Das Hündlein Peticriu.

[179] Tristan, ihr Herzgespiele,

Da er sie von dem Kiele

Hatte getragen ans Gestad

Und geleistet da, was sie ihn bat,

Da fuhr er desselben Males

Von Engelland gen Swales

Zu einem Herzoge Gilan,

Der da gar jung und wohlgethan,

Reich, frei und fröhlich immerdar

Und ehlichen Weibes ohne war.

Dem war er groß willkommen;

Der hatte auch schon vernommen

Von ihm viel mannliche Stücke

Und sein seltsames Glücke

Und war ganz nach Begehre

Bedacht auf seine Ehre,

Auf seine Freude und sein Gemach

Und trachtete jedem Dinge nach,

Davon er sah oder dachte,

Daß er ihm Freude machte,

Und wandte seinen Fleiß daran;

Denn Tristan, der trauervolle Mann,

Der war zu allen Stunden

Mit Gedanken gebunden,

Mit Trauern und mit Sinnen

Ueber das Leid der Minnen.
[179]

Eines Tages fügte sich das,

Daß Tristan bei dem Herzog saß

Mit Trauer und Trachten in seiner Brust,

Da erseufzte er unbewußt.

Nun dessen ward Gilan gewahr,

Gebot er, daß man ihm brächte dar

Sein zartes Hündlein Peticriu,

Seines Herzens Spiel von Avelu

Und seiner Augen Gemach. Wohlan,

Was er gebot, das ward gethan:

Ein Purpur, edel, schön und reich,

Von fremder Pracht und wundergleich,

All nach des Tisches Maß gebreitet,

Ward vor ihn auf den Tisch gespreitet,

Ein Hündelein darauf getragen,

Das war gefeiet, hört ich sagen,

Und ward dem Herzoge gesandt

Aus Avelun, der Feien Land,

Von einer Göttin drinne

Aus Liebe und aus Minne,

Und also weise und wunderbar

An den zwei Dingen geschaffen war,

An der Farbe und an der Kraft,

Daß keine Zunge so redehaft,

Noch je ein Herz so weise ward,

Das seine Schöne und seine Art

Konnte beschreiben oder sagen.

Seine Farbe war überein getragen

Mit fremder Kunst so wundersam,

Daß Niemand recht ins Klare kam,

Wie seine rechte Farbe war:

Es schillerte so bunt sein Haar,

Wenn man es gegen der Brust ansah,

Daß Jeder hätte geschworen da,

Es wäre weiß und mehr denn Schnee,

An den Weichen grün und mehr denn Klee,

Eine Seite röther denn Scharlachgran,

Die andre gelber denn Safran,

Unten lasurblau ganz und gar,

Oben eine Mischung wunderbar,

Da war die Farbe nur Eine,

So daß von allen keine

Sich stärker vor der andern bot:

Da sah man weder grün noch roth

Noch gelb noch blau noch schwarz noch weiß,

Und doch von allen einen Gleiß,

Das war ein brauner Purpurschein.

Das fremde Wunderwerk der Fei'n,

Sah man es wider die Haare an,

So war kein noch so weiser Mann,

Der seine Farbe hätte erkannt,

Die da so bunt und mancherhand,

So irrebar und schillernd sah,

Als wäre gar keine Farbe da.

Ums Hälslein ging dem Holden

Eine Kette, die war golden;

Daran hing eine Schelle,

Die war so süß und helle,

Daß, wie sie hob zu klingen an,

Tristan, der trauervolle Mann,

Der Trauer und der Schwere

Ueber all seine Märe

Gar ledig und ohne dorten saß

Und seines Leides gar vergaß,

Das ihn um Isoldens willen drang.

So süß war dieser Schellen Klang,

Daß Niemand sie klingen hörte,

Dem sie nicht sein Leid zerstörte

Und nahm all seine Sorgen fort.


Tristan, der sah und hörte dort

Das wunderliche Wunder an:

So Hund als Schellen er begann

Zu merken und zu achten,

Jedwedes zu betrachten,

Den Hund und seine fremde Haut,

Die Schellen und ihren süßen Laut:

Ihn wunderte der beiden hoch

Und däuchte ihn unter beiden doch

Das Wunder mit dem Hündelein

Viel wunderlicher noch zu sein,

Denn mit dem süßen Schellenklang,

Der ihm in seine Ohren sang

Und nahm ihm seine Trauer all.

Dies däuchte ihn ein fremder Fall,

Daß er mit sehenden Augen hie,

Was seine Augen der Lügen zieh,

An allen diesen Farben fand,

Davon ihm keine war bekannt,

Wie viel er auch mochte nehmen wahr.

Er griff sacht und gefüge dar

Und streichelte es mit Handen.[180]

Da däuchte es Tristanden,

Wie er's zu streicheln da begann,

Er griffe Palmatseiden an,

So linde war es überall.

Es greinte nicht, gab keinen Schall,

Noch ließ es Ungebärde sehn,

Was ihm auch mochte für Scherz geschehn;

Und aß es und auch trank es nicht,

Wie uns die Märe von ihm spricht.


Nun es von dannen ward getragen,

War Tristans Trauern und sein Klagen

Zur Stunde so frisch wie je vorher,

Und aber so viel der Trauer mehr,

Daß er sein ganzes Denken

Begann darauf zu lenken

Und zu trachten mit Fleiße,

Mit welcher Art und Weise

Oder mit welchen Sinnen

Er möchte doch gewinnen

Und senden seiner Frauen zu

Das zarte Hündlein Peticriu,

Um daß ihre sehnende Schwere

All desto minder wäre.

Nun konnte er aber nicht ersehn,

Wie solches möchte je geschehn

Durch Bitten oder auch durch List,

Da er wohl wußte zu dieser Frist,

Daß es Gilan nicht würde geben,

Es wäre denn um sein eignes Leben,

Um kein Gut unter der Sonne hie.

Dies Trachten und Sehnen wollte nie

Aus seinem Herzen weichen;

Doch that er nicht desgleichen.


Wie uns die wahre Historie sagt

Von Tristans Mannheit unverzagt,

So war desselben Males

Demselben Lande Swales

Ein Riese nah gesessen,

Hoffährtig und vermessen,

Der hauste auf dem Meeresstrand,

War Urgan li Filus genannt.

Demselben Riesen war Gilan

Und sein Land Swales unterthan

Und sollten ihm Zins geben,

Auf daß er ließe leben

Das Landvolk ruhig und ungeplagt.

Hiemit wird an den Hof gesagt,

Urgan der Riese wäre kommen

Und hätte für sich weggenommen,

Was ihm zu Zinse sollte sein,

Rinder und Kälber, Schaf und Schwein,

Und hieße das vor ihm hin jagen.

Da hub der Herzog an zu sagen

Seinem Freund Tristan die Märe,

Wie diese Schatzung wäre

Mit Arg und mit Gewalt gesetzt

Vom ersten Anfang an bis jetzt.


»Nun sagt mir, Herre,« sprach Tristan,

»Wenn ich Euch das benehmen kann

Und ich Euch helfe in kurzer Zeit,

Daß Ihr des Zinses ledig seid,

Dieweil Ihr ferner möget leben,

Was wollt Ihr mir zu Lohne geben?« –

»In Treuen, Herre,« siel Jener ein,

»Was ich habe, soll Euer sein.« –

Tristan sprach aber da fürbaß:

»Herre, gelobet Ihr mir das,

So helfe ich Euch auch dazu,

Mit welcher Noth ich's immer thu,

Daß Ihr fürwahr in kurzer Zeit

Urgans auf immer ledig seid,

Oder ich büße es mit dem Leben.« –

»In Treuen, Herre, ich will Euch geben,

Was Ihr begehret,« sprach Gilan:

»Was Ihr gebietet, das ist gethan.« –

Er bot ihm seine Treu und Hand.

Tristanden ward zuhand besandt

Sein Roß und auch sein Eisen.

Hiemit ließ er sich weisen

Zur Stelle, da des Teufels Sohn

Mit seinem Raube fuhr davon.


Tristan zuhand gewiesen ward

Den graden Weg auf Urgans Fahrt

In einen wilden öden Wald,

Der stieß an des Riesen Bann und Gewalt,

Wo über eine Brücke

Der Raub je ging zurücke.

Raub und Riese, die kamen an.

Nun war vor ihnen dort Tristan

Und hielt den Raub mit Schwert und Spieße.[181]

Nun daß Urgan, der schnöde Riese,

Wehr an der Brücke ward gewahr,

Da kehrte er ohne Säumen dar

Mit einer mächtig langen

Stählernen schweren Stangen,

Die trug und hielt er hoch empor.

Nun er den Rittersmann davor

So wohlgewaffnet halten sah,

Unwerthlich sprach er zu ihm da:

»Freund auf dem Rosse, wer seid Ihr?

