großer Thor wäre zu glauben daß das alles um meinetwillen geschähe, dereinst mündlich.


8/2549.


An Johann Georg Schlosser

Rom d. 11. Jan. 87.

Schon so lang ich hier bin gedencke ich auch dir l. Br. ein Wort zu schreiben das erst jetzt aufs Papier kommt. Endlich seh ich meine Wünsche erfüllt und[122] gehe auf dem Boden herum, der aus tausend Gesichtspunckten merckwürdig ist. Noch weiß ich nicht wie lang ich bleiben kann, wenn ich schon sehe wie lang ich bleiben müßte, um mehr als ein Durchreisender zu sehen und zu erkennen. Es ist eine Welt in Trümmern in allem Sinn, und wo man genießen möchte, findet man zu dencken.

In diesen dritthalb Monaten hab ich schon fast alles gesehen und fange wieder von vorne an und wie oft müßte man diese Operation wiederhohlen. Lesen kann ich nur wenig und wie nötig, wie angenehm wäre es hier die Schrifftsteller mit lebendigem Sinne zu studiren.

Es ist das schönste Wetter, ein Winter wie sich hier niemand erinnert, hell und rein der Himmel, kühle auch wohl kalte Luft und warme Sonne.

Lebe wohl! Ich kehre nicht zurück ohne dich zu besuchen. Grüse die deinigen! Wie viel Freude wird es mir seyn euch zu sehn!

G.


8/2550.


An Johann Gottfried Herder

Hier mein lieber wenn man etwas wiedmen und weyhen kann die Iphigenie, dir gewiedmet und geweyht. Ich habe gemacht was Zeit und Umstände erlaubten und habe dabey mehr gelernt als gethan. Nimm vorlieb und freue dich wenigstens über einen[123] folgsamen Schüler. Möge dir für deine Geduld und Treue an meinen Sachen dein ganz Gymnasium so hören und folgen. Hierbey liegt ein Brief an Göschen offen pro notitia tua.

Mit der heutigen Post geht noch ein besonderer Brief an dich ab. Mehr kann ich nicht sagen als: schreibe mir bald, liebt mich, grüßt die Kinder.

Rom d. 13. Jan. 87.

G.


8/2551.


An Charlotte von Stein

[13. Januar.]

Ich schicke dir hier ein gar artig geschnitten Steinchen einen magischen Löwen vorstellend. Wenn du dir es zur beweglichen Nadel das Halstuch damit zuzustecken faßen ließest würde mir es Freude machen. Ich hätte es hier schon faßen laßen sie machen aber keine gute Arbeit.


8/2552.


An Philipp Seidel

[13. Januar.]

Beyliegendes Packet gib Hrn. Herder, es enthält die Iphigenie. Möge sie glücklich ankommen und meine Arbeit daran durch eine freundliche Aufnahme belohnt werden. Mir geht es sehr wohl, das schönste Wetter erlaubt von allen Stunden des Tages Gebrauch zu machen, ich habe mich fast durch Rom[124] durchgesehn, und bin an der Wiederholung, schon fängt das Gesehene an sich zu ordnen und das unendlich scheinende schließt sich in Gränzen. Indeß bleibt doch das Feld zu groß als daß man es durch solche Streifereyen recht sollte kennen lernen, es gehören Jahre es gehören Leben dazu.

Ich verfolge meinen alten Plan und suche das Gründliche was als Capital Interessen tragen muß und gewinne soviel, daß ich mein übriges Leben davon zehren kann. Wie man sagt daß einer nicht wieder froh wird der ein Gespenst gesehn hat, so mögte ich sagen, daß einer, der Italien besonders Rom recht gesehn hat, nie ganz in seinem Gemüthe unglücklich werden kann.

Es wird nun ein Brief von dir unterwegs an mich seyn. Schreibe mir von Zeit zu Zeit und nun auch wie deine Casse aussieht daß ich mich darnach richten könne. Wenn Göschen bezahlt, was du an Paulsen bezahlst pp. Die Witterungs Tabelle ist angekommen.

Ein Brief läuft gewöhnlich 16 Tage; wie du gegenwärtiges erhälst, melde mir die Ankunft mit umlaufender Post, daß ich beruhigt werde. Ich habe eine Abschrifft hier behalten.

Nun gehts an Egmont und die andern Sachen, ich will nichts in Stücken geben.

Decke den Apoll, der im Vorsale steht, mit einer Serviette zu, erst hier lernt man solch ein Besitzthum schätzen.

[125] Ich bin wohl das Wetter herrlich. Empfiehl mich hie und da. Z. E. der Gräfinn Bernstorf und Boden, dem Obermarschall, dem alten Hofmarschall und v. Klinkowström u. s. w.

Kayser in Zürch hat Partitur geschickt und zwar den ersten Ackt der Oper umgearbeitet und den Anfang des vierten, eröffne das Packet und laß beide Ackte durch Ambrosius sorgfältig in Stimmen ausschreiben. Eben so verfahre mit dem zweiten Ackt wenn ihn Kayser schickt. Die erste Abschrifft der Stimmen, die wir machen ließen wird dadurch unbrauchbar. Es ist aber eine Kleinigkeit gegen den Gewinn an Kunst, den der Componist bey dieser Umarbeitung gemacht. Sollte noch nicht la Grotta di Trofonio in Partitur von Wien gekommen sein. Ist sie es, so laß sie an Kayser abgehn.


8/2553.


An Christian Gottlob Heyne

Ew. Wohlgebohren,

Andenken hat mich auf mehr als eine Weise nach Italien begleitet; jetzt wo ich mich über zwei Monate so in Rom befinde, sollte es mir angenehm seyn, auch Ihnen nützlich werden zu können. Wollten Sie mir irgend eine Untersuchung die einen treuen Beobachter am Orte erfordert, irgend eine Art Bestellung auftragen, so würden Sie mir viel Vergnügen machen.

[126] Nur müßte ich bitten eine gefällige Antwort bald an mich gelangen zu lassen, unter dem Couverte des Hrn. Tischbein al Corso incontro al Palazzo Rondanini. Ich hoffe die mir übersendeten Bücher werden glücklich wieder angekommen seyn. Der ich mich zu fortdauerndem geneigten Andenken empfehle.

Rom d. 13. Jan. 87.

JWvGoethe.


8/2554.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Rom d. 13. Jan. 87.

Ich habe lieber Bruder um doch einmal dem Sohne Davids ähnlich zu seyn das: Über ein Kleines gespielt, bin wie der Rattenfänger von Hameln (jedoch allein und ohne jemands Kind zu verleiten) in den Berg gegangen und komme hier in Rom wieder an's Tageslicht. Ich weiß du gönnst mir alles Gute, was ich hier in reichem Maase genieße und nimmst mit dem freundlichen Gruße vorlieb den ich dir von hier ausschicke. Denn schreiben läßt sich nichts von dem was man sehn muß. Sage mir doch bald ein Wort wie deine englische Reise abgelaufen, ob du wohl und vergnügt bist. Niemals hab ich lebhafter gefühlt wie man zusammen halten soll als im fremden Lande, in das ich mich, entäussert von allem was uns schüzt und forthilft gestürzt habe. Aber ich lerne auch was. Lebe wohl, grüße die Schwestern und schreibe mir bald.

G.[127]


8/2555.


An Philipp Christoph Kayser

Rom d. 13. Jan. 87.

Nun auch Ihnen m. l. K. aus der Hauptstadt der Welt ein zusammenhängendes Wort. Ich bin wie einer, der auf einem Schiffe schreibt die Bewegung hindert mich so ausführlich zu seyn als ich wollte.

Erstlich denn von unsrem Wercke.

Wann Sie enden könnten habe ich nur gefragt um etwa wegen dessen Publikation besorgt seyn zu können, da Sie noch so fleißig daran sind und so manches Gute daran thun; so sprechen wir uns vielleicht noch eh Sie ganz fertig sind, denn ich rechne sehr Sie auf meiner Rückreise zu besuchen.

Wie sehr freut mich daß Sie das Stück wieder durchgearbeitet; nur auf diese Weise gelangt man zu einer Fertigkeit. Laßen Sie uns weder an Zeit, Mühe und Kosten dencken, sie sind wohl angewendet wenn wir eine höhere Stufe ersteigen. Ich habe nach Weimar geschrieben daß man den ersten, und den vierten Ackt in Stimmen soll ausschreiben lassen, sollten Sie mit dem zweyten Ackte fertig werden so schicken Sie ihn nur an Seideln, daß er auch diesen ausschreiben läßt; so wird mir eine Freude vorbereitet, daß ich um so lieber nach Hause gehe.

Schreiben Sie mir doch auch bald Ihre Gedancken über den vierten Ackt daß ich dazu Ja und Amen sage.

[128] Heute geht meine Iphigenie umgearbeitet nach Deutschland, möge Sie Ihnen auf Ostern, mit meinen übrigen Sachen einige gute Tage machen. Nun geh ich an die vier letzten Bände um was ich als Stückwerck versprochen, wenigstens als anscheinendes Ganze zu liefern. Ich brauche dazu viel Gedult und Zusammennehmens, in einer fremden Welt wo mich alles aus mir herauszieht und mich an sich lockt.

Das Lyrische Theater erfreut mich wenig hier. Die Ballette sind das Beste, übrigens alles lahm und langweilig.

Gerne schrieb ich mehr wenn mich die Nacht nicht übereilte. Ich bin müde und matt von des Tages Leben und Treiben.

Schreiben Sie mir bald, es wird mich immer erfreuen.

Grüßen Sie Fr. Schultheß, sie soll bald von mir hören.

G.


8/2556.


An den Freundeskreis in Weimar

Wie viel hätte ich jeden Tag zu sagen, und wie sehr hält mich Anstrengung und Zerstreuung ab ein kluges Wort aufs Papier zu bringen. Dazu kommen noch die frischen Tage, wo es überall besser ist, als in den Zimmern, die ohne Ofen und Camin uns nur zum Schafen oder Misbehagen aufnehmen.

[129] Einige Vorfälle der letzten Woche will ich geschwind erzählen.

Im Pallaste Giustiniani steht eine Minerva die meine ganze Verehrung hat. Wickelmann gedenckt ihrer kaum, wenigstens nicht an der rechten Stelle und ich fühle mich nicht würdig genug über sie etwas zu sagen.

Als mir die Statue besahen uns lang dabey aufhielten, erzählte uns die Frau des Custode: es sey dieses ein ehmals heiliges Bild gewesen und die Inglesi welche von dieser Religion seyn, pflegten es noch zu verehren indem sie ihm die eine Hand küßten, die auch würcklich ganz weis war, da die übrige Statue bräunlich ist. Auch setzte sie hinzu: eine Dame dieser Religion sey vor kurzem da gewesen habe sich auf die Knie niedergeworfen und die Statue angebetet. Sie (die Frau des Custode) habe so eine wunderliche Handlung nicht ohne Lachen ansehen können, und sey zum Saal hinausgelaufen um nicht loszuplatzen. Da ich auch von der Statue nicht weg wollte fragte sie mich: ob ich etwa eine Schöne hätte, die diesem Marmor ähnlich sähe, daß er mich so sehr anzöge. Das gute Weib kannte nur Anbetung und Liebe, aber von der reinen Bewunderung eines herrlichen Werckes, von der brüderlichen Verehrung eines Menschengeistes konnte sie keinen Begriff haben. Wir freuten uns über das englische Frauenzimmer und gingen weg mit der Begier umzukehren und ich werde gewiß bald wieder[130] hingehen. Wollen meine Freunde ein näheres Wort hören; so lesen sie was Winckelmann vom hohen Styl der Grichen sagt. Leiber führt er dort diese Minerva nicht an. Wenn ich aber nicht irre so ist sie von jenem hohen strengen Styl da er in den schönen übergeht, die Knospe indem sie sich öffnet und eben eine Minerva deren Charackter eben dieser Übergang, so wohl ansteht!

Nun von einem Schauspiel andrer Art! Um drey Königs Tage, am Feste des Heils das den Heiden verkündigt worden, waren wir in der Propaganda. Dort ward in Gegenwart dreyer Cardinäle und eines großen Auditorii, erst eine Lateinische Rede gehalten an welchem Orte Maria die drey Magos empfangen, im Stalle? oder wo sonst? dann nach verlesnen einigen lateinischen Gedichten ähnliches Gegenstandes traten bey 30 Seminaristen nach und nach auf und laßen kleine Gedichte jeder in seiner Landessprache. Malabarisch, Epirotisch, Türckisch, Moldauisch, Persisch, Colchisch, Hebräisch, Arabisch, Syrisch, Cophtisch, Saracenisch, Armenisch, Hybernisch, Madagaskarisch, Isländisch, Boisch, Egyptisch, Griechisch, Isaurisch, Aethiopisch pp. und mehrere die ich nicht verstehen konnte. Die Gedichtgen schienen meist im Nationalsylbenmaaße verfaßt, mit der Nationaldeklamation vorgetragen zu werden, denn es kamen barbarische Rhytmen und Töne hervor. Das Griechische klang, wie ein Stern in der Nacht erscheint.

[131] Das Auditorium lachte unbändig über die Fremden Stimmen und so ward auch diese Vorstellung zur Farce.

Die Propaganda selbst, hab ich noch nicht näher beschaut, noch den Monsigr. Porcia der an der Spitze ist besucht. Es ist da manches zu sehen. – Nun noch ein Geschichtgen.

Der verstorbne Cardinal Albani war in einer solchen Festversammlung, wie ich sie oben beschrieben. Einer der Schüler fing in einer fremden Mundart an, gegen die Cardinäle gewendet: gnaja! gnaja! so daß es ohngefähr klang wie canailla! canailla! der Cardinal wendete sich zu seinen Mitbrüdern und sagte: der kennt uns doch!

Wie viel solcher Späße und Geschichtgen hab ich aufgefangen die in der Folge Sie belustigen sollen.

d. 13. Jan. 87.


8/2557.


An Charlotte von Stein

Ich schicke dir ein Blat mit den Freunden zu theilen, heute geht auch Iphigenie ab, o mögtest du fühlen wie viel Gedancken zu dir herüber und hinüber gegangen sind biß das Stück so stand.

Heute hab ich einen entsetzlichen Posttag gemacht. Empfiel mich dem Herzog, ein angefangner Brief an ihn bleibt liegen, der nächsten Sonnabend abgehn soll.

[132] Grüße Fritzen. Ich habe die schönsten Schwefel Abgüße in der Stube, warum ist er nicht bey mir. Lebe wohl. Diesen Brief schlag ich an Herders ein.

d. 13. Jan. 87.


8/2558.


An Johann Gottfried Herder

Hier lieber Bruder die Iphigenia. Ich schicke sie mit der heut abgehenden Post an Seidel und laße dießen Brief gerade an dich abgehn damit eine Art Controlle entstehe, wenn etwa das größere Packet länger aussenbliebe.

Du hast nun auch hier einmal wieder mehr was ich gewollt, als was ich gethan habe! Wenn ich nur dem Bilde, das du dir von diesem Kunstwercke machtest, näher gekommen bin. Denn ich fühlte wohl bey deinen freundschafftlichen Bemühungen um dieses Stück, daß du mehr das daran schätztest was es seyn könnte als was es war.

Möge es dir nun harmonischer entgegen kommen. Lies es zuerst als ein ganz neues, ohne Vergleichung, dann halt es mit dem alten zusammen wenn du willst. Vorzüglich bitt ich dich hier und da dem Wohlklange nachzuhelfen. Auf den Blättern die mit resp. Ohren bezeichnet sind, finden sich Verse mit Bleystift angestrichen die mir nicht gefallen und die ich doch jetzt nicht ändern kann. Ich habe mich an dem Stücke so müde gearbeitet. Du verbesserst das mit[133] einem Federzuge. Ich gebe dir volle Macht und Gewalt. Einige halbe Verse habe ich gelaßen, wo sie vielleicht gut thun, auch einige Veränderungen des Sylbenmases mit Fleiß angebracht. Nimm es nun hin und laß ihm deine unermüdliche Gutheit heilsam werden. Lies es mit der Frauen, laß es Fr. v. Stein sehen und gebt euren Segen dazu. Auch wünscht ich daß es Wieland ansähe der zuerst die schlotternde Prosa in einen gemeßnern Schritt richten wollte und mir die Unvollkommenheit des Wercks nur desto lebendiger fühlen ließ. Macht damit was ihr wollt, dann laß es abschreiben und schaff es mit dem übrigen zur rechten Zeit und Stunde an Seidel u. s. w. und verzeih der Plage. Ich bin selbst ein geplagter Fremdling, den nicht die Furien, den die Musen und Grazien und die ganze Macht der seligen Götter mit Erscheinungen überdecken.

Ich kann noch nichts sagen, denn es wird nur. Hätte ich Zeit ich wollte euch große Schätze zurückbringen. Denn ach Winckelmann! wie viel hat er gethan und wieviel hat er uns zu wünschen übrig gelaßen. Du kennst mich Hypothesen-Auflößer und Hypothesen-Macher. Er hat mit denen Materialien die er hatte geschwinde gebaut um unter Dach zu kommen. Lebte er noch; (und er könnte noch frisch und gesund seyn) so wäre er der erste der uns eine neue Ausarbeitung seines Wercks gäbe. Was hätte er nicht noch beobachtet, was berichtigt, was benutzt[134] das nach seinen Grundsätzen gethan und beobachtet, was neuerdings ausgegraben worden. Und dann wäre der Cardinal Albani todt, dem zu Liebe er manches geschrieben, und was mir noch schlimmer daucht, manches verschwiegen. Ich Wandrer raffe auf was ich kann. Wie anders sehe ich gegen die erste Zeit, was würde es in Jahren seyn. Sagen kann ich nichts; aber wollte Gott ich hätte Freunde und Lieben um mich, mit mir, daß man sich theilen vereint würcken und genießen könnte.

Die Leichtigkeit hier alles zu sehen und manches zu haben, hat nirgends ihres gleichen, ich thue die Augen auf so weit ich kann und greife das Werck von allen Seiten an.

In meiner Stube hab ich schon die schönste Jupiter Büste, eine kolossale Juno über allen Ausdruck groß und herrlich, eine andre kleiner und geringer, das Haupt des Apoll von Belvedere und in Tischbeins Studio steht auch manches dessen Werth mir aufgeht. Nun rücke ich zu den Gemmen, und alle Wege bahnen sich vor mir, weil ich in der Demuth wandle.

Einigen Deutschen dien' ich schon wieder als Cicerone, Ausleger und Deuter und mein Leben mit den Künstlern ist einzig dießem Ort angemessen. Das andre Leben ist schaal wie überall und schaaler wo möglich. Ich will zuletzt nur einige Becher schlurpfen. Lebet wohl. Grüßt die Kinder. Ich schreibe wenig. Fr. v. Stein hat noch etwas gemeines. Schreibe mir wie du mit den Ideen fortruckst.

[135] Lebe wohl. Ich bin heute müd und matt von Schreiben. Liebt mich, verlangt mich! daß ich mit Freuden wiederkehre. d. 13. Jan. 87. Rom.

G.


8/2559.


An den Herzog Carl August

[13. – 20. Januar.]

Wie sehr hat mich nach einem so langen Zeitraum Ihr erster Brief erfreut, wäre nur der Schluß tröstlicher gewesen und hätte die Nachricht von dem Falle mir nicht soviel Unruhe gebracht. Ich warte mit Schmerzen auf die Nachricht daß Sie wieder zu Hause, daß keine Folgen zu besorgen sind und bitte Sie inständigst rufen Sie mich, wie ich Ihnen nur einigermaßen nötig scheine zurück. So gewiß ich Jahrelang mit Nutzen hier verweilen könnte, so gewiß hab ich schon die obersten Gipfel des Großen und Schönen gepflückt und kann mein ganzes Leben davon zehren. Gesegnet fühl ich auch die Folgen auf mein Gemüth, das sich erheitert, das offener, theilnehmender und mittheilender wird. Wie sehr danck ich Ihnen, daß Sie mir so freundlich entgegen kommen, mir die Hand reichen und mich über meine Flucht, mein Aussenbleiben und meine Rückkehr beruhigen.

Endlich geht heut die umgeschriebene Iphigenie ab, nun werd ich gleich den Egmont endigen daß er wenigstens ein scheinbares Ganze mache.

[136] Das wichtigste, woran ich nun mein Auge und mei nen Geist übe sind die Style der verschiednen Völcker des Alterthums und die Epochen dieser Style in sich, wozu Winckelmanns Geschichte der Kunst ein treuer Führer ist. Mit Hülfe der Künstler Augen und eigner Combinations Gabe, suche ich so viel als möglich manches zu finden und zu suppliren, was uns Winckelmann jetzt selbst geben würde, wenn er in diesen Jahren eine neue Ausgabe veranstalten könnte. Von der neuen Kunst genieß ich was ich darneben kann.

Auch hab ich mich zu den Gemmen gewendet und werde eine kleine Sammlung der besten Schwefel mitbringen.

Vor einigen Tagen waren wir bei Jenckins. Dieser kluge und glückliche Schalck besitzt die herrlichsten Sachen. Er hat sich von kleinen Anfängen, durch geschickten Gebrauch der Zeit der Umstände und durch Vorschub seiner Landsleute zu einem großen Vermögen heraufgebracht.

Erst neulich als die Villa Negroni zu Kauf stand, associirte er sich mit einem, der zu dem Grund und Boden Lust hatte, er trat für die Statuen an und für allen Marmor in der Villa. Dafür gab er 12000 Scudi. Nun wendet er vielleicht noch 6000 auf die Restauration und den größten Theil dieser Summe löst er aus drey sitzenden Statuen wieder, die köstlich schön sind und drey Philosophen vorstellen. An unsre Zeichenakademie hab ich vielfältig gedacht,[137] auch einen Mann gefunden, wie wir ihn einmal brauchen wenn Krause abgeht, daß man mehr aufs solidere kommt. Ich habe wohl immer bey dem Einfluß, den ich auf die Schule hatte, gefühlt daß ichs nicht verstand; nun weiß ich das wie und warum.

Der Fürst v. Waldeck aus Böhmen ist hier, er empfiehlt sich Ihnen aufs beste. Es ist das fünftemal daß er nach Rom kommt. Er besitzt ein großes Münzkabinet welches zu kompletiren er gewaltig kauft. Doch sind seine Liebhabereyen nicht bloß antiquarisch, er hat eine schöne Böhmische Dame zur Gesellschafft. Sie war den letzten Sommer auch in Carlsbad, wir hörten aber nur ihre Liebenswürdigkeit rühmen, sie war schon als wir ankamen nach Töplitz abgegangen. Sie ist mit dem Bischoff von Prag verwandt, ihr alter Mann ist mit hier.

Der Fürst will die Küste von Albanien bis Dalmatien herauf bereisen, wenn ihn die Pest nicht hindert welche drüben herum schleichen soll. Er hat mir von einem ungeheuren Campement erzählt welches künftigen Sommer zwey Armeen die Böhmische und Mährische halten sollen. Sie werden davon schon beßer unterrichtet seyn.

Hier machen die Erklärungen der drey Geistlichen Churfürsten gegen die Anmaßung der Nunzien großes Aufsehn. Vorgestern haben die Maynzischen und Trierischen Geschäftsträger deshalb Audienz beym Papste gehabt. Cöln war vorausgegangen.

[138] In das neue lebendige Rom mag ich gar nicht hineinsehen, um mir die Immagination nicht zu verderben. Unmöglich kann es eine schlechtere Administration geben.

Man schreibt mir daß Sie wieder wohl zu Hause erwartet werden, daß Sie gleich nach Carlsruhe abgehn, das ist für Ihr Befinden ein gutes Zeugniß. Ich schicke deßhalb diesen Brief an Edelsheim. Bleiben Sie mir wohlgesinnt, damit ich mich meines Rückzugs über die Alpen lebhafft freuen möge.

Rom d. 20. Jan. 87.

G.


8/2560.


An Charlotte von Stein

Rom d. 17. [- 20.] Jan. 87.

Heute kommt mir dein Brief der mir die Ankunft des Tagebuchs meldet, wie erquickt er mein Gemüth. Seit dem Todte meiner Schwester hat mich nichts so betrübt, als die Schmerzen die ich dir durch mein Scheiden und Schweigen verursacht. Du siehst wie nah mein Herz bey dir war. Warum schickt ich dir nicht das Tagebuch von jeder Station! Ich kann nur sagen und widerholen verzeih und laß uns von neuem und freudiger zusammen leben. Mein kürzeres Tagbuch von Venedig auf Rom hast du nun auch. In Rom konnt ich nicht mehr schreiben. Es dringt zu eine grose Masse Existenz auf einen zu, man muß[139] eine Umwandlung sein selbst geschehen laßen, man kann an seinen vorigen Ideen nicht mehr kleben bleiben, und doch nicht einzeln sagen worinn die Aufklärung besteht. Meine Briefe, die ostensiblen Blätter mögen eine Art Tagebuch vorstellen. Die Reise nach Neapel sollst du geschrieben und gezeichnet haben, denn Tischbein geht mit. Ich wiederhohle daß du mit allem was ich dir schicke schalten und walten magst nach Gefallen. Der Herzoginn Mutter, Franckenbergs Prinz August, oder sonst wem du mein Andencken erneuern, wen du dir und mir durch kleine Freuden verbinden willst.

Du schreibst mir der Herzog gehe nach Carlsruh, er ist in Politicis so tief, daß ich nicht dencke seine Absicht sey über die Alpen zu gehen.

Käme irgend so ein Gedancke vor; so sorge daß nichts ohne meinen Rath geschehe. Italien ist ein wunderlich Land für Fremde, besonders Vornehme Reisende. Ich kann nun schon manche Kosten, manchen Verdruß ersparen und manchen Genuß verschaffen. Rom ist sogar ein wenig kleinstädtisch in manchen Dingen, davon mündlich mehr. Ich hoffe nun auf deine Worte wegen meines Aussenbleibens und was meine Geliebte zu meinen verschiednen Reiseplanen sagt. Kranz war heute bey mir er geht das Neapolitanische Carnaval zu besuchen. Er ist dick und fett geworden. Der Prof. Moritz geht wieder aus, sein Arm ist glücklich kurirt. Tischbein wird mir immer werther.

[140] Nun noch ein Wort, ich komme von einem ins andre. Knebel scheint hieher kommen zu wollen, ich weiß nicht recht was ich dazu sagen soll. Wäre er gleich jetzt hier, würde er mir unendlich werth seyn, kommt er wenn ich von Neapel zurück komme; so kreutzen wir uns und helfen einander nicht. Übrigens kann ich nichts dazu sagen, weil ich nicht weiß was ihr über mein Aussenbleiben entscheiden werdet.


d. 18.

Ich dancke dir für alle Nachrichten, auch von des alten Königs Nachlaß. Wie gern ist man still wenn man so einen zur Ruhe gebracht sieht. Heute haben wir einen guten Tag gehabt, einen Teil des Capitols besehn, den ich bisher vernachläßigt, dann setzten wir über die Tiber und trancken spanischen Wein auf einem Schiffe. Ein Stück Ufer dieses Flusses hab ich dir gekritzelt ohngefähr 1000 Schritte weiter unten als der Platz wo Romulus und Remus gefunden worden.

Wir sahen bey einem Geistlichen der ohne groses angebohrnes Talent sein Leben der Kunst gewidmet hat, sehr interessante Kopien trefflicher Gemählde, die er in Miniatur nachgebildet hat. Sein vorzüglichstes ist ein Abendmal nach Leonard da Vinci in Mayland.

Kann ich dir einen Umriß mitbringen, so bin ich glücklich. Der Moment ist genommen da Kristus den Jüngern, mit denen er vergnügt und freundschafftlich zu Tische sitzt, sagt: Aber doch ist einer unter euch der mich verräth. Mit Worten ist da nichts sagen,[141] wenns möglich ist, sollst du einen Schatten des Bildes sehn.

Der Herkules Farnese wird nach Neapel gebracht, worüber das ganze Künstler-Rom trauert, es ist ein Werck von unbegreiflicher Kunst und Schönheit.

Diese Tage ward das Trauerspiel Aristodem glücklich aufgeführt. Der Haupt Ackteur spielte sehr gut, man glaubte einen der alten Kayser auftreten zu sehn. Sie hatten das Costum in Theater Pracht recht gut übersetzt und man sah dem Schauspieler an daß er die Anticken studirt hatte.

Gewiß ist in Rom alles zu studiren, wer Sinn und Trieb hätte. Obgleich die Künste würcklich schwach getrieben werden, am schwächsten die Musick.

d. 17. war das Fest der Pferde Weihe, wo zu der Kirche des Anton Bischoff alle Pferde und Maulesel geputzt vorgeführt werden. Es ist ein lustiges Fest besonders für Kutscher und Pferde Verleiher.

Lebe wohl. Diesmal sag ich dir nicht mehr als bleibe bey mir und erhalte mir deine Liebe.

Tausendmal denck ich an dich. Grüse alles. Fritzen und Ernsten dancke für die Briefe. Schicke mir nur alles was Fritz schreibt.


d. 20. Jan.

Ich fange noch ein Blat an, denn ich finde manches zu sagen.

Frage doch die regierende Herzoginn ob sie nicht vielleicht etwas von dem alten oder neuen Rom besonders[142] zu wissen verlangt. Sie liest die römische Geschichte fleißig und da kommt vielleicht etwas vor das sie näher untersucht oder bestimmt verlangt.

Eine wunderbare Erscheinung war mir hier der Fürst von Waldeck mit dem Schätzgen aus Carlsbad. Ich habe ihn besucht, sie aber nur von weiten gesehen. Sie ist mit dem Bischoff von Prag verwandt und ihr alter Mann ist auch mit hier, also kann es wohl nicht fehlen, daß es das Silhouettchen sey.

Franckenbergs grüße 1000mal und versichre daß ich wegen Ganganellis Todt scharfe Nachfrage halten werde. Grüße den Geh. Assistenz Rath Schmidt und Hofr. Voigten aufs beste.

Daß mein Packet auf deinen Geburtstag ankam freut mich doch, ich hab ihn im stillen gefeyert. Deine Briefe hab ich alle richtig erhalten. So wie du meine. Ich dancke dir fürs Liedchen und für jedes herzliche Andencken.

Ich habe Hoffnung Egmont, Taßo, Faust endigen, und neue Gedancken genug zum Wilhelm. Zugleich les ich den Livius- und ich würde dich verwirren wenn ich dir sagen wollte was sonst alles auf mich zudringt.


Abends.

Dein Brief vom 1. Jan. ist mir gekommen und hat mir Freude und Schmertzen gebracht. Dazu kann ich nichts weiter sagen als: ich habe nur Eine Existenz, diese hab ich diesmal ganz gespielt und spiele[143] sie noch. Komm ich leiblich und geistlich davon, überwältigt meine Natur, mein Geist, mein Glück, diese Krise, so ersetz ich dir tausendfältig was zu ersetzen ist. – Komm ich um, so komm ich um, ich war ohne dies zu nichts mehr nütze.

Moritz wird mir wie ein Spiegel vorgehalten. Dencke dir meine Lage, als er mir mitten unter Schmerzen erzählte und bekannte daß er eine Geliebte verlaßen, Ein nicht gemeines Verhältniß des Geistes, herzlichen Anteils pp zerrißen, ohne Abschied fortgegangen, sein bürgerlich Verhältniß aufgehoben! Er gab mir einen Brief von ihr, den ersten zu eröffnen, den er zu lesen sich in dem fieberhafften Zustande sich nicht getraute. Ich mußte ihr schreiben, ihr die Nachricht seines Unfalls geben. Dencke mit welchem Herzen.

Jetzt geht er wieder aus und schleicht zu mir. Was ist das Leben! was sind die Menschen! Du siehst aus meinen vorigen Briefen daß ich gern und willig wiederkehre daß mein Gemüth nur zu euch zurückhängt. Möge es mir werden.

Grüse Herdern. Hier schick ich einen Probe Druck des Kupfers zum 3ten Bande. Die Platte selbst soll mit den Vignetten den nächsten Posttag abgehn.

Auch leg ich einige Visiten Karten, zum Spase für Fritzen bey. In einem Packet das ein Reisender nach Deutschland mitnimmt liegen ihrer mehr die er an Freunde austheilen mag. Hätt ich ihn nur bey mir.

Gestern Abend verlangte Angelika daß ich ihr[144] etwas aus der Iphigenie läse, ich sagte ihr daß ich verlegen sey wegen der Seltsamkeit des Versuchs den ich mit diesem Stücke gewagt. Dagegen erzählt ich ihr und ihrem alten italienischen Gemahl den Plan und Gang des Stücks, sie hatten viel Freude daran. Du hättest sehn sollen wie der Alte alles so gut sentirte, von ihr versteht sichs von selbst.

Grüse Hofr. Voigt, mit dem nächsten Posttag schreib ich ihm. Das gleiche kannst du etwa Hendrichen sagen, wenn du ihn stehst.

Fritzen bringe ich Schwefel Abdrücke mit.

Weißt du etwa was Ernsten Freude machte, ingleichen den kleinen Herders. Den letzten wollt ich ein Studium der Marmorarten mitbringen.

So lang ich hier bin kannst und sollst du immer von mir hören, wie ich nach Neapel rucke wird eine kleine Pause werden.

Grüße Steinen und alle. Die Imhof und die Kleine, überhaupt wenn man einmal so zusammensäße; könnte man mir ein kollegialisch Briefgen schreiben. Indem der mir schreibt bring' ich ein Bildgen mit.

Lebe wohl. Mein bester Wunsch für dieses Jahr ist dich wieder zu sehn.

d. 20. Abends.

G.[145]


8/2561.


An den Freundeskreis in Weimar

Rom d. 25. Jan. 87.

Nun wird es mir immer schwerer von meinem Aufenthalte in Rom Rechenschafft zu geben. Denn wie man die See immer tiefer findet ie weiter man hineingeht; so geht es auch mir in Betrachtung dieser Stadt.

Man kann das Gegenwärtige nicht ohne das Vergangne erkennen und die Vergleichung von beyden erfordert mehr Zeit und Ruhe.

Schon die Lage dieser Hauptstadt der Welt, führt uns auf ihre Erbauung zurück. Wir sehen bald, hier hat sich kein wanderndes, groses, wohlgeführtes Volck niedergelaßen und den Mittelpunckt eines Reichs weislich festgesetzt, hier hat kein mächtiger Fürst einen schicklichen Ort zum Wohnsitz einer neuen Colonie bestimmt. Nein Hirten und Gesindel haben sich hier zu erst eine Stäte bereitet, ein Paar rüstige Jünglinge haben auf dem Hügel den Grund zu Pallästen der Herrn der Welt gelegt, an dessen Fuß, sie die Willkühr des Ausrichters zwischen Morast und Schilf einst hinlegte. So sind die sieben Hügel Roms nicht Erhöhungen gegen das Land das hinter ihnen liegt, sie sind es gegen die Tiber und gegen das uralte Bette der Tiber, was Campus Martius ward; Erlaubt mir das Frühjahr weitere Exkursionen so will[146] ich die unglückliche Lage ausführlicher schildern. Schon jetzt nehm ich den herzlichsten Anteil an dem Jammergeschrey und den Schmerzen der Weiber von Alba, die ihre Stadt zerstören sehn und den schönen von einem klugen Anführer gewählten Platz verlaßen mußten um an den Nebeln der Tiber Theil zu nehmen, den elenden Hügel Coelius zu bewohnen und von da nach ihrem verlaßnen Paradiese zurückzusehn. Ich kenne noch wenig von der Gegend aber ich bin überzeugt kein Ort der Älteren Völcker lag so schlecht als Rom und da die Römer endlich alles verschlungen hatten, mußten sie wieder mit ihren Landhäusern hinaus und an die Plätze der zerstörten Städte rücken, um zu leben und des Lebens zu genießen.

