[193] Uli kommt zu neuen Kühen und neuen Knechten
Unerwartet sagte Joggeli eines Morgens dem Uli: Er hätte der Sache nachgesinnet und gefunden, daß es nicht übel wäre, wenn man im Stall etwas ändere. Morgen sei zu Bern Monatmärit, und dort mache man es gewöhnlich am besten. Er solle den Zingel und den Stär nehmen und nachmittags mit ihnen fahren. Er könne über Nacht sein, wo es sich ihm schicke damit er morgens zeitlich auf dem Markte sei. Wenn ihm auf dem Markt etwas Anständiges anlaufe, so solle er es kaufen, sonst könne man am Burgdorfmaimärit sehen. Uli hatte nicht viel einzuwenden, obgleich es ihn seltsam dünkte, daß er mit zwei alten Kühen fünf Stunden weit auf den Markt fahren sollte auf die Gefahr hin, im Fall Nichtverkaufens sie nicht mehr heimbringen zu können.
Es war ein warmer Mainachmittag, Staub auf den Straßen, die Kühe des Gehens, des Sonnenscheins ungewohnt, Uli hatte Mühe mit ihnen. Doch die Kühe kannten ihn; sie sprangen nicht erschrocken, wenn er ihnen nahe kam, sie folgten ihm zutrauensvoll ohne Metzgerhund. Während er langsam ihnen den Weg zeigte, hatte er Augen für alles, an dem er vorbeikam; keine Pflanzung entging ihm, keine Hofstatt,[193] keine Einrichtung an einem Hause, und alles erwog er in verständigem Gemüte. Und wenn er nichts Besonderes bemerkte, so dachte er über die Preise nach, die er machen müsse, denn Joggeli hatte ihm durchaus nichts sagen wollen. Er solle luegen, was Kauf und Lauf sei, hatte er gesagt, und dann machen, was ihn gut düeche. Er hatte sich lange gewehrt, bis endlich die Frau sagte: »Was willst du doch da lange käre? Du hörst ja, daß er dirs überläßt; machs, so gut du kannst, und da wird es wohl gut sein.« Joggeli hatte ihm noch einige Dublonen mitgegeben, damit er mit dem Einkaufen es machen könne so gut als möglich. Da ergötzte er sich an dem Gedanken, wenn er doch die alten Kühe verkaufen könnte und junge, schöne heimbringen für das gleiche Geld und dem Joggeli seine Dublonen darzählen! Wie der Alte Augen machen würde! dachte er.
Weiter als vier Stunden kam er nicht mit seinen Kühen. Er dachte, wenn er sie heute nicht übertreibe, so komme er am folgenden Morgen um so besser vorwärts. Es war wenig Ruhe im Wirtshause; das kam und ging die ganze Nacht durch, rechtliche Leute und Hudelpack, schmutzige Juden und geizige Christen, Käufer und Verkäufer, alles im Schweiße des Angesichtes rennend und jagend gutem Glücke nach, das Vorspiel der morgigen Schlacht bereits eröffnend um die Ställe herum, in der Gaststube, ja bis in die Schlafkammern hinauf; das war ein Handeln und Märten, ununterbrochener als in einer großen Schlacht der Kanonendonner. Es war ihm nicht geheim unter diesem Volke mit seinen Dublonen im Sacke; er nahm seine Hosen unters Hauptkissen, zog ein Bein davon herab und lag darauf und schlief nur wellig. Er wollte aus den Juden heraus, die ihm schon am Abend zugesetzt hatten, und fuhr am Morgen in aller Frühe von dannen.
Der Morgen war heraufgezogen in aller Schöne, die Mattenblumen dufteten köstlich, in süßem Tau erglänzend, munter[194] und heiter wanderten er und seine Kühe in die Zukunft hinein. Nicht lange war er gegangen, so gesellte sich ein langer, hagerer Mann zu ihm, von dem er nicht wußte, wie er zu ihm kam. Alsobald begann derselbe mit ihm zu handeln um die Kühe, ließ nicht nach, bis Uli schätzte, und ehe sie in Bern waren, hatte Uli verkauft und zwar, wie er glaubte, wenigstens um zwei Dublonen zu teuer. Noch vor der Stadt zahlte ihn der Mann aus, fuhr mit den Kühen von dannen, und er sah ihn nicht wieder. Es wurde Uli doch noch angst, er möchte sich übereilt haben, der Preis anders stehen, als er gemeint. Allein er sah bald viel Ware daherkommen, sah, daß sie sehr feil war, weil man wegen trocknem Wetter nicht viel Heu erwartete. Das sei ihm gut gegangen, dachte er, und ein guter Schick fehle ihm nicht. Er wartete nicht weit vom obern Tore und sah die schönen Rinder herbeitreiben, die aus den reichen Gemeinden oberhalb der Stadt und aus dem Freiburger Gebiete kamen. Es fiel ihm eine große junge Kuh mit gewaltigem Knochengebäude in die Augen, welche ein kleiner Mann mit einer Speckseitenkutte und breitem, niederm Wetterhute führte. Die Kuh war mager, strub anzusehen, hatte noch lange nicht ausgetragen; aber an der sei etwas zu machen, dachte er, wenn sie nicht ungerecht sei. Das war sie nicht, die Haut ließ schön von den Knochen. Aber der Mann roch gar übel, daß man ihn auf zehn Schritte in die Nase faßte; sein ganzes Aussehen gab mit, daß er nebenaus wohne und in der Welt nicht recht daheim sei. Diese sind sehr oft im eigenen Hauswesen auch nicht daheim, haben absonderliche Gebräuche, wissen sich nicht zu helfen, fangen alles verkehrt an, geizen, tun genug bis aufs Blut und kommen doch nicht vorwärts, sondern hangen so zwischen Leben und Sterben. Das Mannli sagte, als Uli die Kuh visitierte: »Ja, visitier sie nur, der Kuh fehlt nichts! Ich habe den halben Winter durch Stroh füttern müssen, ich habe zu viel Ware gehabt, und doch[195] hat es mich gereut, etwas zu verkaufen, und Heu kaufen vermag unsereinem nicht. Ich habe mich auf das Grün getröstet, und jetzt will das auch fehlen, und so muß ich jetzt abstoßen. Sie reut mich übel, aber wenn ich alles eingrase, so habe ich dann im Winter nichts. Dr Ätti hat immer drei Kühe gehabt, und ich zwänge es jetzt, fünf Haupt zu halten, es ist mir von wegen dem Mist; aber es geht manchmal kaum genug zu.