Was wollt Ihr, warum laßt Ihr mir

Meine Habe nicht hinübergehn?

Daß mir das ist von Euch geschehn,

Weiß Gott, das geht Euch rein ans Leben,

Oder aber müßt Ihr Euch ergeben.«


Der auf dem Rosse sprach zuhand:

»Freund Riese, ich bin Tristan genannt,

Weißt du viel wohl, nun fürchte ich

Deinen Stecken da und dich

Nicht eine halbe Bohne.

Drum fahr du Schwatzens ohne

Und wisse aber wahrlich das:

Dein Raub, der kommt dir nicht fürbaß,

Wofern ich dies verwehren kann.« –

»Ja,« sprach der Riese, »Herr Tristan,

Ihr wähnt, Ihr habt bestanden

Morolden von Irlanden,

Mit dem Ihr Euren Span und Streit

Mit großer Ungerechtigkeit

Um nichts zu Kampfe truget

Und ihn aus Hoffahrt schluget.

Auch ist es nicht um mich bewandt

Als wie um Jenen vom Irenland,

Den Ihr mit Lärm ankamet

Und ihm die Schöne nahmet,

Die blühende Isolde,

Die ihm gebührte zum Solde.

Nein, nein, die Rivage gehört mir zu,

Und heiß ich Urgan li Filu:

Wohl balde von der Straßen!«


Da begann er aus der Maßen

Mit beiden seinen Handen

Zu zielen wider Tristanden

Auf einen Wurf und einen Schwung,

Der war wohl groß und lang genung,

Dem hatte er seine Richte

Im Fall und im Gewichte

Recht mit dem Merk gegeben,

Daß er sollte ans Leben

Dem Feind sein gegangen.

Wie er nun so die Stangen

Auf ihn begann zu lenken,

Begann Tristan zu schwenken;

Doch schwenkte er nicht schnell genug:

Sie traf ihm vor dem Hinterbug

Das Roß und warf es gar entzwei.

Der Ungeheure that einen Schrei

Und rief Tristanden lachend an:

»So helfe Euch Gott, mein Herr Tristan!

Eilet nicht mit dem Reiten,

Bleibet mir fein zur Seiten,

Ob ich Euch mag erflehen,

Daß Ihr mich mein Landlehen

Mit Ehren und mit Minnen

Lasset bringen von hinnen.«


Tristan sprang auf den Rasen dar,

Da ihm sein Roß erschlagen war;

Mit dem Speere so kehrt er her

Und stach Urganen mit dem Speer

Zum Auge eine Wunden:

Da war der Unhold funden.

Der ungeheure Riese,

Er lief wohl über die Wiese,

Nach seiner Stange lief er schier.

Nun daß er niedergriff nach ihr,

Da hatte auch Tristan seinen Speer

Von ihm geworfen und kam her

Gerühret mit dem Schwerte:

Er traf ihn, wie er begehrte,

Denn er schlug ihm dieselbe Hand,

Die nach der Stange war gewandt,

So daß sie an der Erde lag,

Und gab ihm aber einen Schlag

An seinen Schenkel und entrann.

Urgan, der schadenhafte Mann,

Griff mit der linken Hand darnieder,

Die Stange zuckte er aber wieder

Und lief dem Feind zuhanden:

Er jagete Tristanden[182]

Manch ängstliche Wendung grad und krumm

Unter den Bäumen um und um.


Nun war der Blutstrom also groß,

Der aus des Riesen Wunden floß,

Daß auch derselbe Teufelsmann

Viel sehr zu fürchten da begann,

Ihm sollte von dem Blute

An Kräften und am Muthe

In kurzen Zeiten viel entgehn.

Da ließ er Raub und Ritter stehn

Und nahm die Hand, da er sie fand,

Und kehrte wieder heim zuhand

In seine Feste balde.

Tristan stund in dem Walde

Bei seinem Raub alleine.

Seine Angst war keine kleine,

Daß Urgan lebend entronnen war.

Da saß er auf den Rasen dar,

Bedenkend und betrachtend,

In seinen Sinnen achtend,

Da er kein Pfand zur Stätte,

Seine That zu bewähren, hätte,

Als einzig nur den Zins und Raub,

So helfe es ihm auch nicht ein Laub,

Was er für Angst und Mühseligkeit

Hätte gewendet an diesen Streit;

Und sorgte, Gilan gedächte nun

Seines Gelübdes sich abzuthun,

Das unter ihnen Zwein bestand.

