[171] Ich sage das wohl überlaut,
Daß keine Art von Nesselkraut
So herb und bitter zu keiner Frist
Als wie der herbe Nachbar ist,
Und kein Gefährde also groß,
Als wie der falsche Hausgenoß:
Ich meine solchen falschen Muth,
Wenn Einer dem Freunde freundlich thut
Und innen feindlich ist gesinnt:
Das ist ein gräulich Hausgesind:
Ein Solcher trägt allstunde
Den Honig in dem Munde
Und an der Angel im Herzen Gift;
Da haucht der giftige Neid und trifft
Den Freund je mit Mißlingen
In allen und jeden Dingen,
Die er da höret und gewahrt,
Und ist Niemand vor ihm bewahrt.
Wer aber offen am Tage
Dem Feind seine Warte und Lage
Zu Schaden breitet und zu Leid,
Den zeihe ich keiner Fälschlichkeit.
So lang er offen befehden will,
So lange schadet er nicht zu viel:
Doch will er sich heimlich gesellen dar,
So nehme der Mann sein selber wahr.
So thaten Melot und Mariodo:
Sie waren Tristanden gesellt also
Und waren zu manchen Zeiten
Fälschlich an seiner Seiten
Und trugen ihm Beide zu jeder Zeit
Mit Trug und mit Treulosigkeit
Ihren Dienst und ihre Gesellschaft an.
Nun aber hatte davor Tristan
Seine Hut und Warnung immerhin[171]
Und warnete auch die Königin.
»Seht,« sprach er, »Herzensfraue mein,
Nun hütet mein und Euer fein
In Reden und Gebärden:
Wir sind gar mit Gefährden
Besetzet und umfangen:
Uns gehn zwo giftige Schlangen
In Taubengestalt, gar süß von Mund,
Schmeichelnd zur Seiten allestund:
Vor denen wahret Euren Sinn,
Gesegnete reine Königin:
Denn wo die Hausgenossen sind
Von Antlitz wie der Tauben Kind
Und wie der Schlange Kind am Zagel,
Da soll man sich kreuzen vor dem Hagel
Und segnen vor dem gähen Tod.
Selige Fraue, schöne Isot,
Nun hütet Euch lebenslange
Vor Meloten, der Schlange,
Und vor dem Hunde Mariodo.«
Die Beiden waren also auch also,
Der eine Schlange und Der ein Hund:
Denn sie legten zu jeder Stund
Den Gelieben ihre Schlingen
In allen ihren Dingen,
Bei jedem Blick und Gange,
Recht als wie Hund und Schlange.
Sie spannen alle Tage
Mit Rathschlag und mit Klage
Ihr arges Werk bei Marken an,
Bis daß er abermals begann
Argwöhnischer Gedanken
In seiner Liebe zu wanken,
Der Minnenden Heimlichkeiten
Fangnetze zu bereiten.
Eines Tages er zur Ader ließ,
So wie sein falscher Rath ihm's hieß,
Mit ihm Tristan und die Königin.
Die wähnten nimmer, daß hierin
Irgend eine Gefährde
Ihnen bereitet werde.
Und waren deß nicht sorgenhaft.
So lag die vertraute Genossenschaft,
Daß sie sich's gemächlich mache,
Den Tag in ihrem Gemache
Ohne Geräusche, still und sacht.
Des andern Tages in der Nacht,
Da sich zerstreute die höfische Schaar
Und Marke schlafen gangen war,
Da lag in der Kemenaten,
Wie man zuvor gerathen,
Niemand als Marke und Isot
Und Tristan und der Zwerg Melot,
Brangäne und ein Jungfräulein.
Auch waren die Lichter und ihr Schein
Mit Teppichen verhangen
Und so ihr Glast befangen.
Nun daß die Glocke läutete,
Die Mettenstunde bedeutete,
Da legte Marke, der zweifelnde Mann,
Ganz stille seine Kleider an,
Gebot Meloten, aufzustehn
Und zur Metten mit ihm zu gehn.
Nun Marke von dem Bette kam,
Melot sein Mehl zu Handen nahm,
Den Estrich er besäte,
Auf daß, so Jemand träte
Hin oder her dem Bette nah,
Man seine Spuren fände da.
Hiemit so gingen die Zween dahin;
Gar klein aufs Beten war ihr Sinn
Und ihre Andacht hingewandt.
Nun ward auch Brangäne allzuhand
Des Fallstricks an dem Mehl gewahr.
Da schlich sie zu Tristanden dar,
Warnte ihn, kehrte wieder
Und legte sich wieder nieder.
Tristanden war die Falle
Schlimmer als Gift und Galle.
Sein Herz in seinem Leibe,
Das war da nach dem Weibe
Vollmüthig und entglommen
Und trachtete, darzukommen:
Da folgte er dem Spruche wohl,
Daß Minne kein Auge haben soll
Und Liebe nicht Furcht, noch Bangen kennt,
So sie mit rechtem Ernst entbrennt.
»O weh,« gedachte er bei sich,
»Gott Herre, wie überwinde ich
Diese Falle und Tücke?[172]
Nun steht mir dies Wagestücke
Auf einer hohen Wette.« –
Er stund auf von dem Bette
Und nahm auf allen Seiten wahr,
Mit welcher List er käme dar.
Nun war auch so viel Helle da,
Daß er das Mehl alsbald ersah.
Nun däuchte ihn die Gelegenheit
Zu einem Sprunge gar zu breit;
So wagte er auch nicht hinzugehn.
Nun mußte er sich zu dem verstehn,
Was unter den zweien das Beste war:
Er setzte die Füße zusammen dar
Und mächtig hart auf den Boden trat:
Tristan, der Minnenblinde, that
Den Anlauf und die Ritterschaft
Zu hart und über seine Kraft:
Er sprang hin an das Bette
Und verspielte seine Wette,
Denn seine Ader ihm aufbrach,
Was ihm seit großes Ungemach
Und Leid begann zu machen.
Das Bett und die Leilachen,
Die wurden mißgefärbt vom Blut,
Wie Blut nach seiner Weise thut:
Es färbte hie und färbte da.
Er lag nicht lange, bis es geschah,
Daß Bett und Bettzeug allzuhand,
Der Purpur da, dort der Bliant
Mißfarbe von dem Blut gewann.
Und aber setzte er wieder an,
Sprang an sein Bette hin und lag
In Gedanken bis an den lichten Tag.
Nun Marke, der kam alsbald wieder
Und spähte auf den Estrich nieder
Und nahm da seines Anschlags wahr:
Da ward er aber nichts gewahr.
Und aber da er weiter kam,
Das Bette zu Gesichte nahm,
Da sah er allenthalben Blut.
Dasselbe beschwerte ihm den Muth.
»Wie nun,« sprach er, »Frau Königin,
Was hat die Märe für einen Sinn?
Von wannen kam dies Blut daher?« –
»Meine Ader barst, da floß es sehr
Und ist jetzt kaum gestanden.« –
Nun kam er auch zu Tristanden
Und ließ ihn durch seine Hände gehn,
Als sollte es zum Scherz geschehn:
»Wohlauf, Herr Tristan! munter!« –
Zog ihm die Decke herunter
Und fand da Blut, gleich als wie dort.
Nun schwieg er still und sprach kein Wort.
Er ließ ihn liegen und kehrte hin.
Seine Gedanken und sein Sinn,
Die wurden schwer davon: er sann
Und dachte wie ein solcher Mann,
Dem es zu kleiner Freude taget.
Er hatte auch da viel nachgejaget,
Bis daß er fand sein Herzeleid.
Jedoch ihr Beider Heimlichkeit,
Und wie es um die Märe stand,
Das war ihm anders nicht bekannt,
Denn wie er's an dem Blute sah.
Das war ein schwaches Merkmal da.
Seinen Zweifel und seinen Wahn,
Die er erst hatte hingethan,
Trug er nun aber an der Kette:
Daß er den Estrich vor dem Bette
Erfunden hatte mit dem Mehl,
Das ließ den Neffen ohne Fehl
Und nahm ihm diesen Zweifel hin;
Und aber daß er die Königin
Und Tristans Bette blutig fand,
Davon bestund ihn allzuhand
Sein Unmuth und sein übler Wahn,
Gleichwie das kommt die Zweifler an.
Mit diesem Zweifel wankte er,
Er wähnte hin, er wähnte her,
Er wußte nicht, was er wollte,
Noch, was er wähnen sollte.
Er hatte zu den Stunden
In seinem Bette funden
Der schuldigen Minne Spur und Mal,
Und doch nichts vor dem Bett im Saal,
So daß ihm die Wahrheit auf solche Art
Geboten und auch entzogen ward.
So war er hier wie da betrogen:
Diese beiden, Wahr und Gelogen,
Die hatte er beide Eines Scheins,
Und hatte auch wieder von beiden keins:[173]
Er wollte sie nicht schuldig kennen
Und auch der Schuld nicht ledig nennen:
So war dem Zweifler die Märe
Eine nahe gehende Schwere.
Nun kam es den verirrten Mann
Zu guter Letzt gewaltig an
Und trachtete mit Fleiße,
Mit welcher Art und Weise
Er sich zurechte richte
Und diesen Argwohn schlichte,
Wie er der Zweifelbürde
Ledig und ohne würde,
Den Hof und seine Knechte
Von diesem Wahne brächte,
Den sie da ließen schauen
Ob Isolden seiner Frauen
Und seinem Neffen Tristanden.
Die Fürsten aus seinen Landen,
Deren Treue er sicher war,
Dieselben besandte er alle dar
Und sagte, wie diese Märe
Am Hof entsprungen wäre,
Und wie er in Sorgen stehe
Um seine Ehre und Ehe;
Und sagte, ihn dünke wahrlich nicht,
Seit dieser Argwohn und Bezicht
So wäre in aller Munde
Und so in des Landes Kunde,
Daß er der Königin Isold
Wieder heimlich wollte sein und hold,
Eh daß sie thäte offenbar
Ihre ehliche Treu und Unschuld dar.
Drum suchte er ihrer Aller Rath,
Wie er ob dieser Missethat
Den Zweifel so bedächte,
Daß es ihm Ehre brächte,
Er stünde ab, er griffe es an.
Seine Freunde und seine Mann,
Die sprachen und riethen allzuhand:
Daß er zu Lunders in Engelland
Bestellte ein Concilium
Von seinem ganzen Pfaffenthum
Und thäte von diesen Zwisten
Den witzigen Antisten,
Die Gottes Recht wohl wüßten, kund.
Das Concilium ward zur Stund
Gen Lunders festgesprochen
Nach Pfingsten in der Wochen,
Die da beschließt den Maien.
Die Pfaffen und die Laien
Kamen in großen Schaaren
Auf diesen Tag gefahren,
Wie der König bat und auch gebot.
Nun kam auch Marke und kam Isot,
Gar schwer beladen Beide
Mit Aengsten und mit Leide:
Isolde war in Aengsten sehr,
Daß sie verlöre Leib und Ehr;
So hatte Marke schweres Leid,
Daß er seine Freude und Würdigkeit
Sollte schwächen und legen hin
An Isolden, seiner Königin.
Nun Marke an das Concilium saß,
Klagt' er den Landesfürsten das,
Wie er beschweret wäre
Mit dieser schändlichen Märe,
Und bat sie hoch und bat sie sehr
Und gemahnte sie Gottes und ihrer Ehr,
So sie etwas verständen,
Daß sie ihm doch erfänden
Einen Anschlag oder einen Rath,
Damit er diese Missethat
Zu Gericht und Rache nähme
Und ihr auf den Grund auch käme,
Entweder ab, oder aber an.
Hierüber bekannte mancher Mann
In mancher Weise seinen Muth,
Der eine übel, der andre gut,
Mit diesem und mit jenem Wort.
Aufstund der Fürsten einer dort,
Die bei dem Rathe waren,
Rathsinnig von Witz und Jahren,
Des Leibes edel und greise,
Des Muthes alt und weise,
Der Bischof von Thamise,
Und seine Stimme war diese.
Ueber seine Krücken lehnt' er sich:
»König Herre,« sprach er, »höret mich.
Ihr habt uns her für Euch besandt,
Uns Fürsten hie von Engelland,[174]
Und begehret Treu und Rath zur Frist,
Wie Euch deß Noth geworden ist:
Der Fürsten ich auch einer bin,
Herre, ich sitze auch hier drin;
Auch bin ich in den Tagen wohl,
Daß ich für mich selbst wohl kann und soll
Beides, so thun als stehen ab
Und reden, was ich zu reden hab.
