Der fünfte Auftritt.

[38] Cato. Pharnaces.


CATO.

Ein andrer würde hier in tausend Aengsten seyn,

So sehr stimmt das Geschick mit unsern Feinden ein.

Der junge Scipio und Juba, sind geschlagen;

Nur Cäsar triumphirt auf seinem Siegeswagen.

Bey uns hergegen, Prinz, sieht man mehr Muth als Glück:

Vieleicht hält dieser noch des Schicksals Haß zurück.

Getrost und standhaft seyn, das stärkt und lehrt die Herzen,

Aus Hoffnung auf den Sieg, Gefahr und Noth verschmerzen.

PHARNACES.

Ich war von Jugend auf den Römern zugethan,[38]

Und nahm, von ihnen, Freund, ein standhaft Wesen an.

Du weist es, Cäsars Macht besiegte meine Staaten;

Doch blieb mir noch ein Rest von Freunden und Soldaten.

Die Flotte, die sie führt, liegt hier vor Utika,

Und steht, dafern du willst, zu eurer Rettung da.

CATO.

Er zieht schon auf uns los! es wird nicht lange dauren,

So sieht ihn Utika ganz nah an seinen Mauren.

Drum eile nur, mein Prinz, und komm ihm noch zuvor:

Erzwing mit mir den Sieg, den Rom bisher verlohr.

PHARNACES.

Ich folge gern ins Feld. Die Götter sollen zeugen,

Daß Cäsar, oder ich, ein sterbend Haupt soll neigen!

Allein du weist auch wohl: Arsenens Mund und Hand

Versprach mir schon vorlängst ein sanftes Eheband;

Bevor mich nun die Wuth noch wird zur Rache lenken,

So laß die Hochzeitlust – – – –

CATO.

Daran ist nicht zu denken!

PHARNACES.

Warum denn das?[39]

CATO.

Du meynst, sie sey die Königinn?

PHARNACES.

Was denn?

CATO.

Erkenne sie für eine Römerinn;

Und sage: kann man wohl nach unsern Grundgesetzen,

Die Eh mit Königen für Recht und billig schätzen?

PHARNACES.

Was hör ich? Götter! O! das ist aus List geschehn!

Hab ich Arsenen nicht im Königsschmuck gesehn?

So pflegen sich gewiß die Römer nicht zu zeigen!

CATO.

Ich weis es! zweifle nicht; doch muß ichs noch verschweigen:

Allein in kurzem wird Arsenens wahrer Stand,

Durch meinen eignen Mund ganz Utika bekannt.

PHARNACES.

O Cato! scheue dich, dieß Räthsel zu entdecken,

Es möchte solches dir zu späte Reu erwecken.

Ich stund auf der Partey, dabey Pompejus war:

Drauf raubte Cäsar mir mein Erbreich ganz und gar:

Ich mußte meine Macht in wenig Schiffe fassen,

Und so mein ganzes Glück den Wellen überlassen.

Die Hoffnung wies mir noch Arsenens Heurath an,[40]

Die mir ein mächtig Land zum Brautschatz bringen kann.

Ist diese nun umsonst, so war mein Dienst vergebens.

Ach! schone doch des Staats, der Freyheit und des Lebens!

Denn, herrscht Arsene nicht: so flieh ich Utika,

So ist dein Untergang und Roms Verderben nah.

CATO.

Zeuch hin, mein Prinz, zeuch hin! Wer zwingt dich hier zu bleiben?

Wir wissen schon allein den Feind zurück zu treiben!

Das unbezwungne Rom, das itzo durch mich spricht,

Erniedrigt sich vor dir, und deines gleichen nicht.


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Herausgegeben von Joachim Birke, Band 2: Sämtliche Dramen, Berlin 1968/1970, S. 38-41.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Rameaus Neffe

Rameaus Neffe

In einem belebten Café plaudert der Neffe des bekannten Komponisten Rameau mit dem Erzähler über die unauflösliche Widersprüchlichkeit von Individuum und Gesellschaft, von Kunst und Moral. Der Text erschien zuerst 1805 in der deutschen Übersetzung von Goethe, das französische Original galt lange als verschollen, bis es 1891 - 130 Jahre nach seiner Entstehung - durch Zufall in einem Pariser Antiquariat entdeckt wurde.

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon