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[153] In diesen selben Zeiten
Hatte Tristan einen Gesellen gut,
Der war ein Baron von edlem Blut,
Des Königes Landsäße,
Sein oberster Truchsäße
Und war geheißen Mariodo.
Derselbe war Tristandens froh,
Trug ihm Freundschaft und Minne
Um die süße Königinne:
Der trug er heimlichen Liebesmuth,
Wie mancher Mann mancher Frauen thut,
Da sie sich wenig kehrt daran.
Derselbe Truchseß und Tristan,
Die Zween hatten unter ihnen zwein
Herberge und Schlafgemach gemein
Und waren gerne so gepaart;
Und war es des Truchsäßen Art,
Weil Tristan schöner Mären pflag,
Daß er ihm Nachts so nahe lag,
Daß er bequem hin zu ihm sprach.
Nun geschah es einst im Schlafgemach,
Da hatte er mit Tristanden
Viel und mancher Handen
Rede und Märe getrieben
Und war dann schlafen blieben.
Tristan, der Knecht der Minnen,
Stahl heimlich sich von hinnen
Auf seine Fahrt und Weide,
Zu manchem Herzeleide
Ihm selber und der Königin.
Da er hinging mit sichrem Sinn
Und fürchtete keine Tücke,
Da hatte das falsche Glücke
Seine Schlingen, Mühsal und Verrath
Geleget an denselben Pfad,
Den er zu Isolden freudiglich
So manche liebe Stunde schlich:
Der war in jener Nacht beschneit.
Auch schien der Mond zu jener Zeit
Viel licht und leider viel zu klar.
Tristan sah keinerlei Gefahr,
Ging achtlos und in blinder Ruh
Seinem heimlichen Ziele zu,
Das ihm von seiner Königin
Gesetzt war und beschieden drin.
Nun er zur Kemenaten kam,
Brangäne ein Schachzabel nahm
Und lehnte solches vor das Licht.
Da vergaß sie, wie, das weiß ich nicht,
Daß sie die Thür am Gemache schloß,
Und kehrte zu Bette sorgenlos.
Dieweil und aber das geschah,
So lag der Truchseß und ersah
In seinem Traume, da er schlief,
Einen Eber, der aus dem Walde lief
Gar gräulich und gar grauensam;
Auf des Königes Hof er kam,
Schäumend, die Hauer wetzend
Und sich zu Streite setzend
Wider alles, das er allda fand.
Nun kam gelaufen allzuhand
Von Hofgesind eine große Kraft;
Da lief gewaltige Ritterschaft
Um diesen Eber hin und her,[153]
Und war doch Niemand in dem Heer,
Der ihn zu bestehen wagte.
So schoß er fort und jagte
Durch den Palast mit Grunzen dar,
Da Markes Kemenate war:
Da brach er zu der Thüren ein,
Und das sein Bette sollte sein,
Dasselbe zerwarf er hin und her,
Mit seinem Schaum besudelte er
Bett, Tücher und all das Geräth,
Das man an Königsbetten späht.
Dies sahen alle die Mannen,
Und trieb ihn keiner von dannen.
Nun Mariodoc erwachet war,
Nahm er im Herzen des Traumes wahr
Und war ihm wunderlich zu Sinn.
Da rief er nach Tristanden hin
Und wollte ihm sagen Märe,
Was ihm begegnet wäre.
Doch ihm antwortete Niemand dort.
Nun rief er fort und immerfort
Und reichte auch mit Händen dar;
Und als er da nichts ward gewahr
Und auch Niemand im Bette fand,
Argwöhnte Mariodoc zuhand,
Er hätte heimliche Nachtarbeit;
Aber von seiner Heimlichkeit
Mit Isolden, der Königin,
Davon kam ihm nichts in den Sinn;
Der Wahn, der blieb ihm noch gespart;
Doch faßte er ob der verstohlnen Art
Ein Zörnlein, wie man's bei Freunden findt:
»Ich wähnte, er wäre mir baß gesinnt,
Als daß er mich ließe zur Seiten
Bei seinen Heimlichkeiten.«
Mariodoc stund auf zuhand
Und legte an sich sein Gewand.
Er schlich viel leise hin zur Thür
Und lugete mit Fleiß herfür
Und sah davor Tristandens Tritt.
Da folgte er den Spuren mit
Hin durch ein kleines Baumgärtlein.
Auch leitete ihn der Mondenschein
All über Schnee und Wiese dar,
Da Tristan hingegangen war,
Bis an der Kemenaten Thür.
Da stund er mit bangem Sinn dafür
Und mißfiel ihm auch allzuhand,
Daß er die Thür so offen fand.
So trachtete er da lange
Nach seines Freundes Gange,
Bedachte Bös und Gutes:
Jetzo war er des Muthes,
Tristan, der wäre geschlichen ein
Aus Liebe zu einem Jungfräulein;
War aber sein Wahn also gethan,
So kam ihm allzuhand der Wahn,
Tristan, der wäre drinne
Aus Liebe zur Königinne.
Der Wahn, der ging ihm her und hin.
Zuletzt ermannte er seinen Sinn
Und schlich gar leis und still hinein,
Fand weder Licht, noch Mondenschein,
Als von der Kerze, die da brann,
Kam ihn ein kleiner Schimmer an:
Da lehnte ein Schachzabel vor.
