Tristan Tantris.

[81] Wohlan, Herr Morold, der ist todt.

Sagt ich nun lange Märe

Von ihrer Aller Schwere

Und Klage, was wäre damit gethan?

Wir wären um nichts besser dran.

Wer möchte all das Leid beklagen?

Morold, der ward zu Grab getragen,

Begraben wie ein andrer Mann.

Da hub Gurmun zu trauern an

Und hieß gebieten allzuhand

Ueber das ganze Irenland,

Daß man drauf achte und nehme wahr,

Was Lebendes auf Erden dar

Von Kornwall käme gefahren,

Das solle man nicht sparen,

Es wäre nun Weib oder Mann.

Und dies Gebot und dieser Bann,

Die wurden gehalten also sehr,

Daß Niemand zu keiner Stunde mehr

Auf keine Weise und keine Art

Gen Irland wagte eine Fahrt

Von Kornwall, Niemand in der Welt,

Der da mit einem Lösegeld,

Mit Bieten oder mit Geben

Sich fristete das Leben,

So daß auch mancher Mutter Sohn

Unschuldig Schaden gewann davon;

Und war das ohne Recht und Noth,

Denn Morold, der lag billig todt:

Der baute nur auf seine Kraft

Und nicht auf Gottes Ritterschaft,

Und hatte zu allen Zeiten

In allen seinen Streiten

Gewalt und Hochmuth offenbart,

Darin er auch gefället ward.


Nun kehre ich wieder, da ich's ließ.

Da Tristan aus Gestade stieß

So ohne Roß, so ohne Speer,

Da kamen tausend Schaaren her

Gedrungen mit ihrem Gruße

Zu Rosse und zu Fuße,

Die grüßten ihn einem Engel gleich.

Der König und sein Königreich

Erlebten nie so lieben Tag,

Was man ihnen wohl glauben mag,

Weil ihnen an diesem Tag erstand

Große Ehre aus seiner Hand:

Er hatte ihr Aller Schmach und Leid

Dahingelegt für alle Zeit.

Und aber die Wunde, die er trug,

Die beklageten sie genug,

Und ging sie ihnen nahe;

Da man sich aber versahe,

Daß er von dieser Bürde

Viel schier genesen würde,

So nahmen sie es nicht in Sinn

Und führten ihn geradehin,

Die ganze Schaar, zu dem Palast,

Entwaffneten ihn mit großer Hast

Und schufen ihm alles das Gemach,

Das er oder Jemand sonst ansprach.


Da wurden Aerzte darbesandt

Von Burgen und vom ganzen Land,

Die allerbesten fern und nah.

Und als die waren beisammen da,

Legten sie alle ihren Sinn

An ihn mit ärztlichen Künsten hin.

Was half's? was war damit gethan?

Er war doch um nichts besser dran.

Was sie auch alle zu Handen

Von ärztlicher Kunst verstanden,

Das konnte ihn nicht entraffen:

Das Gelüppe war so beschaffen,

Daß sie es von der leiden

Wunde nicht konnten scheiden,

Bis es den ganzen Leib einnahm,

Der eine Farbe davon bekam

So jämmerlich und verwunderbar,

Daß er kaum noch zu kennen war;

Und dann gesellte sich im Nu

Ein gräulicher Geruch dazu,

Daß ihm das Leben schwer und hart,[82]

Sein eigner Leib zum Ekel ward.

Auch war sein größtes Ungemach,

Daß er beschwerte nach und nach

(Das mußte er oft erfahren),

Die seine Freunde waren.

Und so erkannte er baß und baß

Moroldens Rede. Auch hatte er das

Ehmals wohl oft vernommen,

Wie schön und wie vollkommen

Moroldens Schwester wäre:

Von ihr flog eine Märe

Durch alle Lande und Gauen;

Da hieß es von der Frauen:

Die weise Isot, die schöne Isot,

Die leuchtet wie das Morgenroth.


Tristan, der sorgenhafte Mann,

Der dachte zu allen Zeiten dran

Und wußte wohl, sollt er genesen,

So könne er andres nicht erlesen,

Als ihre Kunst und Arzteshand,

Die diese Kunst allein verstand,

Der hochbegabten Königin.

Doch wußte er nicht in seinem Sinn,

Wie er sollte darnach trachten.

Nun begann er aber zu achten,

Da es sein Tod doch wäre,

So wäre es Eine Märe:

Des Leibes Gefahr oder auch sein Tod

Und diese lebendige Todesnoth.

Und also setzte er drauf den Sinn,

Er wollte fürwahr nach Irland hin,

Es ginge ihm, wie Gott wollte,

Ob er durchkommen sollte.


Seinen Oheim, den besandte er

Und sagte ihm ganz von Anfang her

Sein Geheimniß und seinen Muth,

Wie ein Freund seinem Freunde thut,

Was nach Moroldens Märe

Sein Sinn und Wille wäre.

Dies gefiel ihm übel und auch wohl;

Nur daß man freilich in Nöthen soll

Schaden dulden, so gut man kann.

Unter zwein Uebeln wähle man

Was noch am mindesten übel thut:

Dieselbe Kunst ist zu vielem gut.

Da kamen sie ob Tristans Pein

Unter einander überein

(Wie es auch alles vollendet ward),

Wie er vollbrächte seine Fahrt,

Wie man's verschweigen sollte,

Daß er nach Irland wollte

Und sollte sagen Märe,

Daß er in Salerne wäre,

Damit er würde des Uebels baar.

Nun dieses alles beredet war,

Da ward auch Kurvenal besandt;

Demselben machten sie gleich bekannt

Ihren Willen und ihren Muth.

Dies däuchte Kurvenalen gut;

Er sprach, er wolle mit ihm sein,

Mit ihm ersterben oder gedeihn.


Und als es gegen Abend ward,

Bereitete man zu ihrer Fahrt

Ein Schifflein und eine Barke,

Darein schuf ihnen Marke

An Speise, und was sonsten Fug

Auf Schiffen ist, des Vorraths gnug.

Da ward mit manchen Klagen

Tristan dahingetragen,

Der Arme, still und so ganz geheim,

Daß von der Einschiffung daheim

Kaum Jemand ward etwas gewahr,

Als wen man eben besandte dar.

Seinem Oheim er da befahl

Zu einem und zu manchem Mal

Sein Gesinde und all sein Ding,

Daß seines Dinges auch nicht ein Ring

Je von einander käme,

Bis man von ihm vernähme

Eine gewißliche Märe,

Wie ihm's ergangen wäre.

Seine Harfe ließ er kommen:

Die wurde mitgenommen,

Und sonst von seinem Geräth nichts mehr.


Hiemit so stießen sie in das Meer

Und fuhren auch von dannen

Mit mehr nicht als acht Mannen;

Dieselben hatten ihr Leben

Zu Pfand und Bürgschaft geben[83]

Und auch geschworen mit Eiden,

Aus dem Gebot der Beiden

Mit keinem Fuß zu treten.

Nun daß die Segel wehten

Und Marke sah Tristanden nach,

Sein Ergötzen und sein Gemach,

Das weiß ich wohl, die waren klein;

Zu Herzen und durch Mark und Bein

Ging ihm dasselbe Scheiden,

Das aber doch den Beiden

Zu Freuden und zu Heile kam.

Nun daß das Landesvolk vernahm,

Wie Tristan wäre ferne

Gefahren gen Salerne,

Um seiner Schwere zu genesen, –

Ja, wär er ihr Aller Kind gewesen,

Sein Leid wär ihnen Allen

Nicht schwerer aufs Herz gefallen;

Und da ihm dieses Uebel gar

In ihrem Dienst geschehen war,

Beschwerte es ihnen so mehr den Sinn.


Nun, Tristan, der fuhr immer hin

Ueber Vermögen und über Macht

Ohne Ruhe so Tag als Nacht

Die Straße wider Irenland,

So gut ihn seines Schiffers Hand

Brachte von Ort und Stelle.

Nun daß das Schifflein schnelle

Irland begann zu nahen,

Daß sie das Land wohl sahen,

Tristan dem Steuermeister hieß,

Daß er mit seinem Kiele stieß

Gegen der Hauptstadt Develin,

Allwo die weise Königin,

Wie er wohl glaubte und wußte,

Ihr Wesen haben mußte.

Des Weges fuhr der Steuermann,

Und wie er kam so nah heran,

Daß er sie erblickte und völlig sah,

»Seht, Herre!« rief er Tristanden da,

»Ich sehe die Stadt: was rathet Ihr?« –

Tristan, der sprach: »Da wollen wir

Hie ankern und verbleiben,

Den Abend hie vertreiben,

Dazu auch einen Theil der Nacht.«


Da warfen sie Anker mit Bedacht

Und hielten Rast den Abend dort;

Und in der Nacht hieß er sie fort

Und gegen das Ufer fahren:

Nun daß sie gefahren waren

Und auch so nahe kamen,

Daß sie ihren Standort nahmen

Von der Stadt eine halbe Meile,

Da nahm Tristan in Eile

Das allerärmeste Gewand,

Das man da in der Barken fand;

Das gebot er ihm anzuthun,

Und hieß sich aus der Barke nun

Ins Schifflein legen ganz allein

Und ließ sich auch die Harfe drein

Und so viel Speise geben,

Daß er davon zu leben

Drei Tage vermöchte oder vier.


Nun war das alles verrichtet schier,

Wie er begehrte und befahl.

Da rief er seinen Kurvenal

Und auch die Schiffer mit ihm her:

»Nun nimm, Freund Kurvenal,« sprach er,

»Diese Barke und diese Leute hie,

Um meinetwillen pflege sie

Freundlich allstund und allezeit;

Und wenn ihr nach Hause kommen seid,

Gib ihnen Lohn so reicher Art,

Daß sie das Geheimniß unsrer Fahrt

Getreulich mit uns tragen

Und hier herum nicht sagen.

Und kehre bald der Heimath zu:

Meinen Oheim grüße du

Und sag ihm, daß ich noch lebe

Und möge, wenn Gott es gebe,

Wohl fürbaß leben und gedeihn;

Er soll nicht leidig um mich sein.

Auch thu ihm kund und offenbar,

Ich komme noch in diesem Jahr

Im Fall, daß ich genesen soll:

Geht es mit meinen Dingen wohl,

So wird ihm das viel bald bekannt.

Sag an den Hof und in das Land,

Ich sei unterwegs in dieser Noth

Geblieben auf dem Meere todt.[84]

Mein Gesinde, das ich noch habe dort,

Das laß mir ja nicht kommen fort;

Sieh, daß sie meiner warten still,

Bis daß die Stunde kommen will,

Die ich dir habe gekündigt an.

Und ist es aber so gethan,

Daß mir in dieser Jahresfrist

Kein Glücke widerfahren ist,

So mögt ihr mich zu den Todten legen

Und lasset Gott der Seele pflegen

Und nehmet ihr euer selber wahr:

Nimm du meine Leute dann und fahr

Heim nach Parmenien wieder

Und laß bei Rual dich nieder;

Meinem lieben Vater sage von mir,

Er möge mir meine Treu in dir

Durch seine Treue lohnen

Und lasse dich bei ihm wohnen

Und biete dir's schön, wie er wohl kann;

Und sag ihm auch noch dieses an:

Die mir haben gedient bisher,

Eine Bitte soll er, und keine mehr,

Mir erfüllen an ihnen:

Jedem, nach seinem Dienen,

Lohne und danke er schön und reich.

Nun, lieben Leute,« sprach er gleich,

»Hiemit will ich euch Gott ergeben,

Fahrt eure Straße und laßt mich schweben;

Ich muß der Gottesgnade

Heut harren auf diesem Pfade;

So habt auch ihr Zeit, daß ihr fahrt,

Euern Leib und euer Leben wahrt:

Es nahet fast dem Tage.« –

Sie mußten mit mancher Klage,

Mit manchem Jammer von hinnen ziehn,

Mit mancher Thräne ließen sie ihn

Schweben auf der wilden See.

Kein Scheiden that ihnen je so weh.

Ein jeglicher getreuer Mann,

Der einen getreuen Freund gewann

Und weiß, wie man den minnen soll,

In Treuen, der versteht sich wohl

Auf Kurvenalens Schwere;

Wie schwer ihm aber die Märe

Im Herzen lag und im ganzen Sinn,

So schiffete er doch immer hin.


Tristan verblieb alleine dort.

Der schwebete allda fort und fort

Mit Jammer und mit Sorgen

Bis an den lichten Morgen:

Und als nun Die von Develin

Das Schifflein in dem Meere drin,

Das steuerlose, gesehen,

Da hießen sie Leute gehen

Und solches Schiffleins nehmen wahr.

Die Boten eilten alsbald dar.

Nun sie begannen zu nahen

Und doch noch Niemand sahen,

Nun hörten sie immer von dorten her

Süß und nach ihres Herzens Begehr

Eine süße Harfen klingen

Und zu der Harfen singen

Einen Mann mit solcher Süße,

Daß sie es nahmen für Grüße

Und für ein Abenteuer

Und regten auch nicht das Steuer,

Dieweil er harfte und weil er sang.

Die Freude war aber nicht gar lang,

Die er ihnen zur Stelle da verhieß,

Denn welches Spiel er sie hören ließ

Mit Händen oder Munde,

Das ging nicht aus dem Grunde:

Das Herze, das war dabei gespart.

So ist es auch nicht Spielens Art,

Daß man es je und irgend thu,

Es stehe denn das Herz dazu;

Geschähe es auch noch so viel,

Es heißet doch kein rechtes Spiel,

Wenn Einer außen und obenhin

Klimpert so ohne Herz und Sinn.

Die Jugend that's alleine hier,

Die ihn mit Mund und Händen ihr

Eine Kurzweil zu bereiten zwang,

Daß er ihr harfete und ihr sang;

Doch war's dem Märterer dazumal

Eine Marter und eine Qual.


Wie er nun ab vom Spiele ließ,

Das andre Schiff gleich näher stieß:

Sie legten an seinem Schifflein bei

Und sahn in die Wette, was drinnen sei.

Wie sie nun seiner nahmen wahr[85]

Und sahen ihn so jammerbar

Von Farbe und so mißgethan,

Da sahen sie es geringe an,

Daß er mit Hand und Munde

Verstand so preisliche Kunde;

Doch grüßten sie ihn als einen Mann,

Der guten Gruß verdienen kann

Mit Mund und auch mit Händen,

Und baten den Elenden,

Ihnen zu sagen Märe,

Wie ihm's ergangen wäre.


Sprach Tristan: »Ich will's euch sagen;

Ich war in meinen Tagen

Ein höfischer Spielmann, der genug

Künste konnte und höfischen Fug,

Sprechen und wieder schweigen,

Leiern und auch geigen,

Harfen spielen und Rotten,

Heut schimpfen, morgen spotten,

Das konnte ich alles also wohl,

Als solches Volk mit Rechte soll.

Damit gewann ich so genug,

Daß mich das Gut zu ferne trug

Und ich mehr haben wollte,

Als ich mit Rechte sollte.

Da wollt ich an Kaufrath werden satt,

Was mir den Leib verrathen hat,

Und hatte mir auch beigesellt

Einen Kaufmann, reich an Gut und Geld;

Und luden wir Zween einen Kiel

Mit allem dem, so uns gefiel,

Daheime zu Hispanien

Und wollten gen Britanien.

Da aber bestund uns auf dem Meer

In einem Schiff ein Räuberheer,

Die nahmen uns alles, groß und klein,

Und schlugen den Kaufgenossen mein

Und alle lebende Kreatur.

Daß aber ich alleine nur

Mit dieser Wunden entkommen bin,

Da war die Harfe mein Gewinn,

Daran sie Alle sahen klar,

Wie ich auch selber geständig war,

Daß ich eine Art von Spielmann sei.

Da erhielt ich auch kaum und mit viel Geschrei,

Daß sie mir dies Schifflein schlecht und klein

Und so viel Speise gaben drein,

Daß ich bis heute konnte leben.

So mußt ich seit alleine schweben

Mit Marter und mit mancher Klage

Wohl vierzig Nächte und vierzig Tage,

Wohin mich die Winde verschlugen,

Die wilden Wellen trugen;

Die trugen mich bald her, bald hin,

Und kann nicht wissen, wo ich bin,

Und weiß noch minder, wohin ich soll.

Nun thut, ihr Herren, also wohl,

Daß Gott der Herr euch möge lohnen,

Und weiset mich hin, wo Leute wohnen.«


»Geselle,« sprachen aber die Boten,

»Deiner süßen Stimme und deiner Noten

Sollst du allhie genießen.

Du sollt in den Wellen fließen

Nicht länger ohne Trost und Rath.

Was dich auch hergeführet hat,

Gott oder Wasser oder Wind,

Wir weisen dich hin, wo Leute sind.« –

Das thaten sie auch: sie führten ihn

Mit seinem Schisse zusammen hin

Gegen der Stadt, wie er sie bat.