Er kehrte auf seinen Weg zuhand

Und lief der Spur nach immerdar,

Die Urgan vorgelaufen war,

Und da er das Gras und den grünen Grund

Mit Blute hin gefärbet fund.


Nun er zu dem Castele kam,

Er alles zu Gesichte nahm

Und fleißig nach Urganen sah.

Nun fand er weder den Riesen da,

Noch Jemand, der je Leben gewann;

Denn der versehrte Teufelsmann

Der hatte, so sagt uns die Märe an,

Seine verlorne Hand gethan

Auf einen Tisch in seinem Saal,

Und war er von der Burg zu Thal

Gelaufen Wurzeln graben,

Die er da sollte haben,

Mit denen er auch wohl wußte

Wie er sich heilen mußte.

Und hätt er die Hand so wohlbedacht

Mit Künsten an den Arm gebracht,

Davon er hatte Kunde,

Zur Zeit und vor der Stunde,

Da sie ihm gänzlich wurde todt,

Er wär auch genesen von dieser Noth,

Nicht mit dem Auge, doch mit der Hand.

Nun aber ward das abgewandt:

Tristan, der kam gegangen da

Und auf dem Tische die Hand ersah,

Und wie er sie unverwehrt erfand,

So nahm er sie und ging zuhand,

Recht wie er auch gekommen war.


Urgan kam wieder und ward gewahr,

Daß er verloren seine Hand;

Er war in Leid und Zorn entbrannt,

Warf seine Arzenei darnieder

Und kehrte nach Tristanden wieder.

Der war hin über die Brücke kommen

Und hatte viel wohl wahrgenommen,

Daß er ihm nachgerühret kam.

Des Riesen Hand er balde nahm,

Unter einem Strunke barg er sie.

Nun stand er in großen Aengsten hie

Vor diesem ungeheuren Mann,

Denn da war kein Zweifel dran,

Es müsse Einer von den Zwein,

Er oder der Riese, verloren sein.

Er kehrte gegen der Brücke her

Und lief ihm entgegen mit dem Speer,

Den stach er auf ihn, daß er zerbrach,

Und unterwährend daß er stach,

So kam auch der verwünschte Mann

Urgan mit seiner Stangen an;

In solcher Hast er auf ihn schlug,

Daß der Schlag weit hinter ihm über trug;

Sonst, wär er auch von Erz gewesen,

Er wäre nicht vor ihm genesen.

Nun half ihm das aus der Gefahr,

Daß Urgan sein so gierig war;

Denn er war ihm zu nah gekommen[183]

Und hatte seinen Schwung genommen

Zu ferne hinten über ihn;

Eh daß er konnte widerziehn

Die Stange, der ungeheure Mann,

Da hatte ihm unversehns Tristan

Einen Stich ins Auge beigebracht;

Er stach dem Riesen wohlbedacht

Ins andre Auge einen Stich.

Hiemit so schlug Urgan um sich

Toll und recht wie ein blinder Mann.

Er fing also zu hauen an,

Daß Tristan eilte, fernab zu stehn,

Und ließ ihn rings im Kreise gehn

Schlagend mit seiner linken Hand.

So kam es, daß er an den Rand

Zu nahe seine Tritte nahm,

Daß Tristan dargerühret kam

Und legte an diese Ritterschaft

All seine Macht und seine Kraft:

Er kam gerühret schnell daher,

Mit beiden Händen kehrte er

Und stieß ihn von der Brücken,

So daß zu tausend Stücken

Am Fels der Ungeschlachte

Mit seiner Last zerkrachte.


Hiemit nahm aber mein Herr Tristan,

Der reiche siegbegabte Mann,

Die Riesenhand und kehrte hin

Und kam viel schier, da gegen ihn

Gilan der Herzog geritten kam.

Dem war es innig leid und gram,

Daß sich Tristan je unterfing

Und je zu diesem Kampfe ging,

Da er sich nimmermehr versah,

Daß er genäse, wie doch geschah.

Und als er ihn sah, wie er dort her lief,

Gar fröhlich er ihm entgegen rief:

»A, bien venianz, gentil Tristan!

Seliger Mann, nun saget an,

Wie stets um Euch, seid Ihr gesund?« –

Nun ließ ihn Tristan an der Stund

Die todte Hand des Riesen sehn

Und sagt' ihm, wie da war geschehn,

Sein Glück und sein Gelingen

In allen diesen Dingen.

Deß ward Gilan von Herzen froh.

