Verschiedene Empfindungen

an einem Platze

[30] Das Mädchen


Ich hab ihn gesehen!

Wie ist mir geschehen?

O himmlischer Blick!

Er kommt mir entgegen;

Ich weiche verlegen,

Ich schwanke zurück.

Ich irre, ich träume!

Ihr Felsen, ihr Bäume,

Verbergt meine Freude,

Verberget mein Glück!


[30] Der Jüngling


Hier muß ich sie finden!

Ich sah sie verschwinden,

Ihr folgte mein Blick.

Sie kam mir entgegen,

Dann trat sie verlegen

Und schamrot zurück.

Ist's Hoffnung, sind's Träume?

Ihr Felsen, ihr Bäume,

Entdeckt mir die Liebste,

Entdeckt mir mein Glück!


Der Schmachtende


Hier klag ich verborgen

Dem tauenden Morgen

Mein einsam Geschick.

Verkannt von der Menge,

Wie zieh ich ins Enge

Mich stille zurück!

O zärtliche Seele,

O schweige, verhehle

Die ewigen Leiden,

Verhehle dein Glück!


Der Jäger


Es lohnet mich heute

Mit doppelter Beute

Ein gutes Geschick.

Der redliche Diener

Bringt Hasen und Hühner

Beladen zurück.

Hier find ich gefangen

Auch Vögel noch hangen.

Es lebe der Jäger,

Es lebe sein Glück![31]

Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 1, Berlin 1960 ff, S. 30-32.
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