Der Rechte.

[122] Hiemit war auch der Tag gekommen,

Der zu dem Kampfe war genommen,

Und war gar große Ritterschaft,

Des Landvolks eine große Kraft

Vor dem Könige in dem Saal.

Auch war da keine kleine Zahl

Unter den guten Knechten,

Die fragten, wer denn zu fechten

Für die junge Magd Isot

Mit dem Truchsäßen sich erbot?

Die Frage, die ging her und dar.

Nun wußte Niemand in der Schaar,

Wie diese Märe war gethan.


Inzwischen hatte auch Tristan

Die Kleider und den Schrein bekommen[122]

Und hatte gleich daraus genommen

Drei Gürtel den drei Frauen:

Kein beßrer war zu schauen

Für Kaisrin nicht, noch Königin.

Schapel und Fürspan lagen drin,

Senkel und Ringe gaben Schein,

Davon war eben voll der Schrein;

Und war dies alles also gut,

Daß nimmer eines Herzens Muth

Nach etwas konnte trachten,

Das besser war zu achten.

Und kam auch nichts von allem fort,

Als so viel Tristan selber dort

Zu seinem eignen Schmucke nahm:

Ein Gürtel, der ihm wohl bekam,

Ein Schapel und ein Spänglein fein,

Die ihm gebührlich mochten sein.

»Ihr Schönen,« sprach er, »alle drei,

Diesen Schrein und was darinne sei,

Nehmt, schaffet damit alle,

Und thut, was euch gefalle.«


Mit diesen Reden ging Tristan;

Seine Kleider legte er an

Und wandte darauf allen Sinn

Und war beflissen, daß er drin

Sich figurirte also wohl,

Als ein vollmüthiger Ritter soll.

Die standen ihm auch wundersam.

Nun er wieder zu den Frauen kam

Und ließ sich vor ihnen schauen,

Da ließen ihn die drei Frauen

Durch Herzen und Gedanken gehn;

Er däuchte sie herrlich anzusehn

Nach allen seinen Zeichen,

Und die drei Tugendreichen

Gedachten alle zu Einer Frist:

»In Treuen, dieser Mann, der ist

Zum Vorbild eines Manns gemacht:

Seine Gestalt und seine Tracht,

Die schaffen wohl an ihm den Mann;

Sie stehen so wohl einander an.

Sein Ding ist alles wohl bewandt.«


Nun hatte auch Tristan besandt

Sein Gesinde, das war gekommen

Und hatte seinen Sitz genommen

Nach einander in dem Saal.

Da ging die ganze Welt zumal

Und beschaueten an der Schaar,

Was sie da Wunders nahmen wahr

An dieser Herrn Gewanden,

Und Manche da gestanden,

Sie hätten an so Vielen nie

So gute Kleider gesehn, wie hie.

Doch daß sie standen so stille dort

Und gönnten dem Landvolk nicht ein Wort,

Das war nicht Mangel an höf'scher Pflicht:

Sie konnten ihre Sprache nicht.


Da sandte auch der König hin

Einen Boten nach der Königin,

Daß sie ihre Tochter nähme

Und mit ihr zu Hofe käme.

»Isot,« sprach sie, »wohlauf, gehn wir.

Herr Tristan, indessen bleibet Ihr:

Es wird alsbald nach Euch gesandt;

Dann nehm Euch Brangäne an ihre Hand,

Und geht ihr Zwei nach uns dahin.« –

»Gerne, Fraue Königin.«


So kam die Königin Isot,

Das wonnigliche Morgenroth,

Mit ihrer Sonne an der Hand,

Dem Wunderbilde von Irenland,

Der lichten Magd Isolde,

Die ihrem Morgengolde

Schwebte leise und stetig mit,

In Einer Spur, in Einem Tritt,

Süß gebildet und wohl gemacht,

Schlank, hochgewachsen und in der Tracht,

Der fest umschließenden, schmal und stet,

Als hätte die Minne sie gedreht

Ihr selber zu einem Federspiel,

Dem Wunsche zu einem Endeziel,

Das er nicht überholen kann.

Sie hatte von braunem Sammet an

Rock und Mantel, in dem Schnitt

Von Frankreich, und war der Rock damit

Da, wo die beiden Seiten

Gegen die Hüfte gleiten,

Gefranzet und geenget,

Nah an den Leib gedränget[123]

Mit einer Borte, die lag wohl,

Wo Borte und Gürtel liegen soll.

Der Rock, der war so heimisch hier,

Er that sich nahe hin zu ihr,

Er stand nicht ab, an keiner Statt,

Er schmiegte sich an die Glieder glatt

Von oben bis unten überall;

Er nahm den Faltenwurf und Fall

Unter den Füßen also viel,

Als euer Jeder gerne will.

Der Mantel, der war ganz durchhin

Fleißig mit weißem Hermelin

Innen und außen gezieret,

In Streifen gefloitiret,

War nicht zu kurz und nicht zu lang

Und schwebte in seinem Niederhang

Weder zur Erden, noch empor.

Da stund ein höfischer Zobel vor

Dermaßen, als das Maß befahl,

Weder zu breit noch auch zu schmal,

Und war gesprenkelt schwarz und grau;

Schwarz und grau, die kamen genau

In solcher Mischung überein,

Daß jedes gab seinen eignen Schein.

Der schmiegte auch im rechten Bug

Sich an den Hermelin mit Fug,

Recht wie der Zobel liegen soll,

Da eins dem andern steht so wohl.

Die Heftel, wo die sollten sein,

Da war ein Schnürlein, schmal und klein,

Von weißen Perlen durchgetragen;

Da hatte die Schöne eingeschlagen

Den Daumen von der linken Hand;

Die rechte hatte sie gewandt

Hernieder baß, ihr wisset wohl,

Da man den Mantel schließen soll,

Und schloß ihn so nach höfischer Art

Mit zweien Fingern, süß und zart;

Fürbaß da fiel er selbst herwider

Und warf die Falten bis unten nieder,

Daß man da wahrnahm beide:

Das Rauchwerk und die Seide;

Man sah es innen und außen,

Und innerhalben hausen

Das Bildniß, das die Minne

Am Leibe und an dem Sinne

Hatte so schön und wohl gedreht:

Ja, was man drechselt und was man näht,

Die beiden Künste schufen nie

Ein lebend Bildniß baß, denn hie.

Gefiederte Schachblicke,

Die kamen da schneedicke

Schachbietend geflogen fern und nah:

Ich wähne, daß die Schöne da

Manchen sein selbst beraubte.

Sie trug auf ihrem Haupte,

Die Königsmagd Isolde,

Einen schmalen Reif von Golde,

Gemacht mit feinem Sinne.

Da lagen Gemmen drinne,

Erwünschte Edelsteine,

Viel licht und dabei kleine,

Die besten von dem Lande,

Smaragde und Jachande,

Sapphire und Chalcedone;

Die waren in der Krone,

Der kleinen, so schön eingefügt,

Daß alle Kunst, die euch vergnügt,

Ja, die auch dem Meister genügte,

Nie Steine schöner fügte.

Da leuchtete das Gold und Gold,

Der goldne Zirkel und Isold,

Im Widerstreit einander an.

Da war kein noch so weiser Mann,

Der ohne der Steine bunten Glast

Ins Auge hätte je gefaßt,

Daß da ein Zirkel möchte sein:

So gleich kam und so überein

Ihr blondes Haar dem Golde.


Isolden ging so Isolde,

Die Tochter gesellt der Mutter bei,

Fröhlich und aller Sorgen frei.

Ihre Tritte, die waren in Gang und Schwang

Gemessen, weder kurz noch lang,

Und doch in beider Maße.

So kam sie ihre Straße

Aufrecht, mit offnen Sitten,

Dem Sperber gleich, geschritten,

Und wie ein Sittich glatt zu sehn.

Sie ließ die Augen rings um gehn,

So wie der Falke auf seinem Ast,[124]

Nicht zu linde und nicht zu fast

Hatten sie ihre Weide.

Ihre Augen weideten beide

So eben und so leise

Und in so süßer Weise,

Daß kaum ein Auge war allda,

Das nicht in die zween Spiegel sah

Mit Wunder und mit Wonne.

Die wonnebringende Sonne

Verbreitete ihren Schein im Saal,

Sie erfreute die Herren allzumal,

Schwebend neben der Mutter hin.

So trieben's die Zwo im Saale drin

Mit zweier Art Unmuße,

Zweierlei süßem Gruße,

Grüßend hie, dort neigend,

Sprechend hie, dort schweigend.

Ihr Recht ist ihnen Beiden

Gesetzt und zubescheiden:

Die Eine grüßt, die Andre sich neigt,

Die Mutter spricht, die Tochter schweigt.

Dies trieben die wohlgezognen zwo,

Die Mutter so, und die Tochter so.


Nun daß Isolde und Isot,

Die Sonne und ihr Morgenroth,

Sich hatten niedergelassen jetzt

Und zu dem Könige sich gesetzt,

Nun nahm der Truchseß alles wahr,

Fragte und forschte her und dar,

Wo denn mit Schwert und Speere

Der Frauen Kämpfer wäre.

Das konnte ihm Niemand sagen.

Da nahm er seine Magen,

Das war eine große Schaar um ihn;

Vor den König so ging er hin,

Dem Gerichte stellte er sich:

»Nun, Herre,« sprach er, »hie bin ich

Und fordere mein Kampfesrecht.

Herre, wo ist nun der gute Knecht,

Der mich von meinen Ehren

Hie wähnet abzukehren?

Ich hab noch Freunde und Mannen, seht!

Auch ist mein Recht so gut und stet:

Thut mir das Landrecht, wie es soll,

So führe ich meine Sache wohl.

Gewalt erschreckt mich keine,

Ihr thätet es denn alleine.«


»Truchsäße,« fiel die Königin ein,

»Soll dieser Kampf unwendbar sein,

So weiß ich nicht recht, was zu thun:

Ich bin noch unbereitet nun;

Und doch, in Treuen, gäbest du

Mit dem Beding den Frieden zu,

Daß Isot dieser Märe

Ledig und ohne wäre,

Truchseß, in Treuen, es käme dir

Zu Statten gleich so gut als ihr.« –

»Ledig?« sprach der Andre nun:

»Ja, Fraue, Ihr würdet auch also thun,

Ihr ließet auch gewonnen Spiel.

Was Ihr da redet, das hat kein Ziel:

Ich will mit Frommen und Ehren

Von diesem Spiele kehren.

Ich hätte ja ganz im Unverstand

So große Mühsal aufgewandt,

Wenn ich es also ließe sein:

Fraue, Eure Tochter, die ist mein,

Das ist das Ende, sehet an.

Ihr kennt ihn ja so wohl, den Mann,

Der diesen Drachen da erschlug.

Den bringet, so ist der Rede gnug.«


»Truchsäße,« sprach sie, »du redest fein:

Ich höre wohl, es muß ja sein;

Ich muß mein selber nehmen wahr.« –

Sie winkte Paraneisen dar:

»Geh hin,« sprach sie, »und bring den Mann.«

Nun schauten sie Alle einander an,

Barone und Ritter, staunend,

Und fragten einander raunend

Und trieben viele Märe,

Wer dieser Kämpfer wäre.

Nun war es ihrer Keinem kund.


Inmittelst schwebte auch zur Stund

Die stolze Brangäne, mit lichtem Strahl

Der schöne Vollmond, in den Saal,

An ihrer Hand den werthen

Tristan, ihren Gefährten.

Die Stolze, Wohlgesittete schritt

Neben ihm her mit sittigem Tritt,[125]

In ihrem ganzen Wesen

Holdselig und auserlesen,

In ihrem Gemüthe stolz und frei.

Auch ging ihr ihr Gefährte bei

In stolzer Ritterweise;

Und war auch er zu Preise

Und seltnem Wunder überkleidt

Mit jeglicher Vollkommenheit,

Die da den Ritter machen soll;

Es stund ihm alles schön und wohl,

Was einem Ritter löblich steht.

Seine Gestalt und sein Geräth,

Die stimmten wonniglich überein

Und machten ihn so im Verein

Zu einem ritterlichen Mann.

Er hatte Ciclatgewande an,

Die waren aus der Maßen reich,

Fremd, auserlesen und fürstengleich.

Er hatte sie nicht vom Hof erhoben:

Das Gold, das war darein gewoben

Nicht in des Hofes Maße;

Da wurde man die Straße

Der seidnen Fäden kaum gewahr:

Sie waren alle so ganz und gar

Mit dem Golde ertränket

Und in das Gold versenket,

Daß man die Arbeit kaum ersah.

Von kleinen Perlen ein Netz war da

Außen darauf getragen,

Die Maschen so weit geschlagen,

Als eine Hand an Breite hat.

Dadurch so brannte der Ciclat,

Recht wie man Kohlen glühen sieht.