Sie ritten wieder zur Brücke so

Und fanden, wie sie wußten, dort

Nach Tristans ungelognem Wort

Einen todten, zerschellten Mann

Und sahen den mit Wunder an.

Hiemit so kehrten sie freudiglich;

Den Raub, den trieben sie her vor sich

Mit Freuden wieder in das Land.

Hievon erhob sich allzuhand

Zu Swales im Lande großer Schall,

Und sagte man allüberall

Tristanden Lob und Preis und Ehr;

Zu keiner Zeit ward deren mehr

Gesagt im Lande weit und breit

Von eines Mannes Mannlichkeit.


Nun daß der Herzog und Tristan,

Der reiche siegbegabte Mann,

Hin wieder zu Hause kamen,

Ihr Glück zu Handen nahmen

Mit manchem Wort jetzunder,

Da sprach der Mann der Wunder,

Tristan, zum Herzog allzuhand:

»Herre, ich mahn Euch an Euer Pfand,

An Eure Treu und Eure Pflicht,

Wie unter uns ward aufgericht,

Und wie Ihr gelobtet wider mich.« –

»Gerne, Herr Tristan, das thu ich,«

Sprach Herzog Gilan: »Saget mir,

Was ist Euer Muth? was begehret Ihr?« –

»Herre Gilan, Euch muth ich zu,

Daß Ihr mir gebet Peticriu.« –

Gilan sprach aber: »So rath ich baß.« –

Tristan sprach: »Herre, laßt hören, was. –

Da lasset Ihr mir das Hündelein

Und nehmet die schöne Schwester mein

Und zu ihr die Hälfte von meinem Gut.« –

»Nein, Herr Gilan, das ist nicht mein Muth.

Nun seid gemahnt an Treu und Pfand:

Denn alle Reiche und alle Land,

Die nähme ich wahrlich nicht dafür,

So man es ließe in meiner Kür:

Ich schlug Urganen li Filu

Um andres nicht, als um Peticriu.« –

»In Treuen denn, mein Herr Tristan,[184]

Liegt Euer Wille baß hieran,

Denn an dem, was ich Euch genannt,

So will ich lösen Treu und Pfand

Und leisten, was Euer Begehren ist:

Ich will auch nimmer Falsch, noch List

Gebrauchen, wie Mancher sonst, hiezu.

Wie recht ungerne, daß ich's thu,

Was Ihr gebietet, das soll sein.«


Hiemit ließ er das Hündelein

Vor sich und vor Tristanden tragen:

»Seht,« sprach er, »Herre, ich will Euch sagen

Und will Euch schwören einen Eid

Auf alle meine Seligkeit,

Daß ich gar nichts erfinden kann,

Auch nichts so Liebes je gewann

(Ohne meine Ehre und mein Leben),

Das ich nicht lieber Euch wollte geben,

Denn dies mein Hündlein Peticriu.

Nun nehmet's hin und habt's in Ruh,

Gott lasse es Euch zu Freuden kommen.

Ihr habt mir zwar an ihm benommen

Das beste meiner Augen Spiel

Und meines Herzens Wonne viel.«


Tristan, da er das Hündelein

Gewonnen in die Hände sein,

Er hätte dawider der Römer Reich

Und alle Reiche der Welt zugleich

Und alle Lande und Meere

Geachtet nicht eine Beere.

Nie war er so froh mit Herz und Sinn,

Außer bei seiner Königin.

Zu seinem Geheimniß er gewann

Von Gales einen Saitenmann,

Einen gefügen, weisen;

Den er begann zu unterweisen

In allen klugen Dingen,

Wie er es sollte bringen,

Das Wundergeschöpf, das holde,

Der Königin Isolde.

Er barg es dem Galeotten

Weislich in seiner Rotten.

Auch schrieb er Briefe und sandte ihr die

Und ließ sie wissen, wo und wie

Er's hätte ihrethalb erjagt.


Der Spielmann, wie ihm ward gesagt

Und wie er unterweiset ward,

Also ging er auf seine Fahrt

Und kam also gen Tintayol

In König Marke's Schloß, so wohl,

Daß ihm auf seiner Straßen nie

In seinen Dingen mißgedieh.

Brangänen zuvörderst, die sprach er,

Hündlein und Briefe gab er der,

Die gab sie ihrer Königin.

Die Königin mit fleißigem Sinn

Sah erst gesammt und besonders dann

Das wunderliche Wunder an,

Das sie an diesem Hündlein fand.

Dem Galeotten allzuhand

Gab sie zehn Mark von Golde

Zu Lohne und zu Solde.

Briefe sie schrieb zuhanden

Und entbot darin Tristanden

Mit fleißigem Begehren,

Er sollte wiederkehren,

Er fände Huld und starke

Gnade bei Herren Marke,

Der gegen ihn jener Märe

Nimmer gedenkend wäre;

Sie hätte es alles hingethan.


Nach diesen Worten that Tristan:

Er kehrte wieder heim zuhand.

König und Hof und Leut und Land

Die boten ihm Ehre, wie vorher.

Der Ehren ward ihm nimmer mehr

Am Hof erboten, denn zur Stund;

Nur daß ihm Mariodoc, der Hund,

Ehr außerhalb des Herzens bot

Und sein Gespann, die Schlange Melot,

Die ihn schon vor bedrohten,

Was die ihm Ehren boten,

Da war viel wenig Ehre bei.

Hie sprechen Alle, wie dem sei,

Da solch ein äußrer Schein geschicht:

Weder ist es Ehre oder nicht?

Ich spreche Nein und spreche Ja;

Nein und Ja, die sind beide da:

Nein an Dem, dem sie ist feil,

Ja an Dem, dem sie wird zu Theil.[185]

Die Zwei sind beide an diesen Zwein:

Man findet da Ja und findet Nein.

Was ist nun an der Märe?

Es ist Ehr ohne Ehre.


Nun sagte Isolde, die Königin,

Zu ihrem Herren mit schnellem Sinn:

Das Hündlein wäre ihr gesandt

Von ihrer Mutter in Irenland.

Auch ließ sie alsbald machen

Von köstlichen reichen Sachen,

Von Gold und von Geschmeide,

Die da waren der Augen Weide,

Ein Häuslein wonniglich und fein,

Und war ihm da gespreitet drein

Ein reicher Pfelle, auf dem es lag.

So war es Isolden Nacht und Tag

Geheim und in offnem Lichte

Vor ihrem Angesichte.

Sie hatte die Sitte immerdar:

Wo sie nur ritt, wo sie nur war,

Da kam es ihr aus den Augen nicht;

Man führt's oder trug es vor ihr dicht,

Daß sie es konnte mit Augen sehn,

Und wie uns die Märe läßt verstehn,

Nicht wegen seiner Tröstlichkeit,

Sie that's zu erneuen ihr sehnend Leid

Und auch zu Liebe Tristanden,

Der ihr's aus Lieb erstanden.


Ihr Gemach lag nicht an Peticriu,

Sie hatte von ihm nicht Trost, noch Ruh.

Denn die getreue Isolde,

Da ihr das Zarte, Holde,

Zu allererst vor Augen kam

Und sie der Schellen Klang vernahm

Und der ihr Trauern nahm dahin,

Da gedachte sie gleich in ihrem Sinn,

Daß ihr Freund Tristan wäre

Um sie bedrängt mit Schwere,

Und gedachte auch alsbald bei sich:

»O weh, o weh, und freu ich mich,

Wie thu ich Ungetreue so?

Wie mag ich irgend werden froh

Zu einer Stunde, zu einer Frist,

Dieweil er um mich traurig ist,

Der seine Freude und sein Leben

Um mich der Trauer hat ergeben?

Weß mag ich mich freuen ohne ihn,

Deß Leid und dessen Freud ich bin?

Wie kann ich lachen ein einzig Mal,

Seit daß sein Herze fühlt die Qual

Und weiß nicht mehr, was Ruhe sei,

Mein Herze wäre denn dabei?

Er hat kein Leben als in mir:

Sollt ich ohn ihn nun leben hier

In Freuden und froher Märe,

Und daß er traurig wäre?

Nicht wolle Gott, der gute,

Daß ich in meinem Muthe

Jemals ohn ihn eine Freude hab!« –

Hiemit brach sie die Schelle ab

Und ließ die Kette hängen dran.

Nun war der Schelle auch abgethan

Ihre Kraft und ihre Tugend all.

Seit gab sie nimmer einen Schall,

Der also wirkte wie vorher.

Man sagte, daß sie nimmermehr

Verlöschte, noch zerstörte,

Wie viel man sie auch hörte,

Betrübter Herzen Traurigkeit.

Das war Isolden wenig leid:

Sie wollte doch nicht fröhlich sein.

Die treue Sehnerin, stet und rein,

Hatte ihre Freude und ihr Leben

Dem Sehnen und ihrem Freund ergeben.

Quelle:
Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde. Stuttgart 1877, S. 179-186.
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