Eilfter Auftritt.

[502] Fabio. Caliban. Oronzio. Stefano. Ariel hinter einem Busche.


FABIO ruft hinter dem Theater. He, seyd ihr noch hier?

CALIBAN gespannt. Wer ruft?

ORONZIO zu Stefano. Da kömmt der böse Bube schon zurück.

STEFANO zu Oronzio. Laß dir ja nichts gegen ihn merken.

Caliban tritt furchtsam zurück und lauert.


FABIO tritt eilig auf. Glück! Freude! Sieg! Gefunden, gefunden hab ich –

ORONZIO UND STEFANO hastig einfallend. Den Prinzen?

FABIO. Das Wahrzeichen von unsrer aller Rettung, diesen Schleyer! Zieht einen Schleyer aus seinem Busen und läßt ihn doch flattern; es ist derselbe, welchen Miranda im ersten Akte verlor.[502]

STEFANO verwundert. Wie?

ORONZIO. Was will der Geck?

FABIO. Das begreift ihr nicht? – Wo man einen Schleyer findet, da findet man auch ein Mädchen, und wo Mädchen sind, da ist gut wohnen.

ORONZIO. Ich sage es noch einmahl, daß dich ein Geck bist.

STEFANO. Prahlend geht er fort, seinen Herrn von den Todten zu erwecken, und prahlend kömmt er mit einem Narrenfähnchen wieder!

FABIO saftig. Narrenfähnchen! Faßt ihn beym Kragen. Alter Kahlkopf, ich könnte dich –Läßt ihn los, und fährt in schwärmerischem Tone fort. Wisse unheiliger Lästerer, diesen Schleyer verlohr keine Sterbliche. Er gehört der wohlthätigen Nymphe dieses Eylands! – Von nun[503] an traure ich nicht mehr um meinen Herrn. Ich bin gewiß, daß er lebt, daß sie ihn in Schutz nahm. Vielleicht sitzt er schon, ein zweyter Telemach, in einer reitzenden Grotte an ihrer Seite! Vielleicht schenkt ihm eben jetzt die neue Calypso eine Perlenmuschel voll Nectar ein.

ORONZIO. Das Bürschchen ist betrunken.

STEFANO. Ja, ja, betrunken!

FABIO. Verliebt, nur verliebt – Es ist ein magischer Schleyer. Begreift ihrs nun?

Arie.


Ich küsse dich, o, Schleyer!

Du täuschest meinen Schmerz;

Und hoher Liebe Feuer

Beseelt mein mattes Herz.

Ich sehe die Gestalt

Der Göttinn, die du ziertest.

In blonden Locken wallt

Das Haar, das du berührtest;[504]

Den Busen, weiß wie Schnee,

Hebt schmachtendes Verlangen.

Der Unschuld Grazie

Thront auf den frischen Wangen;

Den Mund umschwebet Scherz.

Ich küsse dich, o, Schleyer!

Du täuschest meinen Schmerz.

CALIBAN schleicht berbey, und reißt ihm den Schleyer weg. Her mit dem Dinge!

FABIO. Element! was ist das für eine Figur?

ORONZIO. Es ist der Herr der Insel.

STEFANO. Prinz Wunderschön.

FABIO. Prinz Mondkalb! ha ha ha! – Meerkatze, Pavian, Seepferd, zu welcher Gattung von Bestien gehörst du?

CALIBAN ihm drohend. Ich will dich bebestien![505]

FABIO trotzig. Was willst du?

CALIBAN. Niedergekniet! abgebeten! oder –

FABIO. Donner und Wetter! hätt' ich meinen Hirschfänger, ich wollte –

CALIBAN mit komischer Majestät. Armseliger Erdenwurm! – Wo ist mein Zauberstab? Indem er sucht, für sich. Ich muß dem Buben bange machen.

ORONZIO. Barmherzigkeit, Herr von Caliban!

STEFANO. Sie wollen ihn doch nicht verwandeln?

CALIBAN nachdem er einen Stock gefunden. Stumm und lahm will ich ihn machen. Weiter nichts.

FABIO. Das will ich sehen. Fang an, Windbeutel![506]

CALIBAN zu Oronzio und Stefano. Hört nur, ihr andern, das sag ich euch, wenn er sich während der Beschwörung mit einem Worte vergeht, so seyd ihr alle zusammen des Todes!

ORONZIO. Hörst du, Fabio! Bedenke dein Gewissen, leg an dein loses Maul ein Schloß!

STEFANO. Wir wollens ihm lieber selbst anlegen! Zieht ein Tuch aus der Tasche.

FABIO. Meinethalben! Spielt nur Komödie mit mir! Aber wenn der Bär nicht zaubern kann, so will ich ihn tanzen lehren.

Oronzio und Stefano binden ihm den Mund zu.

Quintett.


CALIBAN macht während des Ritornells die Gaukeleyen eines Beschwörers, und zieht einen Kreis um Fabio.

Ehrt meine Macht!

Weh dem, der sie verlacht![507]

ORONZIO UND STEFANO.

Wir ehren sie,

Wir beugen ihr das Knie.


Knieen zu beyden Seiten des Kreises.


CALIBAN.

Ehrt meine Macht!

Und du, der sie verlacht,


Den Stab über Fabio schwingend.


Werde klüger!

ARIEL ungesehen von den andern.

Du Betrüger! Du Betrüger!

CALIBAN sich umsehend.

Wer spottet mein?


Zu Oronzio.


Bist du's?

ORONZIO.

Ach nein!

CALIBAN zu Stefano.

Bist du's?

STEFANO.

Ach nein!

ARIEL.

Du Betrüger! Du Betrüger![508]

CALIBAN zu beyden.

Ich warn' euch stumm zu seyn.

ORONZIO UND STEFANO.

Kein Bild kann stummer seyn.

ARIEL auf Oronzio und Stefano zeigend.

Kein Schaf kann dümmer seyn.

CALIBAN schwingt den Stab zum zweytenmahle.

Ehrt meine Macht!

Bald ist das Werk vollbracht.

ARIEL lachend.

Ha ha ha!

CALIBAN.

Wer spottet mein?

Seyd ihrs?

ORONZIO UND STEFANO.

Ach, nein!

CALIBAN.

Den Spötter treffe Feuer!

Die Erde schling ihn ein!

ARIEL.

Verworfnes Ungeheuer!

Die Rache wartet dein.[509]

ORONZIO UND STEFAND.

Hier ist es nicht geheuer,

Mir zittern Arm und Bein.


Sie halten sich die Augen zu.


CALIBAN schwingt den Stab zum drittenmahle.

Ehrt meine Macht!

Jetzt ist das Werk vollbracht.

Pause.


Arm, Fuß und Zunge

Sind ihm gelähmt.

ORONZIO UND STEFANO.

Der arme Junge!

Wie er sich grämt!

ARIEL zu Fabio.

Hör auf zu träumen!

Wie kannst du säumen,

Ihn zu beschämen?

FABIO sich die Binde abreißend.

Tralala ralala

Tralarala!


Tanzt und schwenkt Caliban herum.


STEFANO UND ORONZIO stehn erstaunt auf.

Welch ein Beginnen! –

Heißt das, ihn lähmen?[510]

CALIBAN sich von Fabio los machend, und hinter die anders verkriechend.

Er ist von Sinnen –

Arm', Füß' und Zunge

Wollt' ich ihm lähmen,

Mein Stab, im Schwunge,

Traf ihm den Kopf.

CALIBAN, ORONZIO, STEFANO.

Nur fort von hinnen

Er ist von Sinnen,

Der arme Tropf!

FABIO.

Tralala ralala.

Tralalara.

ARIEL.

Ha ha ha!

Caliban, Oronzio und Stefano fliehen, Fabio der folgt sie, Ariel verschwindet; die Sylfen erschetnen wieder und tragen den Tisch nebst der Bank weg.
[511]


Quelle:
Johann Friedrich Reichardt: Die Geisterinsel, in: Friedrich Wilhelm Gotter: Literarischer Nachlass, Gotha 1802, S. 419–564, S. 502-512.
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