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[334] Fuß der Grotenburg.

Die 18. 19. und 20ste Legion in Marschordnung. Kriegsmusik.


VARUS geht durch die Reihen. Dein Schwert.

LEGIONAR. Hier.

VARUS. Die Klinge hat Rost.[334]

LEGIONAR. Eingefressenes Blut. Weiß nicht mehr, aus welchem Gefecht. Es ist nicht abzuwaschen.

VARUS. Zeig mir die Brust. Sie atmet schwer. – Viele Wunden. Doch das Hemd ist grob und schlecht.

LEGIONAR. Es ward mir so geliefert.

VARUS. Es wurden mir schönere Proben gezeigt. Zu zwei Liktoren. Verhaftet die betreffenden Lieferanten – Jene drei, die da von fern ängstlich meiner Musterung zusehen, sind es, – und beschlagt ihr Vermögen. Er geht weiter. Deine offne Narbe an der linken Schläfe? weshalb brauchst du keinen Wundarzt, Alter?

ZWEITER LEGIONAR. Bleibe sie lieber frisch und offen, als daß die Ärzte sie flicken und verfumfeien. Ich empfing sie jenes Morgens, als der göttliche Julius am Rubikon zauderte und sann, und wir lange unter den Pfeilen der gegenüberstehenden Pompejaner auf seinen Entschluß warten mußten.

VARUS greift einen Augenblick grüßend an seinen Helm. Alle Ehre deiner Narbe. Sie ist eins der Kommata der Weltgeschichte. Zu einem dritten Legion. Was beugst du dein Haupt?

DRITTER LEGIONAR. Aktium.

VARUS für sich. Es wäre ein endloses Geschäft weiter zu fragen. Fast all diese beeisten Häupter tragen in Narben die Schriftzüge ihrer Siege. Und diese Heroen mit Knochen aus Erz und Haaren von Silber muß ich gegen das nordische Gepack und sein abscheuliches Klima verwenden? – Achtzehnte, Neunzehnte, Zwanzigste, ihr drei ersten Kriegsdiamanten des Reichs, wetteifert nur untereinander, und Germanien ist unser.

EIN QUÄSTOR kommt. Die Bundestruppen sind gemustert und gezählt. Siebenzigtausend Mann.

VARUS. Das Fußvolk?

QUÄSTOR. Buntes Gemengsel. Der eine trägt Hirschgeweih oder Auerhahnsfedern und dergleichen auf dem Kopf, der andere hat in einen Knoten zusammengeschürztes Kopfhaar, dem dritten weht es lose wie Mähnen um die Schläfen, der vierte hat einen verrosteten Kessel so aufgestülpt, daß man sein geistreiches Gesicht kaum sieht, und die übrige Uniform besteht aus Röcken von Luchs-, Bär-, Elentiers-Fellen und ich weiß kaum, was sonst noch, alles immer quer und toll durcheinander.[335]

VARUS. Die Reiterei?

QUÄSTOR. Der kann man ihren Aufputz und ihre Wildheit verzeihen. Unsere Turmen sind Flederwische gegen diese bergauf und bergunter fliegenden Scharen. Jeden Augenblick glaubt man, das Volk bräche den Hals, und es kümmert sich im rasendsten Galopp höchstens um die Kinnketten seiner Gäule.

VARUS. Diese Reiterei hat sogleich der unsrigen sich anzuschließen.


Der Quästor ab. Hermann kommt.


Du zögertest lang.

HERMANN. Ich grüßte erst mit ein paar Worten zu Hause. Dann macht ich noch diese Wegkarte nach dem Harz, schickte weit umher nach Hülfe, selbst bis zu den auf ihren im Meer bebenden Ländern wohnenden Chauken. Meine Nachbarn: die Marsen und Brukterer sind natürlich nicht die letzten, die ich einlud. Von dem Rhein kommen uns auch die Ubier und die tapferen tenktrischen Reiter zu Hülfe. Kurz, bald ist mehr als halb Deutschland da, um euch seinen übermütigen Rest überwinden zu helfen.