Das Schiff sie banden ans Gestad

Und sprachen aber: »Spielmann, sieh,

Nimm wahr und sieh die Burg allhie

Und diese schöne Stadt dabei.

Weißt du wohl, welche Stadt es sei?« –

»Nein, Herre, ich weiß nicht, was es ist.« –

»So sagen wir dir, daß du bist

Zu Develin in Irenland.« –

»Den Heiland lob ich mit Mund und Hand,

Daß ich doch unter Leuten bin.

Es ist doch gewiß Jemand hier drin,

Der seine Güte an mir beweist

Und mich mit ärztlichem Rathe speist.«


Da kehrten die Boten gen Develin

Und begannen auf dem Wege hin

Zu reden von seinen Sachen

Und großes Wunder zu machen.

Sie sagten wieder die Märe,

Daß ihnen begegnet wäre

Ein Abenteuer mit einem Mann,[86]

Dem man es sehe schwerlich an

Und könnte sich's nicht zu ihm versehn.

Sie sagten, was ihnen war geschehn,

Wie sie dorther vernommen,

Eh daß sie näher gekommen,

Einen also süßen Harfenklang

Und zu der Harfen einen Sang,

Den Gott selbst möchte hören

In seinen Himmelschören;

Und sagten, daß in dem Schiffe drein

Ein armer Märterer saß allein,

Ein todeswunder Harfenmann:

»Wohl hin, ihr seht es ihm wohl an,

Er stirbt wohl morgen, ja heute noch:

Und in der Marter hat er doch

Einen Muth so frisch und lebensreich,

Daß auch in keinem Königreich

Ein Herz zu finden wäre,

Das also leidiger Märe

Möchte nehmen so wenig wahr.«


Von Burg und Stadt sie kamen dar

Und trieben allzuhanden

Viel Märe mit Tristanden

Und frageten dies und jenes Wort;

Und aber, wie die Boten dort,

Und mit denselben Reden

Beschied er ihrer Jeden.

Zu harfen baten sie ihn alsdann;

Da wandte er allen Sinn daran,

Zu thun, was man ihn hieß und bat,

Weil er's von ganzem Herzen that:

Mit Mund und Händen allen

Zu dienen und zu gefallen,

Das war all sein Begehr und Ziel,

Das that er, so gut ihm's möglich fiel.

Und als der arme Harfenmann

So wider Kraft als Lust begann,

Sein Harfenspiel und Singen

So gar süß vorzubringen,

Da hatten Alle Erbarmen,

Da hießen sie den Armen

Aus seinem Schifflein tragen

Und einem Arzte sagen,

Daß er ihn zu sich nähme,

Und was ihm zu Statten käme,

Deß sollte er sich befleißen

Und sollte ihm Hilfe erweisen

Und Pflege um ihr Gut und Geld.

Nun, dies geschah, dies ward bestellt.

Doch als er ihn heim brachte,

Auf seine Pflege dachte

Und alles an ihn kehrte,

Was seine Kunst ihn lehrte,

Da war all seine Hilfe klein.


Die Märe, die ward allgemein

Ueber die Stadt zu Develin:

Ein Haufe ging her, der andre hin

Und hatten um ihn großes Leid.

Da begab sich's zu derselben Zeit,

Daß auch zu ihm ein Pfaffe kam

Und allda seine Kunst vernahm,

Die er übte mit Hand und Mund,

Dergleichen er selber viel verstund

Und hatte Kunst und guten Fug,

Konnte mit Händen auch genug

In jeglicher Art von Saitenspiel

Und sprach auch fremder Zungen viel.

An höfische Künste, Fug und Art

Hatte er gewendet und nicht gespart

Seine Tage und seinen Sinn.

Derselbe war der Königin

Meister und Ingesinde

Und hatte sie von Kinde

Gewitzigt nach Begehre

In mancher guten Lehre:

In mancher fremden Kunde,

Die er ihr wies von Grunde.

Auch lehrte er sehr die holde,

Ihre Tochter Isolde,

Die nach Wunsch gethane Magd,

Von der die Welt, die ganze, sagt,

Von der auch diese Mären sind;

Dieselbe war ihr einigs Kind,

Und hatte sie von Anbeginn

Auf sie gewendet Fleiß und Sinn,

Auf daß sie lernte eine Kunde

Mit Händen oder mit dem Munde.

Die hatte er auch in seiner Pflege

Und lehrte sie da und allewege

Beides, Bücher und Saitenspiel.
[87]

Nun der an Tristan also viel

Höfischer Art und Künste sah,

Erbarmte ihn seines Leidens da

Gar inniglich und von Herzen sehr

Und verzog auch nicht länger mehr:

Er trat alsbald die Königin an

Und sagte ihr, daß ein Harfenmann

Da in der Hauptstadt wäre,

Ein Märtrer in großer Schwere

Und todt mit lebendem Leibe,

Und wäre kein Mann vom Weibe

An Kunst so auserkoren

Und baßgemuth geboren.

»Ach, edle Königin,« sprach er,

»Wenn es nur irgend möglich wär,

Daß wir darauf gedächten,

Daß wir ihn wohin brächten,

Dahin Ihr füglich kämet

Und das Wunder vernähmet,

Daß ein kranker, sterbender Mann

So herzinniglich süße kann

Die Harfen spielen und singen,

Und will doch nichts gelingen,

Was man ihm Raths erlesen:

Denn er kann nie genesen.

Sein Meister und sein Arzt, der sein

Gepflegt hat, ob er möchte gedeihn,

Der hat ihn aus der Pflege gethan:

Er kann nicht helfen, und schlägt nichts an,

Worauf er hat gewandt den Sinn.« –

»Sieh,« sprach die weise Königin,

»Ich will's den Kämmerern sagen

(Wenn er's je kann vertragen,

Daß Hände ihn berühren

Und von der Stelle führen),

Sie sollen ihn zu uns bringen,

Ob ihm bei seinen Dingen

Etwas zu Statten käme

Oder sein Weh benähme.«


Dies ward gethan, und dies geschah.

Nun daß die Königin ersah,

Wie diese Wunde beschaffen war,

Dazu die Farbe grauenbar,

Erkannte sie das Gift daran.

»Ach, armer Spielmann,« hob sie an,

»Du bist ja von Gelüppe wund.« –

»Ich weiß nicht,« sprach des Kranken Mund:

»Ich kann nicht wissen, was es sei,

Mir mag kein Arzt, noch Arzenei

Genesung bringen oder Ruh:

Nun weiß ich nicht mehr, was ich thu,

Als daß ich mich Gott ergebe

Und meine Frist verlebe.

Wer aber Gnade an mir begeht,

Da es so kümmerlich um mich steht,

Dem lohne Gott. Mir ist Hilfe noth,

Ich bin mit lebendem Leibe todt.« –

Die Weise rief ihm aber zu:

»Spielmann, sag an, wie heißest du?« –

»Fraue, Tantris bin ich genannt.« –

»Wohlan, Tantris, dir sei bekannt,

Daß meine Hand dir helfen soll;

Sei getrost und gehabe dich wohl,

Dein Rath und Arzt ich selber bin.« –

»Dank dir, viel süße Königin!

Deine Zunge, die grüne immer,

Dein Herz ersterbe nimmer,

Deine Weisheit möge immer leben,

Den Hilfelosen Hilfe geben,

Dein Name, der möge werden

Hoch an Würden auf Erden!« –

»Tantris,« fiel die Königin ein,

»Wofern es dir möglich sollte sein,

Nur daß du freilich von Kräften bist,

Was auch kein Wunder an dir ist,

So hörte ich gerne Harfenspiel:

Deß kannst du, höre ich sagen, viel.« –

»Nein, Fraue, laßt die Rede sein:

Mein Uebel irrt und hindert klein,

Daß ich nicht thäte und gern dazu,

Womit ich Euch einen Gefallen thu.«


So ward seine Harfe darbesandt.

Auch besandte man allzuhand

Die junge Königinne,

Das wahre Insiegel der Minne,

Mit dem auch seit versiegelt

Sein Herz ward und verriegelt

Vor aller Welt und ihrem Schein

Und gehörte nur ihr allein.

Die schöne Isolde kam auch dar[88]

Und nahm mit allem Fleiße wahr,

Wie Tristan über der Harfen saß.

Nun harfete er auch noch viel baß,

Als er es vormals je vollbracht,

Weil ihm nun Hoffnung war gemacht,

Sein Unglück sei zu Ende.

Er harfte und sang behende,

Nicht wie ein lebensmüder Mann;

Er fing es frische lebendig an

Und wie der Wohlgemuthe thut.

Er machte es ihnen also gut

Mit Händen und mit Munde,

Daß er in der kurzen Stunde

All ihre Huld also empfing,

Daß ihm's nach ganzem Willen ging.

Doch über seinem süßen Schall,

So hier zur Stelle wie überall,

Erwies die Wunde ihren Fluch

Und machte einen solchen Ruch,

Daß Niemand konnte die Plagen

Eine Stunde ertragen.


Aber begann die Königin:

»Tantris, wenn es sich fügt dahin,

Und daß es also um dich steht,

Daß dieser Geruch an dir vergeht

Und Jemand kann bei dir gedeihn,

So laß dir wohl befohlen sein

Isolden hier, die junge Magd.

Die hat gelernet unverzagt

Beides, Bücher und Saitenspiel,

Und kann auch dessen billig viel,

Nach den Tagen und nach der Frist,

Als sie dabei gewesen ist.

Hast du nun irgend größere Kraft

In einer Kunst oder Wissenschaft,

Denn ich und auch ihr Meister hie,

Um meinetwillen das lehre sie.

Dafür will ich dir Leib und Leben

Zum Lohn und Ehrensolde geben

Gesund und wieder wohlgethan,

Nachdem ich sie geben und nehmen kann,

Denn beide sind in meiner Hand.«


»Ja, ist es denn also bewandt,«

Sprach aber der sieche Harfenmann,

»Daß ich dadurch aufkommen kann

Und so mit Spiele genesen soll,

Ob Gott will, so genese ich wohl.

Fraue, selige Königin,

Und ist es denn, daß Euer Sinn

Euch also, wie Ihr mir da sagt,

Um Eure Tochter steht, die Magd,

So hoffe ich sehr wohl zu genesen:

Denn der Bücher hab ich gelesen

In solchem Maß und also viel,

Daß ich mir wohl getrauen will,

Ich diene Euch zu Dank an ihr.

Dazu so weiß ich wohl an mir,

Daß meines Alters kein einiger Mann

So viel der edlen Spiele kann.

Was Ihr nun drüber geruhet

Und mir zu wissen thuet,

Das nehmet alles für gethan,

So weit ich es vermag und kann.«


So beschied man ihm ein Kämmerlein

Und gab ihm alle Tage drein

All die Pflege und Gemächlichkeit,

Die er sich wünschte zu jeder Zeit.

Nun erst war ihm gekommen

Zu Statten und zu Frommen

Die Weisheit, die er im Schiff beging,

Da er den Schild zur Seiten hing

Und deckte seine Wunde

Und brachte sie nicht zur Kunde,

Daß das Irenvolk sie nicht errieth,

Da es vom Lande Kornwall schied.

Daher war ihnen gar nichts kund,

Und wußten sie nicht, daß er war wund.

Denn hätten sie dort befunden

Etwas von seiner Wunden,

So wohl, als ihnen war bekannt,

Wie's mit den Wunden war bewandt,

Die Morold mit dem Schwerte schlug,

Das er in allen Nöthen trug,

Es wäre fürwahr Tristanden nie

Ergangen, wie es ihm ging allhie.

Nun aber half's ihm aus der Gefahr,

Daß er so vorbedächtig war.

Hie mag ein Mann erkennen dran

Und lernen wohl, wie oft ein Mann

Das, was er vorbedächte,[89]

Zu gutem Ende brächte,

Wenn er auf seiner Stätte

Scharfsinn und Fürsicht hätte.


Die weise Irenkönigin,

Die wandte allen ihren Sinn

Und allen ihren Witz daran,

Wie sie errette einen Mann,

Um dessen Leib und Leben

Sie hätte so gern gegeben

Ihr Leben und ihre ganze Ehr.

Ja, ihn zu hassen war sie noch mehr

Bedacht, als sich zu minnen;

Und was sie doch konnte ersinnen,

Das ihm zu Lindrung, Frommen

Und mochte zum Heile kommen,

Auf solches wandte sie spät und früh

Alle Bedachtsamkeit und Müh.

Da war nun eben kein Wunder dran:

Ihr Feind war ihr ein fremder Mann.

Ja, wär ihr gethan zu wissen,

Für wen sie war beflissen,

Und wem sie half aus Todesnoth,

Es wäre ihr ärger denn der Tod,

Den sie ihm hätte gegeben

Viel lieber, denn das Leben;

Nun wußte sie aber nichts als Guts

Und war ihm guten und holden Muths.


Wollte ich euch nun sagen viel

Und Reden machen ohne Ziel

Von meiner Frauen Meisterschaft,

Wie wunderbare gute Kraft

In ihren Arzeneien war

Und ihren Siechen neu gebar,

Was hülfe es und was sollte das?

In edlen Ohren lautet baß

Ein Wort, das ziemt und lieblich stimmt,

Denn was man aus der Büchsen nimmt.

So weit ich's kann bedenken und fassen,

Will ich das immer unterlassen,

Daß ich euch Worte sollte sagen,

Die euren Ohren mißbehagen

Und eurem Herzen widerstehn.

Eh rede ich, will's nicht anders gehn,

Desto minder von einer Sache,

Eh daß ich euch die Märe mache

Unleidlich zu irgend einer Frist

Mit Rede, die nicht des Hofes ist.

Von meiner Frauen Kunde,

Und wie da genas der Wunde,

Will ich euch kürzlich sagen:

Sie half ihm in zwanzig Tagen,

Daß man sein allerwärts war froh

Und Niemand ihn ob der Wunde floh,

Der irgend wollte zu ihm hin.


Seit ging die junge Königin

Allzeit bei ihm in seine Lehr;

An diese wandte er gar sehr

Seinen Fleiß und seine Stunden;

Das Beste von seinen Kunden,

So Bücherlehre als Saitenspiel,

Was ich nicht alles erzählen will,

Das legte er ihr besonders für,

Daß sie nach ihrer eignen Kür

Zur Lehre daraus nähme,

Was ihr zu Fuge käme.

Auch war die schöne Isold zur Hand:

Das Beste, das sie allda fand

Unter seinen Künsten mannigfalt,

Dem unterzog sie sich alsbald

Und wandte auch Fleiß bei allem an,

Was sie je in der Welt begann.

Auch half ihr nach Begehre

Ihre frühere Lehre:

Sie hatte Kunst und Art und Fug

Und höfische Sitten eh genug,

Und was man kann mit Mund und Hand;

Die schöne Jungfrau, sie verstand

Ihre Develiner Sprache fein,

Konnte franzois und auch latein,

Konnte fiedeln zu Preise

In welscher Art und Weise.

Ihre Finger, die konnten,

So wie sie es begonnten,

Viel wohl die Leier rühren

Und auf der Harfen führen

Die Saitentöne mit Gewalt;

Bald stieg sie auf und nieder bald

Mit den Noten kunstreich und geschwind.

Auch sang das selige Mutterkind

Süß und wohl mit dem Munde:[90]

Und doch bei aller Kunde

Sollte ihr stets zum Frommen

Ihr Meister, der Spielmann, kommen;

Der besserte sie gewaltig da.


Zu diesen Lehren es geschah,

Daß er ihr eine neue las,

Die nennen wir Moralitas:

Die Kunst, die lehret schöne Sitten;

Da sollte man jede Fraue bitten,

Daß sie dran ihre Jugend kehre.

Moralität, die süße Lehre,

Die ist glückselig und ist rein.

Ihre Gebote sind gemein

So mit Gott als auch mit der Welt;

Denn sie sind also dargestellt,

Daß wir Gott und der Welt gefallen;

Sie ist den edlen Herzen allen

Zu einer Amme mitgegeben,

Daß sie ihre Nahrung und ihr Leben

Suchen in ihrer Lehre:

Sie haben nicht Gut noch Ehre,

Wenn nicht Moralität sie weist.

Das war ihre Unmuße meist,

Ich meine die junge Königin:

Damit ergötzte sie ihren Sinn

Und ihre Gedanken oft und viel.

Ihre Sitte ward in diesem Spiel

Löblich, und schön und rein ihr Muth,

Ihre Gebärden süß und gut.


So kam die süße junge Maid

Zu Besserung und Vollkommenheit

An Lernen und Sitte wunderbar

In jenem einzigen halben Jahr,

Daß von ihrer herrlichen Art

Das ganze Land erfüllet ward;

Auch gewann ihr Vater auf seinem Thron,

Der König, große Lust davon,

Und ihre Mutter ward sehr froh.