Ihrer Jeder, der rede für sich:
Herre, ich will Euch sagen für mich
Von Grund aus meinen Sinn und Muth:
Mein Sinn, und dünkt er Euch dann gut
Und gefällt er Euch, so folget Ihr
Und thut nach meinem Rath und mir.
Meine Fraue und meinen Herrn Tristan,
Die klaget man auf Argwohn an
Und hat sie keiner Ungebühren
Noch gänzlich können überführen,
Wie ich die Rede vernahm allhier.
Wie mögt nun diesen Argwohn Ihr
Mit Argheit aber schlichten?
Wie mögt Ihr aber richten
Ueber Euren Neffen und Euer Weib,
Ueber ihre Ehre und ihren Leib,
Da man sie nicht erfunden hat
An keiner Art von Missethat,
Noch je vielleicht erfinden kann?
So klagt leicht Einer Tristanden an
Auf diesen Argwohn und Bezicht,
Und behauptet's gegen ihn doch nicht,
Wie er mit Rechte sollte.
So brächte auch, wer nur wollte,
Isolden leicht zu Mären,
Und könnt's doch nicht bewähren.
Seit aber ihre Missethat
Der Hof so hart im Argwohn hat,
So sollt Ihr auch der Königin
Zu Bett, noch Tische fürohin
Gesellig sein bis an den Tag,
Da sie ihre Unschuld zeigen mag
Wider Euch und wider die Lande,
Die da wissen von dieser Schande
Und treiben den Leumund alle Tage:
Denn leider sind sothaner Sage
Die Ohren offen und viel bereit,
Der Lüge wie der Wahrhaftigkeit:
Es sei nun wahr oder sei gelogen,
Was in den Leumund wird gezogen,
Wo sich's um solche Inzicht handelt,
Das reizt und treibt, das wächst und wandelt
Vom Funken sich zum ärgsten Brand.
Wie es nun hiemit sei bewandt,
Ob es nun wahr sei oder nicht,
Dieselbe Märe und Bezicht,
Die sind so ins Geschrei gekommen,
Daß Ihr's zu Leide habt genommen
Und es der Hof für übel hat.
Nun rathe ich, Herre, und ist mein Rath,
Soll meine Fraue, die Königin,
Bezichtigt werden geradehin
Einer Missethat so groß und schwer,
So soll man sie besenden her
Vor unser Aller Angesicht,
Daß man noch Hofes Recht und Pflicht
Von Euch vernehme, was sie verbrach,
Und ihre Verantwortung darnach.«
Der König sprach: »Herre, das heiß ich gut,
Mich dünkt Euer Rath und Euer Muth
Gefällig zu sein und fördersam.« –
Man besandte Isolden, und sie kam
Zum Palast in das Concilium.
Da saß sie, und alles saß herum:
Der Bischof aber, der greise,
Von Thamise der weise,
That nach des Königes Gebot.
Auf stund er und redete: »Fraue Isot,
Viel tugendhafte Königin,
Meine Rede beschwere nicht Euren Sinn:
Der König, mein Herre, heißet mich
Sein Wort hie sprechen: nun muß ich
An Euch erfüllen sein Geheiß.
Gott aber im Himmel droben weiß,
Was übel ansteht Eurer Würde
Und Eurer Reinheit wird zur Bürde,
Daß ich das viel ungerne trage
Beides zu Licht und auch zu Tage,
Könnt ich es irgend weisen hin.
Selige gute Königin,
Euer Herre und Euer Mann,
Der heißet mich Euch sprechen an
Mit einer offenen Bezicht.[175]
Ich weiß nicht, und auch er weiß nicht,
Wovon es kam zur Klage,
Als daß Ihr seid in der Sage
Bei Hof und in den Landen
Mit dem Neffen sein, Tristanden.
So Gott will, Fraue Königin,
Sollt Ihr der Unthat immerhin
Unschuldig sein und ohne.
Doch hat er's im Argwohne
Davon, daß man's bei Hofe spricht.
Mein Herre selber, der hat Euch nicht
Erfunden anders denn rein und gut.
Von Mären, die man bei Hofe thut,
Von nichts Erwiesnem, das Ihr gethan,
Hat er auf Euch gelegt den Wahn.
