Fünfter Auftritt.

[468] Prospero. Fernando.


FERNANDO für sich. Wenn es ein Traum ist, gütiger Himmel, so laß mich nie wieder erwachen!

PROSPERO für sich. Ich muß dieser aufkeimenden Leidenschaft Hindernisse in den Weg legen. Laut. Fremdling! – oder hörst du dich lieber Fernando nennen? – Spotte der Einfalt dieses Kindes nicht! Ihre Jugend, ihre Entfernung von der Welt entschuldigen sie.

FERNANDO mit Feuer. Einfalt nennst du – was mich an ihr entzückt, was sie in meinen Augen unendlich über ihr Geschlecht erhebt! Die Einfalt eines Engels! die Offenheit des goldnen Alters!

PROSPERO. Ich kenne die Menschen, und diese Kenntniß lehrt mich, eben so kalt und verschlossen[468] gegen dich seyn, als sie freymüthig und zuvorkommend ist.

FERNANDO für sich. Welche schnelle Veränderung!

PROSPERO. Ob du der bist, für den du dich ausgiebst? ob das Ungefähr dich hieher leitete? ob du dieses entlegene Eiland in feindlicher Absicht aufsuchtest? – ich wage keine Muthmaßung. Nur zu bald aber werde ich den Gastfreund vom Kundschafter, den Sohn eines großen Königs – von einem nichtswürdigen Betrüger zu unterscheiden wissen.

FERNANDO ruhig und fest. Prüfe mich! du sollst mich bewährt finden.

PROSPERO.

Arie.


Fremdling höre

Meinen Willen, deine Pflicht!

Stör'! o störe

Dieser Freystatt Ruhe nicht!

Ich bin Vater – und ich wache[469]

Ueber meines Kindes Ehre.

Ich bin mächtig – und ich schwöre

Dem Verräther ewig Rache,

Der in ihr das Herz mir bricht.

FERNANDO. Tief ist deine Warnung in mein Herz gedrungen. – Empfange du dagegen, mein unverletzliches Gelübde! – Heilig sey mir das Gastrecht, das du mir angedeihen lässest! Heiliger, als Tempel und Altäre, diese Freystatt, in die du mich aufnimmst! – Schütze mich! von mir hast du nichts zu fürchten.

PROSPERO stolz. Ich! fürchten? ich! Jüngling du ahnest nicht, in wessen Gewalt du bist.

Duo.


PROSPERO.

Friedsam ruht vor deinen Blicken

Jenes Felsen grauer Rücken;

Auf! berühr' ihn, hast du Muth?


Indem Fernando sich dem Felsen nähert, schwingt Prospero den Stab, und der Fels speyt Flammen.
[470]

FERNANDO zurückbebend.

Ach Entsetzen! welche Gluth!

PROSPERO.

So entlodert meine Wuth.

FERNANDO ihm zu Füssen.

Schenk', o Starker, mir das Leben!

PROSPERO.

Nur Verbrecher lehr' ich beben.


Indem er ihn aufhebt.


Eine Seele, rein von Schuld,

Hat ein Recht auf meine Huld.

FERNANDO.

Meine Seele, rein von Schuld,

Hat ein Recht auf deine Huld.

PROSPERO.

Wag's noch einmal hinzublicken! –


Er schwingt abermals den Stab; das Feuer verschwindet und ein blühender Rosenbusch erscheint an dessen Stelle.


Sprich, was staunst du lächelnd an?

FERNANDO.

Staunen wechselt mit Entzücken.

Sprich, wer tilgte den Vulkan?[471]

PROSPERO.

Der hier strafen und besthocker

Schaffen und vernichten kann.

FERNANDO.

Blüht auf Fels der Liebe Blume? –

Ists ein Spiel der Fantasie?

PROSPERO.

In der Tugend Heiligthume,

Blühet so der Liebe Blume:

Für die Treue blühet sie!


Fernando fällt in die Wiederholung dieser Strophe ein, dann gehn sie zusammen ab.


Quelle:
Johann Friedrich Reichardt: Die Geisterinsel, in: Friedrich Wilhelm Gotter: Literarischer Nachlass, Gotha 1802, S. 419–564, S. 468-472.
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