Der vierte Auftritt.

[34] Cato. Phokas.


CATO.

So soll mein eigen Blut mir Herz und Brust zerreißen?

Der Parther Königinn, soll Catons Tochter heißen?

Ihr Götter! kämpft ihr so für Cäsars Tyranney,

Und stürzt das arme Rom in seine Sklaverey?

Ihr gebt durch eure Gunst mir zwar mein Kind zurücke:

Allein es ist dabey ein Scheusal meiner Blicke!

Ihr Anblick war mir lieb; doch dein zu strenger Schluß,

Verhängniß! kehrt die Lust in Jammer und Verdruß.

Wie kann mir Porcia im Kronenschmuck gefallen?

Mein Blut erlaubt es nicht: und Rom verbeut es allen!

Nein! Cato, dießmal kann, zu deiner größten Pein,

Ein zärtlich Vaterherz kein römisch Herze seyn.

Nein, nein! sie soll und muß des Thrones sich entschlagen!

Nur eilend! ruf sie her, der Herrschaft abzusagen.

PHOKAS.

Wie? Cato, wird denn itzt nicht zu des Reiches Heil,

Durch des Geschickes Huld, ihr Zepter uns zu theil?

Du siehst ja, wie es steht. Wird uns vor Cäsars Waffen,

Ein Utika mehr Schutz, als Africa verschaffen?

Wird das verjagte Rom in dieser Mauren Kreis[35]

Vor ihm gesichert seyn? Nein, Cato, nein, ich weis:

An Beystand fehlt es uns! sonst hat der Krieg ein Ende;

Und Rom geräth nebst uns dem Sieger in die Hände.

Nur bloß die Königinn, als deine Tochter, stellt

Zu unsrer Freyheit Schutz, ein parthisch Heer ins Feld.

Entdeck ihr, wer sie ist; und sag ihr ihr Geschlechte:

Doch laß ihr Thron und Reich, und bringe Rom zurechte.

Das Schicksal war dir hold, drum hilf ihm selber nun:

Sein Beystand machts nicht aus; man muß das seine thun!

CATO.

Welch unerhörter Rath! Meynst du, daß Frevelthaten:

In einer Tugend Dienst auch tugendhaft gerathen?

Betrüge dich doch selbst mit leerer Hoffnung nicht!

Mit was für einer Stirn, mit welchem Angesicht

Würd ich, und Rom dazu, durch ungerechte Waffen

Des angemaßten Reichs, der Freyheit Hülfe schaffen?

Da schlüge Jupiter mit Blitz und Donner drein!

Vielmehr soll Utika mein Scheiterhaufen seyn.

Wir würden sträflicher, als Cäsar, selber werden.

Was recht und billig ist; sonst rührt mich nichts auf Erden!

Tyrannen helfen sich durch Schand und Laster auf;

Doch wer die Tugend liebt, geht lieber gar darauf.

Die Götter haben selbst, im Aufruhr jener Riesen,

Sich zornig und gerecht, nicht lasterhaft erwiesen.

Ich bin bestürmt, wie sie, bedrängt und kummervoll;

Was hinderts, daß ich nicht der Tugend folgen soll?

PHOKAS.

Sitzt Porcia denn nicht mit Recht auf ihrem Throne?[36]

Die Götter fehlen nie; die schenkten ihr die Krone!

Bedünkt dichs ungerecht? Ach! unser Augenschein

Kann hier von ihrem Thun kein rechter Richter seyn.

Man unterwerfe sich nur dem, was sie befehlen:

Verwirf das Mittel nicht, das sie uns selber wählen.

Zum mindsten macht uns erst ein Opfer beym Altar,

Des Schicksals letzten Schluß im Eingeweide klar.

CATO.

Wer? ich? sollt allererst in todten Opferthieren

Des Gottes, der mich treibt, Befehl und Willen spüren?

Der mir doch damals schon, eh ich das Licht erblickt,

Den Trieb zur Billigkeit in Herz und Sinn gedrückt.

Den blinden Pöbel mag der Vögel Flug belehren!

Ein Weiser muß das Wort der wahren Weisheit hören:

Die da am lautsten spricht, wo Freyheit und das Recht,

Die Unterdrücker straft, und die Tyrannen schwächt.

In meiner Brust hat sie von Kindheit an gesprochen;

Hier ist ihr Heiligthum, das keine Macht zerbrochen.

Hier sitzt die Tugend selbst, anstatt der Pythia,

Und spricht prophetischer, als Delphis jene sah.

Die lenkt ohn Unterlaß mein Tichten und mein Trachten,

Und treibt mich, lebenslang die Freyheit hoch zu achten;

Dem Laster feind zu seyn, so mächtig es auch ist,

Gesetzt, daß ich dabey zu Grunde gehen müßt!

Die lehrt mich, Rom sey nur zur Freyheit auserkohren,

Seitdem es die Gewalt der Könige verschworen.[37]

Ja die beut uns auch itzt der Parther Zepter an,

Zur Prüfung: ob man ihn beherzt verschmähen kann?

Drum laßt uns standhaft seyn, und solchen Beystand fliehen!

Die Tugend weis uns schon aus der Gefahr zu ziehen.

Man rücke nur getrost auf den Tyrannen los,

Und jeder Römer sey voll edler Hoffnung groß.

Darf uns nur künftig nichts von unserm Thun gereuen;

So sind wir stark genug, Tyrannen zu zerstreuen.

Dieß ist und bleibt mein Schluß. Geh zu der Tochter hin:

Doch sag ihr noch kein Wort, daß ich ihr Vater bin;

Auch Artaban sey still. Ich wills ihr selber sagen,

Und sehn, ob ihr Gemüth auch aus der Art geschlagen?


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Herausgegeben von Joachim Birke, Band 2: Sämtliche Dramen, Berlin 1968/1970, S. 34-38.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Waldsteig

Der Waldsteig

Der neurotische Tiberius Kneigt, ein Freund des Erzählers, begegnet auf einem Waldspaziergang einem Mädchen mit einem Korb voller Erdbeeren, die sie ihm nicht verkaufen will, ihm aber »einen ganz kleinen Teil derselben« schenkt. Die idyllische Liebesgeschichte schildert die Gesundung eines an Zwangsvorstellungen leidenden »Narren«, als dessen sexuelle Hemmungen sich lösen.

52 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon