Das XIV. Kapitel.

[57] Was Courasche ferners anfieng und wie sie nach zweier Reuter Tod sich einem Musketierer teilhaftig machte.


Ich weiß nit, wie es meinem Liebhaber gefallen, als er mich nicht wieder in seinem Schloß angetroffen, ob er gelacht oder geweint habe; mir wars leid, daß ich seiner nicht mehr zu genießen hatte, und ich glaub, daß er auch gern noch länger mit mir vorliebgenommen hätte, wann ihm nur seine Eltern das Fleisch nicht so schnell aus den Zähnen gezogen. Um diese Zeit überschwemmte der Wallensteiner, der Tilly und der Graf Schlick ganz Holstein und andere dänische Länder mit einem Haufen Kaiserlicher Völker wie mit einer Sündflut, deren die Hamburger sowohl als andere Ort mit Proviant und Munition aushelfen mußten; dannenhero gab es viel Aus- und Einreutens und bei mir ziemliche Kundenarbeit. Endlich erfuhre ich, daß meine angenommene Mutter sich zwar noch bei der Armee aufenthielte, hingegen aber alle meine Bagage bis auf ein paar Pferde verloren, welches mir den Kompaß gewaltig verruckte. Es schlug mir in Hamburg zwar wohl zu, und ich hätte mir mein Lebtage kein bessere Händel gewünscht; weil aber solche Fortuna nicht länger bestehen konnte, als solang das Kriegsvolk im Land lag, so mußte ich bedacht sein, meine Sach auch anders zu karten. Es besuchte mich ein junger Reuter; der bedeuchte mich fast liebwürdig, resolut und bei Geltmitteln zu sein. Gegen diesem richtet ich alle meine Netz und unterließe kein Jägerstücklein, bis ich ihn in meine Strick brachte und so verliebt machte, daß er mir Salat aus der Faust essen mögen ohne einigen Ekel. Dieser versprach mir bei Teufelholen die Ehe und hätte mich auch gleich in Hamburg zur Kirchen geführt, wann er nicht zuvor seines Rittmeisters Konsens hierzu hätte erbitten müssen, welchen er auch ohnschwer erhielte, da er mich zum Regiment brachte, also daß er nur auf Zeit und Gelegenheit wartete, die Kopulation würklich vollziehen zu lassen. Indessen verwunderten sich seine Kameraten, woher ihm das Glück so, eine schöne junge Maistresse zugeschickt, unter welchen die[57] allermeiste gern seine Schwäger hätten werden mögen; dann damals waren die Völker bei dieser sieghaften Armee wegen langwürigen glücklichen Wohlergehens und vieler gemachten Beuten durch Überfluß aller Dinge dergestalt fett und ausgefüllt, daß der größte Teil, durch Kützel des Fleisches angetrieben, mehr ihrer Wollust nachzuhängen und solchen abzuwarten, als um Beuten zu schauen oder nach Brod und Fourage zu trachten gewohnt war; und sonderlich so war meines Hochzeiters Korporal ein solcher Schnapphahn, der auf dergleichen Nascherei am allermeisten verpicht war, als welcher gleichsam eine Profession daraus machte, anderen die Körner aufzusetzen und sichs vor eine große Schand gerechnet hätte, wann er solches irgends unterstanden und nicht werkstellig machen mögen. Wir lagen damals in Stormaren, welches noch niemals gewußt, was Krieg gewesen; dannenhero war es noch voll von Überfluß und reich an Nahrung, worüber wir uns Herren nannten und den Landmann vor unsere Knechte, Köch und Tafeldecker hielten; da währete Tag und Nacht das Bankedieren, und lude je ein Reuter den andern auf seines Hauswirts Speis und Trank zu Gast. Diesen Modum hielte mein Hochzeiter auch, worauf angeregter Korporal sein Anschlag machte, mir hinter die Haut zu kommen; dann als mein besagter Hochzeiter sich mit zween von seinen Kameraten (so aber gleichwohl auch des Korporals Kreaturen gewesen) in seinem Quartier lustig machte, kam der Korporal und kommandierte ihn zu der Standarten auf die Wacht, damit, wann mein Hochzeiter fort wäre, er sich selbst mit mir ergötzen könnte. Weil aber mein Hochzeiter den Possen bald merkte und ungern leiden wollte, daß ein anderer seine Stell vertretten oder (daß ichs fein teutsch gebe), daß ihn der Korporal zum Gauch machen sollte, siehe, da sagte er ihm, daß noch etliche wären, denen vor ihm gebührte, solche Wacht zu versehen. Der Korporal hingegen sagte ihm, er sollte nicht viel disputiern, sondern seinem Kommando pariern, oder er wollte ihm Füße machen; dann er wollte diese feine Gelegenheit, meiner teilhaftig zu werden, einmal nicht aus Handen lassen. Demnach ihm aber solche mein Liebster nicht zu gönnen gedachte, widersetzte er sich dem Korporal so lang, bis er von Leder zog und ihn auf die Wacht nötigen oder in Kraft habenden Gewalts so exemplarisch zeichnen wollte, daß ein andermal ein anderer wisse, wieweit ein Untergebener seinem Vorgesetzten zu gehorsamen schuldig wäre. Aber ach! mein lieber Stern verstund den Handel leider übel, dann er [war] ebensobald mit seinem Degen fertig und verdingte dem Korporal eine solche[58] Wunden in Kopf, die ihn des unkeuschen und erhitzten Geblüts alsobald entledigte und allen Kützel dergestalt vertriebe, daß ich wohl sicher vor ihm sein konnte. Die beide Gäst giengen ihrem Korporal auf sein Zuschreien zu Hülf und mit ihren Fochteln auch auf meinen Hochzeiter los, davon er den einen alsobalden durchstach und den andern zum Haus hinaus jagte, welcher aber gleich wiederkam und nit allein den Feldscherer vor die Verwundte, sondern auch etliche Kerl brachte, die meinen Liebsten und mich zum Profosen führten, allwo er an Händ und Füßen in Band und Ketten geschlossen wurde. Man machts gar kurz mit ihm; dann den andern Tag ward Standrecht über ihn gehalten, und obzwar sonnenklar an Tag kam, daß der Korporal ihn keiner andern Ursachen halber auf die Wacht kommandiert, als selbige Nacht anstatt seiner zu schlafen, so wurde doch erkannt, um den Gehorsam gegen den Offiziern zu erhalten, daß mein Hochzeiter aufgehenkt, ich aber mit Ruten ausgehauen werden sollte, weil ich an solcher Tat ein Ursächerin gewesen. Jedoch wurden wir beide so weit erbetten, daß mein Hochzeiter harkebusiert, ich aber mit dem Steckenknecht vom Regiment geschickt wurde, welches mir gar ein abgeschmackte Reis war.