So ging er immerfort empor,
Tastend mit den Händen
An Mauern und an Wänden,
Bis er zu ihrem Bette kam,
Sie beidesammt darin vernahm
Und hörte all ihre Gelegenheit.
Dasselbe war ihm innig leid
Und that ihm in dem Herzen weh:
Er hatte stets zu Isolden eh
Liebe und holden Muth gehegt:
Nun war das alles unterlegt
Mit Hasse und mit Leide.
Er hatte um sie da Beide,
Haß und Leid, Leid und Haß:
Ihn mühte dies, ihn mühte das:
Er konnte sich nicht berichten,
Wie er bei diesen Geschichten
Sich hielte und benähme,
Daß er zurechte käme.
Ihn reizte Haß, ihn reizte Leid
Ob der großen Ungebührlichkeit,
Daß er ihr Ding lautbarte,
Der Beiden nimmer sparte.
So zog ihn aber Tristan ab,[154]
Dazu die Furcht, die ihm Warnung gab,
Würd er sich gegen ihn wenden,
Es möchte bitter enden.
So machte er, daß er die Thür gewann,
Und legte sich als ein verstörter Mann
Wieder zu Bette nieder.
Bald kam auch Tristan wieder:
Viel leise er in sein Bette stieg.
Der Eine schwieg, und der Andere schwieg,
Sprach ihrer Keiner kein Wörtlein da,
Was ihnen doch selten eh geschah
Und wahrlich kaum zu einer Zeit.
An dieser Fremde und Schweigsamkeit
Ward Tristan gar wohl inne,
Daß er etwas von Minne
Argwöhnen müsse in seinem Muth,
Und war nun mehr auf seiner Hut
Und wachte über jede
Gebärde und jede Rede
Mehr, denn er je vor diesem that.
Nun war es aber schon zu spat:
Nun redten die stillen Thaten:
Das Spiel, das war verrathen.
Der neidische Mariodoc, der kam,
Den König leise bei Seite nahm
Und sagte ihm, daß eine Märe
Am Hof entsprungen wäre
Von Isolden und Tristanden,
Die da Leuten und Landen
Schlecht zu Gesichte stehe
Und seiner Ehre und Ehe
Schmerzlich zu nahe trete,
Und daß er wohl dran thäte,
Auf einen Rath zu denken,
Um solches abzulenken.
Doch daß ihm die wahre Geschichte kund
Von Anfang war bis auf den Grund,
Von solchem sagte er ihm nichts an.
Der treue Marke, der beste Mann,
Der faltenlose König,
Der wunderte sich nicht wenig
Und folgte dem Rathe gar nicht gern,
Daß er seiner Freuden Leitestern,
Der ihm an Isolden funkelte,
Je trübte und verdunkelte
Mit Argwohn einer bösen That.
Doch trug er's im Muthe früh und spat
Mit Sorge und mit Trauer
Und war stets auf der Lauer
Allzeit und alle Stunden,
Ob etwas zu erkunden
Und zu beweisen wäre.
Ihre Gebärde und Märe
Bemerkte er mit Fleiße
Und konnte auf keine Weise
Sie schuldig sehen noch umgarnt;
Denn Tristan hatte sie gewarnt
Und kund gethan Isolden
Den Argwohn des Unholden.
Jedoch versuchte es Marke sehr,
Legte die Schlingen hin und her
Und lauerte so Nacht als Tag.
In einer Nacht, da er bei ihr lag
Und unter sich die Gatten
Ihre Wechselrede hatten,
Da richtete er einen Strick
Schlang ihn mit List und mit Geschick
Und legt ihn der Königinne
Und fing sie auch darinne.
»Nun, Fraue,« sprach er, »saget mir,
Wie dünket Euch, wie rathet Ihr?
Ich will in kurzen Zeiten
Auf eine Wallfahrt reiten
Und bin vielleicht lang unterwege:
In wessen Hut und wessen Pflege
Geb ich Euch all die Weile hin?« –
»Gott segne,« sprach die Königin,
»Aus was für Sorge fragt Ihr das?
In wessen Pflege wär ich baß
Mit Euren Leuten und Eurem Land
Als wie in Eures Neffen Hand,
Der unser so wohl pflegen kann?
Das ist Euer Schwestersohn Tristan:
Der ist ja mannhaft und ist weis
Und wohlbedächtig alleweis.«
Die Rede ließ in Marken
Den Argwohn wachsen und starken;
Es klang ihm übel und that ihm weh.
Er hütete ihrer mehr denn je[155]
Und mehrte von Tag zu Tage
Seine Warte und Lage
Und that auch seinen leiden Fund
Dem leidigen Truchsäßen kund.
Zur Stund antwortete Mariodo:
»Nun wahrlich, Herre, ihm ist also:
Ihr mögt hie merken selbst daran,
Daß sie sich nicht verhehlen kann
Mit ihrer großen Minne:
Ihr seid ja ohne Sinne,
Wenn Ihr ihn leidet noch eine Frist.
So lieb Euch Weib und Ehre ist,
So leidet ihn nicht länger mehr.«
Dies quälte und mühte Marken sehr:
Der Argwohn, der den Neffen
Sollte so feindlich treffen,
Schlug ihm stets neue Wunden,
Da er ihm unerfunden
Und unbetroffen zu jeder Zeit
Auf Untreu war und Betrüglichkeit.
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