« Das gute Nebenausmannli wußte auch noch nicht, daß zwei gut gefütterte Kühe mehr Nutzung und Mist geben als vier schlecht gefütterte (Dem Nebenausmannli war aber das nicht zu verargen, wissen dieses doch große Männer an großen Straßen nicht, halten dreizehn Kühe und bringen es auf zehn Maß Milch von dreizehn Kühen). Das Mannli weinte fast, und Uli hatte das Herz nicht, ihn zu drücken, wie er vielleicht gekonnt hätte; denn niemand sah auf die strube Kuh, niemand kam ihm ins Spiel. Er kaufte sie wohlfeil, doch war das Mannli zufrieden und wünschte ihm alles Glück zu der Kuh, der er mit nassen Augen nachsah. Zu dieser kaufte Uli noch eine andere, nähig, leicht in den Hörnern, fein von Haaren, hintenaus wie ein Eisenwecken, kurz wie man die Kühe, von denen man Milch haben will, gerne hat. Bald nach zehn fuhr er schon zum Tore hinaus mit fröhlichem Herzen, denn er hatte drei Neutaler weniger ausgegeben als gelöst und glaubte doch viel bessere Ware heimzutreiben, als er fortgeführt.
Was Joggeli sagen werde und der Melcher! dachte er. Freilich werden sie ihm die magere ausführen; aber er wolle sie nur reden lassen, bis zum Kalben solle die eine andere Gattig haben, wenn er das Salz an ihr nicht spare und zu rechter Zeit ein Trank gebrauche, damit die bessere Fütterung nicht böse Säfte erzeuge und ungerecht mache. Die drei Neutaler konnte er dabei nicht aus den Fingern lassen. Es kam ihm immer mehr vor, als ob die eigentlich ihm gehörten. Es war ja ganz seine Schuld, daß so teuer verkauft, so gut eingekauft worden.[196]
Dazu hatte er schon manchen Batzen für Joggeli gebraucht, den er nicht anrechnen konnte, hatte schon manchen Schuhnagel ausgesprengt, der bei minderer Anstrengung im Schuh geblieben wäre. Es begann ihm vorzuschweben die große Ürti, die er den Diensten bezahlt um Fried und Ruhe willen, wovon der größte Nutzen eigentlich Joggeli zugefallen wäre. An der hatte ihm auch niemand etwas gegeben, zu seinem Lohn war ihm auch nichts gekommen, die Trinkgelder aus den Ställen fielen dem Melcher und dem Karrer zu. Billig und recht war es nicht, daß er, der die meiste Mühe und Sorge hatte, nichts extra erhielt. Wenn er die drei Neutaler für sich behalte, so könne der Meister sich wahrhaftig nicht klagen, er müsse noch zufrieden sein, daß er ihm nicht mehr anrechne. Die gekauften Kühe wolle er ihm nicht teurer anschlagen, hingegen könne er den Erlös für die zwei verkauften um drei Neutaler geringer angeben, ohne daß das jemand im Geringsten merke. Sie seien ja immer noch zu teuer, er habe sie einem fremden Mann verkauft, und kein Mensch sei ja dabeigewesen, der etwas ausplaudern konnte. Hatte er das so recht sich festgestellt, so tauchte bald wieder etwas Unheimliches in ihm auf, das sagte ihm, es sei doch nicht recht, und was er da aussinne, seien nur Ausreden des Teufels, nur Versuche, einer Schelmerei ein schönes Mänteli umzuhängen. Er begann sich zu erinnern aus früheren Zeiten, daß er damals für sein Wüsttun auch gerade solche Ausreden gehabt und sich selbst eingeredet habe, er tue von Gott und Rechts wegen wüst. Es fiel ihm ein, wie er schon früher einen ähnlichen Kampf bestanden und die Ehrlichkeit ihm wohl bekommen. Und mehr und mehr erhob sich in ihm das Bewußtsein, es solle ihm niemand etwas vorzuhalten haben; er wollte unbescholten, untadelich sein, damit er mit ungebrochner Kraft gegenüber den Andern Meisterknecht sein könne. Er fühlte es in sich: wenn er diese Untreue begehe, so sei er schon nicht mehr der Gleiche;[197] er müßte vieles übersehen, er hätte das Herz nicht mehr, gegen die Andern aufzutreten, weil er sich als ihresgleichen fühle. Und wenn es ihm auskäme, welch Gesicht sollte er machen? Wie würden die Andern frohlocken! Welche Schmach würde ihn überfluten! (Der gute Uli konnte es einem fast glaublich machen, die gegenwärtige Schonung des Lasters habe ihren Grund nicht in christlicher Milde, sondern in schlechtem Gewissen – ein Schelm hängt selten gerne einen andern Schelm, er müßte ja denken: Heute dir, morgen mir). Vor Gott könnte er es ja auch nicht verantworten, dachte er, und wie kindlich zu Gott beten mit solcher bewußter Untreue auf dem Gewissen? Nein, das wolle er nicht tun, dachte er und ließ die drei Neutaler aus den Fingern fahren, pfiff munter ein Liedchen, bis er zu einem Wirtshause kam. Da stellte er seine Kühe an Schatten, setzte sich hinter einen Schoppen, ließ sich etwas Warmes geben, ein Schnäfeli Fleisch, und ließ die größte Hitze vorübergehen.
Unerwartet früh und wohlgemut kam er heim. Seine Ware wollte man ihm nicht besonders rühmen. Es komme auf den Preis an, meinte Joggeli, und mit so magerer Ware wisse man nie, wie es einem gehe. Die einen würden so zäh, daß sie nicht mehr nachzufüttern seien. Daneben wolle er nichts sagen, sondern zuerst hören, was sie kosten. Uli mußte ins Stübli, legte dort Rechnung ab frank und wohlgemut und zählte das erhaltene und gewonnene Geld vor. Joggeli hörte mit wunderlichem Gesicht zu, verwunderte sich über den guten Handel, meinte aber, ob er aus den Kühen nicht noch mehr gelöst, wenn er sie bis nach Bern genommen? Indessen seien sie gut bezahlt; die gekauften seien auch nicht teuer, indessen wisse man noch nicht, wie es mit ihnen gehe. Das Trinkgeld, das Uli auch dargelegt, solle er mit dem Melcher teilen und seinen Teil an die Kosten rechnen. Jä, sagte Uli, das verstehe er nicht so; er sei gesinnet, die Kosten ihm anzurechnen,[198] denn er habe ihn geschickt, und solche Auslagen zahlten allenthalben die Meister. Da komme bei dem weiten Märitgeläufe nicht viel heraus, sagte Joggeli und bezahlte mit Widerstreben die wenigen Batzen. »Du bist doch beim Schieß eWüeste,« sagte die Frau, als Uli heraus war. »Der hätte einen Neuentaler aus deinem Sack verdient, und jetzt willst du ihm noch das Trinkgeld abzwacken. So verderbst du alle Diensten, es ist keine Freude, dir helfen zu husen.« »Meinst du, das sei etwa ein guter Schick gewesen und Uli schuld daran? Jä jere nei! Ich habe einen gesandt, der hat ihm auf meinen Gunten die Kühe abgekauft; ich habe nadisch wissen wollen, ob er mich betrügt oder nicht.« »Du bist doch der wüstest Hung« sagte die Frau. »Und jetzt ist es dir noch leid, daß er nicht ein Schelm an dir gewesen ist! Nei, das hat auf my armi türi afe kei Gattig! Statt daß du am lieben Gott danken solltest, e Sellige z'ha, willst du ihn noch zum Schelm machen. Nimm dich in acht; wenn er dich merkt, so gheit der dir den Bündel an den Kopf, daß der dir dein Lebtag wackelet.«
Es ging nicht lange, so kam Uli zum Meister mit der Frage: Wann man anfangen wolle zu heuen; es düech ihn, es wäre Zeit, daran zu denken. »Du bist ein ewiger Käri; es hat ja noch niemand angefangen, und ich habe nie gemeint, daß es gut sei, in allem der Erste zu sein.« »Ja,« sagte Uli, »wir können nicht auf andere Leute sehen, wir haben weitaus am meisten zu heuen, und wenn wir nicht beizeiten anfangen, so sind wir bald ein ganzes Werk hinter allen drein. Wenn man einmal im Hinderlig ist, so kömmt man nie nach und hat am bösten dabei. Das ist akkurat gleich wie beim Militär, die Hintersten müssen am härtesten laufen, und versäumen sie sich ein bißchen, so kommen sie gar nicht mehr nach, und wenn man im Hinderlig mit dem Geld ist, so düecht mich, bschüß keis Huse nüt.« Joggeli sperrte sich, drehte, doch mußte er diesmal der Erste anfangen.[199]
Uli war gewohnt, mit gutem Werkzeug zu arbeiten; als man aber das Sommerwerkzeug untersuchte, war alles im schlechtesten Zustande. Er fand keine einzige Segessen, die sich ihm in die Hand schickte. Joggeli behauptete, er hätte im vergangenen Jahre vier neue und Rechen und Gabeln gekauft. Er wisse nicht, wo es hingekommen, und wenn es ihm gestohlen werde, so wollte er ein Narr sein, immer Neues zu kaufen. Ja, sagte Uli, das könne er machen, wie er wolle, aber mit den Beinen könne er nicht mähen, mit den Fingern nicht rechen; wenn die Sache gehörig gemacht sein solle, so müßte Werkzeug dafür da sein. Endlich kaufte Joggeli, aber alles so wohlfeil als möglich. Wie nützlich schlechte, wohlfeile Segessen sind, weiß jeder. Uli kaufte sich endlich eine aus eigenem Gelde. Wollte er aber dem Einen oder dem Andern über sein Mähen etwas zu verstehen geben, so sagte ihm dieser: Er solle ihm eine bessere Segessen geben oder aber schweigen.
Uli war gewohnt, mit dem Mähen morgens um drei anzufangen. Um diese Zeit wollte ihm anfangs niemand auf, er hatte Mühe, um vier sie auf die Matte zu bringen. Melcher und Karrer wollten auch nicht anbeißen, selbst wenn man zunächst des Hauses mähte, und wann sie kamen, so trieben sie nur Flausen, wollten Uli durchtun und ihm vormähen, bis er ihnen seine Meisterschaft beurkundet und sie zehn Schritte im Rücken gelassen hatte. Hatte er endlich die Knechte auf der Matte, so fehlten ihm noch die Tauner und kamen erst, um vor dem Morgenbrot noch eine Mahde zu mähen. Der Eine hatte etwas für sich gemäht, der Andere seine Segessen anders anschlagen müssen, der Dritte seiner Frau Bschütti geführt; aber alle meinten, der Meister brauche es nicht zu wissen, und wollten den ganzen Taglohn.
Uli hätte es nie geglaubt, welch Unterschied es sei, von drei bis zehn Uhr morgens mit zehn rüstigen Burschen, versehen mit gutem Werkzeug und gutem Mut, zu mähen oder aber[200] mit zehn lässigen, wo alle nach dem Takte »Komm ich nicht heute, so komme ich doch morgen« arbeiten, einer hieraus zieht, der andere dortaus liegt. Es schien ihm, als sei man förmlich verhexet, während die Andern jammerten, so drängseliert und kujiniert seien sie noch nie worden. Hatte er seine liebe Not am Morgen ausgestanden, so war am Abend erst das rechte Elend da. Kam er des Mittags nach dem Dängelen und Rüsten der Wagen auf die Matte, so war nicht gekehrt, das Heu nicht zusammengemacht, er mußte warten; ging er mit den Andern hinaus, so mußte man auf die Wagen warten. Lud er auf der Matte und sollte ein Teil der Leute abladen, so verrichteten diese nichts; die Wagen kamen nie zurück, sie mußten halbe Stunden müßig warten. Ging er ans Abladen, so wurden sie fertig, aber der Karrer brachte kein Heu, sie konnten lange Zeit ruhig am Schatten liegen. Am Abend hatte niemand Zeit zum Aufrechen, er mußte es mit Wüsttun erzwingen; von Birligen war vollends keine Rede, die konnte er selbst machen, wenn er welche gemacht haben wollte. Er trieb und jastete sich fast zu Tode von früh bis spät, die Weiber hatten rechtes Mitleid mit ihm; aber er brachte nichts ab, er fühlte, es war da ein angelegtes, boshaftes Spiel. Und Joggeli sah der Sache nicht bloß kaltblütig, sondern fast boshaft zu, gäb wie die Weiber ihn stüpften, er solle doch auch ein Wort sagen, er sehe ja, Uli möge nicht gfahren und die Andern täten ihm alles zuwider. He, sagte er, dem sei es nur gut, wenn er nicht alles zwängen könne; wenn alles nach seinem Kopf ginge, so kriegte er bald einen so großen daß Sonne, Mond und Sterne nicht mehr neben ihm Platz hätten.
Es war zudem ein Sommer mit sehr unbeständigem Wetter. Es gab wohl schöne Tage, aber mit vielen andern untermischt, an denen man nichts Dürres machen konnte. Es bedurfte also an den schönen Tagen doppelten Fleiß, mit diesem ist ein guter Landmann imstande, mittelmäßiges Wetter[201] gut zu machen. Uli konnte das; aber nicht bloß einer, sondern zehn Schleiftröge legten sich ihm unter die Beine. Das ist ein peinvoller Zustand, es begreift ihn aber nur der, welcher ihn erlebt hat. Entweder erstickt, erworget man in demselben, oder aber es gibt einen Ausbruch, daß Funken sprühen, die Wände zittern, Haare fliegen und Brülle durch die Welt fahren, daß Kometen und Planeten davonfliegen und nirgends mehr warten dürfen. Uli schrieb am Sonntag seinem alten Meister: So halte er es nicht mehr aus. Der Zorn sei ihm zu oberst, er könne ihn mit einem Finger erlängen. Essen bringe er keins mehr hinunter, es düech ne, er müsse an jedem Stücklein Brot ersticken, und wenn er einen von den Möffen sehe, so gramsle es ihm in den Fingern. Sie hätten noch viel zu mähen und morgen von dreien Tagen einzuführen. Wenn sie es ihm nun machen wie die andern Tage und der Meister noch seine Freude daran hätte, so schirre er aus und komme ihm ungesinnet daher. Das sei ein Teufels Dabeisein, wenn man die Mitdiensten wider sich hätte und auch noch den Meister. Die Frau sehe das wohl, aber sie könne nicht viel zwingen; wenn sie Meister wäre, so ginge es anders.
Schön Wetter war es am Morgen, auf den Abend drohte ein Gewitter. Schon um acht hörte Uli auf zu mähen, um beizeiten zetten und kehren zu können, schon am Morgen wurden zwei Fuder eingeführt. Beim Mittagessen sagte Uli, das Nachtessen soll man nicht früh zweg haben, heute werde es wohl späten Feierabend geben. Das Heu werde alles gut, sollte alles hinein, es wäre schade, wenn es noch einmal Regen kriegte. Im Nachmittag fing es sich an zu stecken, es wollte nichts mehr vorwärts man steckte die Köpfe zusammen, statt daß man die Arme rührte. Wo Uli war, ruckte es, wo er hinkam, war alles im Hinderlig. Der Melcher zeigte sich nicht auf der Matte, der Karrer fuhr, wie wenn er Schnecken hätte, und als Uli ihm sagte, er solle doch schneller laufen lassen, es[202] täte es den Pferden wohl, warf er mutwillig ein Fuder in den Bach, daß man darob fast eine Stunde verlor. Und als Uli dazukam und aufbegehrte, da müsse einer doch fahren wie ein Blind, um da ein Fuder umzuwerfen, so sollte er an allem schuld sein mit seinem Pressier; solange er da sei, gehe es schlecht. Er könne nichts, sagte der Karrer, als alle Leute kujiniere, und wenn er ihm nicht recht fahre, so solle er selbst fahren, er rühre keine Geißel mehr an, bis der Meister es ihm selbst befehle. Damit warf er Uli die Geißel zu und legte sich behaglich auf einen Heuwalm. Uli hatte schon die Geißel am dünnern Ort gefaßt, um zu versuchen, was ungebrannte Asche vermöge, doch besaß er sich und führte kochend in Zorn das Fuder heim.
Die Alte rüstete zu Nacht, und als sie Uli mit dem Fuder kommen sah, fragte sie Vreneli, die vorankam: Was es gegeben, daß Uli fahre? »Frag ihn selbst, Base,« sagte Vreneli. »Es ist ein grusamer Streit unter den Diensten, und wenn sich der Vetter des Ulis nicht annimmt, so kömmts nicht gut. Ich wäre schon lange fortgelaufen.« Da stund die Base auf, ging Uli entgegen und frug: »Warum fahrst du? Was hats gegeben?« Und Uli fragte mit bleichen, bebenden Lippen: »Wo ist der Meister, er söll usecho.« »He Ymmers, wie siehst du aus! Komm du in die Stube, er ist dort. Es söll derweilen einer die Rosse halten.« Uli ging nach, und die Base nahm aus einer Ecke auf dem Ofen ein Kacheli mit Kaffee und sagte: »Nimm das geschwind und trinks! Ich hatte es dem Vreneli dänne deckt, aber nimm dus, es bekömmt dann ein andermal. Aber sag mir geschwind: was hats gegeben, was ists?« »Meisterfrau, ich will fort und das auf der Stelle, so will ich nicht mehr dabeisein. Ich will dem Meister die Geißel geben, dann meinen Lohn und noch heute fort. Ich will mich nicht töten für Andere und noch dazu ausgelachet sein.« »He Uli, Uli, wer lachet dich aus?« »Gerade der Meister, der treibt nur den Narren[203] mit mir und ist kein Meister, sonst würde er sehen, was seine Pflicht und sein Nutzen ist, darum will ich fort.« »Und was ist denn meine Pflicht und mein Nutzen?« sagte Joggeli, der eben zur Türe hineinkam. »Ich will meinen Lohn,« sagte Uli, »und will fort.« »Du hast keinen Grund,« sagte Joggeli, »du wirst wohl bleiben.« »Nein, Meister, ich bleibe nicht und habe guten Grund. Ihr habt mich als Meisterknecht angestellt und unterstützt mich nirgends. Ihr befehlet selbst nichts, ich soll aber auch nicht befehlen, da kann ein jeder machen, was er will. So braucht Ihr keinen Meisterknecht und habt mich falsch gedinget, und deswegen will ich nicht mehr dabeisein.« »Aber was hast du denn zu klagen?« fragte Joggeli, schon nicht mehr recht keck. »He, daß Ihr kein Meister seid. Wenn Ihr ein Meister wäret, so wäret Ihr heute gekommen und hättet auch pressiert und befohlen oder hättet wenigstens gesagt, man solle sich schicken. Aber statt dessen habt Ihr mich allein fechten lassen, habt wohl gesehen, wie sie drehen, der Melcher, der Karrer nicht vom Hause wollen, und habt mich stecken lassen, darum will ich fort.« »He, ume nit grad so prüßisch,« sagte Joggeli, »ich kann nicht immer an allen Orten sein. Hättest du mir das Maul gegönnt, so hätte ich etwas sagen können, aber wenn man so viel zu sinnen hat wie ich, so kann man nicht immer an alles sinnen.« »Sinnen hin, Sinnen her,« sagte Uli, »ich will meinen Lohn, ich bleibe nicht mehr.« »He, Uli,« sagte die Meisterfrau, »nimm non es Kacheli und bsinn dih! Du bist uns ganz der Recht und es hat dir noch niemand von uns ein Unantwort gegeben. Ds Gunträri, ds Vreneli und ich haben schon manchmal zueinander gesagt: wenn es so seinen Fortgang nehme, so komme der Hof wieder instand und es gebe auch wieder eine Ornig.« »Solang der Karrer und der Melcher da sind, kömmt es nicht gut, und mit ihnen bleibe ich nicht mehr, keine Stunde; entweder gehe ich, oder sie müssen gehen.« He, he, sagte Joggeli, man[204] mache im Zorn leicht etwas Unrechtes; sie wollten sich gegenseitig noch bsinnen bis morgen, man könne dann immer noch sehen. »Meister, das ist ausbsinnet,« sagte Uli, »das ist mir schon zu lang auf dem Magen gelegen; entweder gebt Ihr dem Karrer und dem Melcher noch heute den Lohn oder mir, eins von beiden.« »Ich werde mir doch von einem Knecht nicht sollen befehlen lassen,« sagte Joggeli. »Ich will Euch nichts befehlen, ich lasse Euch ja dWehli, aber eins von beiden muß sein.« »Bis doch nit e Göhl,« sagte die Meisterin, »da wollte ich mich bald ausbesonnen haben.« »Ja, aber wo dann einen anderen Karrer und einen anderen Melcher her, nehmen gerade in dieser unmußigen Zeit? Das kann nicht gehen.« »He,« sagte Uli, »wenn die fort sind, so geht die ganze Sache ds Halb ringer, und dann kann ich auch noch melken und fahren so gut als die. Ich will einstweilen den Dienst für Beide machen, und ich denke, es wird nicht lange gehen, bis man Andere hat. Aber Ihr könnts machen, wie Ihr wollt, es ist mir ganz recht, zu gehen. Ich habe es gestern geschrieben, ich werde wohl bald wieder kommen.«
Das schlug bei Joggeli ein und er bequemte sich, den Karrer und den Melcher kommen zu lassen, um ihnen den Lohn zu geben. Die meinten, er wolle ihnen nur ein Kapitel lesen, und begehrten gleich von Anfang ganz fürchterlich auf und machten, als ob sie die ganze Erde dem Mond ins Gesicht spucken wollten. Als Joggeli so hübscheli von Lohngeben zu reden anfing, da sagten sie, das sei ihnen gerade recht, und sie begehrten es; aber dann könne er sehen, wie es ihm ergehe, wenn Uli alle die weggebissen hätte, die ihm im Wege seien. Er solle nur füremachen, es lächere sie nur, größeren Lohn hätten sie schon längst haben können. Joggeli wurde ganz lugg. Glücklicherweise war die Frau in der Stube geblieben, um den Wagen zu reisen, wenn er bestechen oder in den Graben fahren sollte. Diese sagte nun: »Seh, Joggeli, mach füre,[205] sie haben ja gesagt, sie begehrten ihn. Die zwei Schlinglen sind mir schon lange im Weg gewesen, es ist gut, wenn die einmal fort sind; ich hoffe, sie gehen noch heute.« Keine Stunde länger blieben sie in einem solchen Hause, sagten Beide. Sie könnten ihrethalben bis Martistag heuen, es lächere sie nur, und je eher sie fort könnten, desto lieber sei es ihnen.
Joggeli zählte Beiden den Lohn zweg. Draußen fing es an zu winden, die Wolken flogen am Himmel, schwarze Wände, der Zukunft einer kummervollen Seele vergleichbar, erhoben sich langsam, die Vögel suchten die Gebüsche, die Fische sprangen nach Mücken, Windspiele rissen hoch in die Lüfte bald Heu, bald Staub. Draußen hastete Uli, Heu so viel möglich einzubringen, drinnen zählten hohnlächelnd die Beiden ihr Geld und meinten: Ob Joggeli nicht auch noch wolle gehen und helfen, es mangelte sich bei dem schönen Heuwetter. Der Wind riß das Heu von den Gabeln, die Mähnen der Pferde flogen im Winde, die Heulader flogen den Walmen nach, die schönen Recherinnen spudeten sich wie flüchtige Rehe, in hochgefüllten Fürtüchern das Zusammengerechete nachtragend. »Häb dih!« scholl es von unten herauf; die mächtigen Rosse jagten im Trabe, die Heraufgeber sprangen nach, warfen mitten im Laufe Gabeln voll auf den Wagen, die der kundige Lader auf den Knien mit ausgebreiteten Armen empfing. Schwere Tropfen rauschten, der Wind stieß heftiger, nach dem Bindbaum sprang einer; im Hui war er auf dem Fuder, mit dicken Wellenseilen wurde er niedergeschnürt, flink eilten die Recherinnen um das Fuder, kämmten es glatt. Da jagte das Wetter heran, es glitzerte der schwere Regen, es krachte aus den schwarzen Wolken, Staub stob weit dem Regen voran. Die mächtigen Rosse flogen weit ausgreifend, aber durch Ulis sichere Hand geleitet der Scheune zu. Mit den Gabeln auf den Achseln rannten die Heuer[206] nach, und mit den Fürtüchern über Achseln oder Kopf formierten den flüchtigen Nachtrab die lustigen Heuerinnen, die unter Lachen und Schäkern sich schüttelten unter sicherem Dache. Da platzte der Regen herab in ungemeßnen Strömen, es zuckte die Glut des Blitzes durchs dunkle Tenn, hart klepfte es über dem Hause. Ängstlich und andächtig stund das Gesinde im Schopf; es wußte, der Herr rolle nahe über seinen Häuptern weg.
Es dunkelte, man rief zum Essen, schwarz war es noch am Himmel, aber der Regen rauschte sanfter, der Donner rollte ferner; da kamen aus dem Gaden herab der Melcher und der Karrer gsunntiget, machten Adie bei ihren Freunden, die ganz erstaunt frugen, was das geben solle? He, sie sollten Uli fragen, hieß es, der sei jetzt der Meister, und weil sie nicht unter einem Solchen sein wollten, so gingen sie lieber, sie möchten für kein Geld bleiben. Nachdem sie ihre Sachen, die sie würden holen lassen, guter Obhut empfohlen, den Andern geweissaget, daß sie es auch nicht lange mehr da machen würden, wanderten sie fort wie zwei Nachtvögel zwischen Tag und Nacht, das angebotene Essen verschmähend.
Uli sah sie nicht gehen, aber als er hörte, daß sie fort seien, leichtete es ihm ordentlich ums Herz, und die ihm zugefallene Arbeit kam ihm fast wie ein Lohn, eine Freude vor. Es war auch, als ob zwei Sperrscheiter aus einer Maschine genommen worden. Trotzdem daß zwei Arbeiter weniger waren, wurde doch nicht weniger gemacht. Uli spudete sich freilich ganz wunderbar, und es schien manchmal, als ob er zwei, und dreifach sei. Er mähte und besorgte doch die Ställe, dängelte größtenteils und war doch nicht viel länger daheim als die Andern; aber er wußte alles anzukehren, konnte zwei, drei Sachen fast miteinander machen. Im Vorbeigehen gleichsam ging ihm dies und jenes, wozu ein Anderer eine Stunde brauchte. Erst da sieht man, was für ein Unterschied es ist[207] zwischen einem Gstabi und einem beseelten Menschen. Zudem konnte nun Uli die Kräfte recht zusammenspannen, daß Eins dem Andern helfen mußte. Unter ihm verrichtete der Bub so viel als sonst ein Knecht. Aus der übrigen Diener- und Taunerschaft schien ein böser Geist gefahren zu sein, es war alles willig und rührsam. Es schien fast, als ob ihnen selbst etwas an der Sache gelegen sei. Die, welche in der Verschwörung gegen Uli am tiefsten verflochten waren, die zeigten sich nun nach deren unglücklichem Ausgang als die Eifrigsten. Ja sie rühmten nun Uli und erzählten ihm alles, was der Karrer und der Melcher getan, gesagt und im Sinn gehabt und wie sie ihnen oft abgewehrt und gesagt hätten, es komme nicht gut, wie es sich ihnen aber nicht geschickt hatte, sich dareinzumischen, und dazu hätten sie ihn nicht sövli gekannt.
Der Melcher und der Karrer hielten mit großem Jubel in einer nahegelegenen Pinte sich auf, rühmten mit weitem Maul, wie sie es gemacht, und konnten vor Freude nicht schlafen, weil sie nicht erwarten mochten, welche Zerstörung und Verwirrung nun in der Glungge zum Vorschein kommen werde, weil sie nicht mehr da seien. Aber es ging den ersten Tag. Da sagten sie: Ja, das sei noch so gegangen, aber man werde es morgen schon sehen. Es ging aber morgen auch. Da vertrösteten sie die Leute auf den dritten Tag. Aber auch dieser verstrich, in der Glunggen war alles emsig und ruhig. Kein Mensch fragte nach ihnen. Ja wenn sie sich von weitem zeigten, so taten ihre ehemaligen Freunde, als hätten sie keine Augen. Das begann sie doch zu gmühen, denn es hatte insgeheim jeder für sich die Erwartung gehegt, man werde nach ihm schicken und ihn wieder haben wollen. Jeder hatte bei sich schon ausgedacht, wie er aufbegehren, wieviel Lohn er mehr fordern wolle, und jetzt kam niemand. Niemand sah nach ihnen. Da sandte der Karrer eine geheime Botschaft an[208] Joggeli ab. Diese sollte verblümt zu verstehen geben, der Karrer käme wieder. Eigentlich sei der Melcher an allem schuld, der habe immer alles hintereinandergereiset und der Karrer es nicht besser gsinnet. Es sei ihm jetzt leid, er sehe sein Unrecht ein. Der Melcher aber sandte eine gleiche Botschaft an Uli, ließ ihm einen Neutaler versprechen, wenn er mache, daß er wieder darkomme. Der Karrer sei an allem schuld, wenn der nicht dagewesen wäre, so hätte der Melcher nicht daran gesinnet, so wüst zu tun. Sobald er zu Uli komme, wolle er ihm sagen, was der Karrer für einer sei. Er wisse noch Sachen, woran jetzt niemand sinne.
Als Uli dängelete, kam Joggeli zu ihm und sagte: »Der Karrer wäre neue Sinns, wieder zu kommen; er hat neue gmurbet, der Melcher syg neue an allem schuld. Es wird wohl am richtigsten sein, wenn man ihn wieder kommen heißt? Er ist sich gewohnt hier, ein Neuer muß man erst wieder brichten, wie man es haben will.«
»Meister,« sagte Uli, »das könnet Ihr machen, wie Ihr wollt, aber mit dem Karrer will ich nichts zu tun haben. Der Melcher hat mir einen Neutaler versprechen lassen, wenn ich ihm z'best rede, und gibt dem Karrer an allem schuld. Es ist Einer wie der Andere, ich kehre nicht die Hand um. Und so gewiß einer wieder kömmt, so haben wir wieder Streit.«
»Jä nu,« sagte Joggeli, »so ists. Aber was meinst denn, was sollen wir anfangen, wenn dir kein Anderer recht ist? Gwerchet muß die Sache doch sein, so kann es nicht länger gehen«
He, sagte Uli, er glaube, die Sache sei gwerchet worden so gut, als wo der Melcher und der Karrer dagewesen. Mit dem Heuen seien sie ja bald fertig und hätten trotz dem schlechten Wetter weit weniger lang daran gemacht, als die Leute sagen, daß man andere Jahre daran gezogget habe. Er glaube nicht, daß etwas versäumt worden sei. »Du bist doch afe so prüßische,[209] Uli,« sagte Joggeli, »man kann gar nicht mit dir reden.« »He nei, Meister,« sagte Uli, »aber ich habe auch gemeint, ich schaffe, daß öppe nit viel dahintenbleibt, und da macht es mich taub, wenn ich immer hören muß, ohne Melcher und ohne Karrer gehe es nicht.« »Ja, das habe ich nicht gesagt,« antwortete Joggeli, »verstehe mich wohl. Aber was soll dann gehen? So kann es nicht bleiben. Jemand muß herzu.« »Ja,« sagte Uli, »das meine ich auch, und ich habe geglaubt, Ihr hättet für Andere gesehen.« »Nein,« sagte Joggeli, »ich habe geglaubt, du wollest nach Andern sehen, weil du die Andern nicht mehr gewollt.« »Ich bin ja nur Knecht,« sagte Uli, »und kann ja nicht andere Knechte dingen, das würde Euch öppe nicht anständig sein. Aber wenn Ihr nichts darwider habt, so möchte ich Euch etwas sagen.« »He,« sagte Joggeli, »red ume; es düecht mich, ich brauche dirs nicht lange zu erlauben.«
Nun setzte Uli auseinander, daß wenn es gut kommen solle, einer Meister sein müsse. Bisher sei ein jeder Meister gewesen, der Karrer, der Melcher, jeder souverän in seinem Stall über seine Person, seine Zeit, und alle Andern hätten nach ihrem Beispiel nach der gleichen Freiheit gestrebt. Joggeli solle es ihm nicht für übel nehmen, aber er müsse es sagen: er habe nicht recht den Meister gemacht und befohlen, die Leute hätten ihn nicht gefürchtet, und doch hatte er niemand die Meisterschaft anvertrauen wollen, daher sei ein jeder Meister geworden; Eins habe hieraus, das Andere dortaus gezogen und mit allem sei man in Hinderlig gekommen. Er wolle nicht lebig dadänne, wenn mit dem Hof nicht ds Halbe mehr zu machen wäre, wenn man recht zum Herd sehe und auch aus den Ställen ziehe, was öppe der Brauch sei. Aber dafür müsse einer da sein, der befehle, und die Andern müßten wissen, daß sie zu gehorchen hätten. Nun sei ihm ganz recht, wenn Joggeli befehlen wolle; aber wenn er es nicht tue, so müsse es ein[210] Anderer tun in seinem Namen, sonst wolle er lieber nichts mit der Sache zu tun haben. »So befiehl doch,« sagte Joggeli, »ich habe dir ja manchmal gesagt, du sollest befehlen, es sei deine Sache.« »Ja, gesagt habt Ihr mirs wohl, aber den Andern nie, daß sie mir gehorchen sollen, ds Gunträri.« »Du bildest dir das nur ein,« sagte Joggeli, »aber du mußt nicht meinen, man könne da so einem, den man nicht kennt, gleich das ganze Heft in die Hand geben und machen lassen, als wenn niemand sonst mehr daheim sei. Meinethalb befiehl allesame, nur der Frau nicht, was sie kochen soll.« »Das begehre ich nicht, Meister,« sagte Uli, »aber dem Karrer und dem Melcher muß man befehlen dürfen, was sie machen sollen und wie man es haben will. Man kann nicht in einem Stall die Ordnung haben und im andern eine andere, und einer muß dem Andern helfen. Das geht bei den Herren gewöhnlich so schlecht, weil die nicht wissen, wie eine Sache sein soll, und daher auch nicht befehlen können, wie sie es haben wollen. Es machts nun ein jeder nach seinem Kopf. So ist man hinger em Haus im Emmental, vor dem Haus im Oberland und nebendran im Seeland und zuletzt ringsum im Uflat.«
Joggeli ergab sich in sein Schicksal. Zwei Knechte wurden angestellt mit der Weisung, Uli zu gehorchen. Der alte Karrer und der Melcher wanderten endlich in die Weite hoffnungslos, nachdem sie in der Nähe umsonst Platz gesucht. Sie fluchten nicht übel über die Falschheit der Leute. Als sie noch in der Glungge gewesen, hätte sie jeder gerühmt, ihnen den Kopf groß gemacht, als ob jeder sie wolle; jetzt, da sie zu haben wären, begehre sie Keiner.[211]
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Wie Uli der Knecht glücklich wird
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