[349] Freiheit ist die große Losung, deren Klang durchjauchzt die Welt;
Traun, es wird euch wenig frommen, daß fortan ihr taub euch stellt!
Mild und bittend sprach sie einstens; eure Taubheit zwang sie jetzt,
Daß sie in Kanonendonner nun ihr Wort euch übersetzt.
Freiheit, die erkorne Jungfrau, schwingt das Banner unsrer Zeit;
Daß fortan ihr blind euch stellet, o fürwahr, es hilft nicht weit
Da ihr nicht gesehn das Banner, als es weiß und rein und hell,
Ei was Wunder, wenn mit Blute sie's gefärbt nun roth und grell!
Ihr nur habt die schöne Jungfrau mit dem Kriegesgott gepaart.
Waffenspiel und Blutgewänder sind wohl sonst nicht ihre Art;
Aber siegen muß sie immer! dieß bleibt ihre Art und Macht,
Ueber Herzen in dem Hause, über Speere in der Schlacht!
Wenn mit Rocken nicht und Spindel, und mit Wort' und Blicken süß,
So als erzgeschuppte Pallas mit dem Schwert und Schild gewiß
Und bei uns auch wird sie siegen, ja ich künd' es laut und frei
Wunsch und Hoffnung meines Herzens riefen gern den Sieg herbei.
[350]
Dort auf dem vulkan'schen Boden muß wohl ein Vesuv es sein,
Der die Luft mit Flammenruthen wieder fege hell und rein!
Dort auf stürmereichem Meere tobt sich erst das Wetter aus,
Eh' erhellt, gereint, geläutert prangt des Aethers blaues Haus!
Doch in unsrem Rebenlande, hier in milder Blüthenau,
Gnügt ein lauer Frühlingsregen, frische Luft und Morgenthau!
Fürchtet nicht die edle Gährung; gährt ja doch auch unser Wein,
Daß er zwiefach dann erquicke, doppelt golden, süß und rein!
Nicht das Schwert sei unsre Waffe, nein, das Wort, Licht und Gesetz!
Denn der fröhlich heitre Sieger ist der schönste Sieger stets!
Seht den Lenz, den Freiheitshelden, lernt von ihm es, wie man siegt,
Wenn mit dem Tyrannen Winter er im harten Kampfe liegt!
Winter ist ein Erzdespote, ein gar arger Obscurant,
Denn in seine langen Nächte hüllt' er ewig gern das Land;
Winter ist ein arger Zwingherr; in den eis'gen Fesseln fest
Hält des Lebens freiheitlust'ge frische Quellen er gepreßt.
Sieh, im Lager überrumpelt hat den trägen Alten schnell
Jetzt mit seinem ganzen Heere Lenz, der fröhliche Rebell!
Sonnenstrahlen seine Schwerter, grüne Halme seine Speer'!
O wie ragen und wie blitzen Speer und Schwerter ringsumher!
Seine Trommler und Trompeter das sind Fink' und Nachtigall,
Seine Marseillaise pfeifen Lerchen hoch mit lautem Schall,
Bomben sind die Blumenknospen, Kugel ist der Morgenthau!
Wie die Bomben und die Kugeln fliegen über Feld und Au!
[351]
Und den Farbelosen, denen die drei Farben schon zu viel,
Zeigt er keck des Regenbogens ganzes buntes Farbenspiel!
Als Cocarden junger Freiheit hat er Blüthen ausgesät,
Ha, wie rings das Land voll bunter, farbiger Cocarden steht!
Rundum hat die Städt' und Dörfer der Rebell in Brand gesetzt:
Ja, im goldnen Sonnenbrande glänzen hell und blank sie jetzt!
Drüber flatternd hoch sein Banner ätherblau und leuchtend weht,
Drin als Schild ein Rosenwölkchen mit der Inschrift: Freiheit! steht.
Hei, der Winter ist geschlagen! und mit seinem Fesselband,
Seinem Froste, seinen Nächten, flieht er fort nun aus dem Land!
Frei und fröhlich zieht statt seiner rasch der junge Sieger ein
Mit Gesang und grünen Kränzen, Blüthenscherz und Sonnenschein!
Und in grüne Farbe kleidet er Gebirge, Thal und Hain:
Freiheit geb' ich euch, und Gleichheit! Gleich beglückt sollt all' ihr sein! –
Solch ein heitrer Sieg des Lichtes kröne dich, mein Oesterreich,
Und dem schönsten Frühlingstage werde deine Freiheit gleich!
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Spaziergänge eines Wiener Poeten
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