Darum so spricht er Euch hier an,
Daß es seine Freunde und seine Mann
Vernehmen und alle hören,
Ob er hiedurch zerstören
Diesen Leumund könne und diese Lüge
Mit unser Aller Rath und Rüge.
Nun dünket mich das gut gethan,
Daß Ihr ihm über solchen Wahn
Vor unser Aller Angesicht
Zu Rede stehet und zu Gericht.«
Isolde mit dem klugen Sinn,
Die kluggesinnte Königin,
Da ihr zu reden Statt geschah,
Aufstund sie selbst zu reden da:
»Herre,« sprach sie, »mein Herr Bischof,
Diese Landbarone und all der Hof,
Ihr sollt das Alle wissen wohl,
Wofern ich zu Rechte reden soll
Ueber meines Herren Schmach und mich,
In Treuen, solches verrede ich,
Beides, nun und zu jeder Stund.
Ihr Herren alle, mir ist wohl kund,
Daß ich um diese Schnödigkeit
Seit einem Jahre bin verschreit
So an dem Hof als über Land.
Euch ist aber Allen wohlbekannt,
Daß Niemand so glückselig ist,
Der dieser Welt zu jeder Frist
So wohl zu Willen möge leben,
Daß ihm nicht werde Schmach gegeben:
Darum so wundert es mich nicht,
Wenn mir das Gleiche nun geschicht.
Mich könnten die Leute ohnehin,
Weil ich aus fremden Landen bin,
Nicht rasten lassen und nicht ruhn,
Ohne mir Schande anzuthun:
Ich darf ja hie nirgends fragen
Nach Freunden, noch nach Magen;
Mir wohnt ja leider Niemand bei,
Der meines Leides leidig sei.
Ihr Alle und Jeder insgemein,
Ihr möget hoch oder niedrig sein,
Ihr laßt's euch ungern rauben,
An meine Schmach zu glauben.
Wüßt ich nun, was beginnen
Und welchen Rath gewinnen,
Daß ich mein Unverschulden
Zu euer Aller Hulden
Mit meines Herren Ehren
Wohl möchte bringen und kehren,
Da hätt ich guten Willen zu.
Was rathet ihr nun, daß ich thu?
Was man mir auflegt für Gericht,
Deß bin ich bereit und weigr' es nicht,
Daß euer Aller Verdacht und Wahn
Genommen werde und hingethan;
Und aber thu ich es noch viel mehr,
Zu behaupten meines Herren Ehr
Und die meine, daran ich geschädigt bin.«
Der König sprach: »Frau Königin,
Dabei laß ich es gern bestehn;
Und mag mir das von Euch geschehn,
Daß Ihr Euch stellet zu Gericht,
So gebt uns darauf Pfand und Pflicht:
Vor meinem Angesichte
Gelobet das Gerichte
Mit dem glühenden Eisen,
Wie wir's allhie Euch weisen.« –
Die Königin that nach seinem Wort:
Sie gelobte ihr Gerichte dort,
Wie ihr da ward gesprochen
Nach den nächsten sechs Wochen
Und gesetzt in die Stadt zu Karliun.
König und Fürsten schieden nun
Von dem Concilium insgemein.
[176]
Isolde blieb zurück allein
Mit Sorgen und mit Leide:
Sorge und Leid, alle beide,
Waren ihr Eine Schwere:
Sie sorgte um ihre Ehre;
So beschwerte sie das verhohlne Leid,
Daß sie nun ihre Unwahrheit
Offen sollte bewähren.
Mit diesen zweien Schweren
Wußte sie nicht, wo aus, noch ein:
Da legte sie beide, Furcht und Pein,
Zu Handen des viel gnädigen Christ,
Der da hilfreich in den Nöthen ist;
Dem vertraute sie ihre Lasten
Mit Beten und mit Fasten
Und befahl ihm ihre Angst und Noth.
In diesen Dingen hatte Isot
Ihrem Herzen eine List gesucht,
Im Vertrauen auf Gottes höf'sche Zucht:
Sie schrieb einen Brief zuhanden
Und entbot darin Tristanden,
Wie ihm's nur wäre füglich,
Daß er käme unverzüglich
Des Tages früh gen Karliun
Und, wenn sie sollte landen nun,
Am Gestade ihrer nähme wahr. –
Nun, dies geschah. Tristan kam dar
Und harrte am Strand in Pilgertracht,
Sein Antlitz unkennbar gemacht,
Gefärbt und aufgeschwellet,
Leib und Gewand verstellet.
Nun Isolde und Marke kamen,
Ihr Angelände nahmen,
Da ersah ihn Isolde auf dem Strand
Und hatte ihn auch sobald erkannt;
Und als das Schiff ans Gestade stieß,
Gebot die Königin und hieß,
So der Waller zur Stätte
Genügliche Kräfte hätte
Und es mit Willen thäte,
Daß man um Gott ihn bäte,
Daß er sie trüge auf seiner Hand
Von der Schiffbrücken hinab ans Land;
Sie wollte sich nicht in diesen Tagen
Von einem Ritter lassen tragen.
So riefen sie ihn Alle an:
»He, geht her näher, guter Mann!
Tragt meine Frauen ans Gestad!« –
Er leistete, was man ihn da bat:
Seine Frauen, die Königin,
Die nahm er an seinen Arm dahin
Und trug sie hinüber an das Land.
Isolde raunt ihm ins Ohr zuhand:
Wenn er ans Ufer käme,
Daß er einen Fall da nähme
Und fiele mit ihr zur Erden.
Was auch draus sollte werden,
Er that so: wie er ans Gestad
Und auf das Land vom Brette trat,
Der Waller nieder zur Erden sank
Und fiel, als wär's ohn seinen Dank,
Und war also dahingerollt,
Daß er der Königin Isold
In den Armen und zur Seiten lag.
Da hieß es: laufe, wer laufen mag!
Des Gesindes kam eine große Schaar
Mit Stecken und mit Stäben dar,
Daß nahe zu übler Märe
Der Waller gekommen wäre.
»Nein, nein, laßt stehn!« sprach aber Isot:
»Der Waller that es nur aus Noth:
Er ist unmächtig, schwach und krank
Und strauchelte ohne seinen Dank.«
Nun sagten sie ihr Alle
Huld und Ehre mit Schalle
Und lobten's im Gemüthe,
Daß sie sich mit Ungüte
Nicht rächte an dem Armen da.
Isolde lächelnd sprach: »Nun ja,
Welch Wunder wäre auch daran,
Wenn dieser arme Wallersmann
Mit mir Scherz wollte treiben?« –
Dies begannen sie ihr zu schreiben
Zur Tugend und zu höfischem Sinn.
Da ward geehrt die Königin
Und ward gelobt von manchem Mann;
Und Marke, der sah alles an
Und hörte dies und hörte das.
Isold sprach aber da fürbaß:
»Nun weiß ich nicht, wie es werden soll:[177]
Euer Jeder, der sieht nun wohl,
Daß ich das nicht verreden kann,
Daß ohne Marken nie kein Mann
Mir sei in den Arm gekommen,
Noch einer habe genommen
Sein Lager an meiner Seiten.« –
So trieben sie's im Reiten,
Und war der arme Waller
Der Spott und die Märe Aller
Bis Karliun: da gab's ein Ziel.
Da waren der Barone viel,
Waren Pfaffen und Ritterschaft,
Gemeines Volks eine große Kraft,
Bischöfe und Prälaten,
Die da die Handlung thaten
Und segneten das Gerichte,
Die waren versammelt dichte
Und harrten da der Festlichkeit.
Das Eisen, das war auch bereit.
Die gute Königin Isold,
Die hatte ihr Silber und ihr Gold,
Und was ihr war zuhanden
An Pferden, Schmuck, Gewanden,
Dahin gegeben um Gottes Huld,
Daß Gott an ihr der wahren Schuld
Zur Stunde nicht gedächte
Und sie zu Ehren brächte.
So war sie zu dem Münster kommen
Und hatte ihr Amt allda vernommen
Mit inniglichem Muthe,
Die Weise, Schöne, Gute.
In tiefer Andacht lag das Weib.
Sie trug zunächst auf bloßem Leib
Ein hären Hemde, rauh und schwer,
Ein wollen Röcklein drüber her,
Das nahezu zwo Hände
Ob den Knöcheln ging zu Ende;
Die Ermel aufgezogen
Bis an den Ellenbogen;
Arme und Füße waren baar.
Manch Aug und Herz nahm ihrer wahr
Und erbarmte sich des Weibes.
Des Gewandes und bloßen Leibes
Ward da viel wahrgenommen.
Nun war auch das Heilthum kommen,
Auf das sie den Eidschwur sollte thun.
Also hieß man die Schöne nun
Ihre Schuld an diesen Sünden
Gott und der Welt verkünden.
Nun hatte Isolde Ehr und Leben
An Gottes Güte ganz ergeben:
Sie bot ihr Herze und ihre Hand
Furchtsam, so wie es um sie stand,
Dem Heilthum und dem Eide.
Hand und Herze, beide
Ergab sie Gottes Segen
Zu bewahren und zu pflegen.
Nun waren vom Gesinde
Viele so ungelinde,
Daß sie der Königin ihren Eid
Gern hätten auferlegt zu Leid,
Ja zu Schaden und zu Falle.
Die bittere Neidgalle,
Der Truchsäße Mariodo,
Derselbe versuchte es so und so,
Wie er's lege zu ihrem Schaden an.
Dawider war aber mancher Mann,
Der sich selbst an ihr ehrte
Und ihr's zu Gute kehrte.
So ging um den Eid der Königin
Der Streit und das Kriegen her und hin:
Der war ihr bös und Jener gut,
Wie man bei solchen Dingen thut.
»König Herre,« fiel die Königin ein,
»Mein Eid muß doch gestellet sein,
Was man auch redet und was man sagt,
Wie Euch gefället und behagt:
Darum so seht nun selber zu,
Was ich hie spreche oder thu,
Ob ich Euch mit dem Eide
Zu Eurem Dank bescheide:
Ihr Aller Reden, das ist zu viel.
Vernehmet, wie ich Euch schwören will:
Daß meines Leibes nie kein Mann
Keine Gemeinschaft nie gewann,
Noch daß mir zu keinen Zeiten
Im Arme, noch zur Seiten,
Ohn Euch, kein Mann, kein lebendiger, lag
Als der, um den ich weder mag
Den Eid thun, noch verleugnen[178]
(Ihr saht es sich ereignen),
Der mir da lag im Arme,
Der Pilgersmann, der arme:
So helfe mir der Jungfrau Kind
Und all die Heiligen, die da sind
Zu unsrem Glück und Heile,
Bei diesem Gottesurtheile.
Ist's nicht genug, gebietet nur,
Herre, ich beßre Euch den Schwur,
So oder so, wie Ihr es wollt.«
»Nein,« sprach der König, »Frau Isold,
Es dünket mich genug hieran,
So weit ich mich besinnen kann.
Nun nehmet das Eisen auf die Hand,
Und wie Ihr uns habt vorbenannt,
So helfe Euch Gott in dieser Noth.« –
»Amen,« sprach die schöne Isot. –
In Gottes Namen sie griff es an
Und trug es, daß sie's nicht verbrann.
Da war wohl offen erkläret
Und all der Welt bewähret,
Daß der viel tugendhafte Christ
Wendschaffen wie ein Ermel ist:
Er fügt sich bei und schmiegt sich an,
So man es mit ihm fügen kann,
Also gefüge und also wohl,
Als er mit allem Rechte soll.
Er ist allen Herzen gleich bereit
Zum Trug wie zur Wahrhaftigkeit.
Ist es Ernst, oder ist es Spiel,
Er ist je so, wie man ihn will.
Das war hie wohl zu schauen
An der gefügen Frauen:
Die ernährte ihre Trüglichkeit
Und ihr gelüppeter falscher Eid,
Den sie zu Gott gethan, daß sie
An ihren Ehren wohl gedieh
Und ward von Stund an abermal
Von ihrem Herren und Gemahl
Geminnet und geehret,
Gepreiset und gehehret
Von Land und Leuten beiden.
Weß er sich konnte bescheiden,
Daran ihr Herze war gewandt,
Das war sein Wille allzuhand.
Er bot ihr Ehre und bot ihr Gut:
All sein Herze und all sein Muth,
Die waren auf sie gewandt allein
Ohn alle Falschheit treu und rein.
Sein Zweifel und sein böser Wahn,
Die waren aber hingethan.
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Tristan und Isolde
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