Wechsel

[46] Auf Kieseln im Bache da lieg ich, wie helle!

Verbreite die Arme der kommenden Welle,

Und buhlerisch drückt sie die sehnende Brust.

Dann führt sie der Leichtsinn im Strome danieder;

Es naht sich die zweite, sie streichelt mich wieder:

So fühl ich die Freuden der wechselnden Lust.


Und doch, und so traurig, verschleifst du vergebens

Die köstlichen Stunden des eilenden Lebens,

Weil dich das geliebteste Mädchen vergißt!

O ruf sie zurücke, die vorigen Zeiten!

Es küßt sich so süße die Lippe der Zweiten,

Als kaum sich die Lippe der Ersten geküßt.


Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 1, Berlin 1960 ff, S. 46.
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