Trug wider Trug.

[156] Die überlistete Königin,

Die ging in großen Freuden hin

Und sagte Brangänen lachend,

Freudengebärden machend,

Von ihres Herren Pilgerfahrt

Und auch, wie sie gefraget ward,

In wessen Pflege sie wollte sein.

Brangäne sprach da: »Fraue mein,

Lüget mir nicht und saget mir,

So helfe Euch Gott, wen begehrtet Ihr?«

Isolde sagte ihr jedes Wort,

Recht wie es war gesprochen dort. –

»Ach,« sprach Brangäne, gar nicht froh,

»Thörige, warum spracht Ihr so?

Alles, was da geredet ist,

Das höre ich wohl, das ist eine List,

Und weiß für wahr, daß diesen Rath

Der Truchsäß angezettelt hat.

So will man Euren Sinn erfahren.

Ihr müßt Euch fürder baß bewahren.

Wird er's nochmals erwähnen,

So folget nur Brangänen:

Thut, wie ich lehre, und also sprecht.«

Da lehrte sie ihre Frauen recht,

Was Antwort und was Märe

Gut wider die Liste wäre.


Da war nun Marke indessen

Beschweret und besessen

Von zweier Arten Leide:

Ihn leideten da beide,

Der Argwohn, den er wußte

Und den er haben mußte:

Er wußte von der Frauen,

Er dürfe ihr nicht vertrauen;

Er zweifelte an dem Neffen,

Den er nicht konnte betreffen

Auf irgend einer Lüge,

Die seine Treue schlüge.

Sein Freund Tristan, seine Frau Isot,

Die Zwei, die waren seine größte Noth,

Sie nahmen ihm Herz und Sinn dahin.

Er sah auf sie, er sah auf ihn

Und bezweifelte Beide.

Dem zwiefältigen Leide

Ging er nun so in vollem Schritt

Recht nach der Art der Zweifler mit:

Denn so er an der Schönen

Wollte der Liebe fröhnen,

Gebot ihm der Argwohn abzustehn;

Dann wollte er nach der Wahrheit gehn

Und folgen dem Zweifel auf seiner Jagd:

Da war ihm die Wahrheit auch versagt;

So that ihm aber der Zweifel weh:

Nun stand es wieder recht wie eh.


Was mag auch der Liebe näher gehn,

Denn Zweifel und Argwohn, diese zween?[156]

Was ängstigt liebegehrenden Muth

So schmerzlich, wie der Zweifel thut?

Damit weiß er nicht, wohin er soll:

Denn jetzo möchte er schwören wohl,

Von einem Fehl bethöret,

Den er sieht oder höret,

Er wäre auf dem Grunde;

Da vergeht keine Stunde,

So wird all das zunichte,

Und kommt ihm zu Gesichte

Etwas, das neuen Zweifel bringt,

Darin er sich aber verwirrt und ringt.

Es ist ein gar unweiser Muth

(Nur daß die ganze Welt es thut)

Und eine Sitte sehr verkehrt,

Daß man bei Liebe Zweifel nährt;

Denn Keinem ist wohl mit einem Lieb,

Dessen er niemals sicher blieb.

Noch mehr ist aber mißgethan,

Wenn Einer den Zweifel und den Wahn

Bis zur Gewißheit bringet;

Denn wenn er das erringet,

Daß er bewährt den Zweifel weiß,

So ist ihm all sein vordrer Fleiß,

Zu birschen auf die Grundwahrheit,

Der ist ihm dann ein Herzeleid

Vor allem Herzeleide.

Die vördern Uebel beide,

Die ihm beschwerten eh den Muth,

Die däuchten ihm dann wieder gut:

Möcht er sie haben, er nähm sie an,

Nähm wieder den Zweifel und den Wahn,

Daß er der wahren Märe

Für immer entledigt wäre.


So kommt's, daß Uebel Uebel bringt,

Bis daß das Aergere draus entspringt:

So dieses dann noch weher thut,

So däuchte übel wieder gut.

Wie schwer an Liebe Zweifel sei,

Er wohnt ihr doch so schwer nicht bei,

Daß man ihn nicht um vieles baß

Erlitte, denn den bewährten Haß.

Auch mag's Niemand vermeiden:

Liebe muß Zweifel leiden.

Zweifel muß bei der Liebe sein:

Er ist's, von dem sie muß gedeihn.

Dieweil und sie den Zweifel hat,

Dieweil mag ihrer werden Rath.

So aber die Wahrheit ihr wird kund,

Zuhand so geht ihr Kiel zu Grund.


Auch hat die Liebe einen Brauch,

Damit sie sich oft und meistens auch

Verirret und verwirret. Seht,

Wenn alles nach ihrem Willen steht,

So will sie nicht Ruh noch Stete wahren,

So läßt sie gar zu gerne fahren;

Und wo sie den Zweifel wird gewahr,

Da ist ihr Noth, da eilt sie dar

Und will nicht aus dem Spiele sein;

Dem irrt sie lauernd hintendrein;

Und strebt ihm viel mehr darum nach,

Daß sie erfahre Leid und Schmach,

Denn um die Lust, die sie daran

Erfinden und genießen kann.

Und diesem sinnenlosen Brauch,

Dem diente Marke gänzlich auch:

Er wandte früh, er wandte spat

All seinen Sinn an solchen Rath,

Damit er den Zweifel und den Wahn

So gerne hätte hingethan,

Und hätte mit der Grundwahrheit

Auf seine Schmach und sein Herzeleid

So gerne hingegraben:

Das wollte er gänzlich haben.


Aber in einer Nacht kam's so,

Wie er es und Mariodo

Zusammen hatten ausgedacht,

Daß er Isolden mit schlauer Acht

Begann wieder nachzutrachten

Und sie mit ausgedachten

Listen wollte erforschen baß.

Da verkehrte sich aber das:

Den Strick, den er ihr machte,

Zu ihrem Schaden erdachte,

Denselben nahm die Königin

Und fing ihren Herrn den König drin

Mit ihrer Brangänen Lehren.

Da half Brangäne wehren,

Da frommte den Beiden zumal, daß List[157]

Je wider List gesetzet ist.

Der König, der nahm die Königin

Gar nahe an sein Herze hin

Und küßte sie zu mancher Stund

Auf die Augen und auf den Mund:

»Schöne,« begann er, »nun ist mir

Nichts herzlich auf Erden lieb, denn Ihr:

Daß ich von Euch nun scheiden soll,

Das wisse Gott im Himmel wohl,

Das nimmt mir allen meinen Sinn.«


Da ließ die gewitzte Königin

Witz gegen Witz zu Felde ziehn;

Mit Seufzen sprach sie wider ihn:

»O weh mir, inniglich o weh!

O weh! nun wähnte ich doch eh,

Daß diese verwünschte Märe

Scherzlich gesprochen wäre:

Nun höre ich und weiß es wohl,

Daß es zum Ernste kommen soll.« –

Da hub sie an zur Stunde

Und ließ mit Augen und Munde

Schmerzliche Klage erscheinen,

Begann so kläglich zu weinen,

Daß sie dem herzensguten Mann

All seinen Zweifel abgewann,

So daß er an der Stätte

Ihren Ernst beschworen hätte.

Denn an den Frauen allen

Ist weiter nichts von Gallen

(Wenn man nach ihrem Munde spricht),

Und haben keine Falschheit nicht,

Noch Trug, noch Uebelmeinen,

Als daß sie können weinen

Ohne Gedanken und Sinn und Muth

So oft, als ihnen dünket gut.


Sie weinte da stark vor Marke.

Marke, der glaubensstarke,

»Schöne,« sprach er, »saget mir,

Was wirret Euch, was weinet Ihr?« –

»Ich mag wohl weinen,« sprach Isot:

»Klag ich, so thut es mir wohl Noth.

Ich bin ein arm verlassen Weib

Und habe nichts als diesen Leib

Und Sinne, so viel mir gegeben sind,

Und hab all das gesetzt so blind

An Euch und Eure Minne,

Daß ich in meinem Sinne

Nichts kann auf Erden meinen,

Noch minnen, denn Euch Einen.

Mir ist nichts herzlich lieb, denn Ihr,

Und muß nun sehen, daß Ihr mir

So holdes Herz nicht traget,

Als Ihr gebaret und saget.

Daß Ihr den Muth gewannet je,

Dahin zu fahren und mich in Weh

In dieser Fremde zu lassen,

Daraus kann ich wohl fassen,

Daß ich meinem Herrn viel unwerth bin:

Deß soll mein Herze und mein Sinn

Viel selten fröhlich werden mehr.«


»Warum doch, Schöne, warum?« sprach er:

»Nun habet Ihr doch zu Eurer Hand

Beide, die Leute und das Land:

Das alles ist Euer und ist mein,

Darüber sollt Ihr Gebietrin sein,

Das soll zu Eurem Gebote stehn:

Was Ihr gebietet, das ist geschehn.

Und bin ich unterwegen,

Dieweil muß Euer pflegen,

Der Euer so wohl pflegen kann,

Mein Neffe, der höfische Tristan;

Der ist bedächtig, weise

Und fleißet sich alle Weise,

Wie er Euch Freude und Ehre

Mache und immer mehre.

Demselben vertraue ich also wohl,

Als ich von ganzem Rechte soll.

Dem seid Ihr lieb: so bin auch ich:

Der thut es um Euch und auch um mich.«


»Herr Tristan?« sprach die schöne Isot:

»Fürwahr, da wollte ich gerner todt

Und wollte lieber begraben sein,

Eh daß ich mit dem Willen mein

In dieses Mannes Pflege wär!

Der Schleicher und der Schmeichler der!

Der ist mir zu allen Zeiten

Gleißnerisch an den Seiten

Und geht mir immer schmeichelnd bei[158]

Und schwört, wie lieb daß ich ihm sei.

Jedoch weiß Gott wohl seinen Muth,

In welchen Treuen er es thut;

Auch weiß ich's selber wohl genug:

Weil er mir meinen Oheim schlug

Und fürchtet nun den Haß an mir.

Aus dieser Furcht, das glaubet mir,

Folgt er mir immer streichelnd

Und heuchelnd nach und schmeichelnd

Mit trügerischen Sinnen

Und wähnt, daß solch Beginnen

Ihm bei mir gutes Wetter schafft.

Nun hat es aber arme Kraft:

Sein Schmeicheln hilft ihm klein, dem Dieb,

Und weiß Gott, wär's nicht Euch zu Lieb,

Daß ich um Euretwillen mehr

Als wegen meiner eignen Ehr

Ihm zeige ein freundliches Gesicht,

Herre, ich sähe ihn wahrlich nicht

Und nimmer mit Freundesaugen an;

Und seit ich nicht vermeiden kann,

Daß ich ihn hören muß und sehn,

So soll es aber so geschehn,

Daß meiner Lauterkeit dabei

Und meines Herzens wenig sei.

Ich hab ihn, das ist ungelogen,

Mit herzelosem Aug betrogen

Und habe mit falschem Lügenmund

Gar oft und zu viel mancher Stund

An ihn gewendet meinen Fleiß

Zum Hohn und nur in Spottesweis.

Man sagt wohl von den Frauen das,

Sie tragen des Mannes Freunden Haß:

Darum hab ich ihn manches Mal

Mit manchem trüglichen Augenstrahl,

Mit herzelosem Munde

Gebracht um manche Stunde,

Daß er wohl an der Stätte

Meinen Ernst beschworen hätte.

Herre, begebt Euch nicht daran.

Euer Neffe, mein Herr Tristan,

Der pfleget mein nicht einen Tag:

So ich's von Euch erbitten mag,

So müsset Ihr meiner unterwegen,

Mit Euren Hulden, selber pflegen.

Wohin Ihr wollet, dahin will ich,

Ihr wäret denn selber wider mich,

Oder mich hinderte der Tod.«


So spielte nun die lose Isot

Mit ihrem Herren und ihrem Mann,

Bis sie ihm spielend abgewann

Zweifel und Zorn, die beiden,

Daß er mit tausend Eiden

Geschworen hätte, sie rede treu.

Marke, der Zweifler, der war aufs Neu

Auf sichern Grund und Weg gekommen,

Die Schöne hatte ihm benommen

Beide, den Zweifel und den Wahn.

Nun war es alles wohlgethan,

Was sie dort that und sagte.

Der König, so wie es tagte,

Gab Jenem aus dem Grunde

Von ihrer Antwort Kunde

Und aller ihrer Märe,

Und daß an ihr nicht wäre

Kein Falsch, noch keine Trüglichkeit.

Und war dies dem Truchsäßen leid

Und quälte ihn im Herzen sehr;

Doch unterwies er ihn aber mehr

Und fand eine neue Schlinge,

Darin er Isolden finge.


Zu Nacht, da Marke aber lag,

Der Bettgesellschaft mit ihr pflag,

Legt er mit neuer Frage

Seine Stricke und seine Lage

Und fing sie abermals darin.

»Seht,« sprach er, »Fraue Königin,

Ich wähne, wir müssen zu Rathe gehn:

Nun laßt mich wissen und laßt mich sehn,

Wie Frauen können Lande wahren:

Fraue, ich muß vom Lande fahren,

Ihr aber müßt verbleiben hier

Bei meinen Freunden, die kennet Ihr.

Es sei ein Mann, es sei ein Mag,

Der irgend mir Gutes gönnen mag,

Er muß Euch frommen und muß Euch ehren,

Wie Ihr es wollt an ihn begehren.

Und wer Euch nicht dazu mag taugen

Und ist nicht lieb in Euren Augen

Unter Frauen und Mannen,[159]

Die scheidet alle von dannen.

Ihr sollt mir wider Euren Muth

So an den Leuten als am Gut

Nichts hören oder jemals sehn,

Daran Euch möge Leid geschehn.

Ich will auch Den nicht minnen

Von Herzen noch von Sinnen,

Dem Ihr unholdes Herze tragt:

Das sei Euch hie für wahr gesagt.

Bleibet froh und wohlgemuth

Und lebet, wie Euch dünke gut.

Nun wißt Ihr meinen Willen schon.

Und seit Tristan mein Schwestersohn

Eurem Herzen beschwerlich ist,

So scheide ich in kurzer Frist

Vom Hof und vom Gesinde:

So wie ich's füglich finde,

So soll er gen Parmenien fahren

Und dort sein Eigenthum bewahren.

Das thut ihm und dem Lande Noth.«


»Dank, Herre,« sprach die blinde Isot,

»Ihr redet getreulich und redet gut:

Seit ich nun weiß an Eurem Muth,

Daß Ihr das gern entbehret,

Was mir das Herz beschweret,

So dünket auch mich recht dabei,

Was Euren Augen tröstlich sei

Und Euren Muth vergnüge,

Daß ich mich solchem füge,

Wie ich vermag aufs beste,

Und was Eure Ehr befeste,

Daß ich zu solchem früh und spat

Meine Hilfe biete und meinen Rath.

Und seht nun, Herre, was Ihr thut:

Nach meinem Rath und meinem Muth

Wird's weder heute, noch je gethan,

Daß Ihr Euren Neffen, Herrn Tristan,

Von Eurem Hofe sendet:

Denn damit wär ich geschändet.

Damit so sagte man allzuhand

So an dem Hofe, so über Land,

Ich hätte Euch gerathen das

Von wegen der Schuld und durch den Haß,

Daß er mir meinen Oheim schlug.

Da gäbe es Rede und Märe gnug,

Die mir zur Schande wäre

Und Euch zu keiner Ehre.

Ich heiß es nun und nimmer gut,

Daß Ihr's um meinetwillen thut

Und Euren Freund entehret

Oder Jemand beschweret

Und hasset durch den Willen mein,

Dem Ihr doch gnädig solltet sein.

Auch sollt Ihr Euch besinnen:

So Ihr nun kehrt von hinnen,

Wer schirmet Kornwall und Engelland?

Die stehen in eines Weibes Hand

Gar bloß vor jedem Streiche.

Wer zweier Königreiche

Wohl und nach Ehren pflegen soll,

Bedarf des Sinnes und Herzens wohl;

Nun ist in beiden Landen

Ohn meinen Herrn Tristanden

Keiner, der, laßt Ihr ihn dabei,

Euren Landen zum Frommen sei.

Ohn ihn bringt's Keiner mehr dazu,

Daß man was lasse oder thu.

Ist's, daß ein Krieg uns überzieht,

Deß man sich jeden Tag versieht

Und stündlich muß versehen,

So mag es leicht geschehen,

Daß uns mißlinget auf dem Plan:

So wird mir dann mein Herr Tristan

Unter die Augen schadenfroh

Gelegt und gerieben so und so;

Dann wird der Märe viel getrieben:

Ja, wäre Tristan hie geblieben,

Uns wäre nicht zu dieser Frist

So gar mißlungen, als es ist.

Und werden mir dann Alle

Mit Geschrei und mit Schalle

Beilegen insgemein die Schuld,

Ich hab ihn gestoßen aus Eurer Huld

Zu Eurem Schaden und meiner Pein.

Herre, besser, wir lassen's sein.

Besinnet Euch der Dinge baß,

Bedenket dies, bedenket das:

Entweder laßt mich mit Euch fahren

Oder heißt ihn die Lande wahren.

Wie ich ihm auch gesinnet sei,

Er bleibt mir doch noch lieber bei,[160]

Denn daß uns hernach ein andrer Mann

Versäume und schädige daran.«


Der König versah sich allzuhand,

Daß all ihr Herze war gewandt

Zu seines Neffen Ehren,

Und begann auch gleich zu kehren

Zum Wahn und Zweifel, wie vorher.

Nun war er aber auch noch mehr

Versunken und verfallen

In seines Zornes Gallen.


Isolde that auch Brangänen kund

Ihrer Beider Rede bis auf den Grund

Und sagte ihr wieder dies und das,

So daß sie auch kein Wort vergaß.

Brangäne war in Weh und Ach,

Daß sie so wider sich selber sprach

Und daß die Rede so verlief.

Sie las ihr einen neuen Brief,

Wie ihre Rede sollte sein. –

Nachts, da sie wiederum hinein

Zu ihrem Herrn dem König kam,

Sie ihn in ihre Arme nahm:

Sie halste und küßte ihn mit Lust,

An ihre sanfte linde Brust

Zog sie ihn lieblich nieder

Und legte ihm aber wieder

Ihr Wortnetz, Strick und Lage

Mit Antwort und mit Frage:


»Herre,« sprach sie, »saget mir

Um meinetwillen, habet Ihr

Mit rechtem Ernst das ausgedacht,

Was Ihr mir sagtet gestern Nacht

Von meinem Herrn Tristanden,

Daß Ihr ihn allzuhanden

Heimschicken wollt von wegen mein?

Möcht ich der Rede versichert sein,

Ich wollt Euch Dank und Gnade sagen

Heut und in allen meinen Tagen.

Mein Herre, ich vertrau Euch wohl,

Als ich wohl mag und als ich soll:

Doch ist es meine Furcht dabei,

Daß es nur eine Versuchung sei;

Doch wenn Ihr mich glauben ließet,

Wie Ihr es mir verhießet,

Daß Ihr mir wolltet fremden das

Und bannen, dem ich wär gehaß,

So erkennt ich an der Märe,

Daß ich Euch herzlieb wäre.

Ich hätte meine Bitte lang,

Nur daß ich's ungern that und bang,

In dieser Sache an Euch gewandt:

Denn mir ist gar zu wohl bekannt,

Was mir von ihm mag auferstehn,

Sollt er mir lange zur Seiten gehn.

Nun, Herre, nun bedenket das,

Und aber nicht durch meinen Haß:

Soll er nun dieser Lande pflegen,

Dieweil und Ihr seid unterwegen,

Und kommt nun Euch ein Unfall an,

Was leicht auf Fahrten geschehen kann,

So bringt er mich um Ehr und Land.

Nun habt Ihr es gar wohl erkannt,

Ob er mich könne kränken.

Nun sollt Ihr auch dran denken

Im Guten, wie der Freund es soll,

Und löset mich, so thut Ihr wohl,

Von meinem Herrn Tristanden:

Schicket ihn aus den Landen

Oder schaffet, daß er mit Euch fahr

Und unter der Weile mich bewahr

Der Truchsäße Mariodo.

Stünde aber Euer Muth also,

Daß Ihr mich mit Euch ließet fahren,

Ich ließe die Lande hie bewahren,

Wer da die Herrschaft nähme,

Nur daß ich mit Euch käme.

Ueber das alles so machet Ihr

Mit Euren Landen und mit mir

Recht, was Euch selber dünke gut;

Das ist mein Wille und mein Muth.

Ich steure auf nichts andres zu,

Als daß ich Euren Willen thu:

Was kümmern mich Land und Leute?

Ich lasse sie noch heute.«


So trog sie ihren Herrn und Mann,

Bis sie ihm's aber abgewann,

Daß er den Zweifel aber ließ

Und aber den Argwohn von sich stieß,[161]

Als hätte sie ungetreuen Sinn,

Und aber seine Königin

Alles Frevels und aller Schmach

Von ganzem Herzen ledig sprach.

Der Truchsäße Mariodoc,

Der war nun aber der Sündenbock,

Der mußte der Lügner heißen

Und hatte die rechten Weisen

Doch und die wahren Noten

Gesungen von Isoten.

Quelle:
Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde. Stuttgart 1877, S. 156-162.
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