Hundert Gedancken die sich hier zu drängen weis' ich zurück, denn ich könnte ihnen auf dem Papier weder Ausdehnung noch Vollständigkeit genug geben.


8/2562.


An Charlotte von Stein

Rom d. 25. [- 27.] Jan. 87.

Es naht der Sonnabend und ich muß meiner geliebten ein Blat bereiten. Hierbey liegt ein ostensibles woraus einigermaßen ein Bild meiner jetzigen Lage, meiner Beschäfftigungen erscheinen wird. Vom Herzog habe ich einen Brief von Maynz, so mild, wohlthätig, schonend, aufmunternd und herzlich, daß mir auch von[147] dieser Seite meine Lage die glücklichste scheinen müßte. Und sie wird es seyn, sobald ich an mich allein dencke, wenn ich das, was ich solang für meine Pflicht gehalten, aus meinem Gemüthe verbanne und mich recht überzeüge: daß der Mensch das Gute das ihm wiederfährt, wie einen glücklichen Raub dahinnehmen und sich weder um Rechts noch Lincks, vielweniger um das Glück und Unglück eines Ganzen bekümmern soll. Wenn man zu dieser Gemüthsart geleitet werden kann; so ist es gewiß in Italien, besonders in Rom. Hier wo in einem zusammensinckenden Staate, jeder für den Augenblick leben, jeder sich bereichern, jeder aus Trümmern sich wieder ein Haüsgen bauen will und muß.

Der Herzog verlangt mich vor Weynachten dieses Jahrs nicht zurück, ich erwarte was du mir schreibst, und führe meinen Plan sachte fort, um das meiste zu thun und auszulangen.

Grüße Franckenberg und schreibe ihm vorlaüfig: Ganganellis Todt komme mir, auch hier am Orte, problematisch vor, ich wolle, wie es einem treuen Geschichtschreiber in solchen Fällen geziemt, das pro und contra sorgfältig studiren, referiren und das Urtheil alsdann meinen Lesern überlaßen. Ich bitte mir nur Zeit dazu aus.

Bey der großen Menge von Ideen wird es mir sauer zu schreiben, denn es sind keine einzelne Bemerckungen und Begriffe, sie sind zusammenhängend,[148] haben mancherley Beziehungen unter sich und bewegen sich wenn ich so sagen darf jeden Tag weiter. Glücklich wäre ich wenn ich jemand Liebes bey mir hätte, mit dem ich wachsen, dem ich meine wachsende Kenntniße unterwegs mittheilen könnte, denn zuletzt verschlingt das Resultat die Annehmlichkeiten des Werdens, wie die Herberge Abends die Mühe und die Freude des Wegs verschlingt.

Von Tischbein kann ich lernen, er nicht von mir und was in mir sich macht, das ist in ihm schon geworden. Desto mehr freut es mich wenn ich auf Spuren komme die er für die rechten erkennt. Ich kann nicht ausdrucken was für ein trefflicher gebildeter Mensch er ist.

Über die Vorsicht Franckenbergs daß ich hier mich nicht verlieben soll mußte ich lachen; du hast nur Eine Nebenbuhlerinn bisher und die bring ich dir mit das ist ein kolossal Kopf der Juno. Zwar könnt ich noch eine dazu setzen das ist die Minerva von Justiniani, diese darf aber kaum berührt und nicht geformt werden, sonst packt ich sie auch auf; übrigens mag ich fast nichts besitzen. Das Transportabelste treffliche sind die Schwefel, welche die Herzoginn Mutter schon alle besitzt und wovon ich nur eine Auswahl Fritzen mitbringen werde; auf Münzen kann ich mich nicht einlaßen, das übrige ist meist Kinderey, wenn ich die Sachen ausnehme die Jenckins besitzt, der einen ungeheuren Preis auf sie legt.

[149] Die Gemmen hab ich in Schwefelabdrücken ziemlich studirt, nun muß ich mich noch auf die Münzen werfen und auch über dieses Feld will ich mir bald einen Blick machen. Wer Rom gesehn hat, dem muß alles Andre zufallen.

Wenn ich gedencke was für schöne Sachen in Deutschland, in unsrer Nähe sind, die mir nun erst alle geniesbar werden; so freu ich mich recht auf nach Hause. Wie hab ich in alle diesen Sachen herumgetappt, nun erscheint mir das liebe Licht und wie freut michs daß ich dir's bringen kann. Ich errinnere mich noch wohl wie einem alle Menschen biß zur Verzweiflung imponiren, die aus Italien kommen, ich will euch keine Schmerzen, sondern Freuden, keine dunckle, sondern klare Begriffe mitbringen, euch nicht nur sagen: ich hab es gesehn, sondern es euch sehen machen.

Du kommst meiner Bitte zuvor, die ich thun wollte, meine Mutter an dem was ich schreibe und schicke Theil nehmen zu laßen.

Kranz hat sich hier nur wenige Tage aufgehalten, für einen Musikus ist hier wenig zu thun, ich kann weder sein Betragen noch seine Kunst beurtheilen ob ich ihn gleich einigemale gesehn und auch ein klein Concertgen Abends eingerichtet habe. Es sind zu wenig Data. Dies sage dem Hofmarschall mit einem Gruße.

Ich empfehle dir den Landkammerrath Riedel, hilf ihm bey seinem Eintritte in die neue Welt, die ihm[150] wunderbar vorkommen wird. Wahrscheinlich kommen ihm Sachen vor aus denen er sich nicht gleich zu helfen weiß. Thu es um des guten Menschen und um der Herzoginn willen. Auch sage ihm: er soll mir hierher nur ganz offen schreiben, was ich ihm abwesend nützen kann thu ich gerne.

Heute geht auch ein Packet an Herdern ab, sag es ihm doch. Es wird wohl ein wenig später ankommen als dieser Brief. Laß dir aber alles zeigen was es enthält. Freut euch meines Andenckens und haltet zusammen.

Meine Existenz hat nun einen Ballast bekommen, der ihr die gehörige Schweere giebt ich fürchte mich nun für denen Gespenstern nicht mehr, die so oft mit mir gespielt haben. Sey auch gutes Muths; so wirst du mich oben halten und mich zu dir zurück bringen.

Danck für alles. Grüße Fritzen! Hier muß ich endigen.

d. 27. Jan. 87. Rom.

G.


8/2563.


An Johann Gottfried Herder

Rom d. 25. [- 27.] Jan. 87.

Du erhältst diesmal ein starckes und schweres Packet, laß dir das Porto von Seideln wiedergeben und habe die Güte nun die letzte Hand an meine[151] Wercklein zu legen, auch die Zueignung zu korrigiren und zu interpuncktiren, dann sie mit den Platten nach Leipzig zu schicken.

Es wird auf das vorstehende Blat nur gesetzt Zueignung nicht Zueignung ans deutsche Publikum, wie es in der Anzeige hies. Was ich damals im Sinne hatte, habe ich nicht ausgeführt, vielleicht thue ich es zu Anfang des fünften Bandes oder vor dem letzten der vermischten Schrifften. Ich wünsche indeß daß du billigen mögest daß ich den Eingang des großen Gedichts hierher setze, mir scheint er auch hier paßlich und schicklich, zugleich auch sonderbar und so mag es hingehn.

Nun wird an Egmont bald gearbeitet werden, sobald ich nur erst eine rechte Bresche in die Römische Geschichte gearbeitet habe. Zwey Bücher des Livius liegen hinter mir, zur Abwechslung les ich den Plutarch. Ich freue mich sehr dir auch in der Geschichte entgegen zu kommen. Denn was du durch die Gewalt des Geistes aus der Überliefrung zusammengreifst, das muß ich nach meiner Art aus jeder Himmelsgegend, von Bergen, Hügeln und Flüßen zusammschleppen.

Frau v. Stein wird euch ein Blätgen geben, worauf ich mich beziehe.

Münter wird im May kommen und euch mancherley erzählen können. Er war zwey Jahre in Italien; wie er sie für sein Fach benutzt hat weiß ich nicht. Gegen mich hat er sich sehr gut betragen, übrigens ist[152] aber etwas tolles im Menschen. Er wird auf die Italiäner schimpfen und verschweigen wie er sich aufgeführt. Wie er mit königlichen Empfehlungsschreiben gewaffnet, die Menschen belagert und angegriffen, schickliches und unschickliches auf eine stürmische Weise verlangt und sich recht wie ein verzognes Kind bezeigt. Er wird gestehn daß er zuletzt ohne seinen Zweck zu erhalten abziehen müßen, daß man ihn zum Besten gehabt und das auf eine Art, daß er sich nicht darüber beklagen kann. Er bringt Münzen mit, die dich erfreuen werden, sein Übriges wirst du selbst beurtheilen.

Ein sorgfältiges Auge wende ich immer fort auf die verschiednen Style der Völcker und die Epochen dieser Style in sich. Man könnte Jahre sehen und würde noch immer neue Bestimmungen finden, es ist zu sehr Stückwerck was uns übrig bleibt. Dann übe ich mich die verschiednen Gottheiten und Helden zu studieren. Was die alten darin gethan haben, ist nicht ausgesprochen und nicht auszusprechen, davon möcht ich nicht reden sondern es meinen Freunden zeigen, wenn ich mich selbst erst sichrer gemacht hätte. Was sollte und könnte man hier für Fremde thun, und wie wenig geschieht! Wie wenig ist's aber auch den meisten Ernst was rechts zu sehn und zu lernen.

Die meisten denen hier Fremde in die Hände laufen haben Absichten und dann Adieu wahrer Unterricht und treue Leitung. Nach und nach rücke ich aus meiner[153] Verschantzung, aus der ich erst alles beobachtet habe und sehe Menschen, deren es gewiß treffliche hier und da im stillen giebt. Vor einigen Tagen besucht ich den Pater Jaquier einen Franziskaner auf Trinita di Monte, ein Franzose von Geburt, der durch mathematische Schrifften bekannt ist. Er ist hoch in Jahren und ein sehr verständiger Mann, Hat zu seiner Zeit die besten Männer gekannt, sogar einige Monate bey Voltairen zugebracht, der ihn sehr in Affecktion nahm.

Die Propagande näher zu sehen mach ich auch Anstalten. Der Geist der ersten Stifter scheint freylich verflogen, zur Ausbreitung der Päpstlichen Macht war es ein großes Institut.

Auf Trinita di Monte wird abermals ein Obelisk aufgerichtet, ein kleinerer der bey St. Giovanni in Lateran auf der Erden liegt, der Grund wird schon gegraben.

Das Theater hat mir noch wenig Freude gegeben, vielmehr kann ich wohl sagen, es waren meine verdrüßlichsten Stunden in Rom und doch muß man es sehen um es gesehen zu haben.

Bey Angelika bin ich manchmal die gar liebenswürdig und angenehmen Umgangs ist.

Übrigens schwelgt man hier in Rom in soviel Kostbarkeiten daß man sich offt genötigt sieht einige Tage auszuruhen und sich mit gleichgültigern Sachen zu beschäfftigen oder die Zeit zu vertrödeln.

Ich hoffe es sollen Briefe von Euch unterweegs seyn, ich habe solange nichts von Euch gehört.

[154] Und ich dencke immerfort an Euch lieben und vermiße so sehr daß jemand hier mit mir zugleich wachse und jung sey. Das Leben hier ist eine zweyte Jugend; Tischbein ist schon hier alt geworden und verhält sich in diesem Leben zu mir wie ein gemachter Mann zum Jünglinge.

Ich lese den zweyten Teil der zerstreuten Blätter immer den Künstlern wieder vor. Ich sage nicht wie gut er sich in Rom ausnimmt und wie selten es ist daß sich in Rom etwas gut ausnehme. Tischbein begreifts nicht wie du es hast schreiben können ohne hier gewesen zu seyn.

Noch eins. Wenn Münter kommt! Er prätendirt ein Manuscript zu haben das die Münzwissenschafft auf scharfe Kennzeichen, wie die Linnaische sind, zurückführt, laß dirs doch zeigen, und wenn es so ist, laß mirs abschreiben. So etwas zu machen ist möglich, gut wenn es gemacht ist und ich brauch es, denn ich muß nun auch über diese Trümmern mich ausbreiten.

Ich habe einige recht gute und solide Menschen kennen lernen, dergleichen noch manche hier in der Abgeschiedenheit stecken mögen. Übrigens hab ich sehr klüglich gehandelt im Verborgnen mich einzuschleichen, kaum war es ruchtbar; so drängte sich viel an mich, ich hatte aber schon Posto gefaßt und konnte sie auswarten. Jedem war es nicht um mich zu thun, sondern nur seine Partey durch mich zu verstärcken, als[155] Instrument wollten sie mich brauchen und wenn ich hätte hervorgehn, mich deklariren wollen, hätte ich auch als Phantom eine Rolle gespielt. Nun da sie sehen, daß nichts mit mir anzufangen ist, laßen sie mich gehen und ich mache meinen sichern Weg fort.

Lebt wohl und bleibt mit eurer Liebe bey mir; Auch heute hab ich keinen Brief von Euch erhalten. Schreibt mir doch und laßt allenfalls die Kinder schreiben. Grüßt sie und lebt wohl, ich bin immer bey euch und möchte euch nur manchmal zu mir herüber hohlen.


8/2564.


An Charlotte von Stein

[1.-3. Februar.]

Diesen Brief will ich anfangen zu numeriren da ich es mit den vorigen versäumt.

a.

No 1.

d. 1. Febr. 1787. Rom.

Am Abende eines sehr schönen Tages muß ich dir schreiben, obgleich herzlich müde denn ich bin von Morgens biß in die Nacht auf den Beinen. Ich fülle nun die Lücken aus und sehe was ich noch nicht gesehen und das nothwendigste zum zweyten und dritten male. So müste ich fortfahren, wenn es etwas recht solides mit mir werden sollte, doch hoffe ich für mein Verhältniß genug zu thun. Auf dem rechten Weg bin ich gewiß.

[156] Nun kann ich auch fröhlicher an das Werck gehn, denn ich habe einen Brief von dir in welchem du mir sagst, daß du mich liebst, daß du dich meiner Briefe und Nachrichten freust. Könnt ich dir nur recht viel geben. Meine Selbstgespräche bey den besten Gegenständen sind an dich gerichtet, wenn sie nur gleich auf dem Blatte stünden.

Was den Gedancken an dich betrifft; kann ich dem Rath des Peruginischen Grafen nicht folgen, sonst hab ich würcklich jetzt eine. . . .

Daß ich nicht zuviel sage, täglich ordnet sich mehr was ich sehe und gesehn habe und indem die großen Gegenstände an ihre – rechten Plätze kommen; so ist für sehr viele Platz und Raum. Vom einzelnen kann ich fast gar nichts mehr sagen. Meine Liebschafften reinigen und entscheiden sich mehr und mein Gemüth kann sich dem größeren mit gelaßner Theilnehmung entgegen heben. Erstaunend schwer ist es sehen zu lernen ohne selbst Hand anzulegen und doch habe ich keine Zeit dazu, auch würde es mich auf eine Weile beschräncken und zu sehr aufs einzelne führen. Ich spanne alle Seegel meines Geists auf um diese Küsten zu umschiffen.

Nun kommt das Carneval, das uns eine edle Woche und mehr rauben wird. Es sey drum da man Volck sieht, ist auch zu lernen.

. . . . schon drei Junonen neben einander stehen.

Durch diese Vergleichung lern ich in Geschwindigkeit was andre nur in Jahren zusammen suchen.[157]


d. 2ten.

Wie hab ich nicht wieder heute an dich gedacht!

In der Sixtinischen Capelle war Amt wo die Kerzen geweyht werden. Ich war einen Augenblick drinn und bin wie ich schon schrieb für dieß Hockuspockus ganz verdorben.

Nachher machten wir einen großen Spazirgang und kamen auch auf St. Onufrio wo Tasso in einem Winckel begraben liegt. Auf der Bibliothek haben sie eine Büste von ihm. Das Gesicht ist von Wachs und soll über seinen Leichnam gegossen seyn. Es ist nicht ganz scharf und hier und da verdorben, im ganzen aber ein trefflicher, zarter, feiner Mensch.

Entschuldige mich überall wenn ich nicht schreibe. Grüße die Schwester und Schwägerinn und dancke für die Blättgen, sie sollen auch jedes ein Bildgen haben. Der Herzoginn empfiel mich aufs beste und dancke für Ihren Brief. Das Wetter ist so schön, zu Hause ist es kalt, in meiner Stube ist weder Ofen noch Camin und da wird es zum schreiben nicht haüslich. Künstige Woche haben wir das volle Carneval, Morgen gehn die neuen Opern an und ob mich gleich auch das Theater so wenig mehr, als der Pfaffen Mummerey freuen oder interessiren kann; so muß man es doch sehn. Dennoch schreib ich nächsten Posttag und wärens nur wenig Worte. Auch mach ich ein Packet zurechte, das ein Hannoveraner der nach Deutschland zurückgeht mitnehmen wird, in dem du für dich und für Freunde[158] und die Kinder Scherz und Ernst finden wirst. Herdern hab ich mit den Kupfer Platten allerley geschickt, das euch hoff ich eine gute Stunde machen soll.

Übrigens ists Zeit daß ich aus Rom gehe, und eine Pause der allzustrengen Betrachtung mache, wenigstens die Gegenstände verändere auf Neapel freue ich mich, und wenn ihr mich länger entbehren wollt auf Sicilien.

b.

Ich habe mich auf den Vorsaal ans Camin gesetzt und finde bey der Wärme Lust und Muth ein neues Blat anzufangen, denn es ist doch gar zu schön daß man in eine so große Ferne so gewiß reichen kann.

Wie verlangts mich auf Nachricht der Aufnahme Iphigeniens und ob ihr Freude aus der Mühe, aus dem Fleiße habt schöpfen können, den ich noch an das Glück gewendet habe. Man unternimmt nur zu viel! und ich darf an meine vier letzten Theile nicht im Ganzen dencken; so möchte mirs schwindlich werden. Ich muß sie einzeln angreifen und so wirds gehn.

Den Gedancken diese Gegend mit dir zu genießen, kann ich nicht aufgeben und darf ihn nicht scharf dencken. Ich sehe schon die Sachen nur mit dem Wunsche sie dir zu zeigen. Das Wetter ist ganz herrlich die Tage nehmen mercklich zu, die Lorbeern, Buxbäume blühen schon, heute sah ich den ersten Mandelbaum in Blüte. Die Maaslieben hören gar nicht auf hervorzukommen, heute fand ich Crokus und Adonis.

[159] Was wird mir nicht erst das mittägigere Land für Freuden und für Kenntniße geben, und ich müßte mich sehr betrügen wenn ich nicht einige schöne Resultate herausdencken wollte. Das sehe ich nun wohl um einen allgemeineren Begriff von den Volkanen zu haben, muß man den Etna mit Verstand und Sorgfalt bereisen.

Es ist mit den natürlichen Dingen wie mit der Kunst, es ist so viel darüber geschrieben und wenn man sie sieht, läßt sich doch wieder eine neue Combination machen.

Grüße Fritzen ich werde ihm durch Kranz etwas schicken auch den kleinen Herders. Grüße Stein und Ernst.

Der Göchhausen sage: es sey gar trotzig von ihr, daß sie mir nicht geschrieben, sie werde, wenn sie sich nicht beßre, kein Bilden erhalten.

Klinckovström sage, ich schicke durch Kranzen Brokoli Saamen an ihn, damit er ihn pflanzen und unsrer Fürstinn einen guten Salat bereiten laße, er soll auch andern Freunden davon etwas zu genießen geben. Nähere Anweisung kommt mit dem Samen.

Könnt ich nur recht vieles zu Euch verpflanzen. Wie leid ist mirs daß du von dem Caffe zuviel weggegeben, wie lieb daß er dir wohl schmeckt, wenn er nur auch wohl bekommt. Man kann mehr verschreiben, ich habe mir eine Adresse behalten, der Ankauf ist nicht theuer, das Porto, macht eine schwere Auflage.

[160] Lebe mir und liebe mich.

Ich lese jetzt des guten, trocknen Volckmanns zweyten Teil, um mir zu notiren was ich noch nicht gesehen. So schön die Tage sind muß ich zu Hause bleiben und eine Pause in meinen Wanderungen machen. Von der Schönheit im vollen Mondschein Rom durchzugehen hat man, ohne es gesehn zu haben, keinen Begriff. Alles Detail, wird von den großen Massen des Lichtes und des Schattens verschlungen und nur die größten allgemeinsten Bilder stellen sich dem Auge dar. Seit 3 Tagen sind die hellsten und herrlichsten Nächte die wir wohl genoßen haben.

Einen besonders schönen Anblick gab uns das Colisee. Es wird Nachts zugeschloßen, ein Eremite wohnt an einem Kirchelchen drinne, und Bettler nisten sich in die zerfallnen Gewölbe. Sie hatten, scheint es, ein Feuer angemacht und eine stille Luft trieb den Rauch erst auf der Arena hin, daß der untere Theil der Ruinen bedeckt war und die ungeheuern Mauern oben drüber heraus sahen. Wir standen an dem Gitter und sahen dem Phänomen zu. Der Mond stand hoch und heiter. Nach und nach zog sich der Rauch durch die Gewölbe, durch die Ruinen Wände und der Mond beleuchtete ihn wie einen Nebel. Der Anblick war köstlich. So muß man das Pantheon, das Capitol beleuchtet sehn. Den Vorhof der Peterskirche und andre große Straßen und Plätze.

Lebe wohl. Was mittheilbar ist, schreibst du den[161] Freunden aus. Liebe mich, sage mirs, daß ich lebe und mit Freuden wandle. Schon ist mirs als wäre ich auf dem Rückwege zu Euch. Theile auch manchmal Wielanden mit einem Gruße etwas mit. Daß nur nichts abgeschrieben werde.

d. 3. Febr. 87.

G.

Grüße gelegentlich Einsiedeln.


8/2565.


An Johann Gottfried und Caroline Herder

Auf Euren Brief vom funfzehnten sollt Ihr gleich ein Wort haben das wohl nicht von großer Bedeutung seyn wird, denn das Beste das ich mitzutheilen habe ist zu lang und zu breit als daß man mit Quartblättern anfangen dürfte.

Nun verlangt mich auf Nachricht daß Iphigenie angekommen, auf ein Zeugniß wie sie aufgenommen worden. Ich habe zuviel wichtige Zeit und gute Kräffte drauf gewendet, als daß mirs gleichgültig seyn sollte was geworden ist und wie mans empfangen kann.

Durch Rom hab ich mich durchgesehn und es ist Zeit daß ich eine Pause mache. Die Mummereyen des Carnevals mögen noch vor meinen Fenstern vorüber gehn, dann nach Napel. Palmarum bin ich wieder da und richte meine Reise weiter ein, wie mir Eure Stimmen zurufen und wie der Geist treibt. Ich[162] könnte nach Ostern gleich nach Sicilien gehn, denn das Land ist im April und May noch bereisbar, obschon heis genug, und sehn müßt ich's denn doch.

Was Kunst betrifft hab ich nun Grund gelegt und kann nun drauf bauen wie es Zeit und Umstände erlauben, das Alterthum ist mir aufgeschloßen und die Geschichte lieb, darinn sollst du mir nun forthelfen und mir haben ein Paar Vereinigungs Punckte mehr. Laß uns zusammenhalten; es ist in der ganzen Welt ein lumpig kümmerlich Wesen.

Komm ich zurück; so lesen wir Winckelmanns Geschichte der Kunst zusammen, da giebts Gelegenheit von allem zu reden und ich will schon kommentiren daß du dich freuen sollst, wenn ich nur Beyspiele genug mitnehmen kann. Der Transport kostet soviel und wir müßen alles aus eignen Kräfften thun.

Die Kinder sollen mir schreiben was ich ihnen mitbringen soll. Wenn ich ihre Zeilen am Rande deines Briefs recht lese; so will August Palläste und Gottfried Abdrücke von Gemmen haben, beyde sollen befriedigt werden, ich bringe ihnen auch ein schön Studium antiker Marmorarten mit.

Wenn ich nun recht der Art meines Geistes nachgehn wollte; so müßte ich hier eine Zeitlang ruhen und dann die Augen wieder aufthun; am liebsten käme ich in einigen Jahren wieder hierher, denn nun muß erst manches verarbeitet und mancher Mittelbegriff rein werden.

[163] Du wirst auch mir einen großen Dienst erzeigen wenn du in den Ideen den Gesichtspunckt der Geschichte zurechte rückst. Denn wie mir es jetzt scheint hat uns das alte und neue Rom, alles schief gerückt.

Ich wollte dir, bey deiner Übersicht der Völcker den Einfluß wünschen den ein Vorsteher der Propagande hat. Monsigr. Borgia scheint sich ihn zu Nutze gemacht zu haben. Er besitzt eine schöne Münzsammlung und ein Antiquitäten Cabinet zu Velletri, das besonders an Egyptischen Sachen reich seyn soll.

Da ein Geistlicher der sich jetzt in Franckreich aufhält über die Marmor und Steinarten ein Werck auszuarbeiten dachte, ließ man ihm von der Insel Paros Stücke Marmor kommen, um gewiß zu werden was Parischer Marmor sey. Ich habe davon auch Vortheil gezogen und mir die Muster, welche übrig geblieben waren, angeschafft. Ich habe nun zwölf Stücke verschiednen weisen Marmors der zur Bildhauerey und Architecktur gebraucht wurde. Wie viel mir meine nun schnell wachsende Kenntniß des Materials der Künste, zu ihrer Beurtheilung hilft begreiffst du ohne viel Worte.

Lebet wohl meine Lieben und laßt die Kinder schreiben und schreibt mir auch oft, adressirt die Briefe nur hierher, oder gebt sie Seideln, ich laße mir sie nach Neapel nachschicken. Ich freue mich auf den Tag der mich zu euch zurückbringen wird, es scheint mir[164] als wenn uns das Fleckgen Thüringen festhalten werde. Gern will ich euch alsdann das ‹›r. Haus ‹› tragen helfen, dessen Ende ich vorerst zum Frühjahr herzlich wünsche. Lebt wohl, liebt mich.

Durch Kranzen schick ich den Kindern indeß einige Steingen und Scherben zum Spiel und Vorbereitung. Lebt wohl.

Rom d. 3. Febr. 87.

Ein Maytag!

G.


8/2566.


An Christian Gottlob Voigt

Wie sehr ich meinen zurückgelaßenen Freunden, wie sehr den Geschäfften angehöre, an deren Faden fortzugehn ich gewohnt bin, habe ich recht lebhaft bey Lesung Ihres Briefs empfunden, der bey mir ein recht sehnliches Verlangen erregte, wieder nach Hause zurückzukehren.

An dem Unfall des Geschwornen nehm ich herzlichen Anteil, doppelt, um des guten Manns und um des Geschäffts willen. Das übrige hat mir Ursache zur Freude gegeben. Werden Sie nicht müde bey so mancher Arbeit auch noch meinen Teil in diesen Geschäfften zu tragen, indeß ich im fremden Lande auch für Sie mit sammle, um mit neuen Kräfften, bey altem Anteil zurückzukehren.

Was Sie thun und einrichten und publiciren mögen, billige ich zum Voraus. Wenn man über[165] den Zweck einer Sache so einverstanden ist wie wir es sind, kann über die Mittel kein Zweifel bleiben. Möge ich immer hören daß Sie wohl und munter sind.

Heute den 3. Febr. kommt auch Ihr dritter Brief an und bringt mir gute Nachrichten, ich dancke Ihnen daß Sie mir ausser unsern gemeinschafftlichen Geschäfften auch sonst deutsche Nachrichten geben wollen, Sie sind der einzige der mich damit erfreut.

Weisen Sie ja Ackermannen an daß er künftig die Frage wieviel Steuern in Vorschlag gebracht werden sollen? erst an uns bringe, es ist ja dieß die Sache der höchsten Bedeutung, der Teufel hat den Narren gemacht. Doch sey's ihm verziehen! er ist nicht der einzige der in Dingen von Wichtigkeit den Schein sucht. Und mag auch die Gegenwärtige Generation des Vorteils genießen, wenn es uns nur nicht an Berichtigung der Heerdeschillings Differenz hindert, wo ich immer dachte den Erlaß anzufangen. Das sey auf seine Zeit verwiesen.

Das Bergwesen erfreut mich sehr, da das Treibewerck geht, wird sich das übrige auch treiben laßen. Hält dann das Seil so wird die Geduld der Gewercken auch halten.

Fahren Sie ja fort mir von Zeit zu Zeit zu schreiben und verzeihen wenn ich nicht so bald antworte, die Stunden des Tags und der Nacht verschwinden mir und nur an den unzähligen neuen Bildern und Begriffen weiß ich daß ich gelebt habe.

[166] Das Wetter ist nicht schöner zu dencken und zu wünschen, man erinnert sich kaum eines solchen Winters in Rom.

Bernstein schreibt mir, er möchte nun gern wieder nach Ilmenau. Er hat meinem Rath und meiner Weisung nicht gefolgt, nun wird er zappeln. Indeß wenn Sie es einleiten könnten; so wäre es mir ganz recht, besonders da Sie mir nicht schreiben daß die Bergchirurgus Stelle wieder besetzt sey.

Über Reinholds Verpflanzung freu ich mich und über alles was Jena Guts wiederfährt.

Können Sie dem L.[and] C.[ammer] R.[ath] Riedel von einiger Hülfe seyn, bin ich überzeugt daß Sie es mit Freuden thun werden, er scheint mir ein wackrer junger Mann. Den Ihrigen die besten Grüße wie auch Hrn. Bergsekretair.

Rom d. 3. Febr. 87.

G.


8/2567.


An Philipp Seidel

[3. Februar.]

Dein Briefgen vom 15. Jan. mit den Beylagen, so auch die vorhergehenden, sind richtig angekommen.

Vor allen Dingen empfiehl mich Hrn. Geh. Rath Schnauß und vermelde, daß ich mit der nächsten Post sein freundschaftliches Schreiben erwiedern werde.

Kranzen habe ich gesprochen, zu Tische und zu einem kleinen Concert gehabt. Er war nach seiner[167] Art vergnügt. Auch hab ich über Musik mit ihm geredet, ihm, da er von komischen Opern als einem Lieblingsfache sprach, eine von meinen neuen angeboten. Er ließ sich aber nicht recht ein. War es Zerstreuung, Verlegenheit oder sonst was. Er ist nach Neapel, wenn ich ihn wiedersehe, will ich nach deinen Wünschen, und eigner Neigung noch einmal an ihn setzen.

Einen großen Teil der Zweifel über die Baukunst, werde ich dir bey meiner Rückkunft lösen können, werde dir manches zur Naturkenntniß mittheilen. Auf dieser Reise gewinne ich viel und wünsche es andern zum Nutzen über die Berge zu tragen.

Sonst ist alles recht und gut was du schreibst und thust. Wenn dir sonst etwas einfällt so sage mirs. Erinnert, giebt man auf manches sorgfältig Acht, das man auch nun für andere sieht.

Rom habe ich für die kurze Zeit recht durchsehen, fast keinen Tag versäumt. Schon wird mir der Blick über diese große Stadt und was sie enthält leichter, Lebe wohl. Und fahre fort mir zuschicken und zu schreiben.

D. 3. Febr. 87.

G.


Grüße sämmtliche Hrn. Kammerräthe und den Rath Götze, auch mache Hrn. und Frau Obermarschall Hrn. und Fr. v. Oppel eine Empfehlung.


Noch ein Wort! Ich kann nicht billigen daß du der Fr. v. Stein nicht nähere Auskunft wegen des[168] Kastens gabst. Ich bin dadurch auf einige Zeit in Sorge gerathen. Wo man aufklären auch in Kleinigkeiten kann soll man es ja und bald thun. Ich gebe diese Lehre und Ermahnung dir und mir, indem ich dies schreibe.


8/2568.


An den Herzog Carl August

Rom d. 3. Febr. 87.

Ihr lustiges Brieflein von Gotha, Ihr gütiger Theilnehmender Brief von Maynz sind mir, fast zu gleicher Zeit, zur guten Stunde geworden und haben meiner Lauf und Reise Bahn neues Licht und Freude gebracht. Ohne Teilnahme derer an die mich das Schicksal so festgeknüpft hat, ohne Ihre Zufriedenheit, mag und kann ich nichts genießen, alle Ideen von Abgeschiedenheit, sind nur Phantomen des Selbstbetrugs, die mit dem Fieber verschwinden.

Rom fängt nun an sich über mir zu erleichtern, die entsetzliche Masse von Gegenständen sich zu ordnen und Licht in die Tiefen zu scheinen. Entsetzlich war zuletzt meine Begierde hierher zu kommen und nun ist meine Zufriedenheit vollkommen, daß ich diesen Ort nicht eher betreten habe. Recht bedauerlich waren mir einige Reisende die ich habe kennen lernen, die jung und unvorbereitet und doch mit Eifer und Ernst unter der Last von Begriffen die auf sie zudrangen es gleichsam erlagen.

[169] Ich habe nun überwunden und bin nun täglich mit mehr Lust und Freude da; besonders wird eine kleine Abwesenheit das Anschauen nur mehr auffrischen. Jetzt suche ich nur zu complettiren und auch die weniger interessanten Gegenstände zu sehen, die man wenigstens gesehen haben muß.

Die Kunstwercke der ersten Klaße müßte man von Zeit zu Zeit wiedersehen können, in ihnen ist ein unabsehlicher Abgrund.

Wahrscheinlich haben Sie zu Ihrer Reise auch so schönes Wetter heute ist hier ein reiner Maytag.

Von interessanten Männern hab ich manchen, von Weibern ausser Angelika nur eine kennen gelernt. Mit dem schönen Geschlechte kann man sich hier, wie überall, nicht ohne Zeitverlust einlaßen.

Die Mädgen oder vielmehr die jungen Frauen, die als Modelle sich bey den Mahlern einfinden, sind allerliebst mit unter und gefällig sich beschauen und genießen zu laßen. Es wäre auf diese Weise eine sehr bequeme Lust, wenn die französchen Einflüße nicht auch dieses Paradies unsicher machten. Ich bringe das Portrait von so einem Geschöpfe mit, man kann nichts zierlichers sehn.

Vom Theater und den kirchlichen Cerimonien bin ich gleich übel erbaut, die Schauspieler geben sich viel Mühe um Freude, die Pfaffen um Andacht zu erregen und beyde würden nur auf eine Klaße, zu der ich nicht gehöre, beyde Künste sind in ein seelenloses[170] Gepränge ausgeartet. Auf alle Fälle ist der Papst der beste Schauspieler der hier seine Person producirt.

Die andern Menschen die nicht öffentlich gauckeln, treiben meist ihr Spiel im Stillen, vielleicht komm ich auch dazu dieses näher zu sehen. Man kann sich leicht dencken daß es mitunter sehr einfach ist.

Es freut mich, daß Knebel mit Ihnen ist, Gesellschafft ist zu allen Dingen nütze, ich habe ein Gelübde gethan nie wieder allein zu reisen.

Knebeln bitte ich zu sagen: mir sey nur noch ein schmutzig grauer Marmor von Carrara bekannt den sie Bardiglio nennen. Eben solche graue Flecke hat der unreine weise Carrarische Marmor und der fleckigste scheint den Übergang in den Bardiglio zu machen. Ich habe ein schön Studium weiser Marmore gekauft, das aus zwölf Stücken besteht, antike und moderne. Man ließ vor einigen Jahren auf Veranlaßung eines Geistlichen, der sich auf diese Wissenschafft legte, Stücke Marmor von Paros kommen, um zu entscheiden welche Statuen würcklich von Griechischem Marmor seyen, davon habe ich noch Muster bei einem Steinschneider gefunden, die mir sehr werth sind. Die Propaganda die überall herumreicht, verschrieb diesen Marmor. Wie könnte das Institut genutzt werden! auch thun es die Klugen die dabey Einfluß haben. Leben Sie wohl und behalten mir Ihre Liebe damit ich froh und frey gehe und wiederkehre.

G.[171]


8/2569.


An den Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha

Durchlauchtigster Herzog

gnädigster Herr,

Bisher habe ich mitten unter Freuden in der schmerzlichsten Ungewißheit gelebt, wo sich Ew. Durchl. aufhalten und wie sich unsere gnädigste Herzogin befinden möchten. Die Zeitungen brachten uns die Nachricht von einer unterbrochenen Reise, von Hause konnt' ich nichts Gewisses vernehmen, bis sich endlich Prinz August über mich erbarmte und mir Ihre Ankunft in Hières versichert hat. So gehe denn dieses Blatt an diese schöne Küste, meinen gnädigsten Herrschaften meinen dreimonatlichen glücklichen und gesegneten Aufenthalt in Rom zu verkündigen. So viel von dieser Hauptstadt der Welt schon gesagt ist, so wenig getraue ich mir davon zu sagen. Da man sich einen großen Theil seines Lebens mit römischer Geschichte, römischen Alterthümern, römischem Rechte beschäftigt, da man durch Bücher, Künstler, Fabrikanten und Handwerker immerfort an diesen Mittelpunct erinnert, mit den hiesigen Gegenständen von allen Seiten bekannt wird, so bleibt Einem zuletzt nichts mehr übrig, als im Schauen die letzte Befriedigung zu suchen. Und die hab' ich denn mit so viel Tausend Andern in reichem Maaße gefunden. Ich habe alle Kräfte meines Geistes aufgespannt, um[172] die Zeit, die ich hier zugebracht, auf's Beste zu nutzen, ich habe wenigstens einen allgemeinen Begriff von der Stadt und dem, was sie enthält. Gewisse besondere Kapitel habe ich mir besonders empfohlen sein lassen.

Herr Hofrath Reifenstein erzeigt mir viele Gefälligkeiten, bei Tischbein habe ich meine Wohnung aufgeschlagen, und dieses Künstlerleben, dieser Künstlerumgang verschafft mir großen Nutzen, erleichtert mir das Studium und bringt mich in kurzer Zeit vorwärts. Diesen Ihren Künstler will ich nicht loben, das große Bild, das er für Ew. Durchl. unter Händen hat, mag von seinem unermüdlichen Fleiße zeugen. Es ist, wenn man in der Nähe zusieht, ein ungeheures Unternehmen, es gehört ein großer Muth und eine Begierde etwas Rechtes zu thun und zu lernen dazu, um so ein Werk anzufangen. Gewiß wird es Ew. Durchl. zur Freude gereichen, wenn ich Höchstdieselben benachrichtige, daß Ihro Maj. die Kaiserin von Rußland einige Bilder bei ihm bestellen lassen, es ist Einiges von ihm durch einen Grafen Wiesen nach Petersburg gekommen.

Da mir hier so manches Gute, wenn ich es recht betrachte, durch Ew. Durchl. Gnade zu Theil wird, so wünschte ich nichts lebhafter, als Höchstdieselben auch hier zu verehren. Ich zähle eine Wiedergeburt von dem Tage an, da ich Rom betrat; ich lebe eine neue Jugend, der ich mich immer mit den größten Freuden erinnern werde. Der Wunsch,[173] dieses Glück mit denen zu theilen, an die mein Gemüth so sehr geheftet ist, wird fast täglich in mir lebhaft. Nach geendigtem Carnevale denke ich nach Neapel zu gehen. Darf ich bitten, mich der Durchl. Herzogin, von deren besserm Befinden ich sehnliche Nachricht erwarte unterthänigst zu Füßen zu legen!

Ew. Durchl. unterthänigster

Rom, den 6. Febr. 1787.

Goethe.


8/2570.


An Philipp Christoph Kayser

Man hat mir endlich m. l. Kayser Ihren ersten Brief von Hause hierhergeschickt und ich habe über deßen Innhalt nur noch dieß zu sagen.

Das Duett: Es stellet sich die Freude pp. hatte ich mir blos als einen kurzen Gesang gedacht, der die Melodie des Schlußes des ersten Ackts: Ich lade Freude Dich zur Freude pp. wiederbringen sollte. Es thut einen gar artigen Effeckt wenn eine Anfangs Melodie beym Schluße wiederkommt und gleichsam die Erfüllung einer Prophezeihung hereinführt. Es sey Ihnen übrigens ganz überlaßen wie Sie es behandeln wollen und wie es sich zum übrigen schickt werden Sie am besten beurtheilen können.

Ich freue mich auf alles was Sie an den ersten Ackten gethan haben, und recht herzlich auf den Tag da Sie mir die Operette am Klaviere vortragen werden.[174] Denn es müßte mich eine große Noth und Gewalt ergreifen, wenn ich ohne Sie zu sehen wieder nach Deutschland zurück gehen sollte.

Arbeiten Sie fleißig fort! wenn es mit Ihrer Arbeit zu Ende geht, wollen wir an eine Ankündigung dencken.

Das Theater erbaut mich wenig, in Rom, ich besuche es fast gar nicht. Die große Oper ist ein Ungeheuer ohne Lebenskraft und Saft. Die Ballette sind noch das unterhaltendste, die Opera Buffa hat auch die erwünschte Runde und Vollkommenheit nicht, es ist alles Stück und Flickwerck. Ein neues Trauerspiel haben sie gut ausgeführt, und einige Commoedien habe ich mit Vergnügen gesehen. Ich kann nicht sagen, daß ich in dieser Kunst hier viel gelernt hätte. Nun liegt die Geschichte des Italiänischen Opern Theaters von Arteaga auf meinem Tische, ich weiß nicht ob viel heraus zu profitiren seyn wird. Inzwischen nimmt man sich doch immer hier und da etwas weg, die Künste sind so verwandt, daß man in einer seine Kenntniße kaum erweitern kann, ohne auch in den andern in gewißem Maaße fortzurücken.

Wenn Sie auf Ostern meine vier ersten Bände in die Hand nehmen werden Sie Iphigenien umgeschrieben finden (warum ich nicht umgearbeitet sage werden Sie am Stücke sehn). Die vier letzten Bände werden mir noch manche Sorge machen, doch ich arbeite sie gerne aus, und jetzt mit freyerem Gemüth.

[175] Ich hoffe man soll künftig meinen Sachen das Ultramontane ansehen.

An einer zweyten Oper für Sie soll's auch nicht fehlen. Leben Sie wohl und fleißig. Nach dem Carneval geh ich auf Neapel. Adieu.

Rom, d. 6. Febr. 87.

G.


Diese Woche hat Anfoßi mit einem Intermezz in Valle viel Beyfall erworben. Es ist eine glücklich leichte Composition.


8/2571.


An den Herzog Carl August

[7. – 10. Februar.]

Eh das Carneval uns mit seinem Lärm anfällt muß ich noch einmal schreiben, denn ich weiß nicht ob mir nachher soviel Zeit übrig bleibt. Diese Lustbarkeiten gehn uns um desto näher an, da sie unter unsern Fenstern vorgehn und mir diese Tage über viel Besuch haben werden.

Schon Täglich führt man die Rennpferde in die Gegend des Obelisks, richtet sie mit dem Kopfe gegen den Cors und so hält man sie eine Weile, um sie an den Platz von dem sie auslaufen sollen zu gewöhnen, dann führt man sie die Strase hinunter und zeigt ihnen ihre Laufbahn.

Vor einigen Abenden ward in dem kleinen Theater Valle ein neues Intermetz von Anfoßi mit großem Beyfall aufgeführt; es ist recht glücklich komponirt.

[176] Übrigens bin ich auch hier weniger genießend als bemüht, ich lauffe und dencke mich müd und matt; jetzt kommt noch gar der Zeicheneifer dazu und macht mir, da ich nur wenige Zeit aufs Arbeiten verwenden kann, ein wahres Leiden. Doch wenn ich hier und jetzt nichts lernen will, was solls denn werden. Miß Gore ist nicht vergeßen, vielmehr fühl ich eine große Begierde mich beßer als bißher geschehen können vor ihr zu zeigen. Ich habe die ganze Familie neulich in Fraskati auf einem Gemählde von Hackert (freylich ein wenig entstellt) gesehen.

Sie schreiben mir daß Sie mich vor Weynachten nicht erwarten, der Himmel segne Sie für alles Gute das Sie mir gewähren und gönnen. Der Stein hatte ich zwey Reiseplane geschrieben, die Sie, durch Weimar nur durchgehend, nicht können gesehen haben, denn die Briefe sind später angekommen; allein was kann man sichres von solchen Wegen sagen, die so manchem Wechsel unterworfen sind. Alles kommt darauf an ob ich nach Sicilien gehe oder nicht. Das macht, wenn ich's solid angreife 3 bis 4 Monate Unterschied.

Erst dacht ich schon im August wieder zu Hause zu seyn und jetzt wenigstens wünsche ich im Herbst wieder über die Berge zurück, das träfe, wenn ich Schloßern und meiner Mutter einige Zeit schenckte mit Ihren Gesinnungen überein. Auf Ostern das nähere und weitere. Ich möchte mein Schiff in Ophir[177] recht beladen. Es soll mir an keiner Art der nöthigen und gehörigen Ingredienzien fehlen.

Mit dieser großen und herrlichen Stadt werde ich nun schon familiärer und so kommen wir aufs rechte Fleck, sie verliert nichts dabey und ich gewinne. Es ist mir sehr gesund in einem solchen Elemente mich erst recht zu baden und zu waschen, das Einölen soll nach Ihrem Recepte in Neapel vor sich gehn.

Ich frage nicht nach Ihren Wegen und wie es Ihnen darauf ergeht. Ich werde seiner Zeit schon mein Teil erfahren.

Leben Sie recht wohl. Grüßen Sie Knebeln.

Von Neapel schreib ich wenigstens ein Wort und schick es auch an Edelsheim.

Rom d. 10. Febr. 87.

G.


Es bleibt mir noch ein wenig Zeit und ich muß diese Seite noch vollschreiben.

Ganz besonders ergötzt mich der Anteil, den Sie an Wilhelm Meister nehmen. Seit der Zeit, da Sie ihn in Tannrode lasen, hab ich ihn oft wieder vor der Seele gehabt. Die große Arbeit die noch erfordert wird ihn zu endigen und ihn zu einem Gantzen zu schreiben wird nur durch solche teilnehmende Aufmunterungen überwindlich. Ich habe das wunderbarste vor. Ich möchte ihn endigen mit dem Eintritt ins vierzigste Jahr, da muß er auch geschrieben seyn. Daß es, auch nur der Zeit nach, möglich werde, laßen[178] Sie uns, wenn ich wiederkomme zu Rathe gehn. Ich lege hier den Grund zu einer soliden Zufriedenheit und werde zurückkehrend mit einiger Einrichtung, Vieles thun können.

Noch eins Tischbein mahlt mich in Lebensgröße im weißen Mantel auf Ruinen sitzend. Es giebt ein glückliches Bild, er nimmt zur Ausarbeitung seine ganze Kunst zusammen, da die Idee glücklich ist. Leben Sie wohl.


8/2572.


An Johann Heinrich Merck

Du mußt auch wenigstens Ein Wort haben, eh ich von Rom weiter ziehe. Ich bin nun drey Monate hier und daß ich mich recht satt sehe kannst du dencken. Ich sage nichts weiter, denn was will man sagen wenn man zum Schauen der Dinge kommt, die man von Jugend auf, mit den Augen des Geistes, gewaltsam vergebens herbeygezogen. Es war hohe Zeit daß ich mich auf den Weg machte, ich wäre für Sehnsucht vergangen. Behalte mich in freundlichem Andencken, du siehst mich wahrscheinlich wenn ich nach Hause kehre, wann, weiß ich nicht. Magst du mir etwas sagen, etwas bestellen; so findet mich dein Brief, unter einem Umschlag an Tischbein, al Corso incontro al Palazzo Rondanini am sichersten. Aschermittwochen gehts nach Neapel, Ostern bin ich wieder hier. Lebe wohl grüße die deinen.

Rom d. 10. Febr. 87.[179]


8/2573.


An Charlotte von Stein

Rom d. [7.-10.?] Febr. 87.

Deinen lieben Brief von habe ich gestern erhalten, und also auch wieder später als du gewöhnlich die meinigen erhälst. Ich ging eben in die Commödie und laß ihn mitten unter dem fremden Volcke, beym Schein des großen Lüstres, der ehe der Vorhang aufgeht mitten im Schauspielhause hängt. Das Löwgen zu sehen war mir eine große Freude. Da alles bisher so glücklich angelangt ist, hoffe ich das übrige wird auch so zu euren Händen kommen.

Heute hab ich den ganzen Tag gezeichnet. Dieses Verlangen arbeitete schon lang in mir. Die Landschafft sieht man hier so subaltern an, man mag kaum daran dencken, jetzt aber mit dem schönen Wetter kommt die Liebhaberey wieder. Wenn es glückt; so erhälst du durch Kranzen ein Dutzend kleine Stückgen Versuche in einer neuen Manier. Es kostet mich Aufpaßens biß ich meine kleinliche deutsche Art abschaffe. Ich sehe lang was gut und beßer ist; aber das Rechte in der Natur zu finden und nachzuahmen ist schweer, schweer. Nur durch Übung kann man vorwärts kommen und ich habe keine Zeit ein einzeln Fach zu bearbeiten.

Indeßen ist mir das armseelige Bißgen Zeichnen unschätzbar, es erleichtert mir jede Vorstellung von sinnlichen[180] Dingen und das Gemüth wird schneller zum allgemeinen erhoben, wenn man die Gegenstände genauer und schärfer betrachtet. Fritz soll ja brav zeichnen was ihm vorkommt. Ich freue mich recht sehr daß mir im Zeichnen ein Licht aufgeht eh ich nach Neapel reise, ich hatte schon Angst ich würde von dem Anschauen der großen Kunstwercke erdruckt werden, und mir nicht mehr getrauen ein Bleystift anzusetzen. Aber die Natur hat für ihre Kinder gesorgt, der Geringste wird durch das Daseyn des Trefflichsten nicht an seinem Daseyn gehindert, oder wie der Dichter sich ausdrückt

Ein kleiner Mann ist auch ein Mann.

Meine Begriffe von Welt weiten sich nun gar schön aus, ich habe zweymal das Meer gesehn, das Mittländische und Adriatische, nur gleichsam zum Besuch, in Neapel wollen wir bekannter werden.

Es rückt alles auf einmal in mir herauf. Warum nicht früher! Warum nicht wohlfeiler!

Wie viel tausend Sachen, ja wie ganz neu und von vornen alles hab ich dir nicht zu sagen.

Das tolle Leben des Carnevals ruckt heran; die Gerüste sind schon am Ende des Cors gegen die Pyramide zu aufgeschlagen, und die Pferde welche rennen sollen werden, damit sie Ort und Straße gewohnt werden, auf und abgeführt.

Wir leben für uns gar vergnügt und könnten dieser lärmenden Freuden gar wohl entbehren. Tischbeins[181] Gesellschafft ist mir von unendlichem Nutzen, er heitert mich auf und es ist mir so wohl mit einem Menschen zu seyn, der mit schönen Kräften auf dem rechten Weg ist. Moritz schleicht wieder herum, dem bin ich nun wieder nützlich und mein Umgang wird wichtigen Einfluß auf sein künftig Leben haben, er ist gar gut, vernünftig, empfänglich und danckbar wenn man ihm eine Stufe weiter hilft.

Und wie sauer wirds dem Menschen ohne Überliefrung, ohne Lehre zur rechten Zeit sich selbst zu finden und zu helfen. Tischbein bringt mich im Zeichnen seit zwey Tagen fast jede Stunde weiter, denn er sieht wo ich bin, und was mir abgeht; so ists im moralischen auch, so ists in jeder Sache.

Grüße die Waldner und sag ihr sie würde immer etwas aparte behalten.

Das Wetter ist seit den 1. Febr. ganz himmlisch auch der Januar war bis auf einige Tage in der Mitte und am Ende gar herrlich.

Das Portait wird gut und brav werden, wenn es fertig ist, erhälst du eine Zeichnung im Kleinen.

Grüße den lieben Fritz, Ernsten und Stein; behalte mich sehr lieb, ob ich gleich so wunderlich bin, ich habe so viel mit mir selbst auszustehn, daß ich meine Freunde nicht dispensiren kann ihr Theil davon zu tragen und am wenigsten dich.

Ich habe wieder einen neuen Anschlag. Der Herzog schreibt mir daß er mich vor Weynachten nicht erwartet.[182] Da könnte ich nach Ostern nach Sicilien gehn und dann würde es just treffen. Laß uns lieber von dem entfernten nicht sprechen, du sollst Schritt vor Schritt Nachricht haben; so ists sichrer und besser. Aus Rom erhälst du noch einen Brief. Lebe wohl, du Geliebteste.

Grüße Herders aufs beste.

G.


8/2574.


An Charlotte von Stein

Rom d. 13. [- 17.] Febr. 1787.

Heute Abend ist Festin, so nennt man die großen Redouten, ich kann mich nicht entschließen hinzugehn. Vielleicht auf den Freytag. Das Carnaval geht nun seine Wege es ist abgeschmackter Spas, besonders da innre Fröhlichkeit den Menschen fehlt und es ihnen an Geld mangelt das bißchen Lust was sie noch haben mögen auszulaßen.

Das Carneval in Rom muß man gesehn haben, um den Wunsch völlig loß zu werden es wiederzusehn. Beschreiben kann und mag ich nichts davon, mündlich wird es einmal ein tolles Bild geben.

Ich beschäfftige mich indeß leidenschafftlich dir durch Kranzen einige Zeichnungen zu schicken, ich habe über ein Dutzend angefangen und sie müßen diese Woche fertig werden. Sie sind klein und ist nicht viel dran, allein sie werden dir eine Idee des Landes[183] geben, behalte sie beysammen, einzeln bedeuten sie gar nichts. Nun macht mirs Lust mit Farben zu spielen. Die Künstler freuts mich etwas zu lehren, denn es geht geschwinde mit mir. Es ist jetzt das einzige woran ich dencke, wodurch ich mich zur Neapolitanischen Reise vorbereite, und es ist mir ein lustiger Gedancke daß du diese bunten Dinge bald vor dir haben sollst.


Abends.

Ich erhalte deinen Brief und die Einschlüße, es ist mir um vieles wohler, da die Freunde mehr oder weniger ihre Meynung gesagt haben, ich gehe nun vorerst nach Neapel und von da sollst du das weitere hören. Empfiel mich der Herzoginn, grüße Herders und dancke, von hier schreib ich niemanden mehr. Du erhälst noch einen Brief von hier nach diesem, dann wird wohl ein Posttag ausfallen. Schreibe mir nur immer. Euch kostets Postgeld, nicht mich. Da ihr biß Trent franckiren müßt, bezahl ich für einen einfachen Brief nur 18 Pfennige. Laß uns so lang wir auseinander sind ja regelmäßig Posthalten.

Heute hab ich ein Glück gehabt, das ich dir erzählen muß. Auf Trinitá di Monte wird der Grund zum neuen Obelisk gegraben, dort oben ist alles aufgeschüttetes Erdreich von Ruinen der Gärten des Lukullus die nachher an die Kayser kamen.

Mein Perruckenmacher geht frühe dort vorbey und findet im Schutte, ein flach Stück gebrannten Thon[184] mit einigen Figuren wäschts und zeigt es uns. Ich eigne mir es gleich zu. Es ist nicht gar eine Hand groß und scheint von einem Rande einer großen Schüßel zu seyn. Es stehen zwey Greifen an einem Opfertische, sie sind von der schönsten Arbeit und freuen mich ungemein, man könnte mir manchen geschnittnen Stein anbieten, ohne daß ich sie dafür hergäbe. Von andern vielen Sachen sammelt sich's auch um mich, und nichts vergebliches, oder leeres, alles unterrichtend und bedeutend. Wenn ich nur erst mit meinem Schifflein wieder lande.

Am liebsten ist mir denn aber doch, was ich in der Seele mitnehme und was immer wachsen sich immer vermehren kann.


d. 17.

Heute Nacht war ich einen Augenblick auf dem Festin, das mir tödtliche Langeweile gab, und mich noch mehr ärgerte, da ich den Morgen verlohr den ich ans Zeichnen wenden wollte.

Ich sage dir heute auch nichts weiter, denn ich habe die vierzehn Tage viel tausend Gedancken an dich und die Freunde in die Landschäfftgen hineingezeichnet, die dir daraus entgegen kommen sollen.

Meine Iphigenie freut mich daß sie glücklich angekommen ist und so mögen die 4 Bände in die Welt gehn.

Das Wetter ist unglaublich und unsäglich schön, den ganzen Februar, bis auf 4 Regentage ein ganz[185] reiner heller Himmel, gegen Mittag die Sonne fast zu warm.

Lebe wohl gedencke mein. Ich bleibe dir und mag mich nirgends anbauen.

Erst nun nach Neapel, von dorther hörst du bald und siehst dereinst unzählige Zeichnungen. Liebe mich! Grüße Fritzen! Sey mit deiner Liebe bey mir wenn du es auch mit Rath nicht seyn willst. Grüße Steinen.

G.


Empfiel mich der Herzoginn aufs beste und dancke ihr für ihre Güte und Theilnehmung an mir.

Deine Briefe werden alle gleich verbrannt, wie wohl ungern. Doch dein Wille geschehe.


8/2575.


An Johann Gottfried Herder

d. 17. Febr.

Heute kommt mir die frohe Nachricht daß Iphigenie angekommen, nach meinem Wunsche es zu erfahren eh ich nach Neapel ginge. Nun bin ich los und frey und dancke euch zum Abschied für alles Gute. Auch tausend Danck für Rath und Meynung wegen der Sicilianischen Reise. Ich will nun weiter nicht daran dencken und es werden laßen. Ich fühle jedes Wort deines Briefes über deinen Zustand und jede Sorge der Frauen um die Kinder, ich würde in meinem Glücke traurig über euch werden, wenn ich nicht sähe,[186] daß ich auch für Euch genieße und Euch herrliche Gastmäler von Phasanen zubereite.

Von einer kleinern Art Vögel kommt ein ganzer Transport. Ein Päckchen Zeichnungen oder vielmehr Krabeleyen nach der Natur, um Euch wenigstens einen Blick des Landes im allgemeinsten zu geben. Auf der Reise wird viel gezeichnet werden. Tischbein geht mit mir.

Ersucht Fr. v. Stein daß sie die Bildchen wenn sie kommen circuliren laße, auch Prinz August und Franckenberg sie sehen. Zuletzt aber sollen sie wieder bey ihr zurück kommen, daß sie zusammenbleiben, einzeln bedeuten sie nichts. Zur Lust der Kinder sind auch Masken des Carnevals und einige römische Kleidungen, mehr geschrieben als gezeichnet und dann mit Farben gleich einem Orbis pictus bestrichen worden.

Grüse die guten Kinder! auch ihnen bring ich viel Freude mit. Haltet aus bis ich komme und mich in Caryatiden Figur wieder unterstelle, der ich nun schlendre und wandle. Wenn nun einige Posttage Briefe ausbleiben sollten; so seyd ohne Sorge es geht mir wohl.

Die Schöne des Wetters ist über alle Worte. nach allen Aspeckten wird es dauerhaft seyn. Die Mandeln blühen und machen eine neue luftige Erscheinung zwischen den dunkelgrünen Eichen. Der Himmel ist wie ein hellblauer Tafft von der Sonne beschienen.

[187] Von Rom geh ich gerne, ja es ist Zeit daß ich gehe um in froherer Welt zu verdauen. Ich habe genutzt was ich nutzen konnte und bey meiner Rückkehr soll die letzte Hand angelegt werden. Die Haupt Massen sind angelegt und ich kann mein ganzes Leben durch daran ausbilden.

Fast kann ich sagen: ich habe keinen Augenblick verlohren; ich habe auch die unbedeutendern zu nutzen gewußt.

Das Carnaval hab ich satt! Es ist, besonders an den letzten schönen Tagen ein unglaublicher Lärm, aber keine Herzensfreude. Die Großen sind oekonomisch und zurückgehalten, der Mittelmann unvermögend und das Volck lahm. Von der Redoute lief ich diese Nacht, nach ausgestandner halben Stunde weg.

Empfiehl mich dem Prinz August und Franckenberg, letzterem will ich für ein Intaglio sorgen womit er zufrieden seyn soll. Empfiel mich der Herzoginn Mutter.

Es fällt mir eins über das andre ein! Bitte Fr. v. Stein die Zeichnungen wenn sie ankommen, dem alten Schnaus zeigen zu laßen. Auch wenn ihm einfallen sollte eins oder das andre zu kopiren, es ihm zu leihen.

Mir der nächsten Post schicke ich ein Verzeichniß wie die Exemplare meiner Wercke ausgetheilt werden sollen die mir Göschen zu geben hat. Deine Frau mit Fr. v. Stein wird sich der Distribution annehmen.

[188] Lebt wohl meine lieben ich sinne hin und her ob mir noch etwas einfällt. Bald werden die Narren im Cors erscheinen und dann ist keine Ruhe mehr.


Abends nach verklungner Tollheit.

Ich habe Moritzen aufgemuntert dir zu schreiben. Sein Brief liegt bey. Antworte ihm und sag ihm was dienlichs und hilf ihm. Es ist ein sonderbar guter Mensch, der viel weiter wäre wenn er immer Men schen gefunden hätte, die ihn zur rechten Zeit aufgeklärt hätten. Erlaube ihm daß er manchmal schreibt und hilf ihm zur Reise seines antiquarischen Unternehmens, du hast nicht leicht eine Mühe beßer angewendet und eine Lehre in ein fruchtbarer Erdreich gelegt. Lebt wohl grüßt die Kinder! Möge die Frühjahrsluft alle Übel wegwehen. – Sage doch auch Moritzen ein Wort über seine Prosodie.


8/2576.


An Philipp Seidel

Rom d. 17. Febr.

Die Nachricht, daß Iphigenie angekommen ist freut mich sehr. Nun geh ich ganz frey nach Neapel.

Schreibe mir nur einmal, wie meine Caffe steht. Was Paulsen überhaupt von mir in Händen hat, und was mir von meiner Besoldung bis Ostern übrig bleibt, auch auf wieviel ich, deductis deducendis, biß zu Ende des Jahres rechnen kann.

[189] Ich freue mich, daß du wohl bist und meiner in Liebe gedenckst, gehe deinen Weg fort, sey fleisig in deinem Ämtgen, sey aufmerksam auf das, was sodann am nächsten liegt und sieh dich manchmal zur Erhohlung in einem weitern Felde um. Ich bin wohl und vergnügt. Auf die Neapolitanische Reise brauche ich schön Wetter, das hat sich eingestellt. Die Klarheit des Himmels ist unbeschreiblich, die Wärme gegen Mittag kaum zu dulden. Die Mandelbäume blühen, auch die Lorbeer, Buxbaum p. Über das Papiergeld sollst du befriedigt werden. Das Carneval giebt mir wenig Freude, man gewinnt dabey nur einen sonderbaren Begriff mehr. In die Theater komme ich auch fast gar nicht, man mag hier gar keine Zeit auf diese Gauckelpoßen verwenden, da man zu so viel soliden Betrachtungen Gelegenheit hat. Auch habe ich sehr wenig Menschen kennen lernen obgleich hier und da mancher interessanter Mann verborgen ist und vielleicht Lebenskluge an keinem Orte mehr sind, obgleich nur auf Einen Punckt gerichtet.

Ungeheuer ist übrigens die Masse wichtiger Gegenstände aller Art, sie wachsen nur wie aus der Erde. In den letzten Tagen macht ich einen Catalogus von dem, was ich noch nicht gesehen habe. Wie viel das ist!

Lebe wohl. Grüße meine Leute. Es ist recht gut, daß Hr. b. Knebel Götzen mitgenommen hat. Sutor[190] kann mir auch einmal schreiben wenn er Lust, und mir etwas zu sagen hat. Lebe wohl.

G.


Schreibe nur nach wie vor hierher, ich laße mir die Briefe wo ich auch sey nachschicken.


8/2577.


An Johann Christian Kestner

Rom d. 19. Febr. 87.

Durch Hrn. v. Pape, der nach Teutschland zurückgeht, muß ich euch ein Wort und einen Grus sagen. Ich bin hierher mehr verschlagen worden als gereißt und kann nun nicht genug von dem glücklichen Genuß sagen, den ich hier finde. Wenn sich nur irgend etwas davon mittheilen ließe.

Dr. Riedel ist nun bey uns angekommen und Landkammerrath geworden. Ich hätte gewünscht ihm gleich Anfangs nützlich zu seyn. Es wird sich aber dencke ich schon finden.

Lebt wohl, gedenckt nach mich und grüßt Lotten und die Kinder und wer euch nah ist. Mir ist der Kopf von Sehen und Arbeiten, vom schönen Wetter und den vielen Fastnachtsnarren ganz wüste. Adieu.

G.[191]


8/2578.


An Philipp Seidel

[19. Februar?]

Das in dieser Schachtel enthaltene wirst du austheilen, wie die Aufschriften anweisen.

Wegen der Saamen, die du Jentschen zu geben hast, bemercke ich nur dieses. Es sind alles Sträuche und Bäume, welche in hiesiger Gegend den Winter aushalten, schwerlich werden sie unsere Winter dauern, indessen ist ein Versuch immer zu machen.

Er wird also wohl thun, die Eicheln pp. so zu stecken daß sie die ersten Winter zugedeckt werden können.

Die Piniolen müssen jede einzeln in einen Topf gesteckt und an der Sonne wohl gehalten, auch zuerst vor der Kälte geschützt werden, durch das einzelne stecken erleichtert man sich das Verpflanzen, ich habe diese Art sogar hier gesehen. Die Kerne, die Diospyros Virginiana überschrieben sind, soll er sorgfältig halten. Es ist ein sehr schöner, aber sehr delikater Baum.

Wenn ich wiederkomme, läßt sich mehr davon reden, er soll nur im allgemeinen die Pflanzen zuerst mit Sorgfalt erziehen und vor der Kälte verwahren.

G.[192]


8/2579.


An Carl Ludwig von Knebel

Rom d. 19. Febr. 87.

Deine theilnehmenden Briefe l. K. habe ich erhalten. Es ist mir um deint und des Herzogs willen lieb daß du mitgereist bist. Man soll sich nicht isoliren, denn man kann nicht isolirt bleiben, in Gesellschaft lernt man eher sich und andre tragen.

Endlich ist meine Abreise nach Neapel gegen Ende dieser Woche festgesetzt, das Wetter ist köstlich, ich nehme Tischbein mit und genieße in seiner Gesellschaft alles doppelt und dreyfach.

Diese letzte Zeit in Rom geht es ein wenig bunt über einander, in meinem Kopfe um so mehr, als der Zeichengeist in mich gefahren und ich seit 14 Tagen beständig gekritzelt und gesudelt habe. Ich schicke 10 Stückgen manigfaltiger Gegenden, die vielleicht nicht 3000 Schritte auseinander liegen. Ich hatte ihrer noch viel gezeichnet um die Abänderung der Gegenstände recht fühlbar zu machen, sie wurden aber nicht fertig.

In einer Schachtel, die Kranz mitbringt liegt ein Stück Bononischer Schwerspat und ein Stück Breccia Silicea d'Egitto für dich bey. Seidel wird dir sie einhändigen.

Wie vieles könnte ich mitbringen, wenn nicht der Transport zu theuer wäre, das hier mit nichts anzuschaffen ist.

[193] In wenigen Tagen gehts nach Neapel, dort erwartet mein eine neue Welt, die ich, wie die zerstückte hier, mit offnen und gesunden Augen anzusehen hoffe. Indeß bin ich immer fleisig. Nun wird an Tasso gearbeitet, der geendigt werden soll. Neue Ideen bieten sich mir zu hunderten dar, die ich vors erste ablehnen muß. Wenn mir das gute Geschick frohen Muth erhält; so kann ich viel und vielerley thun.

Der Vesuv wirft Asche und Steine aus und bey Nachtzeit sieht man den Gipfel in Feuer. Nun ein Lava Strom, und ich habe nichts weiter zu wünschen. Wegen Sicilien laß ich das Schicksal walten. Vorbereitet bin ich, wenn das Glück mich lockt, geh ich. Lebe du indessen wohl und hilf den Freunden leben. Gerne schrieb ich viel und interessantes. Ja ich wollte von Rom abscheidend, wenn ich Zeit hätte, nur über das was mir besonders vorgekommen und aufgefallen einen Quartband schreiben. Meine Lage war sehr glücklich und erwünscht hier, ich habe die 3 Monate recht radikal nutzen können, und wenn ich manches habe müßen bey Seite liegen lassen; so hab ich dagegen andre Theile gesehen und kennen lernen wie wenig Fremde in einer so kurzen Zeit. Rechnest du dazu daß ich die Hälfte der neuen Arbeit an Iphigenien hier gethan habe; so wirst du sagen, daß ich nicht müßig war. Übrigens ist Rom eine Welt und es gehört ein mehrjähriger Aufenthalt dazu um sagen[194] zu können: ich kenne sie nur einiger Massen. Meine größte Sorge war keinen falschen Begriff mitzunehmen.

Sehr wohl hab ich mit meinem Incognito gethan, doppelt und dreyfach. Ich habe Zeit und Geld gespart und habe doch lustig und bequem gelebt und Freunde mit genießen laßen.

Das Carneval muß man sehen, so wenig Vergnügen es gewährt; eben so ists mit den geistlichen Mummereyen.

Die Gegenden um Rom hab ich fast gar nicht gesehen. In Tivoli war ich nicht, nicht in Albano, das wird auf die Rückkunft aufbewahrt.

Ich bin wohl und das Wetter ist unbeschreiblich schön.

Daß du meinen Götz mitgenommen ist recht gut, wenn du ihn brauchen kannst; so behalte ihn biß ich wiederkomme, und gebrauche meines Hauses nach deinem Willen.

Lebe wohl. Auf der Reise nach Neapel wird viel gezeichnet, so der Himmel will, Tischbein geht mit. Wie leid thut es mir daß ich diese meine zweyte Jugend nicht auch mit dir verleben kann.

G.


Hierbey liegt für den Herzog ein Specimen hielandischer Naturgeschichte. Mir können mit Saamen von diesen Früchten aufwarten.[195]


8/2580.


An Jakob Friedrich von Fritsch

Hochwohlgebohrner Freyherr,

Insonders Hochzuverehrender

Herr Geheimderath,

Ew. Exzell. erlauben daß ich in dem Augenblicke, in welchem ich Rom verlaße, mein Andencken bey Hochdenenselben erneure.

Über drey Monate halte ich mich in dieser merckwürdigen Stadt auf, welche sich zweymal als das Haupt der Welt betrachten konnte und die uns jetzt von ihrer doppelten Herrlichkeit nur noch Trümmern aufweisen kann.

Ich habe, bey besonders günstigen Umständen, meine Zeit wohl benutzen können, und ohne mich in das Getümmel der Welt einzulaßen, habe ich nur erst diejenigen Gegenstände wohl betrachtet, die hier einzig sind und von denen man sich auswärts einen Begrif zu machen vergebens bestrebt.

Die erste Zeit eines hiesigen Aufenthalts geht ohnedies unter Staunen und Bewunderung hin, biß man nach und nach mit den Gegenständen bekannter und sich selbst gleichsam erst gewahr wird. Alsdann lernt man erst sondern, beurtheilen und schätzen. Doch bleibt am Ende die Masse des zu Betrachtenden allzugroß, die Aufmerksamkeit wird nur zu sehr vertheilt, es gehörte zu einer gründlichen Kenntniß daß[196] man mit mehr Ruhe und Sorgfalt ins Einzelne der verschiednen Künste, der Geschichte, der natürlichen Erscheinungen eingehen könnte. Und so findet man mit dem besten Willen und nach einem Aufenthalt, der soviel Mühe als Genuß gewährte, daß man eben wieder anfangen möchte, wenn man zu endigen gezwungen ist.

Wenigstens geht es mir so und Ew. Exzell. werden verzeihen, daß ich mit diesen Betrachtungen, die sich mir in dem Augenblicke aufbringen dieses Blat anfülle.

In einigen Tagen werde ich nach Neapel abgehen, wo mich die gegenwärtige Unruhe des Vesuvs ein merckwürdiger Naturschauspiel hoffen läßt, als das Carneval uns bis heute ein städtisches gegeben hat. Diese Lustbarkeit, welche einem Fremden gar bald abgeschmackt vorkommen muß, ist das Leben der Römer, ob man gleich auch daran bemerckt, daß die Kräfte dieser großen Stadt nach und nach abnehmen.

In der angenehmen Hofnung daß mir Ew. Exzell. Dero gütigen und freundschaftlichen Gesinnungen erhalten werden, mit der Bitte mich der Frau Gemahlinn bestens zu empfehlen unterzeichne ich mich mit besondrer Verehrung

Ew. Exzell.

ganz gehorsamsten

Rom d. 20. Febr.

Diener

1787.

Goethe.[197]


8/2581.


An Georg Joachim Göschen

Rom d. 20. Febr. 87.

Die vier ersten Bände sind nun bey Ihnen und ich wünsche zu dem Unternehmen Glück. Wie ich Iphigenien umgeschrieben habe, um sie einer guten Aufnahme würdiger zu machen; so bin ich nun beschäfftigt auch den vier letzten Bänden eine andre Gestalt zu geben. Hr. General Superintendent Herder wird Ihnen ein Blättchen schicken, wodurch Sie das Publikum von meinem Vorsatze benachrichtigen können. Gegenwärtig arbeite ich an Tasso, dann soll Egmont folgen. Wenn ich es nur irgend zwingen kann sollen Sie auf Michael wieder zwey Bände haben. Das Publikum wird gerne warten. Wenigstens habe ich von allen Enden der Zuruf daß ich die Stücke endigen soll.

Meine Reise giebt mir neuen, und wenn ich mein Leben und meine Lebensart betrachte unendlichen Stoff, mit dessen Verarbeitung ich auch nicht säumen werde. So scheint es mir gleich jetzt daß wir statt 8 Bänden 10 haben werden, doch davon läßt sich noch nichts sagen und man schweigt besser davon.

Haben Sie die Güte von denen mir zukommenden Exemplaren[198]

6 an Meine Mutter Fr. Rath Goethe in Franckfurt am Mayn

Ein schön gebundnes und fünf rohe

1 An Hrn. Rath und Archivarius Kestner in Hannover

3 Nach Rom an Hrn. Tischbein incontro al Palazzo Rondanini zu spediren.

– – – – – –

St. 10


Doch bitte ich wegen der letzten soviel wie möglich Sorge zu tragen daß die Fracht nicht so hoch komme. Augsburger Freunde werden Sie darinn am besten bedienen können.

Schreiben Sie mir wie Sie Sich befinden, ob Sie Sich eine Gattinn ausgesucht haben und wie Ihre Unternehmungen gelingen.

Den Rest der mir zukommenden Exemplare schicken Sie unter meiner Adresse nach Weimar. Wie auch einen Brief den Sie mir schreiben möchten.

Wollen Sie bey Herrn Weygand auf Ostern 60 rth. für mich empfangen, welche derselbe von Hrn. Plessig in Wernigerode an mich auszuzahlen angewiesen ist, und sich dazu durch dieses Blat legitimiren. Sodann das Geld an den Cammerkalkulator Seidel übersenden; so würden Sie mich verbinden.

Rom d. 20. Febr. 87.

Goethe.[199]


8/2582.


An Philipp Seidel

Rom d. 20. Febr. 87.

Du erhältst wieder eine Menge Briefe auszutheilen.

Die Bancknoten werden hier von der Banck niemals realisirt. Sie zahlen höchstens die Noten von 10 Scudi aus. Für die übrigen zahlen sie wenig Geld und wieder Papier. Dabey schickaniren sie den Abhohler durchs Warten, daß jeder lieber wo anders hingeht. Jetzt verliert man 2 1/2 Procent daran. Man glaubt sie belaufen sich auf 24 Millionen. Eine Staatsschuld die nie wieder abgetragen werden kann. Vor einiger Zeit verlohr man mehr bis 5 ia sechs Procent. Silber sieht man hier nur spanische Piaster die sie erhöht haben, daß sie einen Scudo, also 100 Bajock voll gelten, da sie vorher nur 96 galten. Durch diese Operation ist also gleich das Silber um 4 pr. Cent erhöht worden, damit lockte man die Piaster herein, das kann aber nicht lange dauern; so müssen sie wieder hinauf, denn was sind sie nicht gegen Papier werth.

Überhaupt ist de päbstliche Staat ein Muster einer abscheulichen Administration, und da jetzt das fremde Geld ausbleibt, muß es in Kurzem zu großem Übel kommen, da sie denn wohl lernen werden, ihre Felder zu bauen pp.

[200] Wegen der Plessigischen 60 Thl. hab ich Göschen den Auftrag gegeben. Du kannst es Plessig melden. Göschen wird dann an dich zahlen.

Ist ein Packet in Wachstuch, das mit von Carlsbad an dich kam an meine Mutter nach der Vorschrifft abgegangen? Es ist mir viel daran gelegen es in ihren Händen zu wissen.

Siegle die Briefe an Hrn. v. Hendrich und Göschen ingleichen Geh. Cammer Rath Glücke. Schreibe mir, was die Iphigenie, und ein anderes schweres Packet mit den Kupferplatten an Herder Porto gekostet hat.

Fr. v. Stein und Fr. Herder werden bestimmen, wie die ankommenden Exemplare meiner Schriften ausgetheilt werden sollen. Laß sie nach ihrer Anweisung durch Sutorn herumtragen überall mit einer Empfehlung.

Hier ist was ich aufgenommen auf Einem Blatte.

Venedig 167: 14

Rom24. Nov 555: 10

" 5. Jan 274: –

" 20. Febr 540: 10

1537: 14

Dazuder letzte Brief bey Belloni 2000

Livres3537: 14

Das wird ungefähr 900 rh. in Ld. zu 5 rh. machen, berechne dich gleich mit Paulsen und melde mir, was es mit den übrigen Spesen, Provision pp gemacht hat, und was mir per saldo übrig bleibt. Dann ersuche[201] Hrn. Paulsen mir unter dem vorigen Nahmen noch auf 2000 Livr. bey Belloni Credit zu machen, doch so, daß ich nicht genötigt sey die ganze Summe auf einmal zu nehmen, sondern, daß ich nur so viel davon als ich nach und nach brauche erheben kann.


8/2583.


An Charlotte von Stein

d. 19. [- 21.] Febr. 87. Rom.

Dein lieber Brief vom 26. Jan. verdient wohl daß ich noch einige Worte mehr darauf sage, als neulich in der Carnevals Zerstreuung geschehn. Auch heute haben mich die Narren wieder recht herzlich müde gemacht und ich freue mich daß Morgen ein Ende wird.

Du willst mir wegen Sicilien, wegen eines längern Aussenbleibens nicht rathen; so muß ich es in deine Seele thun und was mein Schutzgeist sagt, will ich dencken es seyen deine Worte. Gedencke an mich wenn du allein bist. Da ich dich verlies hoffte ich auf den Umgang deiner Schwester für dich, die dir so viel ist. Gedencke mein und freue dich meiner frohen Rückkehr.

Nur zehen Bildchen sind in Rähmchen gebracht und soweit fertig daß ein Hannoveraner, der übermorgen abreißt, sie nach Teutschland mitnehmen kann. Er wird sie meiner Mutter bringen, von der du sie erhälst. Noch mehrere sind umrißen und recht interessante,[202] abstechende, die ich aber nicht mitschicken mag. Sie sollen dir auch erst lebhaft bunt entgegen kommen.

Zur Neapolitanischen Reise ist das schönste Papier gekauft und wir haben die festeste Intention brav zu zeichnen. Wenn es nur die Schönheit und Menge der Gegenstände zuläßt. Das Tagebuch der Reise schick ich ab so bald wir dort ankommen, du wirst nach diesem Brief nicht lange darauf zu warten haben.

Das Wetter fährt fort über allen Ausdruck schön zu seyn, heute war ein Tag den ich mit Schmerzen unter den Narren zubrachte. Es ist Neumond und ich konnte heute Abend, auf der Villa Medicis, die ganze dunckle Scheibe, fast mit blosen Augen und ganz deutlich durchs Perspecktiv sehn. Über der Erde schwebt ein Duft des Tags über, den ich nur aus den Gemählden und Zeichnungen des Claude kannte, das Phenomen in der Natur aber nie gesehn hatte. Nun kommen mir Blumen aus der Erde die ich noch nicht kenne und neue Blüten von den Bäumen. Wie wird es erst in Neapel seyn. Wir finden das meiste schon grün und das übrige wird sich vor unsern Augen entwickeln.

Der Vesuv wirft Steine und Asche aus und bey Nacht sieht man den Gipfel glühen, gebe uns die würckende Natur einen Ausguß der Lava. Nun kann ich kaum erwarten, biß mir auch diese Gegenstände eigen werden.

[203] Sage Herdern: daß sich meine botanische Hypothesen durchaus bekräftigen und daß ich auf dem Wege bin neue schöne Verhältniße zu entdecken.

Tasso wird mit auf den Weg genommen, allein von allen und ich hoffe er soll zu eurer Freude vollendet werden.

Wenn ich nur erst erfahre wie ihr Iphigenien aufgenommen. Ich habe sie gestern der Angelika vorgelesen und freute mich sehr über die gute Art wie sie das Gedicht empfand. Sie ist eine trefliche zarte, kluge, gute Frau, meine beste Bekanntschafft hier in Rom.

Kranz wird eine Schachtel an Seideln bringen, darin allerley für die Kinder und der Same für Klinkovström. Ein Paar leuchtende Steine von Bologna liegen unter deiner Adresse bey, mit einem Zettelchen wie sie zu behandeln sind. Eins habe ich vergessen sie müssen wohl für Feuchtigkeit bewahrt werden.


Aschermittwoche.

Nun ist der Narrheit ein Ende. Die unzählige Lichter gestern Abend waren noch ein tolles Specktakel.

Morgen gehe ich weg und freue mich auf das Neue, das unaussprechlich schön seyn soll. Ich bin wohl und hoffe in Neapel erst wieder Lust Rom auszusehen mir anzuschaffen. Lebe wohl. Grüße die deinigen. Ich muß endigen. Es dringt so vieles zusammen. Schreibe mir ja ich erhalte deine Briefe richtig. Wenn[204] mein Packet ankommt gedencke meiner in Liebe. Es sollen bald bessere Sachen nachkommen. Leb wohl du beste, Geliebteste.

G.


8/2584.


An Charlotte von Stein

Rom d. 21. Febr. 87.

Ich benutze einen Augenblick Raum zwischen dem Einpacken um dir noch einige Worte zu schreiben. Dieser Brief soll erst den dritten März hier abgehn, daß du keinen Posttag ohne Brief seyst und dann wird das Neapolitanische Tagbuch schon nachkommen. Ich habe alles eingepackt um noch mittägiger, noch weiter von dir zu gehen! Wann werd ich wieder hier seyn? Wann einpacken um dir wieder näher zu rücken. Ich hoffe es soll alles gut gehn, mein lange mühseliges Leben, soll sich gegen das Ende erheitern.

Ich mag jetzt nicht an Rom dencken, mir nicht vergegenwärtigen was ich alles hier gesehen, was mir eigen gemacht habe, es ist ein Schatz der erst bey mir reifen muß.

So viel weiß ich daß mir dieses Einpacken selbst leicht wird und daß ich für ein künftig thätiges nördliches Leben schon Kraft und Lust genug gesammelt habe.

An dir häng ich mit allen Fasern meines Wesens. Es ist entsetzlich was mich oft Erinnerungen zerreisen.[205]

Ach liebe Lotte du weist nicht welche Gewalt ich mir angethan habe und anthue und daß der Gedancke dich nicht zu besitzen mich doch im Grunde, ich mags nehmen und stellen und legen wie ich will aufreibt und aufzehrt. Ich mag meiner Liebe zu dir Formen geben welche ich will, immer immer – Verzeih mir daß ich dir wieder einmal sage was so lange stockt und verstummt. Wenn ich dir meine Gesinnungen meine Gedancken der Tage, der einsamsten Stunden sagen könnte. Leb wohl. Ich bin heute konfus und fast schwach. Leb wohl Liebe mich, ich gehe nun weiter und du hörst bald von mir und sollst durch mich noch ein Stück Welt weiter kennen lernen.

G.[206]


8/2585.


An Philipp Seidel

Neapel d. 3. Merz.

Glücklich hier angekommen und auch den Vesuv schon bestiegen. Zur Nachricht

G.


8/2586.


An Friedrich Constantin von Stein

Neapel, den 10. März 1787.

Ich danke dir, mein lieber Fritz, für deinen Brief, in welchem mich der Ausdruck deiner Liebe und Neigung recht herzlich freut. Wenn ich dir nicht oft wiederhole, daß ich dich sehr zu mir wünsche, so verschweige ich nur, was mir fast täglich im Gemüthe ist. Denn was ich sehe, ist gar schön und lehrreich, und du würdest es noch mehr genießen als ich.

Ich komme sobald zurück, als mir möglich ist, sobald ich mir nur eine gewisse Art, von Kenntniß von diesem Lande erworben, sobald ich das Merkwürdigste von Natur und Kunst gesehen habe. Dann will ich dir viel erzählen, wir wollen mancherlei Betrachtungen anstellen, und mit der Zeit will ich dich einmal selbst hierher bringen.

Mache dir keine traurigen Vorstellungen von meinem Außenbleiben. Es war mir höchst nöthig,[207] daß ich wieder eine große Masse von Kenntnissen, von neuen Begriffen mir eigen machte, an denen ich wieder eine Weile verarbeiten kann. Es wird mir und alle den Meinigen zu Gute kommen.

Hier ist ein Land so lustig und heiter wie du gewöhnlich bist. Die See und das Land geben genug her, um die Menge Menschen leicht zu nähren. Die Märkte sind voll Fische. Blumenkohl wird auf Eseln häufig zum Verkaufe durch die Stadt getragen, und die Höcker haben Alles voll Rosinen, Mandeln, Feigen, Nüssen, Pommeranzen u. s. w. Das Brod ist gut und es fehlt nicht an Fleische. Jedermann lebt in den Tag hinein, weil ein Tag dem andern gleicht und man sich auf keine Zeit des Mangels, keinen Winter vorzubereiten hat. Ich bin oft am Meere. Seit einigen Tagen ist es in starker Bewegung.

Schreibe mir bald wieder. Ich werde deine Briefe richtig erhalten, wo ich auch sey. Bald werde ich Herculanum, Pompeji, und dann auch Pästum sehen. Grüße, wen du von mir zu grüßen gut und artig findest, ich billige Alles.

Grüße Ernsten und laß ihn mir auch einmal schreiben, was er macht. Empfiehl mich deiner Großmutter zu geneigtem Andenken; ich freue mich aus mehr als einer Ursache nach Hause, und du bist eine der ersten.

Lebe wohl und gedenke mein.

G.[208]


8/2587.


An Christian Gottlob Voigt

Neapel d. 23. März 1787.

Es hätte mir nicht leicht eine größere Freude von Hause kommen können, als mir die Nachricht von dem Fortgange des Ilmenauer Bergwercks gebracht hat. Ich bin so sehr mit dem Gedancken an diese Anstalt geheftet daß mir nichts erwünschter seyn kann als zu hören daß sie glücklich fortgeht. Die Nachricht selbst kann ich nicht genug loben; jeder Mensch hat nur den Maasstab, nach dem was er wünschte selbst gemacht zu haben, und wenn ich sage: daß ich nichts davon zu thun, nichts dazu zu wünschen weiß, daß ich meinen Nahmen als wie unter einer selbst verfertigten Schrift lese; so werden Sie am Besten daraus den Grad meines Beyfalls und meiner Danckbarkeit schätzen können.

Eben so beruhige ich mich über jede Anstalt die Sie wegen des Treibseils und sonst treffen werden, es hält schwer aus einer solchen Ferne eine Meynung zu sagen. Haben Sie die Güte mir manchmal einige Nachricht zu geben und mich Ihres Wohlbefindens zu versichern. Schon vergnüge ich mich zum voraus an dem Gedancken Sie wieder zu sehn und die bekannten Fäden gemeinschaftlich in die Hand zu nehmen. So schön und herrlich diese Welt ist; so hat man doch in derselben und mit derselben nichts zu thun.

[209] Gewiß ist nicht leicht eine schönere Lage als die von Neapel und die Erinnerung eines solchen Anblicks ist eine Würze aufs ganze Leben, das Clima ist milde und recht das Element eines leichten Lebens.

Vom übrigen sage ich nichts. Es ist alles so oft beschrieben und was man sich eignes bey den Sachen denckt hängt mit so viel andern Begriffen zusammen daß man sich nicht kurz fassen kann. Es wird dereinst auf dem Thüringer Wald, bey Spaziergängen, bey einem vertraulichen Abend gute Unterhaltung geben.

Nun stehn mir noch die Tempel von Pestum und wenn es den Winden gefällt die Küsten Siciliens vor. Dagegen werd ich die heilige Woche in Rom aufgeben müßen.

Leben Sie recht wohl, Empfehlen Sie mich den Ihrigen und gedencken mein.

Ew. Wohlgeb.

ergebenster G.[210]


8/2588.


An Friedrich Constantin von Stein

Palermo, den 17. April 1787.

Morgen, lieber Fritz, geben wir aus Palermo. Ich befinde mich wohl und bin vielleicht in meinem Leben nicht 16 Tage hinter einander so heiter und vergnügt gewesen als hier. Nun geht es über Alcamo nach Segeste, nach Castelveterano, Girgenti, wo wir in 5 Tagen anzulangen gedenken. Ich mache die Reise durch's Land, um zu sehen, wie es auf den Bergen aussieht, Küsten werde ich später noch genug sehen. Das Ziel meiner Reise ist nun bald erreicht, dann geht es wieder rückwärts. Ich habe viel, viel Neues gesehen, erst hier lernt man Italien kennen. Ich wünschte dir, daß du die Blumen und Bäume sähest, und wärest mit uns überrascht worden, als wir nach einer beschwerlichen Überfahrt am Ufer des Meeres die Gärten des Alcinous fanden. Lebe wohl ich liebe dich herzlich. Grüße Alle und schreibe mir, daß ich, wenn ich nach Neapel zurückkomme, deinen Brief finde.

G.[211]


8/2589.


An Charlotte von Stein

Meine Liebe noch ein Wort des Abschieds aus Palermo. Ich kann dir nur wiederhohlen daß ich wohl und vergnügt bin und daß nun meine Reise eine Gestalt nimmt. An Neapel hätte sie zu stumpf aufgehört. Aus meinen Blättern siehst du nur einiges im Detail, vom Ganzen, von meinem Innersten und den glücklichen Folgen die ich fühle kann und mag ich nichts sagen. Dies ist ein unsäglichschönes Land, ob ich gleich nur ein Stückchen Küste davon kenne. Wie viel Freude macht mir mit jedem Tage mein bischen Wissen der natürlichen Dinge und wie viel mehr müßte ich wissen wenn meine Freude vollkommen seyn sollte. Was ich Euch bereite, geräth mir glücklich, ich habe schon Freudenthränen vergoßen daß ich Euch Freude machen werde. Leb wohl Geliebteste mein Herz ist bey dir und jetzt da die Weite Ferne, die Abwesenheit alles gleichsam weggeläutert hat was die letzte Zeit über zwischen uns stockte so brennt und leuchtet die schöne Flamme der Liebe der Treue, des Andenckens wieder fröhlich in meinem Herzen. Grüse Herders und alle. und gedencke mein.

d. 18. Apr. 87. Palerm.[212]


8/2590.


An Philipp Seidel

Neapel d. 15. May 87.

Dein Brief vom 7. März hat mich gestern da ich vom Schiffe stieg empfangen, und deine treuen Worte waren mir herzlich willkommen.

Die Reise durch Sicilien ist denn auch glücklich vollbracht und wird mir ein unzerstörlicher Schatz auf mein ganzes Leben bleiben. Du sollst bey meiner Rückkunft manches hören. Besonders kann man sich keinen Begriff von der Fruchtbarkeit des innern Landes machen wenn man es nicht gesehn hat. Von Palermo auf Girgenti und von da auf Messina habe ich die Reise zu Pferde gemacht, und bin mit einem französchen Schiffe nach einer vierthalbtägigen Fahrt hier angekommen. Nun kann ich Fronleichnam und St. Peter in Rom feyern.

Was du von meiner Iphigenie sagst ist in gewissem Sinne leider wahr. Als ich mich um der Kunst und des Handwerckes willen entschließen mußte das Stück umzuschreiben, sah ich voraus daß die besten Stellen verlieren mußten wenn die schlechten und mittlern gewannen. Du hast zwey Scenen genannt, die offenbar verlohren haben. Aber wenn es gedruckt ist, dann[213] ließ es noch einmal ganz gelaßen, und du wirst fühlen was es als Ganzes gewonnen hat.

Doch liegt das Hauptübel in der wenigen Zeit die ich darauf verwenden können. Den ersten Entwurf schrieb ich unter dem Rekrouten Auslesen und führte ihn aus auf einer Italiänischen Reise. Was will daraus werden. Wenn ich Zeit hatte das Stück zu bearbeiten, so solltest du kleine Zeile der ersten Ausgabe vermißen.

Was ich machen kann wird man vielleicht aus einem Stück sehen, das ich auf dieser Reise erfunden und angefangen habe.

Was du mir von den übrigen Verhältnißen schreibst werde ich in einem feinen Herzen bewahren und Frucht bringen laßen. Da ich die Grille Carl des fünften hatte, mein Leichenbegängniß bey lebendigem Leibe anzusehen, darf es mich nicht wundern wenn Träger und Todtengräber nach ihrer Weise handlen und die Priester die Exequien anstimmen.

Übrigens bleibe ja dabey und ich fordre dich dazu auf, mir über alles was mich selbst angeht und was du sonst gut finden magst deine Meynung unverhohlen, ja ohne Einleitung und Entschuldigung zu sagen. Ich habe dich immer als einen meiner Schutzgeister angesehen, werde nicht müde dieses Ämtchen auch noch künftig beyher zu verwalten.

Inliegendes gieb an Frau v. Lichtenberg und grüße wieder einmal von mir nach der Reihe herum,[214] mit dem Vermelden, daß ich aus Sicilien zurückgekommen sey.

Hrn. v. Knebel kann ich meinen Garten nicht einräumen, ich habe Schlüßel und Besitz vor meiner Abreise an Fr. v. Stein abgetreten. Leite es auch so ein daß er sie nicht darum anspricht, sie cedirt ihn vielleicht aus Gefälligkeit aber ungern. Du wirst das schon auf eine gute Weise zu machen wissen.

Lebe wohl und gedencke meiner.

Was mögt ihr für Wetter gehabt haben? Mir haben in Sicilien mit unter große Kälte gefühlt. Hier ist wieder ein reiner herrlicher Himmel.

Wenn du mit der umlaufenden Post noch etwas nothwendiges zu sagen hast; so schreibe gleich, schicke mir aber nachher keine Briefe weiter nach Rom ich müßte es denn wieder verlangen. Ich werde so bald ich es mit Gewißheit kann dir meine neue Adresse schreiben. Lebe wohl. Gedencke mein.

G.


Kranz ist schon lange fort, ich behalte den Brief an ihn zurück.


8/2591.


An Charlotte von Stein

Neapel d. 25. [-?] May 87.

Deine lieben Briefe 15. 16. 17. 18. 19. habe ich gestern alle auf einmal von Rom durch den Graf[215] Fries erhalten und mir mit Lesen und Wiederlesen etwas rechts zu Gute gethan, das sehnlich erwartete Schächtelchen war dabey und ich dancke dir tausendmal für alles. Dancke Steinen für das Etui. Der Beutel ist mir sehr lieb und werth, wie jedes Zeugniß deiner bleibenden Liebe. Nun sollt ich dir auch von meiner Reise auf Pest, von Neapel und was alles vorkommt schreiben und Rechenschaft geben, es ist aber beynahe unmöglich, denn der Strom der Menge und die Zerstreuung reißt auch den Gesetztesten mit fort, besonders wenn man sich nicht einrichten kann und das Lokanden Leben dazu kommt. Euch hab ich angefangen Bekanntschaften zu machen und das nimmt gleich wieder Zeit und Gedancken weg. Den Herzog und die Herzoginn d'Vrsel von Brüssel, den dänischen Gesandten pp Hamilton und seine Schöne habe ich auch wiedergesehen. Wenn man diese Stadt nur in sich selbst und recht im Detail ansieht und die nicht mit einem nordisch moralischen Policey Maasstab an sieht; so ist es ein großer herrlicher Anblick und du weißt daß dieses eben meine Manier ist. Wenn ich mich hier aufhielte wollte ich ein Tableau de Naples geben dessen man sich freuen sollte, es ist eben eine Stadt die man übersehen kann und doch so unendlich manigfaltig und so lebendig. Es müßte aber zugleich ein es wohlüberdachtes gründliches Werck werden.

Ich erlebe noch hier des Königs Geburtstag dann geh ich auf Rom. Du antwortest mir auf diesen Brief[216] nicht mehr dahin, denn gleich nach St. Peter will ich fort, das heißt Anfangs Juli, und so bin ich Ende August bequem in Franckfurt. Nun sehne ich mich recht herzlich nach Hause und will das was mir auf dem Wege liegt noch mit Stille und Bescheidenheit mitnehmen. Find ich Ruhe die ich mir wünsche, so sollt ihr sehen was ich gewonnen habe.

Alles was mir ein Zeugniß deiner Liebe giebt, ist mir unendlich werth, auch sind es mir jetzt da du wieder gefaßt bist, deine traurigen Zettelchen. Möge ich dir künftig nur Freude bringen. Du hast mir goldne Sachen über mich selbst und über meine nächsten Verhältniße gesagt, ich horche ganz still auf das Lispeln meines Schutzgeistes, du wirst sehen es geht nun gut und ich sehe dich glücklich und fröhlich wieder.

Es freut mich daß du von Italien so viel liesest, du wirst mit den Gegenständen bekannter und wenn ich komme kann ich dir sie doch näher bringen. Die Zeichnungen die mein Begleiter gemacht hat sind soviel werth als ich für die Sicilianische Reise ausgegeben habe.

Grüße doch Knebeln und sag ihm daß ich hundertmal an ihn gedacht habe und dencke.

Gewiß fühl ich mich hier schon ganz anders, nur fürchte ich das nördliche Klima wird mir vor wie nach allen Lebensgenuß rauben. Wir wollen es abwarten.

Ein Maltheser der jetzt in Catania etablirt ist und sich wohl und fröhlich befindet, mußte aus Norden[217] wieder zurück ob er gleich gut angestellt war. Er versicherte mir er habe sieben Jahre in einer anhaltenden Kranckheit zugebracht, die in Sicilien gleich verschwunden sey. Von Neapel und seiner Gegend kann man nicht Guts genug, sagen. Das Wetter war den ganzen April hier regnicht und fühl, wider Gewohnheit.

Mit Göschen will ich mich schon betragen, ich kenne diese Art Menschen und muß nicht jeder sein Handwerck machen? Mich verlangt von der Ausgabe der vier ersten Theile zu hören.

Grüße die Freundinnen, sie sollen mir hold bleiben. Empfiel mich der Herzoginn. Möge ihr doch das Aachner Bad zum Besten dienen. Leider machen mir die Gesundheitsumstände unsrer Fürstlichen Personen und ihrer Descendenz keinen fröhlichen Rückblick.

Noch eins. Wenn du hörst der Herzog mache in meinen Departements Verändrungen pp; so laß dichs nicht irren, ich weiß davon und wünsche es. Ich habe an diese Epoche meines Lebens einen solchen Glauben daß ich überzeugt bin alles was darin geschieht muß zu meinem Frieden dienen es hat sich alles so schön gelegt und gegeben bisher, warum soll es nicht weiter werden.

Empfiel mich dem Andencken der Herzoginn und aller Freunde und Freundinnen. Wo ich hinkomme will man mich haben und behalten, möchte ich doch denen etwas werden, zu denen ich wiederzukehren bestimmt bin.

[218] Die Bekanntschaften die ich diese letzten Tage gemacht habe und noch mache nehmen mir alle Zeit weg. Es ist doch gut noch einige Menschen zu sehen und gut daß ich mich bisher aller enthalten habe.

Eine gute neue komische Oper von Cimarosa habe ich vorgestern gehört, und gestern hat mich der wahre Pulcinell (das heist der lebendige und originale) aufs beste unterhalten, ich habe zwey drey Stunden in einem fortgelacht. Lebe wohl behalte mir deine Liebe. In wenig Tagen verlaß ich dieses Paradies und schreibe dir gleich von Rom aus. Antworte mir nicht auf diesen Brief aber fahre fort mir zu schreiben, ich melde dir bald wohin du mir deine Worte schicken kannst. Sey Herders soviel als möglich ist. Sonderbar! Daß zwischen den besten und verständigsten Men schen eine Art von Flor und Hülle bleiben kann. Zwischen uns soll sie sich nie wieder stellen. Lebe tausendmal wohl.

G.


8/2592.


An Friedrich Constantin von Stein

Neapel den 26. Mai 1787.

Deine vielen Briefe, die ich alle auf Einmal erhielt, haben mir viel Freude gemacht. Ich bin aus Sicilien glücklich zurück und du kannst ohne Sorge seyn. Ich komme nun bald und du sollst schöne Sachen sehen und hören. Zeichne fleißig nach Büsten[219] und versuche auch einmal einen Kopf nach dem Leben. Zeichne Landschaften nach der Natur, und suche gleich etwas Interessantes zu wählen, so gut es die Gegend giebt. Ich kann dir, wenn ich komme, manche Anleitung geben, denn ich komme aus einer großen Schule. Dein italiänischer Brief hat mich sehr vergnügt; wenn ich zurückkomme, wollen wir nur italiänisch reden.

Wenn du das Meer sehen solltest, würdest du große Freude haben. Wenn man es eine Zeitlang gewohnt ist, so kann man nicht begreifen, wie man hat leben können, ohne es gesehen zu haben, und wie man fortleben soll, ohne es zu sehen. Ich bin durch Sicilien gegangen, ohne Empfehlungsschreiben und ohne Garde, und bin doch durchgekommen, es geht Alles, wenn man sich zu schicken und zu finden weiß. Wenn es meinen Wünschen nachgeht, so sehen wir diese Gegenden einmal zusammen. Oft wünsche ich dich zu mir, im Ganzen sehe ich doch aber, daß es gut ist, daß ich dich nicht mitgenommen habe. Nun sehe ich dich bald wieder und es wird mir eine neue Freude seyn.

Lebe wohl, grüße deine Großeltern, Onkels und Tanten.

G.


8/2593.


An den Herzog Carl August

Neapel d. 27. [- 29.] May 87.

Ihre lieben und werthen drey Briefe habe ich vor einigen Tagen auf einmal von Rom erhalten, wie die[220] drey ersten zu ihrer Zeit auch alle richtig eingelaufen waren. Nun verlangt mich um so mehr nach Rom, um von Lucchesini die Begebenheiten zu erfahren, an denen Sie soviel Theil haben. Möge Alles auch zu Ihrem Glück und Freude ausschlagen. Von meiner glücklichen Rückkunst aus Sicilien von meiner Exkursion nach Pestum wird Fr. von Stein etwas sagen können; überhaupt aber muß ich alles Detail biß auf meine Rückkunst versparen, denn da war und ist kein Mittel, meine Anmerckungen in Ordnung zu bringen. Ich bin über alle Maaßen von meiner Reiße zufrieden und von meinem zweyten hiesigen Aufenthalt. Ich habe mehrere interessante Menschen kennen lernen, um derentwillen ich wohl noch eine Zeit bleiben möchte, allein der erste Juni ist und bleibt zu meiner Abfahrt angesetzt, eben wie ich aus Rom bald nach St. Peter zu gehen gedencke. Für den ersten Anbiß habe ich nun Italien genug gekostet, wollte ich es mehr und gründlicher nutzen; so müßte ich in einigen Jahren so wieder kommen, ich bin nur von Gipfel zu Gipfel geeilt und sehe nun erst recht was mir alles an Mittelkenntnißen fehlt. Daß ich Sicilien gesehen habe, ist mir ein unzerstörlicher Schatz auf mein ganzes Leben.

Unter dem was ich mitbringe wird hoffentlich manches für Sie seyn, was Sie bestellen will ich in Rom treulich besorgen, auch mir daselbst einige Correspondenz offen halten daß man im Falle immer an gute Künstler rekurriren kann.

[221] An Ihre Anlagen habe ich oft gedacht, die schwarze Tafel soll auch nicht vergessen werden.

Ich habe manche Räzel unterwegs gefunden, vielleicht paßt eines in die Höhle des Sphinx. Gartenhäuser und Brunnen bringe ich mit.

Meine besten Wünsche folgen Ihrer Frau Gemahlinn ins Bad. Die Stein schreibt mir, Sie werde nach Aachen gehn. Wäre Sie nach der Schweitz gegangen; so hätte ich meinen Rückweg über Turin genommen um Ihr aufzuwarten. So aber dencke ich über den alten Gotthardt meine andächtige Wallfahrt zu vollenden.

Auf Ihre Carten Sammlung freue ich mich recht sehr. Da ich nun ein schön Stück Welt gesehn habe intereßirt sie mich wieder in allen ihren Theilen.

Viel Glück! zu Dahlbergs Erwählung! ich hoffe ihm auf meiner Rückreiße aufzuwarten.

Diese Stadt ist für einen Fremden sehr reitzend; man kann einsam und für sich leben und doch unter dem schönsten Himmel von den manigfaltig zubereiteten Ergötzlichkeiten sein Theil wegnehmen. Ich bin neugierig wie mir seyn wird wenn ich kein Meer künftig sehe, das ich nun drey Monate anhaltend und aus so vielen Gesichtspunckten im Auge gehabt habe. Das ist an Sicilien so lustig, daß, wenn man kaum eine Streckte in's Land hinein ist, gleich auf der andern Seite das Meer wieder erscheint und eine neue Küste uns entgegen lacht.

[222] Auf alle Weise seh ich aber wie schwer es ist ein Land zu beurteilen, der Fremde kann es nicht und der Einwohner schwer. Und dann ist der Mensch so einseitig, daß ein so großer und manigfaltiger Gegenstand von ihm nicht wohl begriffen werden kann.

Diejenige die ich über Neapel und Sicilien gesprochen habe, haben im einzelnen fast alle recht, im Ganzen wie mir scheint fast keiner.

Über alle diese Dinge wird mündlich manches abzuhandlen seyn, es gehört dazu daß man bestimmt und ausführlich spreche.

In diesen meinen letzten Tagen unterhält mich auch das Theater, an dem ich bisher wenig Freude gehabt habe. Doch seh ich daß ich auf alle Fälle zu alt für diese Späße bin. Die andern bildenden Künste erfreuen mich mehr, und doch am meisten die Natur mit ihrer ewig konsequenten Wahrheit.

Auf dem Schiffe habe ich manchmal an Sie gedacht, daß die precisen und schnellen Maneuvres Sie sehr unterhalten würden. Es ist eine respecktable Maschine an der alles ausgedacht, nichts willkührliches ist, noch seyn kann. Ich habe auf dem Hin und Herweg vom Meere gelitten und also viel Freude verloren. Stromboli ist ein wunderlicher Anblick. Eine solche immer brennende Oeße, mitten im Meere ohne weiteres Ufer noch Küste. Die Sirenenfelsen hinter Capri aber haben uns den unvergeßlichsten Eindruck gelaßen, an denen wir beynahe, auf die seltsamste Art[223] bey völlig heitrem Himmel, und vollkommner Meeres Stille, eben durch diese Meeresstille zu Grunde gegangen wären.

Laßen Sie mich nun dieses Blat meinem eignen Verhältniße wiedmen, für welches Sie so freundschaftlich und liebevoll sorgen.

Es freut mich unendlich wenn das Compte rendu, wenigstens im Allgemeinen hat zu Ihrer Zufriedenheit ausfallen können, erhalten und vollenden Sie das gute Werck, bey dem ich im Grunde wenig Verdienst habe.

Der Gedancke Schmidten die nähere Aufsicht über die Cameral Geschäfte aufzutragen, hat meinen völligen Beyfall, er ist auf alle Weise der rechte Mann, nur bey dem Modo habe ich zu erinnern: daß, wenn Sie ihn zum Vicepräsidenten machen und mir eine Art von Direcktion lagen, alsdann ein Glied des Geh. Consilii dem andern untergeordnet ist welches ich nicht für ganz gut halte. Vielmehr wünschte ich: Sie entbänden mich, mit einem freundlichen Worte, meiner bisherigen Inkumbenz, (und mit der gewöhnlichen Formel: auf sein Ansuchen) Machten alsdann Schmidten entweder gradezu zum Presidenten, oder gäben ihm die Direcktion, wie ich sie in Würcklichkeit (nicht nach dem Rescripte) gehabt habe. Doch das sey Ihnen Alles überlaßen. Mein einziger Wunsch war: Sie Herr von dem Ihrigen zu wissen, alles was Sie thun um Sich die Sachen mehr nach der Hand einzurichten,[224] kann mir nicht anders als erfreulich seyn. Machen Sie diese Veränderung wann und wie Sie es für gut befinden. Anfangs September bin ich hoffentlich in Franckfurt, kann ich alsdann einige Zeit bey meiner Mutter bleiben, um meine vier letzten Bände in Ordnung zu bringen, meine Reise Beobachtungen besser auszuführen, vielleicht an Wilhelm und einigen neuern Ideen zu arbeiten; so werde ich mich sehr erleichtert finden, denn einmal müßen diese Arbeiten doch hinter mich. Und darum nehmen Sie den besten Danck für Ihre Gesinnungen, daß Sie mich so gütig erleichtern wollen. Wie jetzt unsre Sachen stehn, können Sie es ohne Nachteil der Geschäfte, ja ich werde Ihnen mehr werden als ich oft bisher war, wenn Sie mich nur das thun lassen was niemand als ich thun kann und das übrige andern auftragen. Mein Verhältniß zu den Geschäften ist aus meinem persönlichen zu Ihnen entstanden, laßen Sie nun ein neu Verhältniß zu Ihnen nach so manchen Jahren, aus dem bisherigen Geschäfts-Verhältniß entstehn. Ich bin zu allem und jeden bereit, wo und wie Sie mich brauchen wollen. Fragen Sie mich über die Symphonie die Sie zu spielen gedencken; ich will gern jederzeit meine Meinung sagen, so wird auch mein persönlich Verhältniß zu Schmidten mich in den Stand setzen, nach Ihrem Verlangen, in allen Sachen mitzuwürcken. Schon sehe ich, was mir die Reise genützt, wie sie mich aufgeklärt und meine Existenz erheitert[225] hat. Wie Sie mich bisher getragen haben, sorgen Sie ferner für mich und thun Sie mir mehr wohl, als ich selbst kann, als ich wünschen und verlangen darf. Geben Sie mich mir selbst, meinem Vaterlande, geben Sie mich Sich selbst wieder, daß ich ein neues Leben und ein neues Leben mit Ihnen anfange! Ich lege mein ganzes Schicksal zutraulich in Ihre Hände. Ich habe so ein großes und schönes Stück Welt gesehn, und das Resultat ist: daß ich nur mit Ihnen und in dem Ihrigen leben mag. Kann ich es, weniger von Detail überhäuft, zu dem ich nicht gebohren bin; so kann ich zu Ihrer und zu vieler Menschen Freude leben, deswegen nehmen Sie den herzlichsten Danck für diesen neusten Vorschlag und führen Sie ihn mit Glück und Segen aus.

Können Sie gelegentlich etwas für Voigten thun, der manches für mich trägt und dem Sie selbst wegen seiner Brauchbarkeit immer mehr auflegen müßen; so werden Sie Ihrem Dienste gewiß Vortheil bringen. Sprechen Sie mit Schmidten deßhalb. Er kennt des Manns Verdienste, weiß wie man gewußt hat ihn zu verkürzen, und kann wohl einen Weg angeben, wie Sie ohne Unzufriedenheit mehrerer ihn erleichtern können.

Leben Sie wohl und halten Sich überzeugt: daß es wenige treuer mit Ihnen meinen können als ich und daß das beste was an mir ist und seyn wird immer Ihrem Dienste gewidmet bleiben soll. Behalten Sie mich lieb.

G.[226]


Sagen Sie doch der Stein und Herdern ein Wort davon in Vertrauen, daß sie nicht in Sorge und auf wunderliche Gedancken gerathen.

Eine Antwort auf diesen Brief würde mich schwerlich mehr in Rom treffen, ich schreibe bald wohin wieder Briefe an mich adressirt werden können.


8/2594.


An Charlotte von Stein

Neapel d. 1. [- Rom 9.] Jun. 87.

Die Ankunft des Marquis Lucchesini hat meine Abreise auf einige Tage weiter geschoben, ich habe viel Freude gehabt ihn kennen zu lernen. Er scheint mir einer von denen Menschen zu seyn die einen guten moralischen Magen haben, um an dem großen Welttische immer mitgenießen zu können. Anstatt daß unser einer, wie ein wiederkäuendes Thier ist, das sich zu Zeiten überfüllt und dann nichts wieder zu sich nehmen kann, biß es seine wiederhohlte Kauung und Verdauung geendigt hat. Sie gefällt mir auch recht wohl, sie ist ein gutes deutsches Wesen. Laß dich übrigens den Herzog von des Marquis Verdiensten unterhalten, es ist, ein auf alle Weise schätzbarer Mann.

Ich gehe nun gern aus Neapel, ja ich muß fort. Diese letzten Tage überließ ich mich der Gefälligkeit Menschen zu sehen. Ich habe meist interessante kennen lernen und ich bin von denen Stunden sehr zufrieden[227] die ich ihnen gewiedmet habe. Aber noch vierzehn Tage; so hätte es mich weiter und weiter und abwärts von meinem Zwecke geführt. Und dann wird man hier immer fauler und fauler. Seit meiner Rückkunst von Pest hab ich ausser dem Museum von Portici nichts gesehen und es bleibt mir manches zurück, um dessentwillen ich nicht den Fuß aufheben mag. Aber auch ist das Museum das α und ω aller Antiquitäten Sammlungen, da sieht man recht was die alte Welt an freudigem Kunstsinn vorauswar, wenn sie im strengen Handwerckssinne weit hinter uns zurückblieb.

Wir haben Schirock und sehr übles Wetter, Regen und fast Kühlung.

Übrigens gehe ich gern aus Neapel denn im Grunde habe ich nichts hier zuthun und das bunte Leben ist meine Sache nicht. Von dem Feldbau in der Terra di Lavoro hätte ich mich gerne gründlicher unterrichtet, wenn ich Zeit gehabt hatte.

Die vier Wochen in Rom gedencke ich gut anzuwenden und noch sehe ich kein Hinderniß das mich abhalten könnte anfangs September in Franckfurt zu seyn.[228]


Rom d. 8. Jun.

Nun kann ich dir wieder aus dieser alten Hauptstadt einen Gruß bieten. Vorgestern nach Mittage bin ich wieder hier angekommen, gestern war Fronleichnam und heute früh da ich aufgeraümt und mich eingerichtet habe ist mein erstes an dich zu schreiben. Du hattest es mit deinem Briefe wohl abgepaßt, er kam zwey Tage vor mir nach Rom. No 20 meyn ich. Nun muß ich in meiner Erwählung zurück gehn. Die letzten Tage in Neapel wurde ich immer mehr unter die Menschen gezogen, es reut mich nicht denn ich habe interessante Personen kennen lernen. Auch kam Lucchesini noch an, um dessentwillen ich den 1. und 2. Juni noch in Neapel blieb. In ihm hab ich einen rechten Weltmenschen gesehen und recht gesehen warum ich keiner seyn kann. Der Vesuv der seit meiner Rückkehr von Sicilien starck gebrannt hatte floß endlich d. 1. Juni von einer starcken Lava über. So hab ich denn auch dieses Naturschauspiel, obgleich nur von weitem gesehn. Es ist ein großer Anblick. Einige Abende als ich aus dem Opernhause ging das nah am Molo liegt, ging ich noch auf den Molo spazieren. Dort sah ich mit Einem Blick, den Mond, den Schein des Monds auf den Wolckensäumen, den Schein des Monds im Meere, und auf dem Saum[229] der nächsten Wellen, die Lampen des Leuchtturns das Feuer des Vesuvs, den Wiederschein davon im Wasser und die Lichter auf den Schiffen. Diese Manigfaltigkeit von Licht machte ein Einziges Schauspiel.

Dergleichen viele sehr schöne Anblicke hab ich genoßen, die mir in der Seele lebendig bleiben und nicht wieder von mir genommen werden können. Ich ging allein und gern von Neapel man kommt dort nicht zu Sinnen, man müßte sich denn besonders und auf längere Zeit einrichten. Drey und einen halben Tag bracht ich auf der Reiße sehr glücklich zu. Ich saß allein in der Vettur und ließ mich so fortschleppen genoß der Gegend zeichnete einiges und recapitulirte Neapel und Sicilien. Ich habe die größte Ursache von meiner Reiße zufrieden zu seyn, ich habe mir die schönsten und solidesten Schätze gesammelt.

Gestern war Fronleichnam. Ich bin nun ein für allemal, für diese Kirchlichen Cerimonien verdorben, alle diese Bemühungen eine Lüge gelten zu machen kommen mir schaal vor und die Mummereyen die für Kinder und sinnliche Menschen etwas imposantes haben, erscheinen mir auch sogar wenn ich die Sache als Künstler und Dichter ansehe, abgeschmackt und klein. Es ist nichts groß als das Wahre und das kleinste Wahre ist groß. Ich kam neulich auf einen Gedancken der mich sagen ließ: auch eine schädliche Wahrheit ist nützlich, weil sie nur Augenblicke schädlich seyn kann und alsdann zu andern Wahrheiten[230] führt, die immer nützlich und sehr nützlich werden müßen und umgekehrt ist ein nützlicher Irrthum schädlich, weil er es nur augenblicklich seyn kann und in andre Irrthümer verleitet die immer schädlicher werden. Es versteht sich dieses im Grosen ganzen der Menschheit betrachtet. Das Beste, ja das Einzige des ganzen Festes, sind die Teppiche nach Raphaels Zeichnungen, deren Fürtrefflichkeit auszudrücken keine Worte hinreichen. Diese Compositionen sind von seiner besten Zeit, hier zwar nur gewürckte Copien, zum Theil aber fürtrefflich gemacht, und an Sinn Zeichnung, Poesie, Ausführlichkeit was man sich nur dencken und wünschen mag, ja ohne sie gesehn zu haben nicht dencken und wünschen kann. Beschreibungen was sie vorstellen findet du in allen Reisebeschreibungen.

Nun komme ich auf mich selbst und finde mich in einer zweifelhaften Lage doch will ich es werden laßen, es hat sich alles so gut gemacht. Ich muß nun mit Gewalt an die vier letzten Bände, und wie ich dir schon schrieb, müßen sie in Ordnung seyn eh ich zu euch zurückkehre, auch haben sich neue Sujets zugedrängt die ich ausführen muß denn das Leben ist kurz; wo ich nun sitze, hier oder in Franckfurt, das ist eins und Rom ist der einzige Ort in der Welt für den Künstler und ich bin doch einmal nichts anders. Wäre nur die Rückreise im Winter oder gegen den Winter nicht zu beschwerlich. Doch es mag werden.

Übrigens habe ich glückliche Menschen kennen lernen,[231] die es nur sind weil sie ganz sind, auch der Geringste wenn er ganz ist kann glücklich und in seiner Art vollkommen seyn, das will und muß ich nun auch erlangen, und ich kanns, wenigstens weiß ich wo es liegt und wie es steht, ich habe mich auf dieser Reise unsäglich kennen lernen. Ich bin mir selbst wiedergegeben und nur umsomehr dein. Wie das Leben der letzten Jahre wollt ich mir eher den Todt gewünscht haben und selbst in der Entfernung bin ich dir mehr als ich dir damals war. Ich will nun hier erst alles durchsehen was ich zurückließ und dann wollen wir weiter sehen. Noch muß ich deiner Briefe entbehren, schreibe mir nur immer, daß du mir auf einmal schicken kannst, wenn ich dir anzeige wohin. Ich dancke dir für deine Liebe und Treue und für deine freundlichen Worte.

Sage Herdern daß ich dem Geheimniß der Pflanzenzeugung und Organisation ganz nah bin und daß es das einfachste ist was nur gedacht werden kann. Unter diesem Himmel kann man die schönsten Beobachtungen machen. Sage ihm daß ich den Hauptpunckt wo der Keim stickt ganz klar und zweifellos entdeckt habe, daß ich alles übrige auch schon im Ganzen übersehe und nur noch einige Punckte bestimmter werden müssen. Die Urpflanze wird das wunderlichste Geschöpf von der Welt über welches mich die Natur selbst beneiden soll. Mit diesem Modell und dem Schlüßel dazu, kann man alsdann noch Pflanzen ins unendliche[232] erfinden, die konsequent seyn müßen, das heißt: die, wenn sie auch nicht existiren, doch existiren könnten und nicht etwa mahlerische oder dichterische Schatten und Scheine sind, sondern eine innerliche Wahrheit und Nothwendigkeit haben. Dasselbe Gesetz wird sich auf alles übrige lebendige anwenden laßen.

Auf Herders dritten Theil freu ich mich sehr, hebe mir ihn auf, biß ich sagen kann wo er mir begegnen soll. Er wird gewiß den schönen Traumwunsch der Menschheit daß es dereinst besser mit ihr werden möge trefflich ausgeführt haben. Auch muß ich selbst sagen halt ich es für wahr daß die Humanität endlich siegen wird, nur fürcht ich daß zu gleicher Zeit die Welt ein großes Hospital und einer des andern humaner Kranckenwärter werden wird.

Daß du das Löwgen verlohren hast, thut mir leid, ich kann dir schwerlich ein so artig Steinchen wieder schaffen, doch will ich mir Mühe geben. Vielleicht findet sichs auch wieder. Lebe wohl grüße alles. Dieser Brief sucht dich im Carlsbad. Gedencke mein. Grüße Ernsten. Hoffnung ist bey den Lebendigen, ohne Hoffnung sind die Todten.

Ich muß nun fleisig seyn. Über acht Tage schreib ich wieder. Montag geht es nach Tivoli. Dieser Brief geht ab Sonnabends d. 9. Jun.

Der deine.

G.

Angelika hat gar gemüthlich die Stelle: Seyd ihr auch schon herabgekommen? gezeichnet.[233]


8/2595.


An Herders Kinderund Friedrich Constantin von Stein

Rom, den 30. Juni 1787.

St. Petersfest war nun wieder eine rechte Gelegenheit, Euch zu mir zu wünschen. Laßt Euch nur von den Eltern erzählen, was ich von der Erleuchtung schreibe und was sonst irgend in einem Buche davon steht. Wo man auch in der Nacht in der Stadt auf eine Höhe kam, sah man das feurige Feenschloß am Horizonte stehen, und man wünschte sich mehr Augen zu haben, um es recht sehen zu können. Wenn ich komme, will ich es Euch recht lebhaft beschreiben. Nun ist Alles still in dem großen Rom, und es ist jetzt recht Zeit zum Studiren. Ich lerne gar Manches, was ich Euch wieder lehren werde, seyd indessen hübsch fleißig, denn es kommt Einem heute oder morgen zu Gute, wenn man Etwas gelernt hat. Seit acht Tagen ist eine große Hitze auf einmal eingefallen, so daß man des Tages gar nicht ausgehen mag. Die Nächte sind auch sehr warm, und da es eben Vollmond ist, sehr schön und reizend. Das Volk ist die ganze Nacht auf den Straßen, besonders die Festtagsnächte, und singt und spielt auf der Zitter und jauchzt, und kein Mensch mag zu Hause und zu Bette.

Ich lebe ganz still für mich, und werde, da Herr Tischbein nach Neapel geht, einen großen kühlen Saal[234] bewohnen, fleißig in demselben zeichnen und schreiben, und an Euch denken.

Lebt wohl, ich kann heut nicht mehr schreiben, und will also mit Eurer kurzen Entschuldigung schließen, womit Ihr Eure kurzen Briefchen zu endigen pflegt.

G.


8/2596.


An den Herzog Carl August

Rom d. 6. [und 7.] Jul. 87.

Heil, Gesundheit und alles Gute zuvor wo Sie dieser Brief auch antrift. Ihr Segen, Ihre Ermahnung hat gefruchtet und ich finde mich nun, zum erstenmal auf meiner ganzen Reise, mit dem wahren Gefühl von Sodezz, in Rom, wo die Sodezz oder der höchste Leichtsinn hin gehört.

Lucchesini ist wieder hier ich habe die Freude gehabt, mich wieder mit ihm von Ihnen zu unterhalten, er schätzt Sie ganz vorzüglich und ich bin überzeugt es ist nicht um mir blos nach dem Sinne zu reden, daß er soviel Gutes von Ihnen sagt. Übrigens ist er ein ausgemachter Weltmann und scheint mir, was ich auch nur von weitem sehe sein Spiel gut zu spielen.

Ich werde täglich fleißiger und treibe die Kunst, die eine so ernsthafte Sache ist, immer ernsthafter. Wenn ich nur über einige Stufen im Machen hinwegkönnte! Im Begriff, und zwar im ächten, nahen Begriff bin ich weit vorgeruckt. Da ich doch einmal[235] ein Künstler bin; so wird es viel zu meiner Glückseligkeit und zu einem künftigen fröhlichen Leben zu Hause beytragen, wenn ich mit meinem kleinen Talente nicht immer zu kriechen und zu krabeln brauche, sondern mit freyem Gemüthe, auch nur als Liebhaber, arbeiten kann. Auch das was ich jetzt lerne bin ich Ihnen schuldig, denn ohne Ihren freundlichen Zuruf, der mir auf meiner Rückreise begegnete, wäre ich schon jetzt von Rom abgegangen.

Die Freunde werden schon berichtet haben daß ich meinen Aufenthalt biß auf den 28. Aug. verlängre. Auch hab ich an die Stein und Herder etwas von St. Peters Feyerlichkeit geschrieben das sie mittheilen werden. Rom hat das Eigne daß auch das Gespielte drin groß ist.

Der Farnesische Herkules ist nun würcklich abgegangen, so wie man Anstalt macht auch den Toro und was nur transportable aus dem Farnesischen Pallaste ist reifefertig zu machen. Auf der andern Seite leert der Grosherzog die Villa Medicis völlig aus und Rom verliert interessante Sachen. Doch bleibt es immer wie ein unerschöpflicher Brunn und wird den spätsten Nachkommen noch die wichtigsten Gegenstände der Kunst, zu zeigen haben.

Das allgemeinste Gespräch ist nun: daß der Papst die berühmte Leprische Sache verlohren hat. Er hat noch ein Remedium ergriffen man glaubt aber nicht daß es ihm viel helfen werde.

[236] Die Hitze ist groß und der Scirock hält auch die Nächte warm. Er muß mir auch zur Entschuldigung dienen, denn er hat mich gegen Abend eingeschläfert und nun geht die Post. Leben Sie recht wohl. Behalten Sie mich in freundlichem Andencken empfelen Sie mich Ihrer Frau Gemahlinn und geben mir noch einige Nachricht von Ihrem und der Ihrigen Befinden nach Rom. In 16 Tagen erhalt ich richtig die Briefe.

G.


8/2597.


An Philipp Christoph Kayser

Rom. d. 14. Jul. 87.

Anstatt zu kommen, m. l. K. schreibe ich wieder, ich weiß noch nicht wie ich mich von Rom los machen will. Ich finde hier die Erfüllung aller meiner Wünsche und Träume, wie soll ich den Ort verlaßen, der für mich allein auf der ganzen Erde zum Paradies werden kann. Mit jedem Tage scheint die Gesundheit Leibes und der Seele zu wachsen und ich habe bald nichts als die Dauer meines Zustandes zu wünschen.

In der komischen Oper hab ich oft Gelegenheit an Sie zu dencken. Cimarosa unterhält uns noch und lockt uns ohngeachtet der Hitze in's Theater. Ich wünsche Sie recht herzlich an meine Seite und was ich bey Musick dencke und empfinde ist wie an Sie gerichtet.

[237] Schreiben Sie mir doch aufs baldigste: wie es mit unsrem Wercke steht und was Sie noch auf dem Herzen hatten. Auf alle Fälle bleib ich noch bis den 28. Aug. hier. Ich arbeite an Egmont, ich hoffe auch Ihnen zur Freude. Leben Sie wohl, gedencken Sie mein.

Sagen Sie mir ein Wort über meine Schriften. Es freut mich gar sehr in der Ferne einen Widerklang zu hören.

G.


8/2598.


An Charlotte von Stein

[28 Juli]

Diese Zeichnung läßt sehen:

Drey Gefangene Türcken die mit einander sprechen.

Den Schiffspatron, der den schmuck der Mohrinn vorzeigt, die Mohrinn sitzend,

In dem vordern Kahn die Schöne Christinn, weinend, mit ihrer Gesellschaft, hinter ihr der Schiffer der das Ruder des Kahns hält.


8/2599.


An Charlotte von Stein

[4. August?]

. . . Bey meiner Rückreise durch die Schweiz werde ich auf den Magnetismus achten, die Sache ist weder[238] ganz leer, noch ganz Betrug. Nur die Menschen die sich bisher damit abgegeben sind mir verdächtig. Marcktschreyer, große Herren und Propheten lauter Menschen die gerne viel mit Wenigem thun, gerne oben an sind pp.

Wir haben die famose Hexen Epoche in der Geschichte, die mir psychologisch noch lange nicht erklärt ist, diese hat mich aufmercksam und mir alles wunderbare verdächtig gemacht.

Wie mir die Hexen beym Magnetismus einfallen, ist eine etwas weite Ideen Association, die ich auf diesem Blättchen nicht ausführen kann.

Gestern, nach Sonnenuntergang (man mag früher wegen der Hitze nicht ausgehn) war ich in der Villa Borghese. Wie hab ich dich zu mir gewünscht. Gleich vier herrliche Tableaus habe ich gefunden, die man nur abschreiben dürfte, wenn mans könnte. Ich muß in der Landschaft und im Zeichnen überhaupt fortrücken, es koste was es wolle. Auf eben dem Spaziergange machte ich Anstalten Egmont zu endigen. Wenn ich dran komme geht es geschwind. Lebe wohl, und gedencke mein.

G.


8/2600.


An den Herzog Carl August

Für Ihren liebenwerthen Brief, mit dem Sie mich ab erfreut haben, dancke ich auf das herzlichste, Sie krönen dadurch das Glück das ich hier genieße und beruhigen[239] mich auf alle Weise. Sie geben mir Raum daß ich erst recht mein werden kann und sondern mich von Ihrem Schicksale nicht ab, möge sich Ihnen alles zum Besten wenden. Ich erwartete Ihr Schreiben um über meinen ferneren Aufenthalt etwas festes zu beschließen, nun glaube ich nicht zu fehlen, wenn ich Sie ersuche: mich noch biß Ostern in Italien zu laßen. Mein Gemüth ist fähig in der Kunstkenntniß weit zugehen, auch werde ich von allen Seiten aufgemuntert, mein eignes kleines Zeichentalentchen auszubilden und so möchten diese Monate eben hinreichen meine Einsicht und Fertigkeit vollkommner zu machen. Jetzt werden Architecktur und Perspecktiv, Komposition und Farbengebung der Landschaft getrieben, Sept. und Oktbr. möchte ich im Freyen dem Zeichnen nach der Natur wiedmen, Nov. und Dec. der Ausführung zu Hause, dem Fertigmachen und Vollenden. Die ersten Monate des künftigen Jahres, der menschlichen Figur, dem Gesichte pp. Ich wünsche und hoffe es nur wenigstens so weit zu bringen, wie ein Musickliebhaber, der wenn er sich vor sein Notenblat setzt, doch Töne hervorbringt die ihm und andern Vergnügen machen, so möchte ich fähig werden eine Harmonie aufs Blat zu bringen um andre mit mir zu unterhalten und zu erfreuen. Ich weiß zu sehr, wie ängstlich es ist, wenn man eine gewiße Fähigkeit in sich spürt und einem das Handwerck gänzlich mangelt, sie auszulaßen und auszuüben.

[240] Biß Ostern werde ich es so weit gebracht haben, um alsdann für mich weiter gehen zu können. Denn gewisse Dinge sind es die man von andern lernen und annehmen muß. Dieses macht den Aufenthalt in Rom so angenehm, weil so viele Menschen sich hier aufhalten, die sich mit Dencken über Kunst, mit Ausübung derselben Zeitlebens beschäftigen und wohl kein Punckt seyn kann, über den man nicht von einem oder dem andern Belehrung erwarten könnte. Noch eine andre Epoche dencke ich mit Ostern zu schließen: meine erste (oder eigentlich meine zweyte) Schriftsteller-Epoche. Egmont ist fertig, und ich hoffe biß Neujahr den Tasso, biß Ostern Faust ausgearbeitet zu haben, welches mir nur in dieser Abgeschiedenheit möglich wird. Zugleich hoffe ich sollen die kleinen Sachen, welche den fünften, sechsten und siebenten Band füllen fertig werden und mir bey meiner Rückkehr ins Vaterland nichts übrig bleiben, als den achten zu sammeln und zu ordnen. Somit werde ich auch dieser Verbindlichkeit los und kann an etwas neues, kann mit Ernst an Wilhelm gehn, den ich Ihnen recht zu erb und eigen schreiben möchte.

Daß ich meine älteren Sachen fertig arbeite, dient mir erstaunend. Es ist eine Rekapitulation meines Lebens und meiner Kunst, und indem ich gezwungen bin, mich und meine jetzige Denckart, meine neuere Manier, nach meiner ersten zurückzubilden, das was ich nur entworfen hatte nun auszuführen; so lern'[241] ich mich selbst und meine Engen und Weiten recht kennen. Hätte ich die alten Sachen stehen und liegen laßen, ich würde niemals soweit gekommen seyn, als ich jetzt zu reichen hoffe. Ostern ruckte ich mit Zucht und Ordnung wieder in's Vaterland und käme zur schönen Jahrszeit zurück. Edelsheim in einem gar guten Brief aus Carlsbad giebt mir zwey Jahre, die hätte ich alsdann ohngefähr vollendet.

Ist mir erlaubt, einen Wunsch, den ich für jene Zeit habe noch zum Schluß beyzufügen; so wäre es: Ihre Besitzthümer sogleich nach meiner Widerkunft, sämmtlich als Fremder bereisen, mit ganz frischen Augen und mit der Gewohnheit Land und Welt zu sehen, Ihre Provinzen beurtheilen zu dürfen. Ich würde mir nach meiner Art ein neues Bild machen und einen vollständigen Begriff erlangen und mich zu jeder Art von Dienst gleichsam aufs neue qualificiren, zu der mich Ihre Güte Ihr Zutrauen bestimmen will. Sekundirt der Himmel meine Wünsche; so will ich mich alsdann der Landes Administration einige Zeit ausschließlich wiedmen, wie jetzt den Künsten, ich habe lange getappt und versucht, es ist Zeit zu ergreifen und zu würcken. Möge indeß alles was Sie bey Sich einrichten, Ihren Absichten völlig entsprechen und auch mir wenn ich wiederkomme Freude breiten! Mögen Ihre großen auswärtigen Verhältniße Ihre Existenz ganz ausfüllen, und Sie für Mühe, Aufopferung und Gefahren die schönsten Früchte einerndten.

[242] Noch manches bleibt mir über einzelne Dinge zu sagen übrig, das ich auf einen nächsten Brief verspare. Geben Sie mir halbe wieder ein Zeichen Ihres Andenckens und Ihrer Liebe. Ihrer Frau Gemahlinn empfehle ich mich auf das Beste.

Rom d. 11. Aug. 87.


8/2601.


An Philipp Christoph Kayser

Rom d. 14. Aug. 87.

Mein langes voriges Schweigen will ich diesmal durch eine schnelle Antwort gut machen. Ich schwimme wie in einem Meere von Gegenständen und möchte alles gerne nutzen, da reichen Zeit und Kräfte nicht hin und man sieht einem Monate hintennach, als wenn er nicht dagewesen wäre. Noch bleibe ich in Italien und halte meinen Schulstand aus, ich möchte wenigstens einigen Dingen auf den Grund kommen, einige Begriffe, Fähigkeiten und Fertigkeiten ausbilden und es scheint mir nicht ganz unmöglich wenn ich nur das gehörige Maaß von Zeit dranwenden will.

Über unsre Oper und wie wir sie nun sachte ins Publikum leiten müßen, schreib ich nächstens und schicke eine Art Ankündigung zu der Sie das Ihrige dazuthun sollen; hernach mag etwa Göschen, wenn er sich einzulaßen Lust hat, Gevatterstelle vertreten daß wir mit dem mechanischen der Ausgabe, sie geschehe nun wie sie wolle, nichts zu thun haben.

[243] Nun unterdeß biß wir uns sprechen, biß wir an die neue Oper gehn und überhaupt gemeinsam weiter schreiten, will ich Ihnen etwas zusenden, womit Sie sich vielleicht beschäftigen. Ich meyne den Egmont im Manuscripte. Er kann auf dem Wege nach Deutschland bey Ihnen durchgehn. Wollten Sie alsdann etwa die Symphonie, die Zwischenackte, die Lieder und einige Stellen des fünften Ackts, die Musick verlangen, komponiren; so könnte man es gleich mit der Ausgabe anzeigen, man gewöhnte sich Ihren Nahmen mit dem meinigen zu sehen und es gäb uns vielleicht für die Oper eine Einleitung. Es kommt alles darauf an wenn Sie das Stück sehen werden. Damit hätten Sie eine Weile etwas bestimmtes zu thun, das Ihnen auf ein oder die andre Weise fruchten müßte. Und es würde die Frage seyn wie bald Sie so eine Arbeit zu liefern getrauten? und ob man sie gleich mit dem fünften Bande ins zu Publikum schicken könnte? daß Ihre Composition gleich auf allen Theatern Fuß faßte, denn ich glaube Egmont wird gleich gespielt werden. Wenigstens hie und da.

Ich hoffe in 14 Tagen kann das Stück von hier abgehn und also halb September bey Ihnen seyn.

Was Sie mir von unserm Wercke sagen, kann ich so sehr fühlen und freue mich unendlich drauf es in seiner jetzigen Kraft zu begegnen.

Nun auch ein Wort von der neuen Oper. Ich habe nichts weniger vor: als die famose Halsbands[244] Geschichte des Card. Rohan, zur Opera Buffa zu machen, zu welchem Zweck sie eigentlich geschehen zu seyn scheint. Es sind fünf Personen.

Der Abbé stellt den Cardinal vor. M. de Courville die M. la Motte. Ihre Nichte die Oliva. Der Ritter einen jungen Menschen der sein Glück machen will und der Conte di Rostro impudente den unverschämtesten aller Charlatane. Dabey kommt in verschiednen Scenen ein Chor und manchmal einzelne, ein wenig mehr karackterisirte, Personen des Chors vor, um zur rechten Zeit den Gesang vollstimmiger, aus einem Duett ein Quartett pp machen zu können. Sie sollen am Mechanischen sehen daß ich in Italien etwas gelernt habe und daß ich nun beßer verstehe, die Poesie der Musick zu subordiniren.

Sobald Sie mir schreiben daß Ihnen der Gedancke gefällt, schicke ich Ihnen eine Scizze des Plans. Damit Sie Ihre Anmerckungen machen und man in Zeiten dazu und davon thun könne.

Einige Pezzi Musick werden gewiß reüssiren. Der Anfang wo die Gesellschaft bey einem niedlichen Abendessen versammelt ist, ob ihr gleich der Graf geboten hat sich zu kasteyen weil er ihr die Geister zeigen will. Ihre Freude wird durch die Ankunft des Grafen gestört der sie auf das Tyrannischte tracktirt, sie heruntermacht, fortzugehn droht und sich nur durch allgemeines fußfälliges Bitten besänftigen läßt. Ferner die Scene wo die Nichte als eine innocente in einer[245] gläsernen Kugel die Liebesschicksaale des Abbés sehen muß. Dann die Schlußscene, wo das nächtliche Rendezvous vorgestellt wird und sie alle drüber in Verhaft genommen werden. Leben Sie wohl. Schreiben Sie mir bald so sollen Sie mehr hören. Gedencken Sie mein in Liebe. Und sagen mir auch ein freundlich Wort über den vierten Theil wenn er ankommt.

G.


8/2602.


An Georg Joachim Göschen

Rom d. 15. Aug. 87.

Ihre beyden Briefe vom 22. März und 5. Jun. beantworte ich durch Gegenwärtiges.

Es thut mir leid daß Chodowiecki Sie übel versorgt hat, umsomehr als meine Exemplare darüber zurückgeblieben sind, welches mir in mehr als einer Betrachtung höchst unangenehm ist. Laßen Sie Sich durch nichts abhalten, die folgenden Bände zugleich mit denen zu spediren, die in's Publikum gehn. Egmont ist fertig, was sonst noch zum fünften Bande gehört, will ich auch gleich vornehmen. Es wäre mir lieb wenn er bald herauskäme. Das Publikum ist durch den vierten schon ans vereinzelnen gewöhnt und da ich ein ansehnlich Stück Arbeit mehr gebe als ich versprochen, wird man mir auch nachsehn. Hätte das Publikum unsre Ausgabe ein wenig mehr favorisirt, so könnte ich zehen ja zwölf Bände[246] und noch dazu mit mehr Bequemlichkeit liefern; allein wir wollen es diesmal dabey bewenden laßen. Mit unsrer Nation soll der Schriftsteller nicht allein uneigennützig, er soll auch großmütig seyn. Sie würden dencken mir eine ungeheure Summe für ein Stück zu bezahlen, wenn sie mir nur meine baare Auslagen ersezten, die ich habe machen müßen um die Studien dazu zu sammeln.

Von Mad. Angelica will ich sehen vor erst eine Zeichnung zum fünften Bande zu erhalten. Sie hat so viele Bestellungen, daß kein Federzug von ihr mit Gold zu erhalten ist, was sie nicht aus Gefälligkeit thut. Sie hat mich neulich mit einer Zeichnung überrascht, welche die Stelle aus Iphigenie Seyd ihr auch schon herabgekommen vorstellt. Es ist vielleicht eine ihrer glücklichsten Compositionen. Und eben darum darf ich nicht zu dringlich seyn.

Sobald der fünfte Band abgegangen ist, mache ich mich an Taßo, Faust soll schließen. Wenn Sie die 60 rh. von Herrn Pleßig einkaßiren können, soll mirs lieb seyn. Einigen Verlust am Golde nehm ich wohl über mich. Ich hoffe die Exemplare für Rom werden abgegangen seyn, wo nicht; so bitte ich sie aufs geschwindeste zu spediren.

Ehstens werde ich Ihnen wegen einer andern Angelegenheit schreiben, und mir Ihren Rath ausbitten. Es ist eine komische Oper von mir, eine neue, die nicht in den Schriften begriffen ist, sehr glücklich[247] komponirt worden, ich wünschte die Partitur davon ins Publikum zu bringen, auf eine Weise, daß der Componiste der viel Zeit und Mühe darauf verwendet, einigen Vortheil daraus ziehen könnte. Doch davon nächstens mehr. Ich wünsche zu hören daß es Ihnen wohl und glücklich geht.

Goethe.


8/2603.


An Johanne Susanne Bohl

Rom, d 18. Aug. 87.

Wenn ich nach unserm hiesigen Sommer rechne; so haben Sie auch gute Wittrung gehabt und alle Feldfrüchte sind der braven Hausmutter glücklich eingebracht worden. Ich habe indeß ein schön Stück Welt gesehen und manchmal einen so wohlthätigen Himmel über das Saalthal gewünscht als er über den meisten Theilen dieser Halbinsel und ihrer Inseln schwebt.

In Sicilien hab ich an Sie gedacht, wie schön steht da der Waitzen, die Gerste! gleichsam in Ihrem natürlichen Zustande, wie sicher ist die Jahrszeit und wie bequem die Erndte! Wir im Norden scheinen nur wie unglückliche Nachahmer uns zu quälen. Vergebens suchen wir durch Mühe, Geduld und Anhalten das zu ersetzen was uns eine gütige Natur versagt hat.

Manche Bemerckungen, die ich gemacht habe, können durch Vergleichung nützlich werden. Zwischen Neapel und Capua ist gleichfalls eine Fruchtbarkeit die alle[248] unsre Begriffe übersteigt. Man glaubt nur die wiederhohlten Erndten Eines Bodens, wenn man sieht, wie schnell sich hier die Pflanze entwickelt. Im vorigen Jahr haben sie auf demselben Acker dreymal Türckisch Korn zur Reife gebracht.

Verzeihen Sie meine liebe, wenn ich Ihnen durch diese Erzählungen die Lobedaer Flur auf einen Augenblick verleide. Von der andern Seite muß ich Ihnen sagen: daß Sie gar manches in diesem schönen Lande finden würden, womit sich Ihr Gemüth nicht vereinigen könnte. Doch davon mündlich.

Daß ich aufmercksam und fleisig bin, brauche ich Ihnen nicht zu versichern. Hier in Rom ist man gezwungen seine Zeit wohl anzuwenden. Die Menge der Gegenstände dringt sich einem auf und es ist übrigens eine stille und ernsthafte Stadt, mit soviel Festen und Mummereyen, sie auch Ihre Tage und Nächte vermanichfaltigen mögen.

Sept. und Oktbr. werden hoffentlich ein Paar himmlische Monate, die ich auf dem Lande zuzubringen gedencke. Erinnern Sie Sich mein an schönen Tagen.

Mad. Angelika seh ich oft und sie erwiedert Ihren Gruß. Es ist eine treffliche Frau, und eine einzige Künstlerinn. Leben Sie wohl, grüßen Sie die Ihrigen.

Goethe.[249]


8/2604.


An Carl Ludwig von Knebel

Rom d. 18. Aug. 87.

Ich habe dir lange nicht geschrieben, lange nichts von dir gehört. Ich bin nun auf einem Punckte, wo ich alle meinen Fleiß auf die Gegenwart concentriren muß. Fr. v. Stein wird dir manches von mir bey ihrer Rückkunft aus dem Carlsbade erzählt haben.

Ich werde mit den Künsten und der Natur immer verwandter und mit der Nation immer fremder, ich bin ohnedieß schon ein isolirtes Wesen und mit diesem Volcke hab ich gar nichts gemein. Doch getraute ich mich als Künstler hier zu leben, wenn ich nur einige meiner Freunde hierher versetzen könnte. Denn eigentlich ist doch der Grund und das A und O aller Kunst hier noch aufbewahrt. Man schreibt mir, es sey in Deutschland ein schöner Sommer gewesen, mögest du ihn auch genossen haben. Schreibe mir einmal wieder wo und wie du lebst.

Wenn man als Künstler gerne in Rom ist und bleibt; so wünscht man als Liebhaber der Natur nun weiter südlich zu gehen. Nach dem was ich bey Neapel in Sicilien, von Pflanzen und Fischen gesehen habe, würde ich, wenn ich ein Jahr iünger wäre, sehr versucht seyn eine Reise nach Indien zu machen, nicht um etwas Neues zu entdecken sondern um das Entdeckte nach meiner Art anzusehen. Wie ich es oft[250] voraussagte habe ich es gefunden, daß hier alles aufgeschloßner und entwickelter ist. Manches was ich bey uns nur vermuthete und mit dem Mikroscop suchte, seh ich hier mit bloßen Augen als eine zweifellose Gewißheit. Ich hoffe du wirst auch dereinst an meiner Harmonia Plantarum, wodurch das Linnaische System aufs schönste erleuchtet wird, alle Streitigkeiten über die Form der Pflanzen aufgelößt, ja sogar alle Monstra erklärt werden Freude haben.

Hier ist es bey der Nelckenflor etwas gewöhnliches, daß aus einer gewißen Sorte gefüllter Nelcken eine andre gefüllte, völlige Blume herauswächst. Ich habe eine solche gefunden da aus der Hauptblume, vier andre herausgewachsen waren. NB. vollkommen, mit Stielen und allem daß man jede besonders abbrechen hätte können. ich habe sie sorgfältig gezeichnet, auch die Anatomie davon in die kleinsten Theile.

Im Herbste geht es aufs Land, und wenn gleich mein Hauptzweck ist, Landschaft zu zeichnen und meine Einbildungskraft zu bereichern und meinen Styl zu erweitern, zu reinigen, zu vergrößern; so wird doch nebenher manches eingesammelt werden.

Sage doch Batschen, er möchte mir schreiben: wie es ihm geht? Was er studirt? Was er die Zeit gearbeitet? Ob ich ihm mit was dienen und helfen kann? Sein Wesen und Schicksal interessirt mich, ich möchte ihn nicht ganz aus den Augen verliehren.

Und da wir nicht nach Indien gehn werden wir[251] uns wohl gelegentlich auf der Büttnerischen Bibliothek wiederfinden.

Grüße Eichhorn, Büttner, Loder, Wiedeburg, Schütz und wen du sonst etwa magst auch Bentheim wenn er noch lebt.

Sage mir auch sonst etwas von Academicis, politicis wie du magst und willst.

Behalte mich in gutem Andencken mein Herz ist bey Euch. Wenn ich nach Deutschland zurückdencke mag ich nirgends leben als in Eurer Mitte. Gebe mir der Himmel daß ich Euch gesund wiederfinde!

Wo wirst du diesen Winter bleiben?

Du addreßirst die Briefe auf die alte Weise an mich, oder giebst sie Seideln.

Lebe wohl.

G.


8/2605.


An Philipp Seidel

Rom d. 18. Aug.

Deinen guten, treuen, verständigen Brief habe ich lange zu beantworten unterlaßen, auch habe ich zwey aufgenommne Posten Geld, dir nicht angezeigt, es wird aber doch alles in Richtigkeit seyn.

Die Verhältniße die du mir gleichsam in einem Spiegel hinstellst, wollen wir der Zeit zu entwickeln überlassen. So viel kann ich dir sagen, daß deine Gedancken sehr mit den Meinigen zusammentreffen, ja bis auf geringe Modifikationen dieselbigen sind.

Vor jetzo ist mein Aufenthalt in Italien biß auf[252] Ostern verlängert. Sieh was etwa in meinem Hauswesen sich rucken und legen läßt, ich überlasse alles deinem Gutdüncken. Dann schreib mir: wenn meine Hausmiethe um ist, ich erinnere michs nicht genau.

Sage mir sonst über eins und das andere deine Meynung, und bediene dich indeß meines Hauses und des Meinigen zu deiner Nothdurft und zu deinem Vergnügen.

Mache dir einmal wieder ein Geschäft mir einen langen Brief zu schreiben und mir mit deiner gewöhnlichen Freymüthigkeit über die gegenwärtige Lage unsres kleinen Staats, insofern du sie übersiehst, und was das Publikum denckt und sagt, über das neue Cammersystem pp deine Gedancken zu eröffnen. Füge sonst, was einzelne Personen betrifft und einige Neuigkeiten hinzu. Ich wünsche, daß unsere gegenwärtige Correspondenz alles wegheben möge, was zwischen einem unbedingten wechselseitigen Vertrauen stehen könnte, denn ich hoffe du sollst mir bey meiner Zurückkunft und in der Folge mehr werden als du mir jemals warst.

Schreibe mir auch einmal einen kurzen Auszug meiner sämmtlichen Ausgaben und Einnahmen, seit meiner Abwesenheit, damit ich weiß, wie ich im Ganzen stehe, und was meine Haushaltung kostet.

Ich habe Anfangs Juni von Meurikoffre in Neapel 204 Neapolitanische Dukati und 83 Gran erhalten, deßwegen auch direckt an Paulsen geschrieben. Bald darauf[253] von Belloni 2000 Livres welche du mir anweisen ließest. Laß jetzt wieder 2000 Livres An Hrn. Hofrath Reifenstein in Rom, für Rechnung des Geh. Rath v. Goethe zahlen.

Ich thue dieß, weil ich nicht weiß wie lang ich noch hier bleibe, und weil ich im Herbste auf dem Lande herumziehen will.

Der Sommer war sehr und ungewöhnlich heiß, daß ich also einmal sagen kann: ich habe einen Sommer gelebt. Der Herbst wird unvergleichlich werden.

Ich bin sehr fleißig. Egmont ist fertig! was noch in den 5. Band kommt, wird auch zugerichtet. Übrigens werden alle Künste mit großem Eifer getrieben. Die Masse dessen was man hier kennen lernt, ist so groß, daß ich mit aller Vorbereitung, dieses ganze Jahr nur in Vorbereitung zugebracht habe, nun scheint es aber sich aufrichten zu wollen. Ich habe denn doch in Kenntniß und Übung zugenommen, so wenig es auch ist, wenn man aufs ächte sieht, und sich nicht vom Scheine blenden läßt.

Briefe kommen wohl gar nicht mehr an mich. Empfiehl mich den Hrn. Geheimderäthen, mit dem Vermelden daß ich ehstens schreiben würde. Versäume nicht bald und ausführlich zu schreiben, es macht mir viel Vergnügen, aus der Ferne näher gerückt zu werden, besonders, da ich schon beynah als ein Fremder nach dem Ettersberg hinsehe. Leb wohl, liebe mich und grüße die liebenden.

G.[254]


8/2606.


An Charlotte von Stein

[25. August?]

. . . Noch muß ich ein Blätchen einschieben um dir zu sagen wie gut es mir mit dem modelliren geht. Sage es doch Herders. Die menschliche Gestalt tritt in alle ihre Rechte und das übrige fällt mir wie Lumpen vom Leibe. Ich habe ein Prinzip gefunden das mich wie ein Ariadnischer Faden durch die Labyrinthe der Menschen Bildung durchführen wird. Wenigstens hoff ichs. Ich will sehn wie weit ich damit komme.

Indeß bin ich sehr vergnügt, weil mir auf einmal wie ein Vorhang vor allen Statuen wegfällt. Ich habe einen Herkuleskopf angefangen, worüber sie sich alle verwundern, weil sie dencken ich hab ihn durch einen Zufall so getroffen, ich hab ihn aber nach meinem Grundsatz gemacht und wenn ich Zeit und Fleiß habe diesen Grundsatz zu entwickeln und mich mechanisch zu üben; kann ich andre eben so machen. Empfiel mich der Herzoginn.


8/2607.


An Philipp Christoph Kayser

Rom. d. 11. Sept. 87.

Ich kann nur sagen: seyn Sie herzlich willkommen. Schon oft wünscht ich Sie zu mir, und in[255] meinem letzten Briefe wollt ich Ihnen schon antragen mir aufs Frühjahr biß Mayland entgegen zu kommen. Desto beßer daß es Ihr eigner Trieb ist, ich verspreche mir für uns beyde das beste. Sie können von Mayland mit dem Courier in fünf Tagen und fünf Nächten für (glaub ich) 18 Zechinen hier seyn. Fahren Sie gleich bey mir an, ich gebe Ihnen vorerst Quartier pp. Sie kommen in eine eingerichtete Haushaltung. Vielleicht bin ich in Albano, ich bereite Ihnen aber alles und Sie können gleich eintreten. Schreiben Sie mir nur von Mayland, auch vorher von Zürch. Wenn Sie Geld brauchen sich loszumachen pp so liegt hier ein Zettel an Seidel bey, da Sie es leicht in Zürch aufnehmen und bald zu restituiren versprechen können. Sie machen mir eine große Freude und Sie sollen gesund und froh in diesem Lande werden, wie ich's geworden bin.

Sie sollen es in keinem fremden Lande so haüßlich gefunden haben als hier in Rom bey mir. Nur eilen Sie, denn ich habe anfangs November eine Parthie vor zu der ich glücklicher Weise noch niemand eingeladen habe und die Sie nun theilen sollen.

Bringen Sie die Partitur mit und was Sie sonst freut. Auch allenfalls die Bücher um die ich die Schultheß bat, nur Claudine wünscht ich schneller. Ist sonst etwas das uns zur Rückreise intereßiren könnte so bringen Sie's mit.

[256] Wie freu ich mich daß mein neues Leben auch Ihnen neues Leben bringen kann. Sie sind der ältste meiner alten Bekannten und wieder der erste mit dem ich das Gute was mir in diesem Lande ward theilen kann.

Grüßen Sie die Schultheß. Ich schicke nun Egmont nicht über Zürch. Eine Abschrift hab ich hier. Bringen Sie doch auch ein Paar Exemplare von meinen Wercken mit.


8/2608.


An den Freundeskreis in Weimar

d. 17. Sept. 87. Rom.

Endlich ist mein Wunsch erfüllt worden die Arbeiten des Hrn. Casas eines französchen Architeckten, wenigstens zum Theil zu sehen. Sie sind über allen Ausdruck interessant. Er hat auf seinen Reisen die wichtigsten alten Monumente, besonders die noch nicht herausgegebnen, gemeßen, auch die Gegenden gezeichnet und mit großer Precision und Geschmack einen Theil seiner Zeichnungen, ausgeführt. Er gedenckt ein Werck in's Publicum zu geben. Eine kurze Beschreibung der Stücke die ich gesehn, wird einen entfernten Begriff von dem Vergnügen geben, das sie dem Anschauer machen müßen.

1.) Das Serail von Constantinopel von der See-Seite, mit einem Theil der Stadt und der Sophien[257] Moschee. Auf der reitzenden Spitze von Europa ist der Wohnort des Großherrn so lustig angebaut als man es nur dencken kann. Hohe und immer respecktirte Bäume stehen in großen und meist verbundnen Gruppen hinter einander darunter sieht man nicht etwa große Mauern und Palläste, sondern, Haüßchen, Gitterwercke, Gänge, Kiosken, ausgespannte Teppiche, so häuslich, klein und freundlich durch einander gemischt daß es eine Lust ist. Da die Zeichnung mit Farben ausgeführt ist macht es einen gar freundlichen Effeckt. Ein schönes Stück Meer bespült die so bebaute Küste. Gegen über liegt Asien und man sieht in die Meer Enge die nach den Dardanellen führt. Die Zeichnung ist bey 7 Fuß lang und 3 bis 4 hoch.

2) General Aussicht der Ruinen von Palmyra, in derselben Größe.

Er zeigte uns vorher einen Grundriß der Stadt, wie er ihn aus den Trümmern herausgesucht.

Eine Colonnade eine Italiänische Meile lang ging vom Thore durch die Stadt biß zum Sonnentempel, nicht in ganz gerader Linie, sie macht in der Mitte ein sanftes Knie. Die Colonnade war von vier Säulenreihen, die Säule 10 Diameter hoch. Man sieht nicht daß sie oben bedeckt gewesen, er glaubt es sey durch Teppiche geschehen. Auf der grosen Zeichnung sieht man einen Theil der Colonnade noch aufrecht stehend im Vordergrunde. Er hat eine Caravane[258] die eben quer durchzieht mit vielem Glück angebracht. Im Hintergrunde steht der Sonnen Tempel, und auf der rechten Seite zieht sich eine grose Fläche hin, auf welcher einige Janitscharen in Carriere fort eilen. Das sonderbarste Phenomen ist daß eine blaue Linie, wie eine Meereslinie das Bild schließt. Er erklärte es uns daß der Horizont der Wüste der in der Ferne blau werden muß so völlig wie das Meer den Gesichtskreis schließt, daß es in der Natur das Auge trügt wie es uns im Bilde Anfangs getrogen, da wir doch wußten, daß Palmyra vom Meer entfernt genug war.

3.) Gräber von Palmyra.

4) Restauration des Sonnentempels zu Balbeck, auch eine Landschaft mit den Ruinen wie sie stehen.

5.) Die große Moschee zu Jerusalem auf den Grund des Salomonischen Tempels gebaut.

6) Ruinen eines kleinen Tempels in Phenicien.

7) Gegend am Fuße des Bergs Libanon anmutig wie man sich dencken mag. Ein Pinienwäldchen, ein Waßer, daran Hängeweiden und Gräber drunter, der Berg in der Entfernung.

8.) Türckische Gräber. Jeder Grabstein trägt den Hauptschmuck des Verstorbnen und da sich die Türcken durch den Kopfschmuck unterscheiden, sieht man gleich die Würde des Begrabnen. Auf den Gräbern der Jungfrauen werden Blumen mit großer Sorgfalt erzogen.

[259] 9.) Egyptische Pyramide mit dem großen Sphinx Kopfe. Er sey sagt Casas von einem Kalcksteine, in den Felsen gehauen und weil der Fels Sprünge gehabt und Ungleichheiten habe man den Coloß mit Stuck überzogen und gemahlt, wie man noch in den Falten des Kopfschmucks bemercke. Eine Gesichts Partie ist ohngefähr 10 Schuh hoch, auf der Unterlippe hat er bequem spazieren können.

10.) Eine Pyramide, nach einigen Urkunden Anläßen und Muthmasungen restaurirt. Sie hat von vier Seiten vorstehende Hallen, mit darneben stehenden Obelisken, auf die Hallen gehen Gänge loß mit Sphinxen besetzt, wie sich solche noch in Oberegypten befinden. Es ist diese Zeichnung die ungeheuerste Architeckturidee die ich zeitlebens gesehen und ich glaube nicht daß man weiter kann.

(Das übrige ein andermal.)[260]


8/2609.


An den Herzog Carl August

Fraskati d. 28. Sept. 87.

Ob wir gleich so weit aus einander sind unterhalte ich mich doch oft mit Ihnen, erzähle Ihnen wie wohl es mir geht und laße mir vom Genius ins Ohr sagen: daß Ihnen auch wohl ist daß Sie da sind leben und würcken wo Sie Sichfühlen und Ihres Daseyns genießen.

Ich bin an der friedlichen Seite der Welt, Sie am kriegrischen Ende und alles berechnet man könnte keine antipodischere Existenz haben. Hier wird das Pulver gar löblich nur zu Feuerwercken und Freudenschüßen an Festtägen verbraucht, der Soldat hütet sich eben so arg vorm Regen, als vorm Feuer. Leben und leben lassen ist das allgemeine Losungs Wort. Wir werden was zu erzählen haben wenn wir dereinst wieder zusammen kommen.

Daß ich halb unklug vom Zeichnen und aller möglichen Nachahmung der Natur bin, wird Fr. v. Stein sagen. Ich mag es hier nicht wiederholen, es schwindelt mir der Kopf bey dem Gedancken. Man kann nicht einfacher und nicht manigfaltiger leben als ich jetzt. Es ist eine ernsthafte Sache um die Kunst, wenn man es ein wenig streng nimmt, und sogar die[261] Kenntniß ist schon ein Metier, welches man doch kaum glauben mag. So viel kann ich versichern: daß wenn ich Ostern weggegangen wäre; ich eben geradezu nicht sagen dürfte ich sey dagewesen. Wie sehr danck ich Ihnen, daß Sie mir diese Muße geben und gönnen. Da doch einmal von Jugend auf mein Geist diese Richtung genommen hat; so hätte ich nie ruhig werden können, ohne dieß Ziel zu erreichen. Diesen Winter hab ich noch wacker zu thun, es soll kein Tag ja keine Stunde versäumt werden.

Noch halte ich mich immer in der Stille und sogar (ich weiß nicht, ob es lobens oder scheltenswerth ist) die Frauen haben keinen Theil an mir. Mit der einzigen Angelika gehe ich um die der Achtung jedes wohlgesinnten Menschen werth ist.

Haben Sie doch die Güte Miß Gore ein Exemplar meiner Schriften zu schicken. Künftiges Frühjahr sollen einige Zeichnungen für sie folgen, ich muß noch erst durch einige Schulen, eh ich mich produciren darf.

Die Nemesis hab ich noch nicht bestellt. Ich hoffe noch immer einmal eine schöne Anticke zu finden. Bey Pichler kostet eine Figur gegen 50 Zechinen. Ich bestelle sie auch wohl bey ihm, wenn ich nur versichert bin, daß er gute Arbeit macht. Manchmal schlaudert er wenns bestellt ist.

Neulich kam ein antiker Sokrates für 25 Zechinen vor, den ich ungern aus Händen ließ, er war trefflich gearbeitet.

[262] Mehr zum Scherz als Ernst hab ich mir auch einige Einschnitte gekauft und doch in der Absicht um mehr Kenntniß in dem Fache zu erwerben. Graf Frieß, der hier eine Menge Geld ausgegeben (er hat vielleicht für 20 m. Scudi Kunstsachen gekauft) ist noch zu guter letzte mit einem Cameo auf eine recht brillante Weise betrogen worden. Ein Steinschneider verstand sich mit einem Vignerol; dieser gab vor, den Camee im Weinberge gefunden zu haben, machte aber ein Geheimniß daraus, unter dem Vorwande, der Herr des Weinbergs (der Vignerol war nur Pächter, wie die meisten sind) werde an diesen Schatz Anspruch machen. Gr. Frieß mußte in der großen Hitze heimlich vor Rom hinausgehen, dort den Stein besehen pp genug er tappte in die Falle bezahlte den Stein sehr hoch pp.

Die Sache kam bald ans Licht, einen Theil seines Geldes erhielt er wieder pp.

Es ist das eine theure Art zur Kenntniß zu gelangen.

Leben Sie recht wohl. Eh ich michs versah bin ich ins Erzählen und schwätzen gerathen.

Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlinn, erhalten Sie mir Ihre Liebe und laßen mir die Freude zu dencken daß ich auch für Sie genießend sammle und gewinne.

G.[263]


8/2610.


An Christian Friedrich Schnauß?

Frascati, den 1. October 1787.

Nun kann man endlich, nach überstandener Sommerhitze, wieder Athem holen! Ich habe mich aus dem tiefen Rom auf die heitern Gebirge gemacht, und hier, bester Herr Collega, sollen Sie auch sogleich ein Briefchen haben mit dem besten Dank für Ihr fortdauerndes Andenken! Zwar ist auch hier nicht gut Brief schreiben, man mag gerne den ganzen Tag skizziren und zeichnen und hat Morgends und Abends so viel zu thun, die Blätter in Ordnung zu bringen, die Contoure zu laviren oder mit der Feder zu umreißen, man pfuscht auch wohl einmal mit Farben und so geht die Zeit hin, eben als wenn es so sein müßte.

Die Zeit der Villeggiatur ist nun da und Alles macht sich aus Rom heraus, was nur irgend kann und weiß. Mädchen, Weiber, Bücher, Gemälde und alle Arten von Hausrath sind jetzt wohlfeiler zu haben, weil Alles Geld braucht. Man lebt und macht sich lustig, um alsdann bis zum Carneval wieder eingezogen zu bleiben. Rom hab ich diese Zeit her, soviel möglich war, genutzt. Die zwei Sommermonate durfte man kaum aus dem Hause; ich habe indeß an meinen Schriften gearbeitet; vier Bände werden ihre Aufwartung gemacht haben, die[264] übrigen sollen folgen. Die Hauptstadt der Welt ist übrigens still genug. Eben setzt sich der Obelisk in Bewegung, der auf Trinita del monte soll aufgerichtet werden; er lag bisher bei St.-Giovanni in Laterano. Der große, aber sehr beschädigte Obelisk, der noch im Campo Marzo liegt, soll, sagt man, auch aufgerichtet werden. Es ist zwar nicht der größte (der bei St.-Giovanni in Laterano steht und der an der Porta del Popolo sind höher), aber mir kommen die Hieroglyphen viel einfacher und besser gearbeitet vor. Auch ist es ein recht altes Monument; er ward dem Sesostris zu Ehren errichtet und nachher dem August gewidmet. Er stand im Marsfelde als Sonnenzeiger der großen Sonnenuhr und liegt jetzt in einem Hofe, zerbrochen, an einer Seite durch den Brand beschädigt und auf Römische Art besudelt.

Daß ich jede Gelegenheit ergreife, die besten Sachen wieder und wieder zu sehen, können Sie leicht denken. Je mehr man sie sieht, desto mehr wird man an ihnen gewahr und desto mehr möchte man sie sehen.

Und was machen denn Sie, bester Herr Collega? Sie sind fleißig, beschäftigt und tragen die Last des Staates. Unser gnädigster Herr ist wahrscheinlich wieder zurück; ich hoffe, er wird wohl und vergnügt sein. Er hat mir auf eine gar edle Weise meinen Urlaub verlängert. Ich bin überzeugt, daß auch Sie und meine andern Herren Collegen diese Stunden und Tage gönnen, die man nur einmal in seinem[265] Leben genießen kann. Ich werde meinen Aufenthalt hier so zu nutzen suchen, daß ich, mir und Andern zur Freude bereichert zurückkehre. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht eine neue Kenntniß erwerbe oder irgend eine Fähigkeit ausbilde.

Behalten Sie mich in freundschaftlichen Andenken und seien Sie versichert, daß ich mich Ihrer oft zur guten Stunde erinnre, auch Sie nur gar zu oft an diesen und jenen Platz wünsche, damit Sie mancher schönen Aussicht, manches unbeschreiblich reizenden Anblicks, und wär' es nur auf kurze Zeit, genießen könnten. Denn man hat gar keine Idee, wie schön das Land ist, und wir sind den Landschaftsmalern viel schuldig, daß sie uns ein Bild davon über die Alpen schicken.

Leben Sie recht wohl, empfehlen mich den werthen Ihrigen und allen guten Freunden und gedenken


Ew. Hochwohlgeborenen

gehorsamsten Dieners und treuen Freundes

Goethe.


8/2611.


An Carl Ludwig von Knebel

Fraskati d. 3. Oktbr. 1787.

Dein Brief erfreute mich zu meiner Abreise von Rom, nun bin ich seit acht Tagen hier, in Gesellschaft[266] des alten Kunstfreundes Reifenstein, der sehr viele Kenntniße hat und ein gefälliger, guter, muntrer Gesellschafter ist. Ich setze hier das Studium des Landschaft Zeichnens eifrig fort. Jetzt oder niemals werde ich über gewiße Schwierigkeiten hinauskommen und mir wenigstens ein bequemeres Talent für die Zukunft erwerben, als ich bißher besaß, wo es mir mehr Verdruß als Freude machte.

Das Studium der Kunst wird sehr ernsthaft getrieben, besonders da ich jetzt Zeit vor mir sehe. Nur dieß Land zu recognosciren braucht es ein Jahr, und erst seit ich von Neapel zurück bin, hab ich eine Art von Ruhe empfunden. Die heisen Monate hab ich der stillen Betrachtung, der Arbeit zu Hause und dem Egmont gewidmet, der jetzt wohl bey Herdern angekommen seyn wird. Mich verlangt eure Meynung darüber zu hören.

Die bildende Kunst wird so ernsthaft als möglich getrieben. Man kann mit ihr, wie mit den heiligsten Sachen spielen, wofür ich mich denn sehr in Acht nehme.

Kaum war die erste Begierde des Anschauens gesättigt, kaum hatte sich mein Geist aus der Kleinheit der Vorstellungsart die uns Ultramontanen mehr oder weniger anklebt, erhoben; so sah ich mich schnell nach den besten und sichersten Wegen um. Ich fand sie leicht und gehe nun Schritt vor Schritt darauf hin, langsam aber sicher, als wenn es mein Metier werden[267] sollte und so, daß ich einen festen Grund habe, auf dem ich, selbst in der Entfernung von diesen Gegenden, zwar langsam, doch gewiß fortbauen kann. Glücklicherweise hab ich auch eine Combination der Kunst mit meiner Vorstellungs Art der Natur gefunden und so werden mir beyde doppelt lieb.

Die Botanick übe ich auf Wegen und Stegen. Es möchte wie eine Rodomondate klingen, wenn ich sagte, wie weit ich darin gekommen zu seyn glaube. Genug ich werde immer sichrer daß die allgemeine Formel die ich gefunden habe, auf alle Pflanzen anwendbar ist. Ich kann schon die eigensinnigsten Formen z. E. Passiflora, Arum, dadurch erklären und mit einander in Parallel setzen.

Zur völligen Ausbildung dieser Idee brauchts doch noch Zeit. Dieses Land ist schon recht zu einem solchen Studio gemacht. Was ich im Norden nur vermuthete finde ich hier offenbar. Leider daß ich so ganz von allen Büchern, die zu diesem Studio gehören, entfernt bin! Die Genera Plantarum und noch dazu eine alte Edition, sind der ganze Vorrath meines Robinson Crusoeischen Musei.

Ich habe diesen Sommer eine Nelcke gefunden aus welcher 4 andre, vollkommne Nelcken herausgewachsen waren, und aus diesen wieder andre gewachsen wären, hätte die Vegetation Trieb genug gehabt. Es ist ein höchst merckwürdiges Phenomen und meine Hypothese wird dadurch zur Gewißheit. Das Phenomen ist ganz[268] anders als es Hill beschreibt, der von solchen Pflanzen ein Tracktätchen herausgegeben hat.

Die Reise des D. Saussure auf den Mont blanc, die man mir aus der Schweitz zugeschickt hat, freut mich herzlich. Es ist immer schön wenn jemand einen Gipfel seiner Wünsche erreicht. Nur giebt michs wunder, daß er es nicht eher gethan und sich die Palme des ersten Ersteigens hat rauben laßen. Als ich in Chamouni war, sagte ich voraus daß es möglich sey und gab eine Art an, die von der welche sie gebraucht wenig unterschieden war.

Grüße Batschen. Ich fürchte der Heuraths Versuch wird mißlingen. Es ist freylich der schönste den ein Naturkundiger machen kann, nur will er nicht immer gerathen.

Lebe wohl und gebrauche des Meinigen. Empfiehl mich dem Herzoge, den Herzoginnen und guten Freunden. Und was du beytragen kannst daß mir die Zeit meiner Entfernung friedlich hinstreiche, daß mir mein Willkomm bey Euch freundlich werde das thue.

Liebe mich.

G.[269]


8/2612.


An den Herzog Carl August

So sehr mein Gemüth auch gewohnt ist sich mit Ihnen zu unterhalten, so gewiß ich nichts Gutes genieße ohne Sie dessen theilhaftig zu wünschen, so verlegen bin ich jetzt doch gewissermassen wenn ich die Feder ansetze Ihnen zu schreiben. Kaum darf ich dencken daß in Ihrem bewegten Leben, Sie jetzt etwas interessiren könnte, was ich aus dem Schooße der Ruhe schreiben dürfte. Ich komme eben von Castell Gandolfo zurück, wo ich ohngefähr drey Wochen der schönen Jahrszeit in guter Gesellschaft genoßen. Die ganze herrliche Reihe von Hügeln worauf Fraskati, Marino, Castello, Albano, Larici, Gensano, Nemi liegen ist vulkanisch; aber ihre alte Bewegung ist so in Ruhe übergegangen, daß ihre Bewohner schon Jahrtausende sich eines friedlichen Sitzes erfreuen, und nur die neuere Naturlehre hat uns aufmercksam gemacht auf die Gewalt die ehmals in diesen Gegenden tobte und jene Höhen hervorbrachte, die wir nun bebauen und genießen. Und wie auf ausgebrannten Vulkanen leben wir auch hier auf den Schlachtfeldern und Lagerplätzen der vorigen Zeit. An dem See von Nemi erinnerte mich ein sonderbarer Gegenstand an Sie,[270] an Ihre gegenwärtige militarische Beschäftigungen, an Ihre entschiedne Leidenschaft.

Wir hatten uns am Rande des Sees, eines alten Craters, unter schönen Platanen gelagert, eine Quelle floß sparsam aus dem Felsen und nahe dabey lag ein alter, trockner, hölzner Trog, aus einem Baumstamme ausgehöhlt. Ich sah die Gegend mit Augen des Zeichners an, und bemerckte nicht, daß dieser hölzerne Trog eine Seltenheit sey, da in Italien alle solche Wasserbehälter von Stein sind. – Ein alter Mann, der Früchte gebracht hatte, sprach zu einigen der Gesellschafft und sagte: »Diesen Trog haben die Deutschen Anno 44 gemacht, als sie hier in Quartier lagen, es waren zwey Tröge, den andern hat die Zeit aufgerieben. Es lag damals Cavallerie in Nemi und sie hölten diese Tröge aus um die Pferde bequem zu träncken.« Gleich erinnerte ich mich, was Sie mir einst von Ihrem Anteil, an der Schlacht bey Velletri schrieben, und frug den alten aus: wo die Deutschen gestanden? wo das Lager gewesen? pp er gab mir von allem Bericht. Das Haupt Lager war gerade über uns, an der Seite des Monte Cavo. Eine köstliche Position, die auch ehmals Hannibal erwählt hatte.

Das Wetter verhinderte uns, auf den Monte Cavo zu gehn und auch die Übersicht der ganzen damaligen Expedition zu haben, denn man übersieht von da die ganze Gegend.

Fast hätte ich Ihnen einen Span aus dem Troge[271] geschnitten und Ihnen so eine recht landsmännisch militarische Reliquie geschickt. Wenn es mit meinem Zeichnen ein wenig besser vorwärts geht; so will ich die Platanen mit der Quelle und dem Troge, der wohl noch eine Weile liegen wird, zeichnen und schicken, da ich doch nicht wohl hoffen darf Ihnen aus der Quelle selbst sobald ein Glas zuzutrincken.

Während dieser Villeggiatur habe ich viel Menschen auf einmal gesehen und kennen lernen, welche ich einzeln nicht würde aufgesucht haben, es ist auch für Gewinn zu rechnen eine Nation nach und nach mit Bequemlichkeit zu sehen, mit der man nichts gemeines haben kann.

Meine besten Wünsche begleiten Sie auf allen Wegen und Stegen. Wenn Sie einen Augenblick Zeit finden; so bitte ich, mir wieder einmal zu sagen wie Sie leben, und mich durch ein Paar Worte Ihres Andenckens zu versichern. Nur zu sehr spüre ich in diesem fremden Lande daß ich älter bin. Alle Verhältniße knüpfen sich langsamer und loser, meine beste Zeit habe ich mit Ihnen mit den Ihrigen gelebt und dort ist auch mein Herz und Sinn, wenn sich gleich die Trümmern einer Welt in die andre Wagschale legen. Der Mensch bedarf wenig, Liebe und Sicherheit seines Verhältnißes zu den einmal erwählten und gegebnen kann er nicht entbehren. Leben Sie tausend mal wohl.

Rom d. 23. Oktbr. 87.

Goethe.[272]


8/2613.


An Christian Gottlob Voigt

Rom d. 23. Oktbr. 87.

Gewiß habe ich oft diesen Sommer über nach Briefen von Ihnen verlangt und Nachricht gewünscht wie es in Ilmenau stehen möchte, denn die Entfernung und die Scheidewand so mancher großer Gegenstände kann doch mein Gemüth nicht hindern oft an den gewohnten, geliebten Plätzen zu seyn. Nun hat mich Ihr letzter Brief wieder auf einmal recht in die Mitte meiner Freunde Freuden und Geschäffte gesetzt, ich antworte später, denn diesen Monat habe ich auf dem Lande zugebracht, in vieler Gesellschaft, auf einem der schönsten Plätze des Erdbodens, auf dem Gebirge hinter Rom, wo alles zusammentrifft um es zum eigentlichen Lustort zu machen.

Seit gestern bin ich in der Stadt und eile meine alten Schulden abzutragen.

Zuvörderst kann ich Ihnen nicht genug ausdrucken wie sehr mich die Feyer meines Geburtstags gerührt hat, wie sehr mir das kleine Gedicht willkommen war. Sie würzen eine thätige Freundschaft, jenen Eifer auch statt meiner zu arbeiten und zu sorgen, durch den Ausdruck jener zärteren Empfindungen deren Versichrung uns schon so viel Freude macht wenn sie auch nicht durch That und Würckung begleitet ist.

[273] Da ich so manchen guten und fröhlichen Tag in unsern Geschäften mit Ihnen zugebracht habe; so hätte ich auch von Herzen gern die übeln und sauren Stunden getheilt welche Sie zuletzt in Ilmenau haben durcharbeiten müssen. Die beyden Vorfälle sowohl der niedergegangnen Tonne, als der aufquellenden Wasser waren vorgesehen und nicht ausser der Reihe des Erwarteten. Ich verlange recht sehr zu hören wie Ihre guten und klugen Anstalten alles wieder ins alte Gleis werden gebracht haben. Ich kann nicht ausdrucken wie sehr ich mich wenn ich Ihre Briefe lese wieder auf unsre Gebirge wünsche. Die Zeit wird auch wiederkommen, ich hoffe zu unsrer beyder Freude.

Und nun noch einen Gedancken den ich Hrn. G.[eheim] Ass.[istenz-] R.[ath] Schmidt kommunicirt mit der Bitte darüber mit Ihnen zu sprechen. Ich wünschte daß zu den Ilmenauer Sachen einige junge Leute nachgezogen würden, auf die man in der Folge einen Theil des Geschäfts legen könnte. Es dürften Zeiten kommen wo Sie und ich unsern Gedancken und unsrer Arbeitsamkeit eine andre Richtung zu geben hätten. Wir haben nun Hrn. Riedel in der Cammer, einen andern jungen Mann in der Regierung dessen Nahmen ich mich nicht erinnere, ich kenne den einen wenig, den andern gar nicht, Sie können beyde beurtheilen. Wäre es nicht Sache einen (vielleicht Hrn. Riedel) oder beyde auf irgend eine Weise an das Geschäft sowohl des Bergwercks als der Steuer zu knüpfen,[274] daß wir hoffen könnten wenigstens auf eine Zeit hinaus unsre Grundsätze befolgt und unsre Mühe auch durch andre in derselben Richtung fortgesetzt zu sehen.

Es sollte dieses einer der ersten Vorschläge bey meiner Rückkunft seyn, da ich aber länger aussen bleibe; so wird mirs Freude seyn die Einrichtung auch in meiner Abwesenheit gemacht zu wissen.

Fahren Sie fort mit den Ihrigen meiner zu gedencken. Den Kranz hoffe ich in meinem Gartenhause noch zu finden, Hr. von Knebel schreibt mir daß er dort aufgehangen sey.

Leben Sie recht wohl. Wir haben hier außerordentlich schöne Tage zwey oder drey, dann wieder einige trüb, dann windig, dann stellt sich das schöne Wetter wieder ein. Wahrscheinlich befestigt sich die Jahrszeit daß wir eines frohen Novembers genießen können.

Möge es Ihnen zu Hause wohl gehen, wenn es draussen regnet und schneiet. Erfreuen Sie mich von Zeit zu Zeit mit einem Briefe.

Der Ihrige

Goethe.


8/2614.


An Johann Christian Kestner

Rom d. 24. Oktbr. 87.

Hr. Rehberg trifft mich noch hier und überbringt mir heute Euren Brief vom 18. May indeß ich schon[275] einen andern von Wetzlar erhalten habe. Meine Mutter schreibt mir auch daß Ihr sie besucht habt und daß ihr Lotte sehr lieb geworden. Ich freue mich daß es Euch unter den Eurigen wohl geht, in Wetzlar muß es ein recht Familienfest gewesen seyn.

Ich bleibe noch den nächsten Winter in Italien und fühle mich recht glücklich daß mir dieses möglich ist.

Es soll mir lieb seyn, wenn Hr. Rehberg zu uns paßt und ich ihm nützlich seyn kann.

Meine Wercke werden ihre Aufwartung gemacht haben, die übrigen Bände sollen folgen wie sie nach und nach herauskommen.

Grüßt mir Lotten auf's herzlichste, auch Amalien. Einer Eurer Kleinen hat sich wie ich höre mit meiner Mutter gar gut vertragen.

Möge Euch alle dieser Brief gesund und zufrieden antreffen.

Goethe.


8/2615.


An Daniel Wilhelm Brunnquell

Rom d. 27. Oktbr. 87.

Die Nachricht die Sie mir von dem Fortgange der Ihnen anvertrauten Geschäften geben, hat mir viel Vergnügen gemacht. Sie irren nicht, wenn Sie von meinem fortdauernden Anteil überzeugt sind, den ich an allem nehme was gutes und nützliches in den Staaten unsres Fürsten geschehen kann. Ich freue[276] mich deßwegen sehr zu hören, daß die Chaussee nach Jena endlich völlig fertig wird, und hoffe sie dereinst mit Ihnen an einem schönen Tage zu bereiten.

Ich wünsche, daß Sie durch Ihre Verbindung mit Fr. Kühn glücklich werden und eine brave Frau glücklich machen mögen. Grüßen Sie Herrn Güßfeld und gedencken meiner in guter Stunde.

Goethe.


8/2616.


An Georg Joachim Göschen

[27. October.]

Ich kann nicht sagen daß der Anblick der drey Exemplare meiner Schriften, welche zur rechten Zeit in Rom anlangten, mir großes Vergnügen verursacht hätte. Das Papier scheint eher gutes Druckpapier als Schreibpapier, das Format schwindet beym Beschneiden gar sehr zusammen, die Lettern scheinen stumpf, die Farbe ist wie das Papier ungleich, so daß diese Bände eher einer ephemeren Zeitschrift als einem Buche ähnlich sehen, das doch einige Zeit dauren sollte. Von ohngefähr war ein Exemplar der Himburgischen Ausgabe hier, welches gegen jene wie einem Dedikations Exemplar ähnlich sah. Dieß ist nun aber geschehn und nicht zu redreßiren. Auch finde ich in einigen Stücken, die ich durchlaufen, Druckfehler und Auslassungen, kann aber nicht entscheiden, ob es am Manuscripte oder am Correcktor liege.

[277] Egmont ist schon in Deutschland, vielleicht schon in Ihren Händen. Claudine und Erwin sollen bald folgen. Den sechsten Band kann ich auch versprechen, melden Sie mir nur den letzten Termin wenn Sie das Manuscript haben müssen um auf Ostern mit dem Druck fertig zu seyn.

Sie haben nach dem Contrackte das Recht zugleich mit dieser Ausgabe eine beßere auf Holländisch Papier zu machen; Sie schreiben mir daß Sie nun die 4 ersten Bände noch einmal setzen lassen und nach und nach mehrere Exemplare wollen abdrucken lassen. Ich sehe dieses als jene bedungne Ausgabe an und erwarte die stipulirten Exemplare. Zugleich auch die Zahl der überhaupt abgedruckten und abzudruckenden Exemplare. Ich gedencke Sie, da hierüber nichts bedungen ist nicht einzuschräncken, es ist dagegen aber auch billig daß diese Auflage sich nicht ins Unbestimmte erweitre.

Was über die acht Bände noch ausgearbeitet werden könnte wollen wir vorerst noch auf sich beruhen laßen. Ist unser erstes Pensum absolvirt; so läßt sich eher etwas darüber dencken und bestimmen.

Was die von meinem Freunde komponirte Oper betrift, so kommt mirs nicht darauf an sie in die vier letzten Bände mit aufzunehmen, obgleich das Publikum kein Recht darauf hat, es auch wohl so genau nicht nehmen möchte, da ich anderthalb Jahre Arbeit mehr liefre als ich versprochen habe. Die[278] Endigung, Umänderung und Ausarbeitung der Stücke, die ich nur versprach wie sie da lagen, hat mich unschätzbare Augenblicke gekostet, und ich kann Sie aufrichtig versichern, wenn ich auf den Gewinnst gesehen und meine Schriften nach der Anzeige hingegeben hätte; so könnte ich jetzt bequem vier andre Bände fertig haben, so mancherley ist angefangen, das sich mir zum Fertigmachen gleichsam aufbringt.

Wegen Ausgabe der Partitur dancke ich für Ihre Bereitwilligkeit. Ich werde die Sache mit dem Componisten durchsprechen, den ich in wenig Tagen hier zu sehen hoffe. Er wird mir das nun vollendete Stück vorspielen und unsre Absicht ist sogleich an eine größre Arbeit zu gehen.

Mad. Angelicka hat mich mit einer gar schönen Zeichnung zum fünften Bande begünstigt. Hr. Lips hat sie auch bereits gestochen und schon im Probedruck verdient seine Arbeit allen Beyfall. Sobald er fertig ist werde ich ihn befriedigen und meine Auslage anzeigen. Die Platte soll mit Claudinen ankommen.

Der Mad. Angelika darf ich kein Geld anbieten, dagegen wünschte ich durch Bücher unsere Erkänntlichkeit zu zeigen und eine gute Einleitung für die Zukunft zu machen.

Schicken Sie deßwegen auf das baldigste

Wielands poetische Schriften die kleine neue Ausgabe.

[279] Herders zerstreute Blätter 3 Bände.

Desselben Volckslieder 2 Bände.

Vossens kleine Gedichte.

Höltys Gedichte.

Vossens Odyssee.

sämmtlich in englischen Band gebunden, wo möglich alles Schreibpapier, wohl gepackt, unter der bekannten Adreße an Hrn. Tischbein nach Rom.

Die Zeichnung aus der Iphigenie, welche die trefliche Künstlerinn für mich gefertigt, liegt mir so nah am Herzen, daß ich mich nicht entschließen kann, sie aus Händen zu geben. Bringe ich sie dereinst nach Deutschland, so bin ich vielleicht nicht abgeneigt, sie einem bekannten sorgfältigen Künstler anzuvertrauen.

Nach einem Briefe des Cammer Calculator Seidel hat es einige Irrung gegeben, wegen eines Schreibefehlers im Duplikate des Contrackts, auch haben Sie Sich mit ihm wegen Abliefrung der Exemplare anders, als der Contrackt besagt abgefunden. Ich billige alles was von ihm geschehen ist und genehmige eine Abänderung und Erklärung des 8ten Artikels nach Lage der Umstände, welche Sie mit ihm zu koncertiren die Güte haben werden.

Richten Sie es doch, bey dem neuen Abdruck der vier ersten Bände, so ein, daß die Liste der Pränumeranten vor den vierten Band kommt, und laßen die Exkommunication des Nachdruckers weg, die mir vor der Zueignung sehr unerwartet aufgefallen ist.

[280] Übrigens nehme ich an allem was Sie betrift einen aufrichtigen Anteil und wünsche daß die Feindseligkeiten der Nachdrucker Ihnen keinen empfindlichen Schaden zufügen mögen.

Ich schließe diesen Brief offen an den Cammer Calculator Seidel ein, damit er von dem unterrichtet sey was zwischen uns vorgeht, auch diese Blätter Hrn. Legations Rath Bertuch vorlege. Leben Sie recht wohl und gedencken mein.

Goethe.


8/2617.


An Philipp Seidel

Rom d. 27. Oktbr. 87.

Deinen lieben Brief hab ich bey meiner Rückkehr vom Lande erhalten, ich bin wieder wohl und vergnügt in Rom, wo ich Kaysern erwarte, der mit seiner Partitur unterwegs ist, du kannst dir dencken welch ein Fest das werden wird.

Danck für deinen Zuruf, deinen Rath, ich bin auf dem Wege ihn zu nutzen.

Wenn ich nicht sehr irre; so ist nächste Ostern meine Miethe herum. Gehe nun gerade zum Rath Helmershausen grüße ihn von mir, und sage ihm: Im Fall (wie ich mich zu erinnern glaubte) Ostern 88 unsere Miethe um sey, wünschte ich die Prolongation derselben vor der Hand noch auf 1 Jahr, biß[281] ich wiederkäme, und die Sache weiter in Ordnung setzen könnte.

Mich dünckt so ists auf mehr als eine Weise wohl gethan, hast du aber ein Bedencken dabey; so schreibe mir gleich wieder, denn es hat mit einer solchen Erklärung und Prolongation wol einige Zeit. Was deine kleine Schrift über das weibliche Geschlecht betrifft; so möchte ich dir fast rathen, sie grade zu drucken zu lassen, besonders wenn du unbekannt bleiben könntest. Jene Ausarbeitung übers Geld kann nicht reif genug werden, moralische Sachen aber lernt ein unbefangner recht gut aus dem Effeckt aufs Publikum erst recht kennen.

Ich lege einen Brief an Göschen offen bey und wiederhohle nichts was daraus zu ersehen ist; zeig ihn auch Hrn. Legations Rath Bertuch damit er erfahre was ihm zu wissen Noth ist.

Laß die 6 Exemplare nur liegen ich habe keinem auswärtigen Freunde eines gegeben. Wieviele müßt ich da austheilen!

Du sollst auch eine Iphigenie in Prosa haben, wenn sie dir Freude macht. Der Künstler kann nur arbeiten, Beyfall läßt sich wie Gegenliebe wünschen, nicht erzwingen.

Schreibe dir den Brief an Göschen ab, oder zieh dir ihn wenigstens aus, daß du in der Suite bleibst und behältst was mit ihm verhandelt wird. Es ist nicht just mit ihm, wie mit alle dem Volcke.

[282] Wenn du den 8ten Punckt berichtigt hast; so schreibe mir auf welche Weise es geschehen ist. Deine Vorschläge die du mir schreibst sind gut. Egmont wird nun angelangt seyn, er ist an Hrn. Herdern abgegangen. Der Rest des 5. Bandes mit der Kupfer Platte soll durch deine Hände gehen und du giebst ihn nicht als gegen baare Bezahlung aus. Der Contrackt besagts und man muß keine Complimente machen.

Lebe wohl. Gedencke mein, schreibe mir manchmal wenn auch nicht eben Geschäftssachen.

Ich bin wohl, vergnügt, und lerne, daß es eine Lust ist.

G.


8/2618.


An Friedrich Justin Bertuch

Wohlgebohrner

Hochgeehrtester Herr,

Einen Brief von Ew. Wohlgeb. in Rom zu erhalten hat mir viel Freude gemacht, das Andencken meiner alten Freunde begleitet mich immer und es schmerzt mich oft daß ich das Gute, das ich hier im Übermaaß genieße, nicht mit ihnen theilen kann.

Ich dancke für den fortdauernden Anteil den Sie an der Ausgabe meiner Schriften nehmen. Ich habe eine Antwort an Göschen offen an Seideln beygelegt, der selbige auch Ew. Wohlgeb. kommuniciren wird;[283] auf diese Weise darf ich nicht wiederhohlen was dort ausführlich und im Zusammenhang gesagt werden mußte.

Auf die Ankunft von Kaysern freue ich mich auserordentlich. Wir wollen sogleich eine größere komische Oper für Deutschland anfangen und vielleicht einen Versuch machen für das Italiänische Theater zu arbeiten. Wenigstens sollen gleich Italiänische Worte unter die vornehmsten Stücke seiner jetzigen Partitur gelegt und solche auf diese Weise in Conzerten hier aufgeführt werden. Man wird sehen, was sie für Effeckt machen, und wenn sie hier aushalten ist mir weiter nicht bange.

Ich bin übrigens auf so mancherley Weise fleißig, daß mir würcklich manchmal der Kopf schwindelt. Dieses Jahr ist mir wie ein Traum vorübergegangen und wenn ich nicht an manchem sähe daß ich zugenommen habe, so würde ich mich kaum überreden können so ein schön Stück Zeit verlebt zu haben.

Unser gnädigster Herr, als dessen friedlichen Antipoden ich mich nunmehr ansehen kann, ist gewiß gegenwärtig glücklich, seine Wünsche erfüllt zu sehen. Möge ihn ein glückliches Schicksal auf allen seinen Wegen begleiten!

Sie schreiben mir nicht, wie Ihre Unternehmungen fortgehen. Die Litteratur Zeitung, das Modejournal? Ich habe einige Zeichnungen, die in letzteres dienen können, vor einiger Zeit an Hrn. Rath Krauße geschickt, den ich vielmals zu grüßen bitte.

[284] Leben Sie recht wohl empfehlen Sie mich den Ihrigen und allen Freunden.

Ew. Wohlgeb.

ergebenster Diener

Rom d. 27. Oktbr. 1787.

Goethe.


8/2619.


An Jakob Friedrich von Fritsch

Hochwohlgebohrner Freyherr

insonders hochgeehrtester

Herr Geheimderath,

Ew. Exzell. erhalten aus Rom einen Brief von mir, zu einer Zeit wo ich schon lange über die Alpen zurück zu seyn und in dem alten gewohnten Gleise meines Lebens fortzugehen hoffte, Sie empfangen einen späteren Danck für Ihr gütiges Schreiben, begleitet mit der Bitte mir Ihre Gewogenheit ferner hin zu gönnen.

Als ich aus Sicilien zurückkam, äusserten mir unser gnädigster Herr solche Gesinnungen, die ich nicht anders als danckbar verehren konnte und es haben Höchstdieselben nun solche Anstalten gemacht, wodurch die kleine Lücke, welche durch meine Abwesenheit fühlbar werden konnte, für völlig ausgefüllt geachtet werden kann.

Ich hoffe deßwegen, auch mit Ew. Exzell. Billigung, den nächsten Winter noch in Italien zuzubringen und denjenigen Unterricht der sich einem[285] Fremden von allen Seiten anbietet ferner zu genießen. Es ist gewiß daß für jede Art des Nachdenckens und Studirens Rom, wenigstens auf eine Zeitlang, der Ort ist; und wenn man auch einen allgemein unterrichtenden Umgang, einen lebhafteren Curs der Litteratur vermissen möchte; so wird man auf der andern Seite durch Kunst und Natur auf das reichlichste schadlos gehalten. Angenehm ist es dabey daß sich mehrere Fremde hier befinden die in verschiednen Richtungen nach demselben Ziele gehn. Antiquitäten, Geschichte, die Litteratur der verschiednen Künste, Numismatick pp werden von einzelnen Personen mit Fleiß betrieben, in deren Umgang man, ohne es selbst zu bemercken, lernt und so wird Rom für einen der sich appliciren will eine wahre hohe Schule; dagegen es andern Fremden gar bald traurig und todt vorkommen muß, deßwegen auch die meisten schnell nach Neapel, dem Orte des Lebens und der Bewegung, eilen.

Nach den beyden sehr, ja beynahe unerträglich, heißen Sommermonaten, eilte ich aufs Land und habe auf den Hügeln von Fraskati, Castello, Albano schöne Tage des Septembers und Oktobers genoßen. Die alte Liebhaberey, Landschaften zu zeichnen, hat sich mit ihrer ganzen Lebhaftigkeit wieder eingestellt und ich bitte mir die Erlaubniß aus einige dieser Gegenden, von meiner Hand schwach nachgeahmt, dereinst Ew. Exzell. Zimmer stiften zu dürfen.

[286] Um den römischen Staat, ich muß es, wenn es Schande ist, zu meiner Schande gestehen, habe ich mich noch wenig bekümmert. Es ist ein betrübter Anblick um eine schlimme Administration, besonders wenn die Übel so eingewurzelt, so mit der Staatsverfassung verwebt sind, daß auch eine Folge der besten Regenten und Minister, sie zu heben ohnmächtig wären. Indessen geht alles seinen Gang, der Papst bereichert seine Nipoten, richtet Obelisken auf und theilt Segen aus so viel man verlangt.

Der Raum heißt mich schließen. Ich bitte mich der Frau Gemahlinn bestens zu empfehlen und Ihre Freundschaft, Ihre Gewogenheit zu erhalten

Ew. Exzell.

ganz gehorsamstem

Rom d. 27. Oktbr.

Diener

1787.

Goethe.[287]


8/2619a.


An Carl August von Hardenberg

Hochwohlgebohrner Freyherr,

Insonders hochgeehrtester Herr Geheimderath,

Ew. Exzell. erlauben einem alten Bekannten daß er aus der Ferne sein Andencken erneure, besonders,[25] da ihn dazu eine Angelegenheit gleichsam auffordert.

Herr Arends ein junger Mann, welcher Ihnen schon bekannt ist, hält sich seit einiger Zeit in Rom auf und eben da ihn seine Umstände nöthigen diesen Ort zu verlassen, fühlt er nur einen desto stärckern Beruf zu bleiben und hofft daß Ew. Exzell. nach denen ihm ehmals bezeigten Gesinnungen geneigt seyn könnten, ihn noch auf eine Zeit zu unterstützen. Da er zugleich ihm vortheilhaft seyn dürfte; so kann ich es nicht versagen, ob ich gleich überzeugt bin daß Sie ihn selbst günstig beurtheilen werden.

Ich kann aufrichtig versichern: daß ich ihn als einen solchen Künstler kenne, der vorbereitet genug ist Rom zu schätzen und zu nutzen; ich bin Zeuge wie wohl er seine Zeit anwendet, wie genau er sich durch wiederholtes Beschauen und sorgsames Nachmessen zu unterrichten sucht, und ich wünsche ihm auf alle Weise, daß er sich im Stande sehen möge seinen Aufenthalt zu verlängern. Besonders da ich an mir selbst weiß: wo man allein für Kunst leben und die gründlichsten Betrachtungen zu machen im Stande ist.

Sind Ew. Exzell. geneigt Herrn Arends zu unterstützen; so wird ein wohldenckender junger Mann Ihnen die Ausbildung seines Talentes Zeitlebens zu dancken haben, indem Sie ihm eben in einem Augenblicke[26] zu Hülfe kommen, der nie wieder für ihn erscheinen kann.

Ew. Exzell. mir genug bekannte Gesinnungen bürgen mir für die Vergebung der Freyheit, mit welcher ich die Wünsche eines braven Künstlers empfehle.

Darf ich zugleich bitten der Frau Gemahlin und meinen übrigen Braunschweigischen Gönnern und Freunden mein Andencken ehrfurchtsvoll zu erneuern und Sich selbst der lebenslänglichen Hochachtung zu überzeugen desjenigen der sich unterschreibt

Ew. Exzell.

Rom

ganz gehorsamster Diener

d. 3. Nov. 1787.

J. W. v. Goethe.[27]


8/2620.


An Friedrich Hildebrand von Einsiedel

Rom d. 10. Nov. 87.

Ich laße dich durch den abgehenden Filippo Collina bestens grüßen; sobald er in Weimar ankommt, soll Philipp Seidel dir ihn vorstellen. Du wirst ihn bald beurtheilen, daß er ein unschädlicher, brauchbarer Mensch ist. Er wird dir, da du die Herzoginn auf der Reise zu begleiten hast, alle Last des Einrichtens und Marcktens pp abnehmen, welche würcklich in Italien unerträglich ist; Wenn man nicht einen Italiäner[287] an die Italiäner hetzt; so kommt man nicht fort. Sorge für diesen Menschen in Deutschland, er wird euch dagegen durch ein fremdes Land führen und tausendfachen Verdruß ersparen. Er wird bescheiden seyn, wie ich ihn immer gekannt habe und keines Vertrauens mißbrauchen.

Lebe wohl. Wer weiß wo wir uns sehen und treffen. Du findest aber wo es auch sey deinen unveränderten Freund.

G.


8/2621.


An Philipp Seidel

Rom d. 10. Nov. 87.

Ein Italiäner Namens Philipp Collina, der für den Dienst der Herzoginn Mutter bestimmt ist, wird in Zeit von 3 Wochen nach diesem Briefe, vielleicht früher bey dir eintreffen. Mache ihm in meinem Hause etwa oben in Fritzens Stube ein Quartier zurecht logire, speise und leite ihn, biß er seine Einrichtung machen kann, wozu du ihm nach deinen Kenntnissen und deinem guten Willen behülflich seyn wirst.

Es ist ein verständiger und so viel ich nach einer jährigen Erfahrung beurtheile wohldenckender Mensch, behandle ihn als einen solchen und mache ihm zuförderst die Nahmen und den Stand der Personen bekannt denen er in gewissem Sinne untergeben ist. Führe ihn zuerst zu Hrn v. Einsiedel und frage wann[288] er der Herzoginn aufwarten kann, bringe ihn zur Fräulein und sorge, daß er der Herzoginn vorgestellt wird, sodann zu Hrn. Rath Ludekus, allen diesen Personen hab ich geschrieben, er braucht sich nur auf meine Briefe beziehen.

Besonders führe ihn bald zu Hrn. General Superintendent Herder.

Er spricht nur italiänisch und du kannst ihm allenfalls zum Dollmetscher dienen.

Wenn Kaysers Bruder nach Weimar kommt, so führe ihn zum Hrn. General Superintendent Herder. Ich habe diesem von dem jungen Manne geschrieben.

Die verlangten Quittungen schick ich mit nächster Post.

Alle Briefe die an mich kommen, sind voll Klagen und Trauer über die Veränderungen die sich bey uns zugetragen haben.

Kranzen hab ich eine Schachtel mitgegeben die er nicht einmal den Verstand gehabt hat auf eine fahrende Post zu geben, da er nicht nach Hause ging. Es ist nichts von Werth drin, aber Samen und Späße für die Kinder, die mich doch verdrießen wenn sie verlohren gehn.

Kaysers Gegenwart macht mir viel Vergnügen.

Empfiel mich Hrn. Geh. Rath Schnauß, gratulire ihm zu seinem Geburtstage und dancke ihm, daß er an demselben mir einen Brief schreiben wollen. Ich antworte bald.

[289] Lebe wohl. nächstens mehr.

NB. Du kannst auch dem Italiäner einige andre Personen bezeichnen, wo du es artig und schicklich fändest daß ich sie grüßen liese. Führe ihn zur Frau v. Stein.

Er bringt auch etwas für die Kinder und für die Herzoginn von Gotha, das besorge alles.

Noch eins, da mir daran gelegen ist, zu wissen, wie viel eine solche Reise kostet; so hab ich ihm gesagt er solle alles notiren. Laß es dir zuletzt geben und schicke mir einen Auszug wie du es nötig findest.

Auch die Zeit, wie lang so eine Reise dauert und was er von Orten notirt hat.

G.


Voigts Büchelchen können mit der fahrenden Post kommen und sollen mir recht lieb seyn.


Ich schicke dir hier Krechs Brief zurück, nicht daß der dumme Junge das Geld haben soll, sondern daß du dich erkundigst wie es mit den 12 Ld. steht.

Sie sind mit einem Briefe des Hofrath Richter an mich zurückgekommen, der Brief muß in der Registrande eingetragen seyn und die zwölf Ld. glaube ich an Rath Götzen geschickt, oder Seegern gegeben zu haben. Möglich ists daß sie bey Rath Götzen liegen weil sie einmal in Ausgabe geschrieben waren, ohne wieder in Einnahme genommen zu seyn. Vielleicht sagt die Resolution auf dem Brief etwas. Bey so[290] tausend Dingen die mir durch den Kopf gingen weiß ich mich nicht genau zu erinnern, soviel aber weiß ich daß ich mir täglich alles eingegangne und besonders fremdes Geld vom Halse zu schaffen suchte. Erkundige dich darum, doch ohne dieß Blat vorzuweisen.

G.


8/2622.


An Philipp Seidel

Überbringer ist Philipp Collina. Mein Brief vom 10. Nov. hat dir schon gesagt, wie du ihn zu empfangen und zu leiten hast, das übrige überlaß ich dir. Lebe wohl.

Rom d. 12. Nov. 87.

G.


8/2623.


An den Herzog Carl August

Rom d. 17. Nov. 87.

Ihr werther Brief von Eisenach versichert mich Ihres Wohls und läßt mich sehen daß Sie Ihre neue Laufbahn mit Muth und Freudigkeit antreten. Möge ein günstiges Schicksal Ihr Unternehmen für Sie und die Ihrigen zum Besten kehren und alle Besorgnisse nach und nach auflösen und zerstreuen, die sich über Ihr Beginnen in den Herzen so vieler gesammelt und festgesetzt haben. Mein Schicksal ist mit dem Ihrigen so genau verwandt, daß ich nichts für Sie wünschen kann, das ich mir nicht selbst wünsche.

[291] Sie erlauben mir, ja Sie fordern mich auf Ihnen öfter zu schreiben, ich will es mit Freuden thun, wenn mir vergönnt ist auf das Papier zu setzen was der Tag und die Stunde giebt, das denn nicht immer das bedeutendste seyn möchte; der großen Resultate sind so wenig und jelänger man Gegenstände betrachtet desto weniger getraut man sich etwas allgemeines darüber zu sagen. Man möchte lieber die Sache selbst mit allen ihren Theilen ausdrucken oder gar schweigen.

Ich muß immer heimlich lachen wenn ich Fremde sehe, die beym ersten Anblick eines großen Monumentes sich den besondern Effeckt notiren, den es auf sie macht. Und doch wer thuts nicht? und wie viele begnügen sich nicht damit?

Sie haben indeß zwey Briefe von mir erhalten einen von Fraskati, den andern (glaub ich) von Castell Gandolfo wenigstens enthielt er die Nachricht von einer militarischen Reliquie der dortigen Gegend.

Egmont ist nun in Weimar. Ich habe große Freude an der Art wie ihn die Freunde aufgenommen haben. Auch Ihnen und Ihresgleichen darf er sich hoffe ich präsentiren, denn ich möchte nun nichts mehr schreiben, was nicht Menschen die ein großes und bewegtes Leben führen und geführt haben, nicht auch lesen dürften und möchten.

Kayser aus Zürch ist hier und hat die Partitur unsrer Oper mitgebracht, ich habe viel Genuß an ihm und seiner Arbeit. Durch ihn genieße ich auch erst[292] die hiesige Musik, weil sich doch nichts in der Welt ohne wahre, innre Kenntniß recht genießt.

Von meinem übrigen Wesen und Treiben das nächstemal.

Und nun ein Wort von Ihrer Frau Mutter Reise, die mir schwer auf dem Herzen liegt. Sie wollte noch dieses Jahr hierher und es war ein sehr kühnes, ja ein verwegnes Unternehmen, mit denen mir bezeichneten Personen, mit einer ganz bonhomischen, ununterrichteten, so gut als mit dem Lande unbekannten Carawane einen Zug durch diese Gegenden anzutreten. Ich habe ihr pflichtmäßig und geheimderäthlich die Gründe vorgelegt warum die Reise noch ein Jahr aufzuschieben sey. Glücklicherweise kamen einige Umstände dazu, die sie determinirten noch zu bleiben und zu warten. Ich bin nun über ein Jahr im Lande und weiß was vornehme Reisende hier erwartet und wie schwer es für Fremde ist Genuß, Menage und Anstand nur einigermassen zu verbinden. Vielleicht ist es in diesem Lande schwerer, als in andern, doch iß es wieder leicht und sehr bequem wenn mans weiß, nur weil niemand Vortheil davon hat den Fremden zu unterrichten, vielmehr von Unwissenheit und Ungeschick zu profitiren ist; so gehts aus einem ins andre. Genug das allgemeine Reise Schicksal wird hier besonders fühlbar. Vor einigen Tagen habe ich einen Italiäner nach Weimar geschickt, einen sehr guten Menschen wenn er gut genutzt wird, eine Art von[293] Maitre Jacques, der das mechanische der Reise zu besorgen, alle Händel mit den Postmeistern Wirthen pp abzuthun hat, das ist schon sehr viel, weil die Seccatur und Prellerey in Italien unendlich ist; man muß nothwendig einen Italiäner an die Italiäner hetzen, um mit ihnen fertig zu werden. Nun ist es aber leider noch um das moralische und politische, um Kunst und Naturgenuß zu thun wo ich wohl rathen kann und kann sagen: da und da liegts, weil es aber auf die Leitung eines jeden einzelnen Tages ankommt und auf ein Zusammenhalten der ganzen Zeit und Absicht; so ist da Vieles dem Glück und dem Zufall überlaßen was bedacht und geführt werden sollte. Eine Sache die im ganzen Leben schwer ist und auf Reisen am schwersten von Großen und Vornehmen ausgeübt werden kann ist nach meinem Bedüncken: die Dienstleistungen und Dienstanerbietungen mehrerer Menschen die man nicht genau kennt und die sich immer zudrängen anzunehmen oder abzulehnen und einen jeden nach seiner Art zu brauchen, ohne sich zu kompromittiren, oder zu secciren. Einzeln kommt jeder eher durch, eine große Gesellschafft leidet gewiß drunter. Für Rom und Neapel wäre so ziemlich gesorgt, in Florenz soll es auch nicht fehlen und man muß denn auch etwas dem Glück überlassen.

Dann ist noch ein Haupt Bedencken bey der Reise: daß sie im rechten Zeitmaße geschehe und die Reisenden auch geziemend wiederkehren. Um einen Leibarzt habe[294] ich sehr gebeten, er ist aber abgeschlagen worden, ich habe auf einen Chirurgus kapitulirt, der nun leider erst gesucht wird. Keine Dame kenne ich die ich vorschlagen möchte, kann also auch dazu nichts sagen; die Caravanne wird auch dadurch noch größer und schwerer zu bewegen.

Ich will thun und vorbereiten, was möglich ist, wenn nur Einsiedel ein wenig thätiger und gewandter wäre! Auch höre ich daß er gar nicht wissen soll, wie er mit dieser Reise dran ist. Ich glaube es wohl.

Und nun noch ein politisch Wort, ob ich gleich nur das allgemeinste der Welthändel sehen kann. Ich lese fleisig die Zeitungen und da neuerdings sich alles bald aufdeckt und entwickelt, so vieles öffentlich verhandelt wird, was sonst verborgen tracktirt wurde; so kann man mit einer freyen Vorstellungs Art die Lage der Sache ziemlich übersehen.

Mir scheint es für Freund und Feind bedencklich daß Franckreich so weit herunter ist. Wenn auf der einen Seite die Preusisch-Englisch-Oranischen Absichten leichter auszuführen sind; so haben auf der andern Seite Catharina und Joseph auch freyes Spiel und können sich vielleicht in einem Augenblicke süd und ostwärts ein ungeheures Übergewicht verschaffen, indem der Nord und West (wozu ich Franckreich mitrechne) mit einander nicht einig sind. Aus diesen Gegenden kann ich sagen: daß man sich im Stillen und Einzelnen[295] für Rußland und dem Kayser fürchtet und glaubt daß unter keiner Bedingung der Kayser jene große Aus- und Absichten Catharinens auf Constantinopel pp begünstigen könne wenn nicht auch einem Nachgebohrnen seines Hauses der Besitz von Italien versichert sey. Soviel ist gewiß daß der Kirchenstaat und beyde Sicilien ohne Schwerdtstreich wie Holland wegzunehmen wären. Man legte sich mit ein Paar Linienschiffen in den Golf von Neapel und bäte sich zwey Thore von Rom aus; so wäre die Sache gethan. Aus verschiednen Bewegungen glaube ich daß der päpstliche und neapolitanische Hof auf einer solchen Spur sind, obgleich das allgemeine Publikum sich nichts davon träumen läßt. Das Volk ist mißvergnügt die Geistlichkeit besonders die Mönche sind kayserlich gesinnt. Noch gestern sagte ein 70jähriger Mönch: wenn ich nur noch in meinen alten Tagen erleben sollte daß der Kayser käme und uns alle aus den Klöstern jagte, selbst die Religion würde dabey gewinnen. Wenn die Russischen Schiffe ins Mittelländische und Adriatische Meer kommen wird man bald mehr sehn.

Verbrennen Sie doch ja meine Briefe gleich daß sie von niemanden gesehen werden, ich kann in dieser Hoffnung desto freyer schreiben. Leben Sie tausendmal wohl! Und wenn Ihr neuster Schritt manche Mißvergnügte gemacht hat, wenn Sie im Dienste manchem streng aufdrücken müssen, wenn Sie in[296] einem halb feindlichen Lande nicht immer Zufriedne vor Sich sehen; so genießen Sie wenigstens des Gedanckens: daß Sie Einen Menschen, der Ihnen nah angehört, durch Ihre Liebe, Güte und Nachsicht ganz glücklich machen.

G.


8/2624.


An Johann August Ludecus

Wohlgebohrner

Hochgeehrtester Herr Steuerrath,

Nachdem ich so oft aus Überzeugung Ihren Hof Etat zu vermindern gewünscht habe; so bin ich jetzt in dem Fall ihn nach Pflicht und Gewissen zu vermehren.

In einiger Zeit wird ein Italiäner bey Ihnen eintreffen, der auf der beschloßnen Reise Ihro Durchl. die Herzoginn begleiten soll. Ohne einen solchen Mann war eine solche Reise den größten Unbequemlichkeiten ausgesetzt und ich kann wohl behaupten: daß er an dem Theile der Ausgabe der durch seine Hände geht ein Drittel im Ganzen, ja in einzelnen Fällen das doppelte und dreyfache ersparen wird.

Ich wünsche von meiner Seite alles zu thun was eine kostbare und beschwerliche Reise Ihro Durchl. recht zweckmäßig nützlich und angenehm machen könnte.

Ich empfehle auch Ihnen daher dieses auserlesne Werckzeug Filippo Collina aufs beste. Schon ein[297] Jahr kenne ich ihn und vermisse ihn jetzt ungern. Es wäre mir über und wider alle Erwartung wenn ihn die Luft über den Alpen verändern sollte.

Ich habe mit ihm, wegen Differenz des Geldes und der Lebensart keinen Contrackt machen können, er geht auf mein Wort, in völliger Überzeugung sich dem Dienste einer großmüthigen Fürstinn zu wiedmen.

Sie befinden Sich wohl, wie ich höre und hoffe, obgleich nicht ohne Bekümmerniß über die neusten Veränderungen und Ereigniße unsers Staats. Möge ein gut Geschick alles Gefürchtete zum Besten kehren.

Leben Sie recht wohl. Ich bin wohl und vergnügt, jedoch nicht ohne Sehnsucht und Antheil. Oft, ja immer sind meine Gedancken nach Hause gerichtet, ich verspreche mir bey meiner Widerkehr einen freundlichen Empfang von vielen, wenn ich mir nur auch einen friedlichen versprechen könnte.

Hrn. Assessor Kirms viele Empfehlungen, ich weiß daß ich bey ihm auch im guten Andencken stehe.

Ew. Wohlgeb.

ergebenster Diener

Rom d. 17. Nov. 1787.

Goethe.[298]


8/2625.


An Philipp Seidel

Rom d. 17. Nov. 87.

Auf deinen Brief vom 29. Oktbr. heute soviel.

Ich will an dich und deine Lage dencken, auch deinetwegen an den Herzog und Schmidt schreiben und dir nächstens mehr sagen.

Träuter ist ein Schurcke. Ich habe vor meiner Abreise sehr genau alles abgethan was ich für Verhältnisse mit den Cassen haben konnte. Wenn nun von mir authorisirte Belege Vorschüsse statt baaren Gelds in den Cassen liegen; so hat der Cassier nichts zu verantworten, sondern er hat sie meinem Nachfolger auf Erfordern vorzulegen und der hat zu thun und zu lassen, was er will und wenn die Sache zur Sprache kommt, hab ich sie zu verantworten, das geht aber den Hundsfutt nichts an.

Also rücke ihm ganz gelassen zu Leibe und sag ihm du hättest das bedacht was er dir neulich gesagt hätte und fändest nach deiner Verbindung mit mir nötig mir seine Aüserung zu schreiben, ob er noch etwas zu so sagen hätte sonst würdest du mir seine ersten eigentlichsten Worte melden. Laß dich aber auf weiter nichts ein und bestehe darauf daß du mir schreiben würdest und müßtest und melde mir, was er sagt.

Überhaupt ists natürlich, da ich so lang die grosen Summen Gelds ohne Auf- und Übersicht kommandirt[299] habe, daß die Lumpen auch lumpig von mir dencken. Wie eben die Krechische Sache war. Ich gebe dir also hiermit Vollmacht in jedem ähnlichen Falle, gleich auf Erklärung zu dringen und zu deklariren daß du mir schuldig seyst es zu melden.

Ich habe kein persönlich Verhältniß zu den Cassen, bin keiner (mit Wissen) einen Heller schuldig, fände sich also ja etwas; so könnte mirs lieb sein, daß es bei Zeiten herauskäme, in einem so Complicirten Verhältniß wäre es doch möglich.

Was übrigens, wie ich sage, von authorisirten Belegen, als Vorschüße pp, was noch nicht in Rechnungs ausgaben verschrieben wäre, in den Cassen läge, davon kann und will ich kein Geheimniß machen. Ich habe aber davon niemand als dem Herzog Rechenschaft zu geben. Setze also wie gesagt in jedem ähnlichen Falle den Trumpf drauf: daß du es mir schreiben würdest und verlange nähere Erklärung, um mich benachrichtigen zu können. Lebe wohl. Ich bin gesund und fleißig.

G.


8/2626.


An den Herzog Carl August

Rom d. 7. [und 8.] Dec. 87.

Sie muntern mich auf manchmal etwas von mir hören zu laßen und ich nehme die Feder um ein und den andern Punckt meines täglichen Lebens zu berühren.[300] Schon lange habe ich mir Vorwürfe gemacht: daß ich nicht etwas von meiner Arbeit es sey an Zeichnungen, oder an Betrachtungen über die Kunst überschickt habe, allein wenn ich selbst Künstler die hierherkommen betrachte; so finde ich meine Entschuldigung. Jeder, der nun endlich Rom erreicht hat, denckt er wolle nun erst recht fleisig seyn, recht fort arbeiten, fort dencken pp und er spürt nur gar zu bald daß er wieder zurück lernen muß, daß er seinen Grund tiefer graben stärcker und breiter legen muß. Er muß den Aufwand an Zeit und Kräften erst in die Erde verstecken, um in der Folge, wenn das Glück will, sein Gebäude aufführen zu können. Mit dem Beurtheilen ist es das Gleiche und ich sehe jetzt nach Verlauf eines Jahrs, an andern, die hierherkommen, wie ich die Sachen im Anfange ansah. Wie die Kindheit und Jugend ihre eigne Vorstellungs Art hat; so giebt es auch eine eigne Reisenden und Dilettanten Vorstellungs Art, die eigentlich nicht unrichtig nur verhältnißmäßig ist.

Meinen geschnittenen Stein Handel habe ich fortgesetzt und für wenig Geld artige Sachen zusammengekauft. Man muß von Zeit zu Zeit etwas von den Leuten nehmen, um in Connexion zu bleiben und sie kennen zu lernen, wenn man etwas gutes erwischen will. Aus den Händen der großen Händler muß man nichts nehmen, das ist für Russen und Engländer.

[301] Für Sie habe ich einen Einschnitt im Auge, er ist von guter Arbeit und ein interessantes, von den alten oft wiederhohltes Süjet, die Herakliden wie sie die wiedereroberten Länder durchs Los theilen.

Ich lege die Zeichnung aus den Monumenti inediti bey. Noch will der Händler mit dem Preis zu hoch hinaus. 15 bis 20 Zechinen, mehr muß man nicht dafür geben, sonst ists kein Spas. Die Juden sind nur alle zu klug geworden. Es wird von Fremden ein ungeheuer Geld für diese Sachen, besonders für Cameen ausgegeben. Es ist freylich reitzend, faßlich, transportable. Indeß muß man nicht mehr Werth hinein legen als es hat, denn große Kunstwercke sind wenig unter allen geschnittnen Steinen in der Welt und ein Gypskopf ist im Grunde ein würdigerer Gegenstand, als viele solcher Spielwercke. Wie freue ich mich auf die Zeit da wir zusammen das Stoschische Cabinet in Potsdam sehen werden, das Ihnen wohl nicht verschloßen bleiben wird. Das Ende meiner Bemühungen und Wandrungen, ist und bleibt der Wunsch Ihr Leben zu zieren. Möge er mir gewährt werden.

Nun noch ein Wort, das sich auf Ihre innere Wirthschafft bezieht und das ich biß auf meine Rückkunft nicht versparen will: Ich wünschte Sie veranlaßten Schmidten, daß er Seideln, der Ihnen nun eine Zeitlang in der Stille und im kleinen dient, näher prüfe und sich selbst überzeuge wie und wozu[302] dieser Mensch brauchbar ist. Ich will ihn nicht unbedingt empfehlen, weil er der Meinige war und im edelsten Sinne mein Geschöpf ist; aber ich wünsche daß man ihn kennen lerne. Wenn Bachmann abgeht, wird eine große Lücke erscheinen, die vielleicht weniger mercklich gemacht werden könnte, wenn man einen solchen durchaus treuen, arbeitsamen, verständigen Menschen dazu vorbereiten ließe. Er ist schon an Bachmanns Seite, kennt die Sachen gut und hat einen richtigen Blick. Er ist jung und auf eine Zeit hinaus von ihm etwas zu hoffen. Lassen Sie ihn prüfen, prüfen Sie ihn bey Ihrer Rückkunst selbst, ich müßte mich sehr betrügen, wenn Sie in dieser Classe Menschen einen gleichen fänden. Nächstens mehr. Leben Sie tausendmal wohl und erwidern meine Liebe.

G.


Rom d. 8. Dez. 87.

Heute erhalte ich Ihren werthen Brief von Overtoon und lege noch ein Blat zu dem schon geschriebnen. Mein Herz geht wieder auf in der Hoffnung Sie zu Hause zu wissen, mein Wunsch wird wieder lebendig an dem Orte zu seyn, von dem, doch im Grunde, Ihre Abwesenheit nur mein Gemüth entfernte. Ich dancke Ihnen für die Nachrichten die Sie mir von Ihrer Expedition geben, die freylich dem Geist unsers Jahrhunderts gemäß klüger als kriegrisch ausgegangen[303] ist. Ich leße die Zeitungen regelmäßig und bleibe im allgemeinen in der Connexion. In meinem letzten Briefe habe ich eine politische Poesie gewagt, die Sie mir verzeihen werden, doch scheinen die neusten Operationen der Cabinette, meine Sorge, wo nicht in ihrer ganzen Ausdehnung, doch in ihrer Richtung zu rechtfertigen.

Wie sehr gönnte ich Ihnen nur einen Theil des Genußes der mir so reichlich geschenckt ist und den Sie mehr als jemand verdienen. Leider haben Sie Sich zu Ihrer angebohrnen Bestimmung, die mühsam genug ist, wenn man ihr ernstlich nachgehen will, noch fremde Lasten aufgeladen, deren Schwere Sie noch oft fühlen werden. Gebe Ihnen ein günstig Geschick immer frohen Muth.

Daß Sie den Gedancken die Rembrands zu komplettiren fahren laßen, kann ich nicht anders als billigen. Beßer nach und nach beßere Abdrücke von den Hauptblättern angeschafft. Besonders fühle ich hier in Rom wie interessanter denn doch die Reinheit der Form und ihre Bestimmtheit, vor jener marckigen Roheit und schwebenden Geistigkeit ist und bleibt.

Ein Paar Blätter von Marck Anton brächt ich Ihnen gerne mit. Es sind ein Paar Blätter, ein Heil. Lorenz und ein Kindermord von ihm nach Bacio Bandinelli! Es ist eine Welt in den Blättern und gute Abdrücke davon unschätzbar. Ich habe neulich nur einen Blick in die Vatikanische Kupfer Sammlung gethan, da sind Schätze![304] Wenn Sie wieder zu Hause sind; bitte ich einen Abend am Camin meinem Egmont zu wiedmen, könnte er Sie wieder in einer Tannröder Stimmung, welche meinem Wilhelm so günstig war, antreffen; so würde ich mich recht glücklich fühlen. Es ist gar tröstlich für den Dichter, der sichs denn doch sauer werden läßt, wenn so eine Arbeit gleich das erstemal ihre Würckung nicht verfehlt. Ich hoffe er soll Ihnen neu seyn und zugleich alte Erinnerungen anmuthig anschlagen.

Claudine und Erwin halten mich länger auf, als ich dachte, ich will sie nun gut machen in ihrer Art, besonders, da es die ersten Singspiele sind, die in meiner neuen Ausgabe vorkommen.

An Faust gehe ich ganz zuletzt, wenn ich alles andre hinter mir habe. Um das Stück zu vollenden, werd ich mich sonderbar zusammennehmen müßen. Ich muß einen magischen Kreis um mich ziehen, wozu mir das günstige Glück eine eigne Stäte bereiten möge.

Kayser ist nun hier und ich kann nicht sagen, wie sehr mich seine Gegenwart freut und erbaut. Einen männlichern, solideren Künstler habe ich nie gekannt und dabey hat er in der Vorstellungs Art eine Geschmeidigkeit, in seinem Umgang eine Grazie, die man erst nach und nach entdeckt und gewahr wird. Sein Aufenthalt hier wird ihn ganz zur Reife bringen. Er komponirt alles was an Musick[305] zum Egmont nötig ist und seine Studien darüber sind mir sehr unterrichtend.

Ich habe an Fr. v. Stein einige Zeichnungen geschickt, wäre etwas darunter was Ihnen für die Freundinnen gefiele; so steht es zu Befehl. Es ist aber auf alle Weise nichts von einigem Werthe.

Noch eine andere Übung habe ich vor: daß ich wie ehmals durch Krausen das neuste von Plundersweilern, so durch einen jungen Künstler nun heroische Süjette nach meinen Anläßen zeichnen laße. Wir sind nur im Anfange indeß kann ich hoffen daß in einiger Zeit wenigstens unser guter Wille sichtbar werden wird. Fr. v. Stein kann etwas näheres, wenigstens die Liste der Süjette mittheilen.

Leben Sie aufs beste wohl und erfreuen mich manchmal mit einem Worte. Nehmen Sie Filippo Collina ein römisches Original, das ich Ihrer Frau Mutter als Reise Maitre Jacques überschicke, in Protection. Sie können am ersten beurtheilen wie wunderlich einem verpflanzten Geschöpf seine Ortveränderung thut. Es ist ein sehr guter Mensch, wenn ich mich nicht sehr betrüge.


8/2627.


An Philipp Seidel

[8. December.]

Hier schicke ich dir die Quittungen, ich will es künftig vierteljährlich thun, auch die auf die Kriegskasse,[306] wo du soviel ich weiß nichts erhoben hast. Mache die Rechnung mit Paulsen in Ordnung und laß mir einige Hundertthaler wieder an Hrn. Rath Reisenstein, wie das letzte mal anweisen.

Ich bin wohl und vergnügt und wäre ganz glücklich, wenn mich nicht das Schicksal zwischen Norden und Süden schwebend erhielte. Doch! schwebt nicht unser ganzes Leben? Wir wollen nun Ostern herbeykommen lassen.

Ich bin fleißig. Claudine und Erwin kommen bald. Du kannst dencken, daß ich im Begriff der bildenden Künste nun immer stärcker wachse und in der Ausübung nicht ganz zurückbleibe.

Wegen deiner hab ich an den Herzog geschrieben und gebeten, daß man dich prüfen möge um dich kennen zu lernen. Ich habe gewissenhaft das Gute gesagt, was ich von dir dencke.

Kayser ist gar brav. Er ist so ganz und tief in seiner Kunst, als ich noch keinen Künstler persönlich gekannt habe. Das Theater macht ihm große Freude, und es ist angenehm mit ihm leben.

Hier leg ich Antworten auf deine Fragen wegen des Papiergeldes bey. In Rom wäre ein Muster einer unglücklichen Haushaltung zu studiren. Es scheinen verständige und kluge Menschen am Ruder zu seyn, die sich aber nicht mehr helfen können, so tief ist alles in den Koth gefahren. Ich mag mich nicht[307] drum bekümmern und mir die Immagination nicht verderben. Lebe wohl. Gedencke mein.

G.


Ich erhalte noch deinen Brief vom 16. Nov. und freue mich deiner Beobachtungen der Natur. Fahre so fort, es ist die reellste Freude unter den speculativen. – Die gute Meynung, die man von meinem Gehirne in Weimar hat, hoffe ich auf die Art zu widerlegen, wie Sophokles eine ähnliche Anklage ablehnte: er schrieb seinen Ödipus auf Colonus und ob ich gleich meinen Egmont nicht mit jenem Meisterstücke vergleichen will; so wird doch schon dieses Stück hinreichend seyn, das Publicum zu überzeugen, daß ich noch bey Sinnen bin.

Laß doch deine Corona Hrn. Herder lesen, wenn dich der absolvirt, so gehst du ganz sicher.


8/2628.


An Charlotte von Stein

Hier schicke ich ein andres Löwchen, ist es nicht so artig als das erste; so hats doch auch seine Verdienste und macht jenen Verlust erträglicher. Das Fischchen ist für die Gräfinn Werther grüße sie recht sehr von mir, sie soll sichs auch in eine Halsnadel fassen laßen, das Steinchen ist artig. Ich bleibe noch ihr Schuldner, sie soll noch etwas für ihren Ducaten haben.

Liebe mich.

Rom d. 15. Dez. 87.

G.[308]


8/2629.


An Friedrich Constantin von Stein

Rom, den 18. Decbr. 1787.

Deine Briefe, lieber Fritz, machen mir große Freude, laß es dir ja ein Gesetz bleiben, mir immer zu schreiben was dir begegnet und wie du denkst, damit du mir nicht fremd seyst, wenn wir uns wiedersehen.

Mit einem Italiäner, der nach Weimar kommt, erhältst du Geschenke von Angelika; eine Zeichnung, die du gleich unter Glas machen mußt, und noch etwas, das ich nicht verrathe. Es ist etwas, das dir schon einzeln Freude machen würde, mit 4 multiplicirt, etwas Altes zum modernen Gebrauche, und zu einem doppelten Gebrauche, nun kannst du eine Weile rathen.

Herr Thurneisen, der dich grüßt, nimmt ein Schächtelchen mit, darin liegt ein klein Papierchen an deine Mutter, dann 4 Stücke Sepia, davon theile Rath Krausen mit, und geht haushälterisch damit um. Auch schreibe mir, wozu ihr sie anwendet, denn es ist nicht genug, Sepia zu haben, man muß sie auch am rechten Fleck und unter den rechten Mischungen brauchen, sonst thut Tusche eben die Dienste.

Die Manier, wie lavirt zu ätzen, kann ich vielleicht nächstens beschreiben. Ich habe mich mit diesen Sachen gar nicht abgeben können, und Jedermann spricht von diesen Sachen. Der rechte Mechanismus aber ist nicht gleich gelernt.

[309] Ferner wirst du in dem Schächtelchen viele Abdrücke kleiner Steinchen in Siegellack finden. Ich besitze die Steinchen alle selbst, es sind recht artige darunter. Lebe recht wohl. Ich gehe wenn es Nacht wird, vier Tage in der Woche in eine Perspektivstunde, es ist mir eine rechte Lust, wieder den Schüler zu machen, ich hoffe diesmal will ich diese Lehre gründlich lernen, an der ich so oft nur oberflächlich gearbeitet habe.

Auch habe ich wieder einen Fritz im Hause, einen jungen Maler, der recht geschickt und gut ist, mit dem ich allerlei zeichne und componire.

Lebe wohl und vertrage dich mit deinem Cousinchen. Schreibe mir manchmal von ihr und grüße sie. Siegle ferner mit meinem Siegel, es kleidet deine Briefe recht hübsch.


8/2630.


An Carl Ludwig von Knebel

Rom d. 21. Dec. 87.

Du bist gar freundlich lieber Br. daß du mir oft schreibst, deine Briefe erfreuen mich sehr. Laß nicht ab, mich auch durch dieses Band fest an euch zu halten.

Wie sonderbar kommt es mir vor, dich in meinem Garten zu dencken, in denen niedrigen Zimmerchen, wohl eingepackt und kalfatert, indeßen ich in einem hohen Saal, fast ohne Feuer, eines andern Himmels[310] genieße. Möge dir es recht wohl seyn. Du hast doch die Vorfenster eingesetzt und dich auch mit Teppichen verwahrt?

Die vorige Woche hab ich noch eine Wandrung in die Gebürge hinter Rom mit einigen Freunden angestellt. Es waren unglaublich schöne Tage. Wir gingen noch einmal die Gegend von Fraskati biß Nemi durch und stiegen sogar auf den Monte Cavo. Alles ist Vulkanisch und die Gegend die manigfaltigste die ich kenne. Um Neapel und Catania wo andre herrliche Gegenstände sind, ist nichts dergleichen, so kompendieus und zierlich. Jene gehen mehr ins Weite. Es ist eine Welt für den Landschaftsmahler.

Ich halte mich immer ernsthafter an die Kunst, mit der ich zeitlebens nur gespielt habe und fühle erst was Gelegenheit und Unterricht einem eingebohrnen Talente, einer dringenden Neigung aufhelfen. Es versteht sich daß ich bey meinen Jahren in der Ausführung zurückbleiben muß, in ächter, bestimmter Kenntniß will ich wenigstens so weit vorwärts als möglich.

Meine Kenntniß der natürlichen Dinge hilft mir sehr fort. Es ist unsäglich wie die Alten der Natur, und mit welchem großen Sinn sie ihr gefolgt sind.

Ich hoffe noch einige Zeit zu gewinnen, denn es wäre sehr schmerzlich wenn ich jetzt abbrechen sollte, da ich soweit vorwärts gegangen bin. Auch glaube ich, vorerst mögt ihr mich und könnt mich wohl entbehren.[311] Ich lebe ganz einsam mit meinen Hausgenoßen, Kayser ist bey uns und thut uns wohl. Die Woche seh ich Angelika zweymal, es ist das beste Wesen von der Welt. Man hat keinen Begriff von einem solchen Talent, mit solcher Einfalt, Herzensgüte und ächter Bescheidenheit. Übrigens widersteh ich allem Andringen der sogenannten großen Welt. Ich will auch keine Stunde um der Menschen willen versäumen, die mir nichts geben können und denen ich nichts geben kann. Sie haben Fremde genug die Visitenbillets abgeben, einen Platz bey Tische und am Spieltisch einnehmen. Den Commandeur Dolomieu habe ich kennen lernen. Er hat viele und gute mineralogische Kenntnisse. Der junge Camper ist auch hier, ein fähiger, unterrichteter Mann, lebhaft und fahrig. Zimmermann von Braunschweig ist auch angekommen, ich hab ihn noch nicht gesehen. Was kommt nicht alles nach Rom.

Nach Weimar ist die schöne Gore gekommen, die dir doch auch wohl in die Augen gestochen hat.

Lebe wohl. Grüße die Freunde. Gedencke mein.

G.


Ich erhalte noch deinen Brief vom 23. Nov. mit dem Briefe Batschens. Tausend Danck.[312]


8/2631.


An Philipp Seidel

Du thust sehr wohl, mein Lieber, dich mit Betrachtung der Natur zu beschäfftigen. Wie der natürlichste Genuß der beste ist; so ist auch die natürlichste Betrachtung die beste. Deine Beobachtungen sind recht gut. Du bist auch auf einem guten Wege zu beobachten. Nur mußt du dich in acht nehmen, daß du deinen Folgerungen nicht zuviel Werth gebest. Ich will nicht sagen, daß du keine Folgerungen machen müßtest, denn das ist die Natur der Seele. Nur mußt du immer deine Meynung geringer halten als dein Auge. So nützen mir Z. E. deine Beobachtungen recht wohl, wenn ich dir in Meynungen und Kombinationen überlegen bin. Aber du mußt durch alle diese Wege gehen und die Freude, die du über eine solche Entdeckung hast, ist das wahre Kennzeichen, daß du weiter und weiter gehen wirst. Schreibe mir alles, was du auf diesem Wege triffst. Mich interessirt's sehr und ich lerne immer. Lebe wohl. Führe den Jenaischen Kayser zum Hrn. Herder.

Laß mir nächstens einige hundert Thaler anweisen.

d. 21. Dec. 87.

G.[313]


8/2632.


An den Herzog Carl August

Rom d. 29. Dec. 87.

Von allen Seiten höre ich daß es Ihnen wohl geht, daß Sie im Haag vergnügt sind und der Kriegshimmel sich aufgeheitert hat. Das Glück bey Frauen das Ihnen niemals gefehlt hat, wird Sie auch in Holland nicht verlassen und Sie dafür schadloß halten, daß Sie die schöne Emilie in Ihrem Hause versäumt haben.

Mich hat der süße kleine Gott in einen bösen Weltwinckel relegirt. Die öffentlichen Mädchen der Lust sind unsicher wie überall. Die Zitellen (unverheurathete Mädchen) sind keuscher als irgendwo, sie lassen sich nicht anrühren und fragen gleich, wenn man artig mit ihnen thut: e che concluderemo? Denn entweder man soll sie heurathen oder sie verheurathen und wenn sie einen Mann haben, dann ist die Messe gesungen. Ja man kann fast sagen, daß alle verheurathete Weiber dem zu Gebote stehn, der die Familie erhalten will. Das sind denn alles böse Bedingungen und zu naschen ist nur bey denen, die so unsicher sind als öffentliche Creaturen. Was das Herz betrifft; so gehört es gar nicht in die Terminologie der hiesigen Liebeskanzley.

Nach diesem Beytrag zur statistischen Kenntniß des Landes werden Sie urtheilen, wie knapp unsre Zustände seyn müßen und werden ein sonderbar Phenomen[314] begreifen, das ich nirgends so starck als hier gesehen habe, es ist die Liebe der Männer untereinander. Vorausgesetzt daß sie selten biß zum höchsten Grab der Sinnlichkeit getrieben wird, sondern sich in den mittlern Regionen der Neigung und Leidenschafft verweilt; so kann ich sagen, daß ich die schönsten Erscheinungen davon, welche wir nur aus griechischen Überlieferungen haben, (S. Herders Ideen III Band pag. 171) hier mit eignen Augen sehen und als ein aufmercksamer Naturforscher, das phisische und moralische davon beobachten konnte. Es ist eine Materie von der sich kaum reden, geschweige schreiben läßt, sie sey also, zu künftigen Unterhaltungen aufgespart.

Jetzt geht die Zeit der Zerstreuung an, für mich weniger als für andre. Kaum ist Christus gebohren; (welcher dieses Jahr mit einer Mondsfinsterniß und einem starcken Donnerwetter seine Geburtsnacht gefeyert hat) so sind auch schon die Narren wieder loß, und die um wenige Tage verdrängte Saturnalien treten ein. Vier große und ein halb Dutzend kleine Theater sind aufgegangen, recitiren, singen, tanzen um die Wette. Die große Oper in Aliberti hat mich den ersten Abend erschröcklich seccirt. Alle Elemente waren da: Theater, Decorationen, Lichter, Sänger, Tänzer, Kleider, Musick pp und alles mehr durch Gewohnheit, als durch einen frischen Geist belebt. Die Mittelmäsigkeit eines so zusammengesetzten, großen, brillanten Gegenstandes war unerträglich.

[315] Vielleicht geben die andern Theater etwas. Mir ist nicht viel daran gelegen, denn ich bringe die Abende gewöhnlich unter Gesprächen über die Kunst hin, und zwar nicht über das allgemeine, sondern über besondre Gegenstände der Nachbildung. Jetzt bin ich am menschlichen Kopfe und würde mich sehr glücklich halten, wenn ich immer tiefer in diesen Betrachtungen gehn, immer weiter in der Ausführung kommen könnte. Der junge Camper ist hier und trägt uns die Lehre seines Vaters vor, welche sich trefflich an das höhere und höchste anschließt. Sie werden seinen Vater im Haag auch nicht versäumt haben, der gute Alte hat, höre ich, viel gelitten.

Wenn Sie mir manchmal etwas bedeutenderes schreiben wollen; können Sie es ohne Sorge thun. Niemals habe ich an einem Briefe nur eine Spur einer Eröffnung bemerckt. Auch kommen sie gewöhnlich in der kürzesten Zeit und können unterweges nicht seyn angehalten worden. Allenfalls nehmen Sie ein unbedeutendes Siegel.

Anfang Dezembers durchlief ich noch einmal das vulkanische Gebirg hinter Rom, von Fraskati biß Nemi und schnitt bey dieser Gelegenheit einen Span aus jenem Troge. Mit nächstem Transport wird diese Reliquie sich Ihrem Hausaltar empfehlen.

Behalten Sie mir Ihre Liebe, wie mein Gemüth Ihnen unwandelbar ergeben ist.

G.[316]


8/2633.


An Christian Gottlob Voigt

[29. December.]

Ihre Briefe machen jedesmal Epoche in meinem stillen und von aller Welt abgeschiednen Leben, sie geben mir ein werthes Zeugniß Ihrer fortdauernden Freundschaft, und sehnlich erwartete Nachricht von dem Fortgang jener Geschäfte die mir immer interessant bleiben.

So sind denn die Wasser wieder gewältigt! Wie sehr beruhigt mich das einstweilen, biß mir, nach dem Versprechen, Ihr nächster Brief das Genauere erzählt. Die Erweiterung der Radstube war eine böse und gefährliche Arbeit, die ich mir kaum dencken kann.

Haben Sie doch auch die Güte mir von dem Zustand der Steuerkasse ein Wort zu sagen, wenn die dießjährige Rechnung abgelegt seyn wird.

Was Sie wegen der Personen erinnern, welche zu jenen Geschäften angezogen werden könnten, ist Ihrer Klugheit, Ihrer Kenntnis der Menschen und der Umstände gemäß. Suchen Sie die Sachen aufs Beste einzuleiten und bleiben meiner fernen und nahen Beystimmung immer gewiß. Ihre Liebe und aufrichtige Neigung zu mir, erleichtern mir den Gedancken, daß ich Sie solang in diesen Geschäften ganz allein laße,[317] wenn Sie auch schon den größten Theil davon, bey meiner Gegenwart getragen haben.

Ich habe noch keine Nachricht, daß Serenissimus zurück sind. Fast zweifle ich daß der Aufenthalt in Holland unsern Fürsten befriedigt haben werde. Ich höre er hat das Regiment noch nicht übernommen. Wie findet sich das Publikum in diesen Schritt?

Ich bedaure Ihren Bruder sehr, daß sich seine Ehstandsverhältniße so verschlimmert haben. Es ist dies ein Übel wo die Mittel meist so schlimm sind als das Übel selbst.

Andre Nachrichten aus Deutschland sind auch wenig erbaulich.

In dem weiten Rom lebe ich indessen sehr still und abgesondert, ich bin fleißig und würde mehr zu Stande bringen, wenn ich in manchen Sachen nicht wieder von vorne anzufangen hätte.

Die Betrachtung der Kunstwercke wird jetzt erst interessant. Vollkommne Wercke kann man nicht lang genug und nicht genau genug betrachten.

Wir haben jetzt den Sohn des berühmten Camper bey uns, ein junger Mann voll Talent und Feuer. Ingleichen ist Professor Zimmermann aus Braunschweig hier.

Unter den deutschen Landsleuten finden sich gar gute und liebenswürdige Menschen. Prof. Moritz ist ein sehr angenehmer Gesellschafter, er studirt fleißig[318] und wird, hoffe ich, dem Publiko sich immer mehr von einer vortheilhaften Seite zeigen.

Von Ihnen und den Ihrigen wünsche ich das Beste zu hören.

Leben Sie recht wohl und behalten mich in freundlichen Andencken.

Die Opern Theater sind ausgegangen und die Carnevals Lustbarkeiten haben ihren Anfang genommen. Mich rühren sie wenig und nur wenn in der letzten Woche die Narren unter meinem Fenster toben, werde ich mich stören laßen.

Leben Sie bestens wohl.

Hier das Titelkupfer zum fünften Band.

Goethe.


8/2634.


An Philipp Seidel

[29. December.]

Hier kommen wieder Briefe, die du nach den Adressen besorgst. Hrn. Legations Rath Bertuch dancke für die mir überschickte Pandora und sage ihm: ich werde Carnevals Masken zeichnen lassen und sie ihm mit der Beschreibung schicken.

Deine Crystallisationsbeobachtungen habe ich wieder gelesen. Du beobachtest genau und gut, auch ist das Entzücken, bey einer unvermutheten Entdeckung, die uns viel aufschließt, ein gutes Zeichen. Fahre nur immer fort. Deine Erklärungs Art scheint mir zu[319] mechanisch, so wohl hier als bey der Vegetation. Die Art zu seyn der Dinge ist auf eine unglaubliche und geheimnißvolle Weise bestimmt und umschrieben, wenn gleich alle Wesen mit einander in Communication stehen.

Daß in einer Kochsalz Solution mehrere Gestalten von Chrystallen entstehen mag wol daher kommen daß die Solution nicht rein ist. Jede Beymischung, wie du selbst bemerckt hast, verändert die Gestalt der anschießenden Körper wir können daraus schließen: daß gewisse Eigenschaften der Cörper gewisse Formen bestimmen, einzeln diese Form, verbunden eine andre und so bleibt der Natur eine unzählige Combination und Modification übrig, ohne daß ihre Grundpfeiler erschüttert werden. Ob die Art wie es zugeht recht erklärt ist kann ich nicht sagen, ich habe zu wenig darüber nachgedacht und nachgelesen, denn es ist in den neuern Zeiten unsäglich viel über diese Materie geschrieben worden. Ich bin jetzt mit der Form des menschlichen Körpers beschäftigt, davon man ausser Rom nur einen unvollkommnen Begriff haben kann. Nur leider daß die Zeit die überall geschwind vergeht, hier doppelt und dreyfach zu eilen scheint. Es wird gewöhnlich als ein Alter mit Flügeln vorgestellt, hier sollte man sie gar als Vogel bilden. Lebe wohl und liebe mich.

G.[320]


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, IV. Abteilung, Bd. 8, S. 287-321.
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