Johann Leonhard Hoffmann

[682] Versuch einer Geschichte der malerischen Harmonie überhaupt und der Farbenharmonie insbesondere, mit Erläuterungen aus der Tonkunst und vielen praktischen Anmerkungen, Halle 1786.

Dieser Mann, dessen Andenken fast gänzlich verschwunden ist, lebte um gedachtes Jahr in Leipzig als privatisierender Gelehrter, war als guter Physiker und rechtlicher Mann geschätzt, ohne sich jedoch einer ärmlichen Existenz entwinden zu können. Er nahm beträchtlichen Anteil an physikalischen, technologischen, ökonomischen Journalen und anderen Schriften dieses Inhalts. Mehr ist uns von ihm nicht bekannt geworden.

Seine obgemeldete Schrift zeigt ihn uns als einen durch Studien wohl gebildeten Mann. Kenntnis der Sprachen, des Altertums, der Kunstgeschichte und recht treue Teilnahme an der Kunst selbst ist überall sichtbar. Ohne selbst Künstler zu sein, scheint er sich mit der Malerei, besonders aber mit dem Malen, als ein guter Beobachter und Aufmerker beschäftigt zu haben, indem er die Erfordernisse der Kunst und Technik recht wohl einsieht und penetriert.

Da er jedoch in allem dem, was von dem Maler verlangt[682] wird und was er leistet, kein eigentliches Fundament finden kann, so sucht er durch Vergleichung mit der Tonkunst eine theoretische Ansicht zu begründen und die malerischen und musikalischen Phänomene, sowie die Behandlungsweise der beiden Künste, miteinander zu parallelisieren.

Eine solche, von Aristoteles schon angeregte, durch die Natur der Erscheinungen selbst begünstigte, von mehreren versuchte Vergleichung kann uns eigentlich nur dadurch unterhalten, daß wir mit gewissen schwankenden Ähnlichkeiten spielen, und indem wir das eine fallen lassen, das andere ergreifen und immer so fortfahren, uns geistreich hin- und widerschaukeln.

Auf dem empirischen Wege, wie wir schon früher bemerkt (E. 748 ff.), werden sich beide Künste niemals vergleichen lassen, so wenig als zwei Maßstäbe von verschiedenen Längen und Einteilungen nebeneinander gehalten. Wenn auch irgendwo einmal ein Einschnitt paßt, so treffen die übrigen nicht zusammen; rückt man nach, um jene nebeneinander zu bringen, so verschieben sich die ersten wieder, und so wird man auf eine höhere Berechnungsart notwendig getrieben.

Wir können dies nicht anschaulicher machen, als wenn wir diejenigen Erscheinungen und Begriffe, die er parallelisiert, nebeneinander stellen.


Licht Laut

Dunkelheit Schweigen

Schatten

Lichtstrahlen Schallstrahlen

Farbe Ton

Farbenkörper Instrument

Ganze Farben Ganze Töne

Gemischte Farben Halbe Töne

Gebrochene Farbe Abweichung des Tons

Helle Höhe

Dunkel Tiefe[683]

Farbenreihe Oktave

Wiederholte Farbenreihe Mehrere Oktaven

Helldunkel Unisono

Himmlische Farben Hohe Töne

Irdische (braune) Farben Kontratöne

Herrschender Ton Solostimme

Licht und Halbschatten Prime und Sekundstimme

Indig Violoncell

Ultramarin Viole und Violine

Grün Menschenkehle

Gelb Klarinette

Hochrot Trompete

Rosenrot Hoboe

Kermestot Querflöte

Purpur Waldhorn

Violett Fagott

Zurichtung der Palette Stimmung der Instrumente

Traktement Applikatur

Bunte lavierte Zeichnung Klavierkonzert

Impastiertes Gemälde Symphonie


Bei dieser Art von strengem Nebeneinandersetzen, welches im Buche teils wirklich ausgesprochen, teils durch Kontext und Stil nur herbeigeführt und eingeleitet ist, sieht jedermann das Gezwungene, Willkürliche und Unpassende zweier großen in sich selbst abgeschlossenen Naturerscheinungen, insofern sie teilweise miteinander verglichen werden sollen.

Es ist zu verwundern, daß der Verfasser, der sich sehr lebhaft gegen das Farbenklavier erklärt und dasselbe für unausführbar und unnütz hält, ein solches Vergnügen fand, sich aus Verschlingung der beiden Künste gleichsam selbst ein Labyrinth zu erschaffen. Dieses wird denn in seinen letzten Kapiteln recht kraus, indem er den motus rectus und contrarius, Intervalle, Konsonanzen und Dissonanzen, den modus major und minor, Akkord und Disharmonie, aneinandergereihte[684] Oktaven und was noch alles sonst der Musik eigen ist, auch in der Farbenlehre und der sie anwendenden Malerkunst finden will.

Er muß freilich, als ein im Grunde scharfsinniger Mann, sich zuletzt daran stoßen, daß die Malerei eine simultane Harmonie, die Musik eine sukzessive fordere. Er findet natürlich die Intervalle der Farben nicht so bestimm- und meßbar wie die der Töne. Da er seine Farbenskala nicht in ihr selbst abschließt, sondern sie, statt in einem Zirkel, in einer Reihe vorstellt, um sie an eine hellere Oktave wieder anschließen zu können, so weiß er nicht, welche er zur ersten und welche zur letzten machen und wie er dieses Anschließen am natürlichsten bewirken soll. Ihm steht entgegen, daß er von einem gewissen Gelb auf geradem Wege durch Rot und Blau hindurch niemals zu einem helleren Gelb gelangen kann, und er muß fühlen, daß es ein unendlicher Unterschied ist zwischen der Operation, wodurch man eine Farbe verdünnt, und zwischen der, wodurch man zu einem höheren Tone vorschreitet.

Ebenso traurig ist es anzusehen, wenn er glaubt, man könne jede Farbe durch gewisse Modifikationen in den Minor setzen, wie man es mit den Tönen vermag, weil die einzelnen Töne sich gegen den ganzen musikalischen Umfang viel gleichgültiger verhalten als die einzelnen Farben gegen den Umkreis, in welchem sie aufgestellt sind: denn die Farben machen in diesem Kreise selbst das majus und minus, sie machen selbst diesen entschiedenen Gegensatz, welcher sichtbar und empfindbar ist und der nicht aufzuheben geht, ohne daß man das Ganze zerstört.

Die Töne hingegen sind, wie gesagt, gleichgültiger Natur, sie stehen jedoch unter dem geheimen Gesetz eines gleichfalls entschiedenen Gegensatzes, der aber nicht an sich, wie bei der Farbe, notwendig und unveränderlich empfindbar wird, sondern, nach Belieben des Künstlers, an einem jeden Tone und seiner von ihm herfließenden Folge hörbar und empfindbar gemacht werden kann.[685]

Es ist uns angenehm, indem wir gegen das Ende zu eilen, nochmals Gelegenheit gefunden zu haben, uns über diesen wichtigen Punkt zu erklären, auf welchen schon im Laufe unseres Vortrags auf mehr als eine Weise hingedeutet worden.

Das Büchelchen selbst verdient eine Stelle in der Sammlung eines jeden Natur- und Kunstfreundes, sowohl damit das Andenken eines braven, beinah völlig vergessenen Mannes erhalten, als damit die Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit einer solchen Unternehmung einem jeden deutlicher gemacht werde. Geistreiche Personen werden an den künstlichen, aber redlich gemeinten und, so weit es nur gehen wollte, ernstlich durchgeführten Bemühungen des Verfassers Unterhaltung und Vergnügen finden.

Quelle:
Johann Wolfgang Goethe. Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche. Band 1–24 und Erg.-Bände 1–3, Band 16, Zürich 1948 ff, S. 682-686.
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