Die Brautfahrt.

[94] Tristan, das frische junge Blut,

Der hub da wieder an sein Leben;

Ihm war ein ander Leben gegeben,

Er war ein neugeborner Mann.

Da fing's erst wieder bei ihm an,

Und wurde er froh von Herzensgrund.

König und Hof, die waren allstund

Zu seinem Willen und Dienst bereit,

Bis sich die schnöde Unmüßigkeit,

Der verworfene Neid begann,

Der nimmer ruhen, noch rasten kann,

An vielen der Herrn zu üben,

Ihnen zu wirren und trüben

Den Muth und auch die Sitten,

Daß sie nicht gerne litten

Die Ehre und die Würdigkeit,

Die ihm der Hof erwies zur Zeit

Und all das Landgesinde.

Sie begannen gar geschwinde

Zu reden von seinen Dingen,

Ihn ins Geschrei zu bringen,

Daß er ein Zaubrer wäre;

Und jene ganze Märe,

Wie er ihren Feind Morolden schlug,

In Irland sich sein Ding zutrug,

Das gaben sie also zu verstehn,

Daß alles aus Zauber wäre geschehn.

»Seht,« sprachen sie Alle, »merket hie

Und sprechet, wie er doch gedieh

Vor dem Starken, vor Morolden,

Und wie er betrog Isolden,

Die wunderweise Königin

(Die ihm doch trug so tödtlichen Sinn),

Daß sie ihm so zur Seiten stand,

Bis daß er genas von ihrer Hand?

Merket Wunder und höret her:

Dieser Gaukler, wie kann doch er

Sehende Augen blenden[94]

Und alles das vollenden,

Was er zu thun und zu enden hat!«


Da fielen sie auf einen Rath,

Die Marken Rathes pflagen,

Daß sie dem Herrn anlagen

Beides so fruh als spate

Mit fleißiglichem Rathe,

Daß er ein Weib doch nähme,

Von der er zu Erben käme,

Sei es nun Tochter oder Sohn.

Marke sprach: »Gott, der hat uns schon

Einen guten Erben gegeben:

Er friste dem das Leben!

Tristan, dieweil der leben soll,

Das wisset ihr seit lange wohl,

Kommt weder Frau noch Königin

An diesen Hof. Das ist mein Sinn.« –


Hiemit ward aber des Hasses mehr

Und mehr des Neides denn vorher,

Den sie Tristanden trugen,

Daß auch die Flammen schlugen

Heraus bei Vielen also sehr,

Daß sie es da nicht länger mehr

Verhehlen konnten im Herzensgrund,

Und boten ihm zu mancher Stund

Solche Gebärde und solches Wort,

Daß er erbangte vor dem Mord,

Und lag ihm die Sorge beständig an,

Daß sie irgendwie und irgendwann

Sich möchten gar vertragen,

Ihn mordlich zu erschlagen.

Seinen Oheim Marke, den bat er sehr,

Daß er der Landesherrn Begehr

Zu einem Ziele brächte

Und doch um Gott bedächte

Seine Sorgen und seine Noth.

Er wisse nicht, wann es sein Tod

Und wann es sein Ende wäre.


Da sprach auf diese Märe

Sein Oheim: »Neffe mein, Tristan,

Schweig still, da gehe ich nimmer dran:

Ich begehre zum Erben dich allein.

Auch sollt du ohne Sorgen sein

Um deinen Leib und um dein Leben:

Ich will dir guten Frieden geben.

All ihr Beneiden und all ihr Haß,

Nun, so dir Gott, was schadt dir das?

Das Hassen und das Neiden,

Das muß der Biderbe leiden:

Des Mannes Werth steigt all die Frist,

Dieweil und er beneidet ist.

Würde und Neid, die zwei, die sind

Recht wie eine Mutter und ihr Kind.

Die Würde gebieret alle Zeit

Und führet mit sich Haß und Neid.

Wen kommt auch der Haß und wen fällt er an

So oft, als einen gesegneten Mann?

Das Glück ist arm und schwacher Hand,

Das nimmer Haß um sich erfand.

Leb immer so, wirb immer um das,

Daß du einen Tag seist ohne Haß:

So erwirbst du doch nimmer das,

Daß du jemals lebest ohne Haß.

Hättest du aber gerne Fried

Vor bösen Leuten, so sing ihr Lied

Und sei mit ihnen ein schlechter Wicht,

So hassen sie dich fürder nicht.

Mein Tristan, was auch Jemand thu,

So richte du dich je darzu,

Daß du stets hohes Muthes seist:

Sei allweg vorbedacht im Geist

Auf deinen Frommen und deine Ehr

Und rathe du mir das nicht mehr,

Wovon dir Schade muß geschehn.

Was Reden hierüber auch ergehn,

Ich folge nicht ihnen und auch nicht dir.«


»Herre, nun so gebietet mir!

So will ich von dem Hofe fahren:

Ich kann mich vor ihnen nicht bewahren.

Soll ich bei diesem Hasse sein,

So kann ich nimmermehr gedeihn.

Eh ich mit solchen Gefährden

Alle Königreiche auf Erden

Wollte haben in meiner Hand,

Eh blieb ich ewiglich ohne Land.« –

Da Marke seinen Ernst sah an,

Hieß er ihn schweigen und begann:

»Neffe, wie gern ich allezeit

Dir hielte Treu und Beständigkeit,[95]

So lässest du es ja nicht geschehn.

Was nun auch mag hieraus entstehn,

Da bin ich gar unschuldig dran.

Wie ich dir nun willfahren kann,

Da bin ich aber bereit dazu.

Sag an, wie willt du, daß ich thu?« –

»Da besendet Euren Herrenrath,

Der Euch dies angerichtet hat,

Und erfahret eines Jeden Muth:

Fraget, wie es sie dünke gut,

Daß Ihr verfahren sollt hierin,

Und erforschet also ihren Sinn,

Daß es mit Ehren mög ergehn.«


Nun, dies war alsobald geschehn

Und waren sie alle darbesandt;

Die riethen auch Marken allzuhand,

Und dies allein zu Tristans Noth,

Wenn's möglich wär, die schöne Isot,

Die ziemte ihm wohl zum Weibe

Nach Tugend, Geburt und Leibe,

Und stellten auch darauf den Rath.

Sie kamen Alle, und Einer trat,

Der da zu reden wohl verstund,

Hervor und sprach aus Einem Mund

Ihr Aller Willen, Sinn und Muth:

»Herre,« sprach er, »uns dünket gut,

Die schöne Isot von Irenland,

Wie all den Landen ist bekannt,

Die hier und dort gelegen sind,

Die ist eine Magd und ist ein Kind

Von weiblicher Vollkommenheit,

Mit jedem weiblichen Ehrenkleid

Gezieret aus dem Grunde,

Wie Ihr zu mancher Stunde

Selbst von ihr habt vernommen:

Die ist fürwahr vollkommen

Von Leben und von Leibe:

Mag Euch nun die zum Weibe

Und uns zur Frauen werden,

So kann uns auf der Erden

An keinem Weibe baß geschehn.« –

Der König sprach: »Laßt, Herre, sehn,

Wenn ich Die haben wollte,

Wie es dann gehen sollte?

So nehmet nun doch zu Sinne,

Wie es mit unsrer Minne

Seit lange gegen Jene stand:

Bedenkt, uns hassen Leut und Land.

Herr Gurmun mir von Herzen grollt:

Mit Recht! ich bin ihm auch nicht hold.

Wer brächte jemals unter uns Zwein

So große Freundschaft überein?« –

»Herre,« sprachen sie allzumal,

»Es füget sich gar manches Mal,

Daß Lande einander schädigen:

Da sollen sie beide tedigen,

Daß sie Rath suchen und finden,

Und sollen's mit ihren Kinden

Wieder zur Sühne bringen:

Denn aus feindseligen Dingen

Ward große Freundschaft schon gemacht.

Seid Ihr auf solches nun bedacht,

So erlebet Ihr noch wohl den Tag,

Daß Irland Euer werden mag.

Irland hängt an den Dreien allein,

Da Beide außer dem Mägdelein

Ohne andere Erben sind.

Isolde ist ihr einiges Kind.«


Auf diese Reden erwiderte er:

»Tristan, der hat mich schon gar sehr

In Gedanken an sie gebracht;

Ich habe viel von ihr gedacht,

Als er sie lobete wider mich.

Durch die Gedanken bin auch ich

Vor den Anderen allen

So sehr auf sie gefallen,

Daß, soll sie nicht mein werden,

So wird auf dieser Erden

Eine Andre nimmermehr mein Weib,

So mir Gott und mein eigner Leib.« –

Den Eid, den that er nicht um das,

Daß ihm sein Gemüthe irgend baß

Gestanden wäre hin, denn her:

Aus Schlauheit und aus List schwur er,

Darin ihm war ganz ungedacht,

Daß solches würde je vollbracht.


Der Rath sprach aber schadenfroh:

»Herre, verfüget Ihr es so,

Daß mein Herr Tristan hier zu Statt,

Der da des Hofes Kunde hat,[96]

Eure Botschaft übernehmen will,

So ist es alles an ein Ziel

Und an ein stetes End gebracht.

Der ist weise und wohlbedacht

Und glücklich in allen Dingen:

Der kann es zu Ende bringen.

Er kann auch ihre Sprache wohl;

Er endet, was er enden soll.« –

»Ihr rathet übel,« sprach aber er:

»Ihr fleißet Euch ja viel zu sehr

Zu Tristans Schaden und seiner Noth.

Er ist ja doch nun einmal todt

Für euch und eure Erben.

Nun soll er zweimal sterben,

Wenn's euren Willen gelten soll.

Nein, ihr von Kornwall, merket wohl,

Ihr müsset selbst nach Irland hin.

Rathet mir nimmermehr auf ihn.«


»Herre,« sprach aber da Tristan,

»Sie missereden nicht hieran.

Es wäre wohl gefüge;

Wenn es auch Euch zuschlüge,

So griffe ich es kühner an

Und bereiter denn ein andrer Mann:

Und ist auch recht, daß ich es thu.

Herre, ich bin ganz gut dazu:

Niemand kann Euch baß dienen.

Nun so gebietet ihnen,

Daß sie selbst mit mir fahren,

So hin als her bewahren

All Euer Ding und Eure Ehr.« –

»Nein, Neffe, du kommst mir nimmermehr

In ihre Gewalt und in ihre Hand,

Seit dich Gott wieder hat gesandt.« –

»Herre, fürwahr, und dies muß sein:

Mögen sie da sterben oder gedeihn,

So muß es mit ihnen auch mir geschehn.

Ich will sie selber lassen sehn,

Wenn dies Land bleibet erbenfrei,

Ob das von meinen Schulden sei.

Heißet sie sich bereiten:

Den Kiel, den will ich leiten

Und führen mit meiner eignen Hand

In das glückselige Irenland,

Wieder gen Develin hinein

Gegen dem schönen Sonnenschein,

Der manchen Herzen Freude bringt.

Gewiß, daß uns die Fahrt gelingt!

Herre, würd Euch die schöne Isot,

Und lägen wir dann auch Alle todt,

Es würde wenig Schaden thun.«


Als aber Marke's Räthe nun

Vernahmen, wohin die Rede kam,

Da wurden sie voll Reu und Scham,

Daß sie in all ihren Jahren

Niemals so traurig waren.

Nun mußte es aber und sollte sein.


Tristan las aus des Hofes Reihn

Des Königes vertraute Herrn,

Zwanzig Ritter von echtem Kern

Und in der Noth die besten.

Vom Lande und von Gästen

Gewann er sechzig um den Sold.

Des Rathes hatte er ohne Gold

Zwanzig der Landbarone.

So waren's der Companione

Gerade hundert und Keiner mehr.

Mit denen fuhr Tristan über Meer,

Die waren seine Genossenschaft;

Auch war viel Vorraths beigeschafft

Von Kleidung und von Speise

Und Schiffgeräth zur Reise,

Daß so viel Leuten zu ihrer Fahrt

Ein Kiel nie baß berathen ward.


Hie sagt nun eine Märe,

Eine Schwalbe von Kornwall wäre

Gen Irland hinüberkommen

Und hätte da genommen

Zu ihrem Bau ein Frauenhaar

(Weiß nicht, wo sie deß kundig war)

Und es getragen über die See.

Nistete auch eine Schwalbe je

Mit solchem Ungemache,

Die doch so viel Bausache

Bei ihr in ihrem Lande fand,

Daß sie meerüber in fremdes Land

Nach ihrem Baugeräthe strich?

Weiß Gott, hie spaltet die Märe sich,[97]

Hie stammelt ja fürwahr der Leich.

Auch klingt es albern und thorengleich,

Wer sagt, daß Tristan ging aufs Meer

Blindlings nach Wahne mit einem Heer

Und hätte nicht genommen wahr,

Wie lange und wohin er fahr,

Gesucht, und nicht gewußt, nach wem?

Was thaten die Bücher zu Leide Dem,

Der dies hieß schreiben und lesen?

Ja, wären sie Narren gewesen,

Ein König, der seine Räthe

Ins Blaue zu fahren bäte

Und auch die Boten zu solchem Amt,

Gauche und Narren allesammt.


Nun, auf der Meerfahrt war Tristan

Und schiffete immer so fortan,

Er und seine Genossenschaft;

Da war ein Theil viel sorgenhaft,

Ich meine die Barone,

Die zwanzig Companione,

Den Rath vom Lande Kornewall:

Die hatten alle in diesem Fall

Viel schwere Angst und große Noth:

Sie wähnten schon, sie seien todt.

Nun fluchten sie der Stunde

Mit Herzen und mit Munde,

Da jener Reise und jener Fahrt

Gen Irland gedacht und erwähnet ward.

Sie wußten für ihr eigen Leben

Sich selber keinen Rath zu geben;

Sie riethen her, sie riethen hin

Und fielen doch auf keinen Sinn,

Der irgendwie zu preisen

Und ein Rath war zu heißen;

Und war das auch kein Wunder zwar:

Nicht drauf, noch dran, noch drunter war

Ein Rath, als zweier Dinge allein,

Und mußte eines von den zwein

Ihnen verheißen Rath und Frist:

Ein Abenteuer oder List.

List war da aber theuer,

Und um ein Abenteuer

Gab Keiner eine Bohne:

Sie waren beider ohne.

Doch sprachen ihrer da genug:

»Weisheit und feiner Sinn und Fug

Ist wahrlich viel an diesem Mann.

So uns Gott Glück vergönnt, wohlan,

Wir mögen viel wohl mit ihm genesen,

Wollt er nur sein blind freches Wesen

In etwas bringen zu Maß und Ziel;

Denn dessen hat er nur allzu viel.

Er ist zu frech und hochgemuth,

Er weiß noch heut nicht, was er thut;

Er gäbe nicht ein halbes Brod

Um unsern und um seinen Tod;

Und doch auf seinem Wohlergehn

Bleibt unsre beste Hoffnung stehn,

Und muß sein Witz und Lehre geben,

Wie daß wir fristen unser Leben.«


Nun sie gen Irland kamen,

Ihr Angelände nahmen,

Da wo sie hörten Märe,

Daß jetzt der König wäre

Gegen der Stadt zu Weisefort,

Warf Tristan den Anker über Bord

So ferne von dem Hafen,

Daß Die von dort nicht trafen

Mit keinem Bogen zu ihnen hin.

Die Landbarone baten ihn,

Daß er um Gott sie weise,

Mit welcher Art und Weise

Er wollte werben um das Weib;

Es ginge sehr um ihren Leib,

Und däuchte sie und wär auch gut,

Daß er ihnen sagte seinen Muth.

Tristan sprach: »Still, ihr Herrn! nur stet!

Hütet euch, daß euer Keiner geht

Den Leuten unter das Angesicht;

Bleibt drinnen Alle und zeigt euch nicht,

Bis auf die Schiffer und Knechte allein.

Die sollen fragen aus und ein

Auf der Brücke vor der Hafenthür:

Doch euer komme Keiner dafür.

Schweiget und macht euch bald hinein:

Ich will selber am Thore sein,

Weil ich die Landessprache kann.

Man wird uns alsbald kommen an

Und von der Stadt beschweren

Mit übelklingenden Mären:[98]

Da muß ich lügen diesen Tag,

So viel ich ihnen lügen mag.

Verberget euch hierinnen,

Denn wird man eurer innen,

So haben wir Lärm und Streit zur Hand

Und besteht uns das ganze Land.

Dieweil ich morgen außen sei

(Denn ich will reiten nahebei

Auf Abenteuer im Morgenlicht,

Ob mir's gelinge oder nicht),

So halte Kurvenal davor

Und Andre mit ihm an dem Thor,

Denen die Sprache kundig ist;

Und Eins vernehmt zur letzten Frist:

Sei's, daß ich unterwegen sei

Vier Tage oder auch nur drei,

Zur Stunde harret mein nicht mehr,

Entrinnet wieder über Meer,

Auf daß ihr errettet Leben und Leib;

So hab ich ganz allein das Weib

Verzinset mit dem Leibe;

Und rathet zu einem Weibe

Eurem Herren, wie euch dünke gut.

Dies ist mein Rath und auch mein Muth.«


Des Königs Marschall von Irenland,

In dessen Gewalt und in dessen Hand

So Stadt als Hafen gegeben war,

Der kam gerannt zum Meere dar,

Gewaffnet, in vollem Trotte

Mit einer starken Rotte

Der Bürger und ihrer Boten,

Wie ihnen war geboten

Vom Hofe, und wie die Märe sagt

(Wer darnach weiter oben fragt),

Daß man frei Keinen ließe,

Der ans Gestade stieße,

Bis daß man hätte recht erkannt,

Ob er von König Marke's Land

Und seinem Landgesinde wär.

Dieselben Gewaltigen nunmehr,

Die leidigen Mörderhände,

Die englisch Blut ohn Ende

Unschuldig vergossen hatten,

Ihrem Herren zu Statten,

Die kamen angezogen

Mit Armbrust und mit Bogen,

Dazu mit andrer ihrer Wehr,

Gerade wie ein Räuberheer.


Des Kieles Meister, Herr Tristan,

Der legte einen Reisrock an,

Aus keinem Grund auf Erden,

Als, nicht erkannt zu werden.

Auch hieß er einen Pokal hertragen,

Der war aus rothem Gold geschlagen

Und war zu fremdem Preise

Gemacht nach Englands Weise.

Nach diesem allem trat Tristan

Mit Kurvenal in einen Kahn

Und fuhr so gegen die Hafenthür

Und grüßte aus seinem Schiff herfür

Mit Gebärden und mit dem Mund,

So süß und schön er's nur verstund.

So viel aber da des Grüßens war,

So viel auch von den Bürgern dar

Zu ihren Booten liefen

Und vom Gestade riefen:

»Stoße ans Land, stoße ans Land!«

Tristan alsbald im Hafen stand:

»Ihr Herren,« sprach er, »saget mir,

Wie kommt ihr so? was wollet ihr

Mit solchem Ungehaben und Braus?

Eure Gebärden, die sehen mißlich aus.

Ich weiß nicht, weß mich versehen soll.

Um Gottes Willen, thut so wohl,

Wenn Jemand bei euch ist zur Statt,

Der Gewalt von dem Lande hat,

Der höre und vernehme mich.« –

»Ja,« sprach der Marschall, »hie bin ich:

Mein Gehaben und meine Gebärden,

Die sollen euch mißlich werden!

Euer Gehaben will ich zur Stund

Vernehmen, und das aus dem Grund.« –

»In Treuen, Herre,« sprach Tristan,

»Da findet Ihr einen bereiten Mann:

Wer Die da schweigen hieße

Und mich zur Sprache ließe,

Dem wäre ich gern gewärtig,

Auf daß man hie friedfertig

Und so mein Wort vernähme,

Wie es dem Land zukäme.«
[99]

Ein Stillstand ward ihm da gegeben.

»Herre,« sprach Tristan, »unser Leben,

Unsre Geburt und unser Land,

Mit diesem allem ist's so bewandt,

Wie ich euch hie bedeute:

Wir sind handelnde Leute

Und mögen uns deß nicht schämen,

Kaufleute, mit Wohlnehmen,

Ich und meine Companie,

Und sind wir aus der Normandie.

Unsre Weiber und Kinder, die sind dort.

Wir selber ziehen von Ort zu Ort,

Kaufen in allen Landen ein

Und gewinnen dann hintendrein,

Daß wir uns so durchschlagen.

Etwa vor dreißig Tagen

Da fuhren wir aus unsrem Land,

Ich und zween Andre von meinem Stand.

Wir Drei, wir wollten im Verein

Zusammen in Hibernien sein;

Und sind es wohl acht Tage seit,

Daß uns zu früher Morgenzeit

Ein Wind bestund von hinnen fern,

Wie uns die Winde thun so gern;

Derselbe thät uns scheiden,

Mich Einen von den Beiden;

Weiß nicht, wie sie gefahren,

Gott möge sie bewahren,

Sie seien lebend oder todt.

Ich selber ward mit vieler Noth

Manch übeln Weg verschlagen

In diesen schweren acht Tagen,

Und so bis gestern um Mittag,

Da Sturm und Wind darnieder lag;

Da gewahrte ich Berg und Land vor mir,

Warf, um zu ruhen, den Anker hier

Und ruhete auch bis heute da.

Heut Morgen aber, da ich sah,

Daß es tagte und helle ward,

Da strich ich wieder auf meine Fahrt

Und fuhr hieher gen Weisefort.

Nun geht es schlimmer hie, denn dort.

Ich wähne, ich sei noch ungeborgen;

Und kam doch hieher ohne Sorgen,

Da mir die Stadt nicht unkund ist,

Und bin auch schon zu andrer Frist

Mit Handelsleuten hie gewesen.

Desto eher wähnt ich zu genesen

Und Gnade hie zu finden;

Nun bin ich aber Winden

Und Stürmen erst in die Hand gefahren;

Doch mag mich Gott noch wohl bewahren:

Wenn ich bei diesem Gesinde

Nicht Ruh noch Frieden finde,

So kehre ich wieder auf das Meer;

Da hab ich genügliche Gegenwehr

Und alle Streitkraft in der Flucht.

Wofern Ihr aber Eure Zucht

Und Ehre an mir erzeigen wollt,

So viel ich habe Gut und Gold,

Das theile ich Euch viel gerne mit

Um eine einzige kurze Bitt,

Daß Ihr so meiner Habe als mir

Frieden schafft in dem Hafen hier,

Bis ich erforsche und sehe,

Ob mir das Glück geschehe,

Daß ich mein Landgesinde

Entdecke und erfinde.

Und laßt Ihr mich das erleben,

So heißt mir auch Frieden geben;

Sie eilen fast von dorten her,

Ich weiß nicht, welche oder wer,

In ihren kleinen Schifflein dort;

Sonst fahr ich zu den Meinen fort

Und fürcht euch Alle nicht ein Stroh.«

Der Marschall rief die Seinen so

Und hieß sie kehren an das Land.

Zum Gaste sprach er: »Welches Pfand

Wollt Ihr dem König geben,

Daß ich Euch Gut und Leben

Bewahre in diesem Königreich?« –

Und aber sprach der Fremde gleich:

»Herre, ich gebe ihm alle Tage,

Wo ich's gewinne oder erjage,

Eine Mark von rothem Golde;

Und biete ich Euch zum Solde

Und Danke diesen Becher an,

So ich auf Euch vertrauen kann.« –

»Ja,« sprachen die Leute allzuhand,

»Er ist hie Marschall über das Land.« –

Der Marschall seine Gabe nahm,

Die däuchte ihm reich und lobesam,[100]

Und hieß ihn ankern um die Gabe.

Seinem Leib und seiner Habe

Fried und Gnade er da entbot.

Da waren sie reich und waren roth,

Ich meine den Zins und meine den Sold:

Reich und roth des Königs Gold,

Des Boten Gabe roth und reich:

Sie waren preislich beide gleich.

Das half auch ihm, daß ihm allda

Gnad und Gemächlichkeit geschah.

Quelle:
Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde. Stuttgart 1877, S. 94-101.
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