So sauer kam mich aber diese Reis nicht an, so fanden sich doch zween Reuter in unserm Quartier, die mir und ihnen solche versüßen wollten; dann ich war kaum ein Stund gehend hinweg, da saßen diese beide in einem Busch, dardurch ich mußte passieren, mich willkommen zu heißen. Ich bin zwar, wann ich die Wahrheit bekennen muß, meine Tage niemals so Hechel gewesen, einem guten Kerl eine Fahrt abzuschlagen, wann ihn die Not begriffen; aber da diese zween Halunken mitten in meinem Elend ebendasjenige von mir mit Gewalt begehrten, wessentwegen ich verjagt und mein Auserwählter todgeschossen worden, widersetzte ich mich mit Gewalt; dann ich konnte mir wohl einbilden, wann sie ihren Willen erlangt und vollbracht, daß sie mich auch erst geplündert hätten, als welches Vorhaben ich ihnen gleichsam aus den Augen und von der Stirnen ablesen konnte, sintemal sie sich nicht schämten, mit entblößten Degen auf mich wie auf ihren Feind loszugehen, beides, mich zu erschrecken und zu dem, was sie suchten, zu nötigen. Weil ich aber wußte, daß ihre scharfe Klingen meiner Haut weniger als zwo Spießgerten abhaben würden, siehe, da waffnete ich mich mit meinen beiden Messern, von denen ich in jede Hand eins nahm und ihnen dergestalt begegnete, daß der eine eins davon im Herzen stecken hatte, ehe[59] er sichs versahe. Der ander war stärker und vorsichtiger als der erste, wessentwegen ich ihme dann so wenig als er mir an den Leib kommen konnte. Wir hatten unter währendem Gefecht ein wildes Geschrei; er hieße mich eine Hur, eine Vettel, eine Hex und gar einen Teufel; hingegen nannte ich ihn einen Schelmen, einen Ehrendieb, und was mir mehr von solchen ehrbarn Tituln ins Maul kam, welches Balgen einen Musketierer überzwergs durch den Busch zu uns lockte, der lang stunde und uns zusahe, was wir vor seltsame Sprüng gegeneinander verübten, nicht wissend, welchem Teil er unter uns beistehen oder Hülfe leisten sollte; und als wir ihn erblickten, begehrte ein jedes, er wollte es von dem andern erretten. Da kann nun ein jeder wohl gedenken, daß Mars der Veneri viel lieber als dem Vulcano beigestanden, vornehmblich, als ich ihm gleich güldene Berg versprach und ihn meine ausbündige Schönheit blendet und bezwang. Er paßte auf und schlug auf den Reuter an und brachte ihn mit Bedrohung dahin, daß er mir nicht allein den Rücken wendet, sondern auch anfieng darvon-zulaufen, daß ihm die Schuchsohlen hätten herunterfallen mögen, seinen entseelten Kameraten, sich in seinem Blut walzend, hinterlassend.

Als nun der Reuter seines Wegs war und wir uns allein beisammen befanden, erstummte dieser junge Musketierer gleichsam über meiner Schönheit und hatte nit das Herz, etwas anders mit mir zu reden, als daß er mich fragte, durch was vor ein Geschick ich so gar allein zu diesem Reuter kommen wäre? Darauf erzählte ich ihm alles haarklein, was sich mit meinem gehabten Hochzeiter, item mit dem Korporal und dann auch mit mir zugetragen, sodann, daß mich diese beide Reuter, nämlich der gegenwärtige Tode und der Entloffene, als ein armes verlassenes Weibsbild mit Gewalt schänden wollen, deren ich mich aber bisher, wie er selbst zum Teil wohl gesehen, ritterlich erwehrt; mit Bitt, er wollte als mein Nothelfer und Ehrenretter mich ferner beschützen helfen, bis ich irgendshin zu ehrlichen Leuten wieder in Sicherheit käme, versicherte ihn auch ferner, daß ich ihme vor solche seine erwiesene Hülfe und Beistand mit einem ehrlichen Rekompens zu begegnen nicht ermanglen würde. Er besuchte darauf den Toden und nahme zu sich, was er Schätzbarliches bei sich hatte, welches ihm seine Mühe ziemlich belohnte. Darauf machten wir uns beide bald aus dem Staub, und indem wir unseren Füßen gleichsam über Vermögen zusprachen, kamen wir desto ehender durch den Bosch und erreichten denselben Abend noch des Musketierers Regiment,[60] welches fertig stunde, mit dem Colalto, Altrinniger und Gallas in Italia zu gehen.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 57-61.
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