Das Unterfutter war Timit,

Brauner denn Veilchen anzuschaun,

Recht wie ein Agleiblatt so braun.

Derselbe Pfelle, der legte sich

In seine Falten und in seinen Strich

Also schmiegsam und also wohl,

Als wie ein Pfelle sich legen soll.

Er stund dem lobenswerthen Mann

Gar wohl und lobenswürdig an

Und alleweise nach Begehr.

Auf seinem Haupte, da trug er

Von feinem Werke feinen Schein:

Ein Schapel, wonniglich und klein,

Das recht wie eine Kerze brann;

Da leuchteten wie Sterne dran

Topase, Sardine,

Chrysolithe, Rubine.

Dies Schapel, das war licht und klar,

Es hatte ihm sein Haupt und Haar

Mit klarem Schein umfangen.


So kam er eingegangen,

Reichlich gethan und hochgemuth.

Sein Wesen war herrlich und war gut,

Sein ganzer Aufzug, der war reich,

Er selber reichlich und herrengleich

In allen seinen Sachen.

Sie begannen ihm Raum zu machen,

Da er in den Palast ging ein.

Da wurden unterdessen sein

Auch Die von Kornewall gewahr:

Sie sprangen alle fröhlich dar,

Sie grüßten und empfingen,

Da sie her näher gingen,

Brangänen und Tristanden;

Sie nahmen sie zu Handen,

Die Gefährten beide, sie und ihn,

Und conduirten sie also hin

Gar höfisch, zweien Fürsten gleich,

Zusammen vor das Königreich.

Der König und die beiden Fraun

Ließen ihn ihre Tugend schaun:

Sie stunden auf und grüßten fein;

Tristan, der neigte sich allen Drein.

Darnach begrüßten die Dreie

Die fremde Ritterreihe

Also herrlich und also wohl,

Als man wohl Herren begrüßen soll.


Die Ritterschaft indeß vom Land

Kam schaarenweise zugerannt,

Boten den Fremden Gruß und Ehr,

Nicht wissend, was ihr Gewerbe wär.

Doch die als Zins seit Jahren

Von Kornwall kommen waren,

Alsbald erkannten die im Saal

Ihre Väter und Magen allzumal.

Da lief vor Freuden mancher Mann

Vater und Magen weinend an;

Freude und Klage gab's da viel,[126]

Die ich nicht sonderlich rechnen will.

Der König da Tristanden nahm

Selbander, wie er gegangen kam,

Ihn und Brangänen meine ich,

Und setzte sie Beide da zu sich

Und fügte aber mit ihnen das,

Daß Tristan in der Mitte saß;

Zu seiner Seite saßen so

Die seligen Königinnen zwo.

Die Ritter und Barone,

Seine Companione,

Auf den Estrich setzten sich die,

Und aber so, daß Jeder hie

Dem Gerichte in die Augen sah

Und sahen alles, was da geschah.


Das Landgesinde, das erhob

Inmittelst zu Tristandens Lob

Manch Raunen und Reden allzumal.

Ich weiß es wohl, daß in dem Saal

Auf manches Mannes Zungen

Erquollen und entsprungen

Viel Lobesbrunnen waren

Von seinem Ding und Gebaren:

Sie sagten ihm alle Lob und Preis

Auf manche Art und manche Weis.

Da waren genug, die hoben an:

»Wo schuf Gott besser einen Mann

Zu ritterlicher Würdigkeit?

Hei, wie ist er zu jedem Streit

Und jeder Kampfesweise

Gestaltet so zu Preise!

Die Kleider, die er trägt, gebt Acht!

Wie reichlich sind sie nicht gemacht!

Niemand sah noch im Irenland

Ein so recht kaiserlich Gewand.

Und seine Gesellen, die sind gekleidt

Mit königlicher Herrlichkeit.

Ja wahrlich, wer der Mann auch sei,

Sein Muth und Gut sind hoch und frei.« –

Solcher Reden gab's da genug.

Der Truchseß aber, fürwahr, der trug

Den Essig in den Augen dort:

Das ist ein ungelognes Wort.


Nun hieß man rufen und befahl

Eine Stille im ganzen Saal.

Nun daß auch Niemand sprach hinfort

Ein ganzes, noch ein halbes Wort,

Da sprach der König: »Truchseß, sprich,

Was ist's, deß du vermissest dich?« –

»Nun, Herre, ich schlug den Serpant.« –

Der Gast stund auf und sprach zuhand:

»Herre, Ihr nicht.« – »Ja, Herre, ich!

