Sechster Auftritt.

[544] Caliban. Oronzio. Stefano.

Ariel ungesehn.

Alle drey mit Keulen auf den Schultern; gegen das Ende der Scene Prospero.


CALIBAN geht voran und sieht sich um. Auch hier Niemand? – Immer weiter ihr Kameraden!

ORONZIO. Nein, weiter lass ich mich nicht herumschleppen. Ich bin matt, wie eine Fliege. Setzt sich auf die Erde.

STEFANO. Und mit mir ist's gar aus. Setzt sich auf den Boden.

ORONZIO. Der Teufel hat den Weg gemacht. Nichts, als Rusch und Busch.

STEFANO. Es ist kein Graben auf der ganzen Insel, den wir nicht gemessen haben.[544]

CALIBAN. Ihr seyd auch gewaltig zärtlich. Bey Nacht kann man die Steinchen nicht heraussuchen. Nur noch eine kleine Strecke! Endlich müssen wir ihn doch finden.

ORONZIO. Bey der ägyptischen Finsterniß können wir über Vater und Tochter hinstolpern, ohne sie zu bemerken.

Ariel spielt auf der Zither.


CALIBAN freudig. Still! hört ihr? – das ist sie! – das ist mein Mütterchen – sie hat die Zither mitgebracht, mit der sie mich sonst einzuschläfern pflegte, wenn ich ihr nicht gut thun wollte.

Duo mit Begleitung einer einzigen Guittarre.


ARIEL.

Gegrüßt sey mir,

Der Prinzen Zier!

CALIBAN.

Gegrüßt sey mir,[545]

Der Feen Zier!

Wo bist du?

ARIEL auf der entgegengesetzten Seite.

Hier.

CALIBAN geht nach der Seite und sucht.

Wo bist du?

ARIEL wie vorbin.

Hier.

CALIBAN läuft hin und herer, und sucht.

Nicht dort! nicht hier?

Sie scherzt mit mir.

ARIEL.

Bald dort, bald hier,

Bald dicht bey dir.

Sohn Caliban!

Dein Reich fängt an.

CALIBAN zu den andern mit lächerlicher Feyerlichkeit.

Kund sey's gethan!

Mein Reich fängt an.

ARIEL.

Du stehst am Ziel!

Dein Sieg ist Spiel.[546]

CALIBAN.

Wir stehn am Ziel,

Der Sieg ist Spiel.

ARIEL.

Bestimmt ist die Schönste der Bräute,

Dem Schönsten der Prinzen zur Beute.

CALIBAN der das letzte mit großem Erstaunen angehört hat. Dem Schönsten der Prinzen? – Also bin ich schon verwandelt? O, sagt mir doch geschwinde, wie ich aussehe? Guckt mich aber recht genau an. – Nun! bin ich so schön als euer Prinz? Dreht sich mit Karikatur vor ihnen herum.

ORONZIO UND STEFANO lachend. Als unser Prinz? ha ha ha!

CALIBAN. Was lachen denn die Narren? bin ich etwa gar noch schöner? – O, daß ich mich nicht selbst sehen kann! – Höre Oronzio! du kannst ja Torten und Pasteten beschreiben, daß einem das Maul danach wässert; beschreib mir doch auch wie ich aussehe![547]

ORONZIO. Wie gestern.

CALIBAN. Geh, Träumer, du kannst vor Schlaf nicht aus den Augen sehen, da lob' ich mir den Vetter Stefano, der ist so munter wie ein Nachtigällchen. Nun Alter! wie gefall' ich dir?

STEFANO. Wie eine Vogelscheuche.

Es erscheint im Hintergrunde ein brennender Busch.


CALIBAN. Der Vogelscheuche? – den kenn' ich nicht. Ists ein schöner Vogel. Ja leicht bin ich, wie ein Vögelchen, das fühl ich. Mein Bauch ist weg. Meine Füßchen schweben auf lauter Wolken. Tanzt und singt. »Bestimmt ist die Schönste der Bräute, dem Schönsten der Prinzen« – Erblickt, indem er sich schwenkt den brennenden Busch. Schaut doch! schaut! ein neues Wunder!

ORONZIO. Ein Irrwisch, wie uns ihrer schon hundert geneckt haben.[548]

CALIBAN. Nein! das ist ein Zeichen von Mütterchen! Dahinter steckt etwas! – Kommt! – wir wollen untersuchen. Reicht ihnen die Hand zum Aufstehen.

STEFANO. Ich mag meine Schuhe nicht wieder im Sumpfe lassen.

CALIBAN. Wollt ihr aufstehen, oder nicht? Zieht sie in die Höhe. Marsch! seht ihr nicht, daß dort ein Paar Füße hervorgucken? Der Busch verschwindet, an dessen Stelle erblickt me eine schlafende Figur, ganz wie Prospero gestaltet. Da haben wir ihn, da! – Na, wer versetzt ihm den ersten Schlag?

Quartet.


CALIBAN beyde anfassend.

Hurtig!

ORONZIO UND STEFANO sich sträubend.

Laßt uns!

ALLE DREY.

Was solls werden?[549]

ORONZIO UND STEFANO mit Karikatur.

Laßt uns los!

CALIBAN.

Was für Geberden?

Wehrlos schläft er auf der Erden.

Schlagt den Träumer! faßt ein Herz!

ORONZIO UND STEFANO sich matt und krank stellend.

Ich erliege den Beschwerden,

Welche Schwäche! welch ein Schmerz!

CALIBAN, sie mit fortreissend.

Immer näher!

ORONZIO UND STEFANO.

Sachte! sachte!

CALIBAN.

Laßt uns schlagen!

ORONZIO UND STEFANO.

Sachte! sachte!

CALIBAN.

Alle drey.

ORONZIO UND STEFANO.

Kein Geschrey!


Sie nähern sich der schlafenden Figur.
[550]

CALIBAN.

Wie er schnarchet!

ORONZIO UND STEFANO.

Wenn er wachte?

CALIBAN die Keule hochhaltend.

Macht euch fertig!

ORONZIO UND STEFANO indem sie die Keulen hochhalten.

Sachte! sachte!

CALIBAN im Tone des militärischen Commando's.

Eins! zwey! drey!


Sie holen alle drey aus, um zu schlagen, die Figur herschwindet.


PROSPERO oben auf dem Felsen, den Stab über sie schwingend.

Steh! Brut der Hölle, steh!


Sie erstarren mit halbgesunkenen Keulen, doch in verschiedenen Stellungen.


ALLE DREY.

Auweh! Auweh! –

Helft mich befreyn!

Ich kann nicht fort.

Mein Arm – mein Bein –

Mir – stirbt – das – Wort

[551]

Ich – wer – de – Stein –

PROSPERO.

Ja! werdet Stein!


Quelle:
Johann Friedrich Reichardt: Die Geisterinsel, in: Friedrich Wilhelm Gotter: Literarischer Nachlass, Gotha 1802, S. 419–564, S. 544-552.
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