Das XXVI. Kapitel.

[100] Courasche wird eine Musketiererin, schachert dabei mit Tabak und Branntewein. Ihr Mann wird verschicket, welcher unterwegs einen toten Soldaten antrifft, den er ausziehet, und weil die Hosen nicht herunterwollten, ihm die Schenkel abhaut, alles zusammenpacket und bei einem Bauren einkehret, die Schenkel zu Nachts hinterlässet und Reißaus nimmt, darauf sich ein recht lächerlicher Poß zuträgt.


Damals lagen weit herumb keine kaiserliche Völker oder Armeen, zu welchen ich mich wieder zu begeben im Sinn hatte. Weil mirs dann nun an solchen mangelte, so gedachte ich, mich zu den Weimarischen oder Hessen zu machen, welche damal im Kinzger Tal und derorten herumb sich befanden, umb zu sehen, ob ich etwan wieder einen Soldaten zum Mann bekommen könne. Aber ach! die erste Blüte meiner ohnvergleichlichen Schönheit war fort und wie eine Frühlingsblum verwelket, wie mich dann auch mein neulicher Unfall und daraus entstandene Bekümmernus nicht wenig verstellet. So war auch mein Reichtumb hin, der oft die alte Weiber wieder an Männer bringet. Ich verkaufte von meinen Kleidern und Geschmuck, so mir noch gelassen worden, was Geld golte, und brachte etwan zweihundert Gulden zuwegen; mit denen machte ich mich sambt einen Boten auf den Weg, umb mein Glück zu suchen, wo ichs finden möchte. Ich trafe aber nichts als Unglück an; dann ehe ich Schiltach erlanget, kriegte uns eine weimarische Partei Musketierer, welche den Boten abprügelten, plünderten und wieder von sich jagten, mich aber mit sich in ihr Quartier schleppeten. Ich gab mich vor ein kaiserliches Soldatenweib aus, deren Mann vor Freiburg in Breißgau tot blieben wäre, und überredet die Kerl, daß ich in meines Mannes Heimat gewesen, nunmehr aber willens sei, mich ins Elsaß nach Haus zu begeben. Ich war, wie obgedacht, bei weitem nicht mehr so schön als vor diesem, gleichwohl aber doch noch von solcher Beschaffenheit, die einen Musketierer aus der Partei so verliebt machte, daß er meiner zum Weib begehrte. Was wollte oder sollte ich tun? Ich wollte lieber diesem einzigen mit gutem Willen gönnen, als von der ganzen Partei mit Gewalt zu demjenigen gezwungen werden, was dieser aus Lieb suchte. In Summa, ich wurde eine Frau Musketiererin, ehe mich der Kaplan kopulierte. Ich hatte im Sinn, wieder wie zu Springinsfelds Zeiten eine Markedenterin abzugeben, aber mein Beutel befand sich viel zu leicht, solches ins Werk zu setzen. So mangelte mir auch meine böhmische Mutter, und überdas bedunkte mich, mein Mann wäre viel zu[101] schlecht und liederlich zu solchen Handel; doch fienge ich an, mit Tabak und Branntewein zu schachern, gleichsam als ob ich wieder halbbatzenweis hätte gewinnen wollen, was ich kürzlich bei taufenden verloren. Es kam mich blutsauer an, so zu Fuß daherzumarschieren und noch darzu eine schweren Pack zu tragen, neben dem, daß es auch zuzeiten schmal Essen und Trinken setzte, welches unangenehmlichen Dings ich mein Lebtag nicht versucht, viel weniger gewohnet hatte. Zuletzt brachte ich einen trefflichen Maulesel zuwegen, der nicht allein schwer tragen, sondern auch schneller laufen konnte als manch gutes Pferd. Gleichwie ich nun dergestalt zween Esel zusammenbrachte, also verpflegte ich sie auch besten Fleißes, damit ein jeder seine Dienste desto besser versehen könnte. Solchergestalt nun, weil ich und meine Bagage getragen wurde, konnte ich mich auch um etwas besser patientiern und verzögerte also mein Leben, bis uns der von Mercy in Anfang des Maien bei Herbsthausen treffliche Stöße gab. Ehe ich aber fortfahre, solchen meinen Lebenslauf weiters hinaus zu erzählen, so will ich dem Leser zuvor ein artliches Stückel eröffnen, das mein damaliger Mann wider seinen Willen ins Werk setzte, als wir noch im Kinzger Tal lagen.

Er gieng ein, auf seiner Offizier Zumuten und mein Gutbefindung, sich in alte Lumpen zu verkleiden und mit einer Axt auf der Achsel in Gestalt eines armen exulierenden Zimmermanns einige Brief an Ort und Ende zu tragen, dahin sonst niemand zu schicken wegen der Kaiserl. Parteien, welcher wegen es unsicher war. Solche Briefe betrafen die Konjunktion etlicher Völker und anderer Kriegsanschläg. Es ware damals von grimmiger Kälte, gleichsam Stein und Bein zusammengefroren, so daß mich das arme Schaf auf seiner Reise schier gedauret hätte; doch mußte es sein, weil ein ziemlich Stück Gelt zu verdienen war, und er verrichtet auch alles sehr glücklich. Unterwegs, aber fande er einen toten Körper in seinen Abwegen, die er der Enden wohl wußte, welcher ohne Zweifel eines Offiziers gewesen sein muß, weil er ein paar roter scharlachener Hosen mit silbern Galaunen verbrämt anhatte, welcherlei Gattung damal die Offizier zu tragen pflegten; so war sein Köller samt. Stiffeln und Sporen auch den Hosen gemäß. Er besahe den Fund und konnte nicht ersinnen, ob der Kerl erfroren oder von den Schwarzwäldern totgeschlagen worden wäre; doch galte es ihm gleich, welches Tods er gestorben. Das Koller gefiele ihm so wohl, daß ers ihm auszog, und da er dasselbige hatte, gelüstet ihn auch nach den Hosen, welche zu bekommen er zuvor[102] die Stiefel abziehen mußte; solches glückte ihm auch. Als er aber die Hosen herabstreifte, wollten solche nicht hotten, weil die Feuchtigkeit des allbereit verwesenden Körpers sich unter den Knieen herum, allwo man dazumal die Hosenbändel zu binden pflegte, sich beides, in das Futter und den Überzug, gesetzt hatte und dannenhero Schenkel und Hosen wie ein Stein zusammengefroren waren. Er hingegen wollte diese Hosen nicht dahinden lassen, und weil der Tropf sonst kein ander Mittel in der Eil sahe, eins vom andern zu ledigen, hiebe er dem Corpo mit seiner Axt die Füße ab, packte solche, samt Hosen und Koller zusammen und fande mit seinem Bündel bei einem Bauren ein solche Gnad, daß er bei ihme hintern warmen Stubenofen übernachten dorfte.

Dieselbe Nacht kälbert dem Bauern zu allem Unglück eine Kuhe, welches Kalb seine Magd wegen der großen Kälte in die Stuben trug und zunächst bei meinem Mann auf eine halbe Well Stroh zum Stubenofen setzte. Indessen war es gegen Tag, und meines Manns eroberte Hosen allbereit von den Schenkeln aufgetauet; derowegen zog er seine Lumpen zum Teil aus und hingegen das Köller und die Hosen (die er umkehrte oder letz machte) an, ließe sein altes Gelümp samt den Schenkeln beim Kalb liegen, stiege zum Fenster hinaus und kam wieder glücklich in unser Quartier.

Des Morgens frühe kam die Magd wiederum, dem Kalb Rat zu schaffen; als sie aber die beide Schenkel samt meines Mannes alten Lumpen und Schurtzfell darbei liegen sahe und meinen Mann nicht fande, fienge sie an zu schreien, als wann sie mitten unter die Mörder gefallen wäre. Sie liefe zur Stuben hinaus und schlug die Tür hinter ihr zu, als wann sie der Teufel gejagt hätte, von welchem Lärmen dann nicht allein der Bauer, sondern auch die ganze Nachbarschaft erwachte und sich einbildete, es wären Krieger vorhanden, wessenwegen ein Teil ausrisse, das ander aber sich in die Wehr schickte. Der Bauer selbst vernahm von der Magd, welche vor Forcht und Schrecken zitterte, die Ursach ihres Geschreis, daß nämlich das Kalb den armen Zimmermann, den sie über Nacht geherbergt, bis auf die Füße gefressen und ein solches gräßliches Gesicht gegen ihr gemacht hätte, daß sie glaube, wann sie sich nicht aus dem Staub gemacht, daß es auch an sie gesprungen wäre. Der Bauer wollte das Kalb mit seinem Knebelspieß niedermachen, aber sein Weib wollte ihn in solche Gefahr nicht wagen, noch in die Stub lassen, sondern vermittelte, daß er den Schultheißen um Hülf ansuchte. Der ließe alsobald der Gemein zusammenläuten,[103] um das Haus gesamter Hand zu stürmen und diesen gemeinen Feind des menschlichen Geschlechts, ehe er gar zu einer Kuhe aufwüchse, beizeiten auszureuten. Da sahe man nun ein artliches Spektakel, wie die Bäurin ihre Kinder und den Hausrat zum Kammerladen nacheinander herauslangte, hingegen die Bauren zu den Stubenfenstern hineinguckten und den schröcklichen Wurm samt bei sich liegenden Schenkeln anschaueten, welches ihnen genugsame Zeugnüs einer großen Grausamkeit einbildete. Der Schultheiß gebote, das Haus zu stürmen und dieses gräuliche Wundertier niederzumachen, aber es schonete ein jeder seiner Haut; jeder sagte: »Was hat mein Weib und Kind darvon, wann ich umkäme?« Endlich wurde aus eines alten Bauren Rat beschlossen, daß man das Haus mitsamt dem Kalb, dessen Mutter vielleicht von einem Lindwurm oder Drachen besprungen worden, hinwegbrennen und dem Bauern selbst aus gemeinem Säckel eine Ergötzung und Hülfe tun sollte, ein anders zu bauen. Solches wurde fröhlich ins Werk gesetzet, dann sie sich damit trösteten, sie müßten gedenken, es hätten solches die Diebskrieger hinweggebrannt.

Diese Geschichte machte mich glauben, mein Mann würde trefflich Glück zu dergleichen Stücken haben, weil ihm dieses ungefähr begegnet; ich gedachte, was würde er erst ins Werk setzen, wann ich ihn wie hievor den Springinsfeld abrichte? Aber der Tropf war viel zu eselhaftig und hundsklinkerisch darzu; überdas ist er mir auch bald hernach in dem Treffen vor Herbsthausen tot geblieben, weil er keinen solchen Scherz verstehen konnte.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 100-104.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Holz, Arno

Papa Hamlet

Papa Hamlet

1889 erscheint unter dem Pseudonym Bjarne F. Holmsen diese erste gemeinsame Arbeit der beiden Freunde Arno Holz und Johannes Schlaf, die 1888 gemeinsame Wohnung bezogen hatten. Der Titelerzählung sind die kürzeren Texte »Der erste Schultag«, der den Schrecken eines Schulanfängers vor seinem gewalttätigen Lehrer beschreibt, und »Ein Tod«, der die letze Nacht eines Duellanten schildert, vorangestellt. »Papa Hamlet«, die mit Abstand wirkungsmächtigste Erzählung, beschreibt das Schiksal eines tobsüchtigen Schmierenschauspielers, der sein Kind tötet während er volltrunken in Hamletzitaten seine Jämmerlichkeit beklagt. Die Erzählung gilt als bahnbrechendes Paradebeispiel naturalistischer Dichtung.

90 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon