[388] GENIEN den drei Schwestern Kronen darreichend.
Und so bestärkt euch, Königinnen!
Ihr seid es, obschon jetzt gebeugt.
Ihr müßt noch alles Glück gewinnen:
Vom Himmel seid ihr uns gezeugt;
Zum Himmel werdet ihr euch heben
Die Sterblichen, sie sehn's entzückt
Und glorreich über Welten schweben,
Die ihr auf ewig nun beglückt.
Doch was dem Abgrund kühn entstiegen,
Kann durch ein ehernes Geschick
Den halben Weltkreis übersiegen,
Zum Abgrund muß es doch zurück.
Schon droht ein ungeheures Bangen,
Vergebens wird er widerstehn!
Und alle, die noch an ihm hangen,
Sie müssen mit zugrunde gehn.
HOFFNUNG.
Nun begegn' ich meinen Braven,
Die sich in der Nacht versammelt,
Um zu schweigen, nicht zu schlafen,
Und das schöne Wort der Freiheit[388]
Wird gelispelt und gestammelt,
Bis in ungewohnter Neuheit
Wir an unsrer Tempel Stufen
Wieder neu entzückt es rufen:
Mit Überzeugung, laut.
Freiheit!
Gemäßigter.
Freiheit!
Von allen Enden Echo.
Freiheit!
LIEBE.
Kommt, zu sehn, was unsre frommen
Guten Schwestern unternommen,
Die mit Seufzen sich bereiten
Auf die blutig wilden Zeiten.
GLAUBE.
Denn der Liebe Hilf' und Laben
Wird den schönsten Segen haben,
Und im Glauben überwinden
Sie die Furcht, die sie empfinden.
GENIUS I.
Ihr werdet eure Kraft beweisen,
Bereitet still den jüngsten Tag.
GENIUS II.
Denn jenes Haupt von Stahl und Eisen
Zermalmt zuletzt ein Donnerschlag.
Die sämtlichen fünfe, unter musikalischer Begleitung, kehren sich um und gehen nach dem Grunde. Die Hoffnung besteigt die Ruinen links des Zuschauers, Glaube und Liebe die Ruinen rechts; die Knaben besteigen die Treppen und stellen sich an die Pforten. Sie begrüßen sich alle untereinander nochmals zum Abschied. Es wird Nacht.
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Des Epimenides Erwachen
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