Ich bewähr's zur Stelle festiglich.« –

»Mit welchem Pfande?« sprach Tristan. –

»Seht, mit dem Haupt, das ich gewann.« –

»Herr König,« sprach Tristan, »gebt Acht:

Wenn er das Haupt, das er gebracht,

Als Pfand und Zeugniß will verstehn,

So heißet ihn das Haupt besehn,

Und findet man die Zunge drin,

So lege ich all mein Recht dahin

Und will abstehn vom Streit fortan.«


Das Haupt ward hiemit aufgethan

Und nichts darin gefunden.

Tristan hieß zu der Stunden

Die Zunge bringen: die kam dar.

»Ihr Herren,« sprach er, »nehmet wahr

Und seht, ob sie des Drachen sei.« –

Nun fielen sie ihm Alle bei

Und bekannten es allgemein;

Nur der Truchsäße schwieg allein:

Der hätte gern widerredet hie,

Und wußte aber nicht recht, wie?

Der Schnöde, der begann zur Stund

Mit der Zunge und mit dem Mund,

Mit Rede und mit Gedanken,

Zu taumeln und zu wanken,

Konnte nicht reden, noch schweigen,

Wußte nicht, wie sich bezeigen.

»Ihr Herren alle,« sprach Tristan,

»Hie merket Wunder, sehet an,

Wie sich dies zugetragen:

Da ich den Drachen erschlagen

Und ihm mit leichtem Kampf und Strauß

Aus seinem todten Rachen aus

Die Zunge schnitt und von dannen trug,

Da kam, der ihn zu Tode schlug.« –

Die Herren sprachen alle:

»An diesem Geschrei und Schalle

Ist wenig Ehre fürwahr erjagt;[127]

Und was auch Jemand spricht und sagt,

Unser Jeder, der weiß das wohl,

Wenn man nach Rechte reden soll,

Der da zuerst zur Stelle kam,

Die Drachenzunge mit sich nahm,

Derselbe schlug auch den Serpant.«

So stimmten Alle allzuhand.


Nun der Falsche zu kurz gekommen

Und dem Truglosen, Frommen

Der Hof beistimmte, Mann für Mann,

»Herr König,« hob Tristan wieder an,

»Gedenket nun an Eid und Pfand:

Eure Tochter steht in meiner Hand.« –

Der König sprach: »Das bekenn ich hier,

Als hättet Ihr es geschworen mir.« –

»Nein, Herre,« sprach der falsche Wicht,

»Um Gotteswillen, sprecht also nicht!

Wie's auch damit ergangen sei,

Da ist Untreue fürwahr dabei,

Und ist er fälschlich dazu gekommen.

Doch eh mir also wird benommen

Die Ehre mit Unrechte,

Soll sie mir mit Gefechte

Und Kampfe lieber zu Schanden gehn:

Herre, ich will den Kampf bestehn.« –

»Truchsäße,« sprach die weise Isot,

»Du sprichst und teidigest ohne Noth:

Mit wem willst du kampfrechten?

Dieser Herre will nicht fechten:

Er hat ja an der jungen Magd

Seines Herzens Begehr erjagt.

Er wäre alberner denn ein Kind,

Mit dir zu fechten um den Wind.« –

»Warum, Frau Königin?« sprach Tristan:

»Eh daß er von Ränken sagen kann,

Gewaltigen, ungerechten,

Eh will ich mit ihm fechten.

Herre und Fraue, sprechet dar,

Gebietet ihm, daß er hinfahr,

Wohl bald die Waffen anzuthun:

Desgleichen bereite auch ich mich nun.«


Nun der Truchseß erkannte,

Daß sich's zum Kampfe wandte,

Nahm er Magen und Mannen

Alle und ging von dannen,

Mit ihnen da zu tagen

Und heimlich Rath zu schlagen:

Nun däuchte sie die Märe

So gänzlich ohne Ehre,

Daß er da wenig Rathes fand.

Sie sprachen Alle dazuhand:

»Truchsäße, deine Teidig,

Die war von Ursprung leidig,

Ist auch bös ausgegangen.

Weß hast du dich unterfangen?

Willt du dich mit Unrechte

Erbieten zum Gefechte,

So steht es übel um dein Leben:

Was Rathes mögen wir dir geben?

Hie bist du Raths und Ehren bar:

Verlierst du nun das Leben gar

Noch über die verlorne Ehr,

So ist aber noch des Schadens mehr.

Wir wähnen alle und sehen wohl,

Der wider dich da fechten soll,

Der ist ein beherzter Mann zur Noth:

Bestehst du ihn, so ist's dein Tod.

Nun dich einmal des Teufels Rath

Verrathen an den Ehren hat,

So behalte dein Leben doch.

Versuche und besieh doch noch,

Ob diese Lüge und diesen Schimpf

Nicht könne wandeln Jemand in Glimpf

Mit irgend einem guten Wort.« –

Der Lügner sprach zu ihnen dort:

»Wie wollt ihr, daß ich solches thu?« –

»Da rathen wir dir kürzlich zu:

Geh wieder in den Saal und sprich,

Deine Freunde, die heißen dich

Diese Forderung lassen gehn;

Nun wollest du zurückestehn.«


Der Truchseß folgte ihnen nach:

Er ging wieder in den Saal und sprach,

Seine Magen und seine Mannen

Hätten beschlossen, ihn abzuspannen,

Und hätte er nun auch andern Sinn. –

»Truchsäße,« sprach die Königin,

»Das wähnte ich nimmer zu erleben,

Daß du gedächtest je aufzugeben[128]

Ein also gar gewonnen Spiel.« –

Da wurde solches Spottes viel

Im Schlosse getrieben fort und fort.

Der arme Truchseß, der war dort

Ihre Geige und Rotte;

Sie trieben ihn mit Spotte

All um und um wie einen Ball:

Des Spottes ward ein großer Schall.

So nahm der Trug behende

Mit offner Schande ein Ende.


Nun dies war alles abgethan,

Da sagte im Schloß der König an

Seines Landes Companionen,

Den Rittern und Baronen,

Daß Dieser Tristan wäre,

Und sagte auch die Märe,

Wie er sie hatte vernommen,

Warum er wäre kommen,

Und wie er gelobte in seine Hand,

Er wollt ihm ein stetes und festes Band

Mit Marke's Fürsten machen

Ueber alle die Sachen,

Von denen zuvor die Rede war.

Das Gesinde von Irland, all die Schaar,

Zu dieser Märe gar fröhlich sah.

Die Landesherren sprachen da:

Diese Sühne, die wäre

Eine genehme Märe,

Denn langer Haß und Rachesinn

Treibe die Zeit mit Schaden hin.


Der König gebot und begehrte,

Daß Tristan ihm bewährte

Das Wort an dieser Stätte,

Wie er's gelobet hätte.

Er that auch also zu der Stund:

Tristan, der schwur mit Hand und Mund,

Und seines Herren Mannen all,

Sie schwuren das Land zu Kornewall

Zur Morgengabe Isolden dort,

Und daß sie sollte sein hinfort

Fraue über ganz Engelland.

Hiemit befahl Gurmun zuhand

Isolden von Hand zu Handen

Ihrem Feinde Tristanden.

Ihrem Feinde sage ich um das:

Sie trug ihm immer noch einen Haß.


Tristan, der nahm sie an seine Hand:

»Herr König,« sprach er, »von Irenland,

Wir bitten Euch, meine Fraue und ich,

Daß Ihr sie beschenket und auch mich:

Es seien Ritter oder Kind,

Die her zu Zinse gegeben sind,

Von Kornwall und von Engelland,

Die gehören in meiner Frauen Hand

Billig und ganz mit Rechte hin,

Denn sie ist der Lande Königin:

Wir bitten, daß Ihr sie lasset frei.« –

»Viel gerne,« sprach Gurmun: »das sei.

Es geschieht mit meinen Minnen,

Daß sie fahren mit Euch von hinnen.«


Der Märe ward manch Herze froh.

Tristan, der hieß gewinnen so

Einen Kiel zu seinem Kiele hin,

Der ihm und seiner Königin

Zur Meerfahrt dienen sollte,

Und wem er sonst noch wollte.

Und als auch derselbe fertig ward,

Bereitete Tristan sich zur Fahrt.

Die Verzinsten, die Elenden,

Wo man sie an allen Enden,

Am Hofe und im Lande fand,

Die wurden alle darbesandt.

Quelle:
Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde. Stuttgart 1877, S. 122-129.
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