Der Splitter.

[113] Die Frauen gingen beide hin

Und nahmen ihren Spielmann drin

In Beider Fleiß und Pflege.

Ihr Fleiß war allewege

Mit viel süßer Bedächtigkeit

Zu keinem andern Ding bereit,

Als was ihm Hilfe zu tragen schien.

Auch war er jetzo wohl gediehn,

Von Farbe schön, am Leibe licht.

Nun nahm ihn Isot oft zu Gesicht

Und nahm sein über die Maßen gar

Am Aussehn und am Leibe wahr:

Sie ließ die Augen oft ungesehn

Ihm über Hände und Antlitz gehn,

Sah auf die Arme und Beine,

Die zeigten mit offnem Scheine,

Was er verbarg mit heimlichem Sinn.

Sie spähte von oben bis unten hin,

Was die Magd am Manne spähen soll,

Und gefiel ihr alles an ihm wohl

Und lobt' es in ihrem Muthe.

Nun daß die Schöne, Gute

Sein Wesen und Gestalt so reich

Und seine Sitten so herrengleich

Besonders erspähte und ersah,

Gar heimlich sprach ihr Herze da:

»Gott Herre mit deiner Wunderkraft,

Ist irgend etwas mangelhaft,

Das du je thust und thatest,

Wie du uns schaffst und berathest,

So ist ein Mangel fürwahr hieran,

Daß dieser fürstengleiche Mann,

Den du mit solcher Herrlichkeit

Am Leibe hast gebenedeit,

Daß der mit Irren und Wandern

Von einem Reich zum andern

Sich seine Nothdurft suchen soll.

Ja, sollte billig Dem und wohl

Eine Herrschaft dienen oder ein Land,

Um den es also ist bewandt.

Wunderlich steht es in der Welt,

Wo so manch Reich ist schlecht bestellt[113]

Und ist besetzt mit schwacher Art,

Daß ihm nicht deren eines ward.

Eine sogestalte Jugend,

Geziert mit solcher Tugend,

Die sollte haben Gut und Ehr.

An ihm ist mißgethan gar sehr.

Gott Herre, du hast ihm das Leben

Dem Leib ungleich gegeben.« –

So redete sie oft, die Magd.

Nun hatte ihre Mutter auch gesagt

Dem König von des Kaufmanns Ding,

Wie es von Anfang her erging,

Wie ihr selbst habt vernommen,

Daß alles war gekommen,

Und wie er nichts begehre,

Als daß man ihm gewähre

So mehr Frieden nach dieser That,

Wenn er mit Kauf und Handelsrath

Nach diesem Lande reise.

Das hatte sie ihm leise

Von Anfang bis zu End gesagt.


Inzwischen hieß ihm auch die Magd

Ihren Knappen Paraneisen

Sein Geräthe und sein Eisen

Weiß und glänzend machen,

Nach allen seinen Sachen

Wohl und mit Fleiße sehen.

Nun, dies war alles geschehen,

War schön und wohl bereitet

Und über einander gespreitet.

Nun ging die Schöne heimlich dar

Und nahm es alles besonders wahr.

Nun aber widerfuhr's Isot,

Wie ihr Unstern wollte und gebot,

Daß sie aber ihre Herzensqual

Zum andern wie zum ersten Mal

Vor den Andern allen fand.

Ihr Herze, das war dargewandt,

Ihr Auge trug sich immer dar,

Wo seine Rüstung gespreitet war;

Und weiß nicht, wie sie dazu kam,

Daß sie das Schwert zu Handen nahm,

Wie eben die Mägdlein und die Kind

Gelüstig und verlangend sind

Und, weiß Gott, auch so mancher Mann.

Sie zog es aus und sah es an

Und beschaute es hie und da,

Bis sie den Gebresten dran ersah.

Auf die unselige Scharte

Sie lange und sehr hinstarrte

Und gedachte in ihrem Muthe:

»So mir Gott der gute,

Der Gebresten, wähne ich, ist bei mir,

Der stehen sollte im Schwerte hier,

Und zwar will ich es nehmen wahr.« –

Sie brachte ihn und setzte ihn dar:

Nun fügte sich die Lücke

Und das verwünschte Stücke

Zusammen ohne Schwere,

Als ob es Ein Ding wäre,

Wie sie auch gewesen waren

Innerhalb zweien Jahren.


Da begann ihr Herz zu erkalten

Um ihren Schaden, den alten.

Ihre Farbe, die ward beide,

Von Zorn und auch von Leide

Todtbleich und wieder feuerroth:

»Ach,« sprach sie, »jammervolle Isot!

O weh mir und o Waffen!

Wer hat dies leide Gewaffen

Von Kornwall hergetragen?

Das hat meinen Ohm erschlagen.

Und der ihn schlug, der hieß Tristan.

Wer gab es diesem Harfenmann?

Der heißt ja Tantris. Tantris? Ja!«

Die beiden Namen begann sie da

Im Herzen zu betrachten,

Auf beider Laut zu achten.

»Ah, Herre,« sprach sie da zu sich,

»Diese Namen, die beschweren mich;

Ich weiß nicht, was soll es mit ihnen sein,

Sie lauten nahe überein.

Tantris,« sprach sie, »dazu Tristan:

Da ist fürwahr ein Geheimniß dran.«


Nun sie bei den Namen stehen blieb,

Im Munde sie hin und wider trieb,

Da fiel sie auf die Buchstaben,

Die beide gebildet haben:

Und fand in diesem allzuhand

Dieselben, die sie in jenem fand.[114]

Nun begann sie in beiden

Die Silben abzuscheiden,

Die wechselte sie mit Acht und Fleiß

Und kam recht auf des Namens Gleis.

Was sie suchte, das fand sie dran:

Für sich so sagte sie »Tristan,«

Herwieder so sagte sie »Tantris.«

Hiemit war sie des Namens gewiß.

»Ja, ja,« sprach aber die Schöne, »ja!

So steht es um diese Mären da?

Diese Falschheit und diesen Trug

Verrieth mein Herze mir laut genug.

Wie ward mir alles geoffenbart,

Seit ich sein näher achtend ward,

Seit ich an ihm Leib und Gestalt,

Sein Thun und Lassen mannigfalt

So fleißig ersah und befand dabei,

Daß er von Geburt ein Herre sei!

Wer hätte auch dies gethan, als er,

Daß er von Kornewall daher

Sich seinen tödtlichsten Feinden bot

Und zwier errettet ward vom Tod.

Vom Tod? Er ist nun viel ungenesen:

Dies Schwert, das muß sein Ende wesen.

Nun eile, räch dein Leid, Isot!

Liegt er von diesem Schwerte todt,

Damit er deinen Oheim schlug,

So ist der Rache voll genug.«


Sie nahm das Schwert zu Handen.

Nun ging sie über Tristanden,

Da er in einem Bade saß.

»Ja,« sprach sie, »Tristan, bist du das?« –

»Nein, Fraue, ich bin es, Tantris.« –

»So bist du, deß bin ich gewiß,

Beides, so Tantris als Tristan:

Die Zween, die sind ein verlorner Mann:

Was von Tristanden mir geschehn,

Das muß jetzt auf Tantrisen gehn:

Mein Ohm soll dir vergolten sein.« –

»Nein, süßeste Jungfraue, nein!

Um Gotteswillen, was thut Ihr?

Eures Namens gedenkt an mir!

Ihr seid eine Fraue und eine Magd:

Wo man die Mordthat von Euch sagt,

Da ist die wonnereiche Isot

Ewiglich an den Ehren todt.

Die Sonne, die von Irland scheint,

Die manches Herze minnt und meint,

Ah, die hat dann ein Ende.

O weh der lichten Hände!

Wie ziemet sich das Schwert darin!«


Inzwischen trat die Königin,

Ihre Mutter, zu den Thüren ein:

»Wie nun?« sprach sie, »was soll dies sein?

Tochter, was zeigst du damit an?

Wie, hast du deinen Sinn verthan?

Sind's schöne Frauensitten, das?

Und ist es Ernst, oder ist es Spaß?

Dies Schwert in deiner Hand, was soll's?« –

»Ach, Fraue Mutter, unsres Grolls,

Des alten Jammers mahn ich dich!

Dies ist der Mörder, der uns beschlich,

Tristan, der deinen Bruder schlug.

Nun haben wir Macht und Statt genug,

Daß wir uns an ihm rächen,

Dies Schwert in sein Herze stechen:

Es kommt uns Beiden so gut nicht mehr.« –

»Tristan? wie weißt du das? woher?« –

»Ich weiß es wohl, es ist Tristan.

Dies Schwert ist sein, nun sieh es an:

Die Scharte sieh, den Splitter dabei,

Und merke alsdann, ob er's sei.

Ich setzte, weh, dies Splitterlein

Dieser unseligen Scharten ein:

Da fügte es mit der Lücke

Sich recht wie zu Einem Stücke.«


»Ach,« sprach die Mutter, »welche Noth!

Weß hast du mich gemahnt, Isot!

Weh, daß ich mein Leben je gewann!

Und ist er Tristan, dieser Mann,

Wie bin ich da betrogen!« –

Nun schwang auch Isold im Bogen

Das Schwert und trat hin über ihn.

Ihre Mutter kehrte zu ihr hin:

»Laß ab, Isot,« sprach sie, »laß ab!

Weißt nicht, was ich geschworen hab?« –

»Was kümmert's mich! es ist sein Tod.« –

Tristan sprach: »Merzi, bele Isot!« –

»Ih, übler Mann,« sprach Isolde, »ih!

Frecher, und forderst du Merzi?[115]

Merzi gehöret nicht zu dir,

Dein Leben, das mußt du lassen mir.« –

»Nein, Tochter,« sprach die Königin,

»Leider steht's nicht nach unsrem Sinn,

Daß wir uns mögen rächen,

Außer wir wollten brechen

So unsre Treu als unsre Ehr.

Uebereile dich nicht zu sehr:

Der Mann hier ist in meiner Hut,

Mit Leib und Leben, mit Hab und Gut.

Ich hab ihn, wie es auch sei gekommen,

Gänzlich in meinen Schutz genommen.« –

»Gnade, Fraue,« sprach Tristan:

»Fraue, gedenket wohl daran,

Daß ich Euch Gut und Leib und Leben

An Eure Ehre hab ergeben

Und Ihr mich empfingt auf solches hin.« –

»Du leugst,« sprach die junge Königin:

»Ich weiß wohl, wie es gesprochen ist:

Sie gelobte Tristanden zu keiner Frist

Ihren Frieden und ihre Hut

Weder am Leben, noch auch am Gut.«


Hiemit so lief sie ihn aber an,

Und aber und aber rief Tristan:

»Ah, bele Isot, Merzi, Merzi!« –

Auch trat die Mutter zwischen sie,

Die Königin so treu und rein:

Er mochte sonder Sorgen sein.

Und wäre er zu der Stunden

Auch in das Bad gebunden

Und bloß Isolde da gewesen,

Er wäre doch vor ihr genesen.

Die süße Magd, die gute,

Die nie zu Weibes Muthe

Herbe, noch Herzensgalle gewann,

Wie konnte die schlagen einen Mann?

Nur daß sie aber beide,

Von Zorn und auch von Leide,

Hatte solche Gebärden,

Als wollte sie ihn gefährden;

Und hätt es auch gethan im Nu,

Hätte sie das Herz gehabt dazu;

Das war ihr aber theuer

Zu so herbem Abenteuer.

Doch war ihr Herze nicht so gut,

Daß sie nicht hatte schlimmen Muth,

Als sie den hörte und ward gewahr,

Von dem ihr Leid geschehen war.

Sie hörte den Feind, sie mußt ihn sehn

Und konnt ihm doch nicht zu Leibe gehn;

Die süße Weiblichkeit zu ihr trat

Und zog sie weg von solcher That.

In ihr bekämpften härtiglich

Die beiden Widerspiele sich,

Zwei Dinge, die da sind im Streit:

Der Zorn und die milde Weiblichkeit,

Die übel zusammen leben,

Wo sie die Hand sich geben.

War nun der Schönen Zorn erwacht

Und hätte den Feind gern umgebracht,

So trat die Weiblichkeit herein:

»Nein,« sprach sie süße, »laß es sein!«

So war ihr Herze zwiegemuth,

Das Eine Herz war bös und gut.

Die Schöne warf das Schwert darnieder

Und nahm es aber alsbald wieder:

Sie wußte nicht in ihrem Muth,

Zwischen Uebel und zwischen Gut

Was sie erwählen sollte:

Sie wollte und widerwollte,

Sie wollte thun und lassen

Und ließ sich vom Zweifel fassen,

Bis doch die süße Weiblichkeit

Dem Zorne abgewann den Streit,

So daß der Feind entging dem Schlag

Und Morold ungerochen lag.


Hiemit warf sie das Schwert von ihr,

Weinend sprach sie: »O wehe mir,

Daß ich den Tag jemals ersah!« –

Sprach ihre Mutter, die Weise, da:

»Liebe Herzenstochter mein,

Die großen Herzensschmerzen dein

Sind wahrlich und leider doch für mich

Größer und schwerer, denn für dich.

Durch Gottes Gnade gehn sie dir

So nahe nimmermehr, wie mir.

Mein Bruder, leider, der ist todt:

Das war bisher meine größte Noth.

Noch fürchte ich eine Noth von dir:

In Treuen, Tochter, und die geht mir[116]

Viel näher und nimmt mir alle Ruh:

Mir ward so Liebes nichts, wie du:

Eh mir an dir geschehe,

Was ich ungerne sähe,

Eh will ich lassen diesen Haß:

Ich mag doch sanfter und mag baß

Erleiden Eine Noth, denn zwo.

Mein Ding, das steht mir nunmehr so

Mit diesem unheilvollen Wicht,

Der uns da fordert zum Kampfgericht:

Wenn wir nicht eifrig sehn dazu,

Dein Vater der König, ich und du,

So sind wir jetzt und immerdar

Alle Drei unsrer Ehre bar

Und werden nimmer fröhlich sein.


Jener im Bade, der sprach darein:

Selige Frauen beide,

Ich hab euch wohl viel zu Leide,

Und aber mit großer Noth, gethan.

Seht ihr es, wie ihr doch müsset, an,

So wisset ihr wohl, daß diese Noth

Nichts andres war als der bittre Tod.

Den leidet ungern Jedermann,

So lang er sich erwehren kann.

Doch, wie das auch ergangen ist,

Darauf, wie es zu dieser Frist

Mit dem Truchsäßen sich verhält,

Sei euer ganzer Sinn gestellt.

Dem will ich ein gut Ende geben,

Das heißt, wenn ihr mich lasset leben

Und mich nicht hindert dran der Tod.

Fraue Isot und aber Isot,

Ich weiß wohl, daß ihr allezeit

Verständig, getreu und vollkommen seid

Und könnt wohl unterscheiden:

Könnt ich es mit euch Beiden

Auf eine Sühne wagen,

Und wolltet ihr euch entschlagen

Uebler Gebärde gegen mir

Und auch des Hasses, welchen ihr

Tristanden lange habt getragen,

Ich wollt euch gute Mären sagen.«


Isoldens Mutter, Frau Isot,

Sah ihn lang an und wurde roth;

Ihre lichten Augen wurden voll;

»O weh,« sprach sie, »nun höre ich wohl

Und weiß für wahr, daß Ihr es seid.

Ich zweifelte bis auf diese Zeit.

Nun habt Ihr aber ungefragt

Mir die Wahrheit herausgesagt.

O weh, o weh, mein Herr Tristan,

Daß ich Euer je Gewalt gewann,

So gute, als zu dieser Stund,

Und stehe doch nicht auf so festem Grund,

Daß ich sie üben könnte so,

Damit ich ihrer würde froh!

Gewalt ist aber so mannigfalt:

Ich wähne, ich mag wohl diese Gewalt

An meinem Todfeind üben

Und in so ferne trüben

Das Recht an einem üblen Mann.

Ja Herre, will ich also dran?

Ja, meiner Treu, ich wähne.«


Inmittelst kam Brangäne,

Die stattliche, die weise,

Lächelnd dort und leise,

Schön und wohl aufgestrichen,

Zur Thür herein geschlichen,

Sah das Schwert ohne Scheide,

Verstört die Frauen beide:

»Wie nun?« sprach die Gefüge drein,

»Was sollen das für Gebärden sein?

Was treibt ihr Drei für Märe hie?

Diese Fauenaugen, warum sind die

Also trübe und also naß?

Dies Schwert am Boden, was deutet das?« –

Die gute Königin, die sprach:

»Brangäne, Herzensniftel, ach!

Sieh, wie wir Alle sind betrogen

Und für die Nachtigall erzogen

Blindlings die Schlange haben

Und vorgemalen dem Raben

Kernen, der sollte der Taube sein!

Wie haben wir, o Herre mein,

Den Todfeind für den Freund ernährt,

Zwier vor dem übeln Tod erwehrt

Mit unsern eignen Handen,

Ach, unsern Feind Tristanden!

Da sitzt er, sieh, das ist Tristan.

Nun hab ich einen Zweifel dran:[117]

Soll ich mich rächen? Sage du,

Niftel, was rathest du dazu?«


»Nein, Fraue, thut die Rede hin!

Euer gesegneter Muth und Sinn,

Der ist zu solchem viel zu gut,

Daß Ihr je solltet einen Muth

Zu solcher That gewinnen

Und handeln so ohne Sinnen,

Daß Ihr auf Morden und Schlachten

Je stellet Euer Trachten,

Und noch dazu an einem Mann,

Deß Ihr Euch habt genommen an

Mit Eurem Frieden und Eurer Hut.