VARUS. Dein Eifer für die gute Sache verdient alles Lob. Wie sehr beförderst du dadurch in diesen Landen die Humanität und Zivilisation.

HERMANN für sich. Humanität? Ein Lateiner und Eroberer hat doch prächtige Ausdrücke für Tyrannei. Zivilisation? Das lautet schon richtiger, denn ich will euch zivilisieren und bei uns einbürgern, fest, sicher, drei Fuß tief in die Erde und Hügel von acht Fuß darüber. Oder noch besser, euer Fleisch den Raben, eure Knochen dem Regen, daß sie gebleicht werden wie das beste Garn!

RÖMISCHE SOLDATEN. Donnerts?

HERMANN. Nein. Mein Stallknecht brummt, weil er einen Verweis bekommen hat, daß er den Sattelriem nachlässig zuknöpfte.

VARUS. Schone er künftig seiner ungeheuren Lunge. Brummfliegen tötet man leicht unversehens. – – Vorwärts, marsch!

HERMANN blickt auf die an der Spitze der Heeres marschierenden Römer. Die gleißenden Schurken! Wie sie unsren edlen Boden mit fremdem Waffenprunk beflecken! Er sieht sich um. Deutschland, verlaß mich nicht mit deinen Fluren, Bergen,[336] Tälern, und Männern! Ich kämpfe ja nur deinethalb: die Feinde sollen deine Waldungen nicht zum Schiffsbau zerschlagen, dir deine Herrlichkeit, deinen Söhnen ihr Blut und ihre Freiheit nicht nehmen! – Du mit ewigem Grün prangender Rhein, du donnernde Donau, du, meine Weser, und du leuchtende Elbe, die ihr alle in so vielen Schlachten uns zur Seite wart, helfende, blitzende unendliche Schwerter, – ihr solltet speichelleckend fluten unter dem Brückengekett des Römers? Nein, wir sind dankbar, und werden euch erlösen.

VARUS. Was ist dir, mein Lieber?

HERMANN. Mein Bester, mich drücken meine Halbstiefeln. Sie sind eben aus Rom bezogen, indes wird mein Fuß sie bald ausweiten.

VARUS. Gabst du deinen Hülfsvölkern gute Anführer?

HERMANN. Es hält schwer einen guten Hauptmann zu finden, doch gab ich ihnen die besten Befehlshaber, welche ich auftreiben konnte.

VARUS. Ist deine Gegenwart bei den Bundsgenossen nötig?

HERMANN. Dann und wann, wenn ich was von Unordnung unter ihnen erfahre, oder sie inspiziere. Im übrigen werden sie stets den Fußstapfen der Legionen folgen, wie Hühnerhunde der Fährte.

VARUS. Du hast den Horatius Flaccus schlecht studiert, sonst würdest du solch gemeines Gleichnis nicht gebrauchen. – – Zur Sache: ich schicke zu den Hülfstruppen noch einige Kriegstribunen, um ihre Bewegungen dem römischen Kriegsbrauch genau anzupassen.

HERMANN für sich. Befehlshaber und Spione zu gleich, heißt das.

VARUS. Und du, Wegkundiger, der du deinen braven Völkern nicht nötig bist, bleibst in der Regel bei mir, sowohl um uns deine Karte an Ort und Stelle zu erläutern, als mir überhaupt Aufschluß über die Landstriche, welche wir betreten, und deren Bewohner zu geben.

HERMANN für sich. Überschlauer Fuchs, du! Da macht er mich zur Geißel! – Na! ich will euch peitschen!

VARUS. Also: führ uns wider die Aufrührer.

HERMANN indem er, Varus und das Gefolge die Pferde besteigen, für sich. Schnell gehts in Rom. Die Harzleute sind schon Aufrührer, ehe sie Untertanen waren. Laut. Du befiehlst.[337] Ich gehorche. Ich leit euch hin und zurück zu großen Siegs- und Todesschlachten!

VARUS. Mir lieb!

HERMANN. Mir auch!


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 3, Emsdetten 1960–1970, S. 334-338.
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