Magie

[25] Es hat ein Stern geleuchtet

In kalte dunkle Nacht;

Da sprühten Funken und Flammen,

Die schlugen zur Lohe zusammen,

Zum feurigsten Brand entfacht.


Es ist ein Hauch geflogen

Warm über verödetes Feld;

Aufs Neu begann es zu lenzen,

Aufblühte in Blumen und Kränzen,

In Duft und Wonne die Welt.


Es ist ein Ton erklungen,

So innig, so rasch und bang;

In Liedern begann es zu schwellen

Von Nachtigallen und Quellen,

Nie hört' ich so lieblichen Klang!


Ein Rosenblatt ist gefallen

In einen Alpensee;

Sein Spiegel begann zu wallen,

Die kochenden Wellen zu ballen

Im Sturme so wild und jäh.
[26]

Dieß Alles hab' ich erfahren

In meiner seligsten Stund',

Als sich zwei rothe Lippen,

Ach, nur zu flüchtigem Nippen,

Gelegt an meinen Mund.

Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke, Band 1–4, Band 2, Berlin 1907, S. 25-27.
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