Es war Euch ernstlich nie zu Muth,

Wie ich zu Gott wohl hoffen mag.

Und denket auch an den Vertrag,

Dran Eure Hoffnung, sehr bedrängt,

Und Eure ganze Ehre hängt.

Wollet Ihr Eure Ehre geben,

Zu nehmen eines Feindes Leben?« –

»Was willst du aber, daß ich thu?« –

»Fraue, da sehet selber zu:

Geht hin und laßt ihn gleichfalls gehn;

Derweil mögt Ihr zu Rathe stehn,

Was Euch wohl das Genehmste sei.«


Hiemit so gingen sie alle Drei

Zum Rathschlag in ihr Fraungemach.

Isold, die sinnenreiche, sprach:

»Seht,« sprach sie, »ihr Beide, saget an,

Was mag er meinen, dieser Mann?

Er sagte zu uns Beiden das:

Würden wir lassen diesen Haß,

Den wir ihm haben so lang getragen,

Wollt er uns gute Mären sagen.

Was mag dies sein? das wundert mich.« –

Brangäne sprach: »Da rathe ich,

Daß ihm ja Niemand komme für

Mit irgend einer Ungebühr,

Bis wir befinden seinen Muth.

Sein Muth und Sinn ist leichtlich gut

Und dient zu euren Ehren.

Man muß den Mantel kehren,

Wie je die Winde sind gewandt.

Vielleicht daß er gen Irenland

Euch Beiden zu Ehren kommen ist.

So hütet sein zu dieser Frist

Und lobet auch von Herzen Gott,

Daß dieser ungefüge Spott

Und des Truchsäßen falsches Spiel

Durch ihn soll kommen zu seinem Ziel.

Gott hat recht über uns gewacht

Und unser Suchen wohl bedacht;

Denn hätten wir ihn zur Stunden

Nicht alsobald gefunden,

Weiß Gott, so wäre er jetzo todt.

Wisse Christ, Jungfraue Isot,

Dann könnte es ja nicht ärger stehn!

Laßt keine Ungebärde sehn;

Denn wird er etwas innen

Und mag er dann entrinnen,

So hat er recht, daß er das thu.

Darum so sehet Beide zu

Und bietet es ihm also wohl,

Wie man mit allem Rechte soll.

Das rathe ich euch, da folget mir:

Tristan ist edel, gleich wie ihr,

Ist höfisch und ist weise,

Vollkommen auf alle Weise.

Wie es euch auch zu Muthe sei,

Gesellt euch ihm doch höfisch bei.

Fürwahr, weß er auch sei bedacht,

Ihn hat ein Ernst hieher gebracht.

Sein Werben und sein Ringen,

Das steht nach ernstlichen Dingen.«


Da stunden sie auf und gingen fort

Und kamen hin, da Tristan dort

Heimlich an seinem Bette saß.

Tristan sein selber nicht vergaß:

Er fuhr empor mit schnellem Sinn

Und fiel vor ihnen Allen hin

Und lag den Höf'schen, Süßen

Flehentlich zu den Füßen

Und sprach bei seinem Falle:

»Gnade, ihr Süßen alle!

Habet Gnade gegen mich,

Laßt mich genießen den Dienst, daß ich

Zu eurer Ehre und eurem Frommen

Her bin in euer Reich gekommen.« –

Die lichte Frauenreihe,

Die lichten alle Dreie[118]

Kehrten die Augen von dem Mann

Und sahen alle einander an.

Sie stunden, und er lag alldort.

»Fraue!« – Brangäne sprach das Wort –

»Der Ritter liegt zu lange.« –

Die Königin, die sprach bange:

»Was willt du nun, daß ich ihm thu?

Mein Herze steht mir nicht dazu,

Daß ich mit ihm zur Freundschaft komme:

Ich weiß nicht, was ich thu, das fromme.« –

Brangäne sprach aber da zu ihr:

»Nun, liebe Fraue, folget mir,

Ihr und meine Jungfraue Isot:

Ich weiß, es ist wahr wie der Tod,

Daß ihr in euren Sinnen

Ihn mögt ungerne minnen

Vor eurem alten Leide.

So gelobet ihm das doch Beide,

Daß er des Leibes sicher sei.

Es mag leicht sein, daß er dabei

Zu seinem Frommen etwas sagt.« –

Die Frauen sprachen: »Das sei gewagt.« –

Hiemit gebot sie ihm aufzustehn.


Nun dies Gelübde war geschehn,

So saßen sie Alle nieder.

Tristan begann da wieder:

»Seht,« sprach er, »Fraue Königin,

Und tragt Ihr mir nun holden Sinn,

So sollt Ihr das genießen,

Noch eh zween Tage verfließen,

Und zwar ohn argen Trug und List:

Eure Tochter, die Euer Liebstes ist,

Soll einen König haben zum Mann,

Der ihr wohl steht zum Herren an;

Denn er ist schön und milde,

Zum Speere und zum Schilde

Ein Ritter edel und auserkorn,

Von altem Königsstamm geborn,

Und ist zu diesem allem, wißt,

Viel reicher, denn ihr Vater ist.«


»In Treuen,« fiel die Königin ein,

»Möcht ich der Rede sicher sein,

Ich folgete und ich thäte,

Was mich da Jemand bäte.« –

»Fraue,« sprach Tristan da zu ihr,

»Ich will Euch vergewissern schier.

Bewähr ich's Euch nicht an der Stund,

Da diese Sühne hat festen Grund,

So laßt mich aus dem Frieden sein

Und laßt mich nimmermehr gedeihn.« –

Die Weise sprach: »Brangäne, sprich,

Wie rathest du, was dünket dich?« –

»Mich dünket seine Rede gut

Und rathe auch, daß Ihr es thut.

Leget allen Zweifel hin

Und steht auf Beide und küsset ihn.

Ist auch keine Königskrone mein,

Doch will ich mit in der Sühne sein:

Er war mein Mage, wie arm ich sei.« –

So küßten sie ihn da, alle Drei;

Doch geschah es von der Jungen

Mit langen Weigerungen.


Nun diese Sühne geschah alldort,

Sprach Tristan zu den Frauen fort:

»Nun, das weiß Gott der gute,

Ich ward in meinem Muthe

So froh nie, als ich jetzo bin:

Ich habe stets nach den Sorgen hin

Gespähet und gesehen,

Die mir möchten entstehen,

Daß ich darauf gefaßt sein soll.

Jetzt braucht es nicht, jetzt weiß ich wohl,

Daß ich in euren Hulden bin.

Nun leget alle Sorgen hin:

Ich bin euch zu Ehren und zu Frommen

Von Kornewall gen Irland kommen.

Seit jener meiner ersten Fahrt,

Da ich allhie geheilet ward,

Seit sprach ich allestund mit Fleiß

Zu eurer Ehre und eurem Preis

Meinem Herren, dem König Mark,

Bis ich mit Zuspruch also stark

Euch seinen Sinn zuwandte,

Daß er zuletzt entbrannte.

Doch ging es schwer, und wißt, um was:

Beides, er fürchtete den Haß

Und wollte auch von wegen mein

Ehlichen Weibes ohne sein,

Daß ich nach seinem Sterben[119]

Seine Lande sollte erben.

Doch brachte ich ihn hievon ab,

Bis er mir endlich Folge gab.

So kamen wir Zween unter uns Zwein

Ob dieser Reise überein:

Darum kam ich gen Irenland,

Darum erschlug ich den Serpant;

Und habt auch eure Mühe ihr

Glückselig angewandt an mir;

Und meine Jungfraue soll alsohin

Fraue werden und Königin

Zu Kornwall und zu Engelland.

Nun ist euch mein Geschäft bekannt:

Gesegnete schöne Masseney,

Gesegnete Schönen alle drei,

Nun laßt es auch verholen sein.« –

»Nun sagt mir,« fiel die Königin ein,

»Wenn ich's meinem Herren sage

Und eine Sühne vertrage,

Mißthu ich etwa nicht daran?« –

»Nein, selige Fraue,« sprach Tristan:

»Er soll's mit Rechte wissen.

So seid nun Ihr beflissen,

Daß mir kein Schade davon geschicht.« –

»Nein, Herre, fürchtet Euch ferner nicht,

Denn mit den Sorgen ist's vorbei.«


Die Frauen gingen alle drei

In ihr Gemach jetzunder,

Betrachteten mit Wunder

Sein Glück und sein Gelingen

In allen seinen Dingen.

Von seiner Weisheit jede

Erhub da ihre Rede,

Die Mutter erst, Brangäne dann:

»Sieh, Mutter,« hub die Tochter an,

»Wie ich so wunderlich befand,

Daß Tristan ist dieser Gast genannt:

Da ich dem Schwert auf die Fährte kam,

Alsbald ich da zu Handen nahm

Die Namen Tantris und Tristan,

Zu treiben und wenden sie begann,

Und bedünkte mich an den zwein,

Sie hätten irgendwas gemein.

Da begann ich zu trachten

Und fleißiglich zu achten

Und fand an den Buchstaben,

Die man muß zu den Namen haben,

Daß einer wie der andre war;

Denn las ich her oder las ich dar,

So fand ich nie was andres dran,

Als Tantris nun, und nun Tristan,

Und waren Ein Wort beide.

Nun, Mutter, sieh, nun scheide

Den Namen, den du kennst, Tantris,

In ein Tan und in ein Tris,

Das Tris, das setze vor das Tan,

Siehe, so spricht dein Mund Tristan,

Das Tan sprich wieder vor dem Tris,

So spricht aber dein Mund Tantris.« –

Da segnete die Mutter sich:

»Gott, sprach sie, der gesegne mich!

Von wannen kam dir je der Sinn?«


Nun sandte aber die Königin,

Nachdem die Dreie von Tristan

Unter sich manche Rede gethan,

Nach dem Könige: der kam dar.

»Seht, Herre,« sprach sie, »nehmet wahr:

Ihr sollt uns eine Bitte gewähren,

Die wir Drei ernstlich an Euch begehren;

Thut Ihr's, so kommt's uns Allen wohl.« –

»Ich folge, worin ich Euch folgen soll:

Was Ihr begehrt, das sei vollbracht.« –

»So stellt Ihr's denn in meine Macht?«

Sprach aber die gute Königin. –

»Ja, es geschehe nach Eurem Sinn.« –

»Dank, Herre, damit ist es genug;

Herre, der meinen Bruder schlug,

Tristanden hab ich drinne:

Den sollt Ihr Eure Minne

Und lassen Eure Huld empfahn;

Sein Gewerbe, das ist so gethan,

Daß guten Fug die Sühne hat.« –

»Traun,« sprach der König, »diesen Rath,

Den lege ich getrost auf dich:

Er geht dich näher an denn mich.

Morold, dein Bruder, der war dir

Im Blute näher gesippt, als mir.

Willt du, daß das vergessen sei,

Wohlan, so bin auch ich dabei.« –

Nun sagte sie ihm alsofort[120]

Tristandens Märe Wort für Wort,

Wie er ihr selber sagte.

Die Märe, die behagte

Dem Könige wohl, und sprach ihr zu:

»Nun sieh, daß er's mit Treuen thu.«


Da sandte die weise Königin

Brangänen nach Tristanden hin;

Und als er eintrat, ließ er sich

Vor dem König nieder züchtiglich:

»Gnade, Herr König,« sagte er. –

»Steht auf, Herr Tristan, und geht her,«

Sagte Gurmun, »und küsset mich.

Mit schwerem Herzen verzichte ich,

Jedoch verzicht ich auf diesen Span,

Seit ihn die Frauen haben verthan.« –

»Herre,« fiel aber Tristan ein,

»In dieser Sühne soll auch mit sein

Mein Herr sammt Kornwall und Engelland?« –

»Ja, Herre,« sprach Gurmun allzuhand. –

Nun diese Sühne zu Ende kam,

Die Königin Tristanden nahm

Und satzt ihn zu ihrer Tochter nieder

Und bat ihn auch die Märe wieder

Ihrem Herrn von Anbeginn zu sagen,

Wie es sich hätte zugetragen

Mit allen diesen Sachen,

Vom Kampfe mit dem Drachen

Und Marke's, seines Herrn, Begehr:

Das sagte er ihm von Anfang her.

Der König sprach aber: »Herr Tristan,

Nun wie bewahr ich mich hieran,

Daß ich der Rede versichert sei?« –

»Wohl, Herre! Ich habe nahebei

Meines Herren Fürsten alle:

Verlangt, was Euch gefalle,

Zur Sicherheit: Euch geht nichts ab,

Dieweil ich ihrer einen hab.«


So schied Gurmun von hinnen,

Und beide Königinnen

Verblieben mit ihrem Gaste drin.

Tristan nahm Paraneisen hin:

»Geselle,« sprach er, »geh zum Port;

Es steht ein Kiel im Hafen dort,

Dahin geh heimlich und geschwind

Und frage, wer von dem Gesind

Der Kurvenal genennet sei.

Demselben bringe heimlich bei,

Er solle zu seinem Herren gehn;

Laß Keinen die Märe sonst verstehn,

So höfisch du bist! und bring ihn leis.« –

Nun, Herre, das that Paraneis.

Er brachte ihn so leise dar,

Daß Niemand seiner ward gewahr.


Nun sie zur Kemenaten

Ein für die Frauen traten,

Da neigte sich ihm die Königin,

Doch weiter Niemand sonst darin.

Sie nahmen darum sein nicht wahr:

Er kam nicht als ein Ritter dar.

Nun Kurvenal Tristanden

Den Frauen unter Handen

Also gesund und fröhlich sah,

In der Zunge von Frankreich sprach er da:

»A, bea duz Sir,

Um Gottes willen, was thut Ihr,

Daß Ihr in Freud und Herrlichkeit

In diesem Himmelreich die Zeit

Also hinbringt verborgen

Und laßt uns in den Sorgen?

Wir wähnten uns verloren:

Bis jetzo hätt ich geschworen,

Daß Ihr nicht lebend wäret.

Wie habt Ihr uns beschweret!

Euer Kiel und Eure Leute,

Die schwuren wohl noch heute

Und halten dafür, Ihr seiet todt;

Und sind auch nur mit großer Noth

Geblieben bis zu dieser Nacht

Und hatten aber schon ausgemacht,

Sie wollten heute Nacht dahin.« –

»Nein,« sprach die gute Königin,

»Er lebet fröhlich und gesund.« –

Und Tristan, der begann zur Stund

Brittisch zu reden wider ihn:

»Kurvenal,« sprach er, »geh balde hin

Und sage drunten, mein Ding steh wohl,

Und daß ich es alles enden soll,

Darnach man uns hat ausgesandt.« –

Hiemit so gab er ihm allzuhand[121]

Fleißig und aus dem Grunde

Von seinem Glück die Kunde.


Nun daß ihm kund und offenbar

Seine Noth und sein Gelingen war,

»Nun,« sprach Tristan, »geh bald darnieder,

Sag meinen Landesherren wieder

Und auch der Ritterschaft dazu,

Daß ihrer Jeder morgen fruh

Mit seinen Dingen sei bereit,

Schön aufgestrichen und wohl gekleidt

Mit dem allerbesten Gewand,

Das Jeder hat zu seinem Stand,

Und daß sie nehmen des Boten wahr,

Den ich euch werde senden dar,

Daß ihr herreitet gen Hof zu mir.

Auch schicke ich morgen hinab zu dir:

Dann sende mir den kleinen Schrein,

Da meine Kleinode sind darein,

Und meine Kleider auch damit,

Die von dem allerbesten Schnitt.

Dich selbst auch kleide also wohl,

Als ein höfischer Ritter soll.« –

Er neigte sich und ging alsdann.

Brangäne sprach: »Wer ist der Mann?

Ihn dünket wahrlich, und das ist sein,

Hierinnen ein Himmelreich zu sein:

Ist er ein Ritter oder Knecht?« –

»Fraue, wofür Ihr ihn ansprecht,

Er ist ein Ritter und ein Mann,

Da habet keinen Zweifel dran,

Daß diese Sonne in keinem Land

Ein tugendhafter Herze fand.« –

»Gesegnet müsse er immer sein,«

Fielen die Königinnen ein,

Und meine Frau Brangäne sprach,

Die sittige, höfische, solches nach.


Nun Kurvenal zum Schiffe kam,

Seine Rede er zu Handen nahm,

Wie ihm war aufgetragen,

Daß er ihnen sollte sagen,

Und sagte auch, wie er Tristanden fand.

Nun gebarten sie sich allzuhand

Wie Einer, der ist todt gewesen

Und wieder von dem Tod genesen:

So freuten sie sich im Kiele.

Das waren aber Viele

Nicht zu Herrn Tristans Ehren so

Als über den Landfrieden froh.

Die Herrn mit neidischen Launen

Begannen wieder zu raunen

Und hin und her zu reden, wie eh.

Sie ziehen Tristanden mehr denn je

Ob diesem reichen Glücke

Böslicher Zauberstücke,

Und Einer um den Andern sprach:

»Hie merket Wunder, denket nach,

Was dieser Mann nicht Wunder kann.

Ja, Herre, was kann dieser Mann,

Daß er alles vollendet,

Darauf er sein Trachten wendet.«

Quelle:
Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde. Stuttgart 1877, S. 113-122.
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