Nun fügte es sich oftmals so,

Wenn ihr Vater war freudehaft,

Oder wenn fremde Ritterschaft

Bei dem Könige war zu Gast,

Daß Isolde in den Palast

Für ihren Vater ward besandt,

Und was der Holden war bekannt

Von schönen Sitten und höfischen Kunden,

Damit verkürzte sie ihm die Stunden

Und mit ihm Manchem, den er lud.

Und ward der Vater frohgemuth

Von ihr, das freute alle gleich:

Denn Hoch und Nieder, Arm und Reich,

Sie hatten an ihr beide

Eine selige Augenweide,

Der Ohren und des Herzens Lust;

Außer und innerhalb der Brust

War ihre Lust die Holde.

Die süße reine Isolde,

Sie sang, sie spielte, sie las, sie schrieb,

Und was Allen war werth und lieb,

Das war ihre Lust, das freute sie.

Sie fiedelte ihre Stampenie,

Leiche und fremde Nötelein,

Die nimmer fremder konnten sein,

Darin sie Monjoye Saint Denis

In der Weise von Frankreich pries;

Da konnte sie aus der Maßen viel.

Ihre Leier und ihr Harfenspiel

Schlug sie zu beiden Seiten hin

Mit Händen, weiß wie Hermelin,

Zu seltnem Lob und Preise gut.

Nicht in Thamise, noch in Lut

Schlugen der Frauen Hände nie

Die Saiten süßer an, denn hie.

La duze Isot, la bele,

Sang ihre Pasturele,

Rotruwange, Rundate,

Schanzune, Refloit, Folate,

Wohl, wohl, ja wohl und allzu wohl;

Denn von ihr ward manch Herze voll

Mit sehniglichem Trachten,

Mit Denken und mit Achten:

Gedanken wurden fürgebracht

Und viel und wundersam gedacht,

Wie ihr wohl wisset, daß geschieht,

Da man ein solches Wunder sieht

Von Schönheit und von höfischer Art,

Wie an Isolden geoffenbart.


Wen soll ich ihr vergleichen,

Der schönen, freudenreichen,

Als der Sirenen eine,[91]

Die mit dem Magnetensteine

Die Kiele ziehen her zu sich.

So zog Isolde, dünket mich,

Viel Herzen und Gedanken ein,

Die doch wähnten bewahrt zu sein

Vor dem sehnenden Leide.

Es sind auch diese beide,

Kiel ohne Anker und sehnender Muth,

Eins in des andern Maße gut.

Sie sind so selten beide

Auf richtiger Wegescheide,

So oft auf ungewissem Meer;

Da wanken sie beide hin und her

Und treiben vor der Fluthen Stoß.

So schwebet der Wille steuerlos,

Der ungewisse Minnenmuth,

Recht wie das Schiff ohn Anker thut,

In ebengleicher Weise.

Die gefüge Isold, die weise,

Die junge süße Königin,

So zog sie die Gedanken hin

Aus manches Herzens Schiffe,

Wie der Magnet zum Riffe

Die Barken mit Sirenensang.

Ihr Sang in manches Herze drang

So laut und offen durch das Ohr,

Als heimlich durch der Augen Thor.

Der offene Sang, der laute,

Der alle Welt erbaute,

Das war ihr süßes Singen,

Ihr liebliches Saitenklingen,

Das laut zu offnen Thoren

Durchs Königreich der Ohren

Hernieder in die Herzen klang.

Dagegen war der geheime Sang

Ihre wundersame Schöne,

Die da mit Lustgetöne

Gar leise und gar sänftiglich

Durch die Fenster der Augen schlich

In manches edlen Herzens Schrein

Und brachte den Zauber mit hinein,

Der den Gedanken Netze spann

Und fing und fesselte sie an

Mit Sehnsucht und mit sehnender Noth.

So hatte sich die schöne Isot

Durch Tristans Fleiß in Kunst und Lehr

Gebessert und gewitzigt sehr.

Sie war geworden süßgemuth,

Von Sitte und Gebärde gut,

Konnte manch schönes Saitenspiel,

Schöner Geschicklichkeiten viel,

Briefe und Schanzune dichten,

Ihre Dichtung sichten und schlichten,

Sie konnte schreiben und lesen.

Auch war Tristan genesen

Und war geheilet ganz und gar,

So daß ihm Haut und Farbe klar

Und wieder rein zu werden begann.

Nun lag ihm die Furcht allstündlich an,

Daß einer den Feind erfinde

Vom Landvolk oder Gesinde,

Und war er in stetem Sinnen,

Mit welcherlei Beginnen

Er seinen Urlaub nähme

Und aus den Sorgen käme,

Da er wohl wußte in seinem Sinn,

Die alte noch junge Königin

Würden ihm nicht leicht Urlaub geben.

Nun bedachte er aber, daß sein Leben

Zu jeder Zeit und allestund

In großer Ungewißheit stund.

Er ging zur Königin Isold

Und begann allda gar schön und hold

Seine Rede zu stellen, Wort für Wort,

Wie er auch thät an jedem Ort;

Er kniete für sie hin und sprach:

»Fraue, die Gnade und das Gemach

Und die Hilfe, so Ihr mir habt gethan,

Die lasse Euch wiederum Gott empfahn

Zu Lohn in seinem ewigen Reich!

Fraue, Ihr habt so wundergleich

An mir gehandelt und also wohl,

Daß Euch's Gott immer lohnen soll,

Und daß ich's immer verdienen will

Bis hin an meines Lebens Ziel,

Wie ich und wo ich armer Mann

Eur Lob und Ehre fördern kann.

Selige Königin, wollt verzeihn,

Es möge mit Euren Hulden sein,

Daß ich heimfahre in mein Land,

Denn meine Sachen sind so bewandt,

Daß ich nicht länger bleiben kann.«[92]

Die Königin, die lachte ihn an:

»Dein Schmeicheln,« sprach sie, »hat kein Gewicht,

Ich gebe dir den Urlaub nicht,

Und kommst du von hinnen nicht fürwahr,

Ehe daß um ist dies ganze Jahr.« –

»Nicht also, edle Königin!

Fraue, nehmet in Euren Sinn,

Wie's um die Gottesehe

Und Herzensliebe stehe.

Ich habe daheim ein ehlich Weib,

Die minn ich wie meinen eignen Leib

Und weiß, die glaubt mit Zuversicht

Und hat auch keinen Zweifel nicht,

Ihr Mann, der sei gewißlich todt;

Das ist meine stete Angst und Noth:

Wird sie einem andern Mann gegeben,

So ist mein Trost und ist mein Leben

Und alle meine Freude hin,

Darauf ich harrend und hoffend bin,

Und werde ich nimmer wieder froh.« –

»In Treuen,« sprach sie, »und steht es so,

Tantris, die Noth ist ehehaft.

Also gethane Genossenschaft,

Die darf kein Guter scheiden.

Gott, der gnade euch Beiden,

Deinem Weib und so auch dir.

Wie ungern ich dich lasse von mir,

Doch will ich dein um Gott entbehren.

Den Urlaub muß ich dir gewähren

Und bin dir willig und bin dir hold.

Ich und mein Töchterlein Isold,

Wir geben dir auf die Reise

Zu deines Leibes Speise

Zwo Mark von rothem Golde:

Die nimm dir von Isolde.« –

Da hielt er ohne Ende

Gefalten seine Hände

(Des Leibes und der Sinnen)

Den beiden Königinnen,

Der Mutter und der jungen Magd:

»Euch Beiden,« sprach er, »sei gesagt

Viel Gottesdank und Huld und Ehr.« –

Und blieb auch da nicht länger mehr:

Er fuhr von dannen nach Engelland,

Von wannen er alsbald gewandt

Gen Kornwall seine Barke.

Nun daß sein Oheim Marke

Und all das Landvolk da vernahm,

Daß er genesen wiederkam,

Da waren sie männiglich also

Recht und von ganzem Herzen froh,

Daß Freude war im ganzen Reich.

Der König, sein Freund, der fragte ihn gleich,

Wie ihm's ergangen wäre;

Da sagte er ihm die Märe,

So gut er konnte, zur selben Stund

Von oben hin bis auf den Grund.

Das nahm sie auch Alle Wunder

Und begannen jetzunder

Zu scherzen und zu lachen,

Groß Gelächter zu machen

Von seiner Fahrt gen Irenland,

Und wie ihn seiner Feindin Hand

So lustig hieß genesen,

Und von allem dem Wesen,

Wie er sich gehabte und gedieh.

Sie sagten, sie hätten vernommen nie

Ein Ding so fremd und wunderbar.


Nun dies alles geschehen war,

Daß seine Genesung und Reise

Belacht war laut und leise,

Da begannen Mann und Magen

Nach der Magd Isold zu fragen.

»Isolde,« sprach er, »ist eine Magd:

Was alle Welt von Schönheit sagt,

Das ist dawider wie ein Wind.

Die lichte Isolde, die ist ein Kind

Von Gebärden und von Leibe,

Daß Kind, noch Magd vom Weibe

So herrlich und auserkoren

Nie ward, noch wird geboren.

Die lautere, die lichte Isold

Ist lauter wie arabisch Gold.

Was ich zu wähnen mich je vermaß,

Wie ich es in den Büchern las,

Die ihr zu Lobe geschrieben sind, –

Aurorens Tochter und ihr Kind,

Tyndarides die werthe,

Die ich bis dahin ehrte,

Daß sie die Schönheit aller Frauen

In Einer Blume gab zu schauen,[93]

Von solchem Wahne bin ich kommen:

Isold hat mir den Wahn benommen.

Ich muß ab von dem Glauben stehn,

Die Sonne komme von Myzen;

Gänzliche Schöne ertagete nie

Zu Griechenland: sie taget hie.

Jeder Gedanke und jeder Mann,

Die schauen alle nur Irland an;

Da schöpfen die Augen Wonne,

Sehn, wie die neue Sonne

Nach ihrem Morgenrothe,

Isolde nach Isote,

Aufging daher von Develin

Und morgenlich in die Herzen schien.

Die Wonnige, Sonnengleiche

Erleuchtet alle Reiche.

Was sie da Lob von Weibern sagen,

Was sie mit Lobe zu Mären tragen,

Das gilt dawider alles nicht.

Wer Isolden schaut ins Angesicht,

Dem läutert das Schauen Herz und Muth,

Recht wie die Gluth dem Golde thut,

Und macht ihm heimisch Seel und Leib.

Doch ist durch sie kein ander Weib

Gedämpfet, noch vernichtet,

Wie Mancher Mären dichtet:

Ihre Schöne verschönet,

Sie zieret und sie krönet

Frauen und Frauenwürde:

Drum sei sie keiner zur Bürde!« –


Nun Tristan hatte angesagt

Von seiner Frauen, der schönen Magd,

Der wonniglichen von Irenland,

Nach dem, wie es ihm war bekannt,

Versüßte Jedem, der da saß

Und sie recht in sein Herze las,

Die Märe das Gemüthe,

Wie Maienthau die Blüthe:

Sie gewannen Alle sanften Muth.

Quelle:
Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde. Stuttgart 1877, S. 81-94.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Tristan und Isolde
Tristan und Isolde: Teil 1
Tristan und Isolde: Teil 2
Tristan und Isolde (Sammlung Goschen)
Die Geschichte der Liebe von Tristan und Isolde
Tristan und Isolde

Buchempfehlung

Anonym

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Das chinesische Lebensbuch über das Geheimnis der Goldenen Blüte wird seit dem achten Jahrhundert mündlich überliefert. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Richard Wilhelm.

50 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon