Das VI. Kapitel.

[31] Courasche kommt durch wunderliche Schickung in die zweite Ehe und freiete einen Hauptmann, mit dem sie trefflich glückselig und vergnügt lebte.


Ich hätte zu Prag feine Gelegenheit gehabt, mein Handwerk ferners zu treiben; aber die Begierde, meine Kostfrau zu sehen und meine Eltern zu erkundigen, triebe mich auf Bragoditz zu reisen, welches ich als in einem befriedeten Land sicher zu tun getraute; aber potz Herz, da ich an einem Abend allbereit den Ort vor mir liegen sahe, da kamen eilf Mansfeldische Reuter, die ich, wie sonst jedermann getan hatte, vor Kaiserisch und gut Freund ansahe, weil sie mit roten Scharpen oder Feldzeichen mundiert waren. Diese packten mich an und wanderten mit mir und meinem Kalesch dem Böhmerwald zu, als wann sie der Teufel selbst gejagt hätte. Ich schriee zwar, als wann ich an einer Folter gehangen wäre, aber sie machten mich bald schweigen. Umb Mitternacht kamen sie in eine Meierei, die einzig vorm Wald lag, allwo sie anfiengen zu füttern und mit mir umbzugehen, wie zu geschehen pflegt, welches mir zwar der schlechteste Kummer war; aber es wurde ihnen gesegnet wie dem Hund das Gras: dann indem sie ihre viehische Begierden sättigten, wurden sie von einem Hauptmann, der mit dreißig Dragonern eine Convoi nach Pilsen verrichtet hatte, überfallen, und weil sie[31] durch falsche Feldzeichen ihren Herren verleugnet, alle miteinander niedergemacht. Das Meinige hatten die Mansfeldische noch nicht gepartet, und demnach ich kaiserlichen Paß hatte und noch nicht 24 Stund in Feinds Gewalt gewesen, hielte ich dem Hauptmann vor, daß er mich und das Meinige vor keine rechtmäßige Beuten halten und behalten könnte. Er mußte es selbst bekennen, aber gleichwohl, sagte er, wäre ich ihm umb meiner Erlösung willen obligiert, er aber nicht zu verdenken, wann er einen solchen Schatz, den er vom Feind erobert, nicht mehr aus Händen zu lassen gedächte; seie ich eine verwittibte Rittmeisterin, wie mein Paß auswiese, so seie er ein verwittibter Hauptmann. Wann mein Will darbei wäre, so würde die Beut bald geteilt sein; wo nicht, so werde er mich gleichwohl mitnehmen und hernach ererst mit einem jedwedern disputiern, ob die Beute rechtmäßig sei oder nicht. Hiermit ließe er genugsamb scheinen, daß er allbereit den Narrn an mir gefressen; und damit er das Wasser auf seine Mühl richtete, sagte er, diesen Vorteil wollte er mir lassen, daß ich erwählen möchte, ob er die Beute unter seine ganze Bursch teilen sollte, oder ob ich vermittelst der Ehe sambt dem Meinigen allein sein verbleiben wollte, auf welchen Fall er seine bei sich habende Leute schon bereden wollte, daß ich mit dem Meinigen keine rechtmäßige Beute, sondern ihme allein durch die Verehelichung zuständig worden wäre. Ich antwortete, wann die Wahl bei mir stünde, so begehrte ich deren keins, sondern meine Bitte wäre, sie wollten mich in meine Gewahrsam passieren lassen; und damit fienge ich an zu weinen, als wann mirs ein gründlicher Ernst gewesen wäre, nach den alten Reimen:


»Die Weiber weinen oft mit Schmerzen,

Aber es geht ihn nicht von Herzen,

Sie pflegen sich nur so zu stellen,

Sie können weinen, wann sie wollen.«


Aber es war meine Meinung, ihm hierdurch Ursach zu geben, mich zu trösten, sich selbst aber stärker zu verlieben, sintemal mir wohl bewußt, daß sich die Herzen der Mannsbilder am allermeisten gegen dem weinenden und betrübten Frauenzimmer zu öffnen pflegen. Der Poß gienge mir auch an, und indem er mir zusprach und mich seiner Liebe mit hohem Beteuren versicherte, gab ich ihm das Jawort, doch mit diesem ausdrücklichen Beding und Vorbehalt, daß er mich vor der Kopulation im geringsten nicht berühren sollte, welches er beides verheißen und gehalten, bis wir in die Mansfeldische Befestigungen[32] zu Weidhausen ankamen, welches eben damals dem Herzogen aus Bayern vom Mansfelder selbst per Akkord übergeben worden. Und demnach meines Serviteurs heftige Liebe wegen unsers Hochzeitfests keinen längern Verzug gedulten mochte, ließe er sich mit mir ehelich zusammengeben, ehe er möchte erfahren, wormit die Courasche ihr Geld verdienet, welches kein geringe Summa war. Ich war aber kaum einen Monat bei der Armee gewesen, als sich etliche hohe Offizierer fanden, die mich nicht allein zu Wien gekannt, sondern auch gute Kundschaft mit mir gehabt hatten; doch waren sie so bescheiden, daß sie weder meine noch ihre Ehr öffentlich ausschrieen. Es gieng zwar so ein kleines Gemurmel umb, darüber ich aber gleichwohl keine sonderliche Beschwerung empfand, außer daß ich den Namen »Courasche« wiederumb gedulden mußte.

Sonst hatte ich einen guten gedultigen Mann, welcher sich ebenso hoch über meine gelbe Batzen als wegen meiner Schönheit erfreute. Diese hielte er gesparsamer zusammen, als ich gerne sahe; gleich wie ich aber solches geduldete, also gab er auch zu, daß ich mit Reden und Gebärden gegen jedermann desto freigebiger sein dorfte. Wann ihn dann jemands vexierte, daß er mit der Zeit wohl Hörner kriegen dürfte, antwortet er auch im Scherz, es seie sein geringstes Anliegen; dann ob ihm gleich einer über sein Weib komme, so lasse ers jedoch bei dem, was ein solcher ausgerichtet, nicht verbleiben, sondern nehme Zeit, dieselbe frembde Arbeit wieder anders zu machen. Er hielte mir jederzeit ein trefflich Pferd, mit schönen Sattel und Zeug mondiert; ich ritte nicht wie andere Offiziersfrauen in einem Weibersattel, sondern auf einen Mannssattel, und ob ich gleich überzwergs saße, so führte ich doch Pistolen und einen türkischen Säbel unter dem Schenkel, hatte auch jederzeit einen Stegreif auf der andern Seiten hangen, und war im übrigen mit Hosen und einem dünnen taffeten Röcklein darüber also versehen, daß ich all Augenblick schrittling sitzen und einen jungen Reuterskerl präsentieren könnte; gab es dann eine Rencontra gegen dem Feinde, so war mir unmüglich, apart nicht mitzumachen. Ich sagte vielmalen, eine Dame, die sich gegen einem Mann zu Pferd zu wehren nicht wagen dürfte, sollte auch kein Plümage wie ein Mann tragen; und demnach mir es bei etlichen Betteltänzen glückte, daß ich Gefangne kriegte, die sich keine Bärnhäuter zu sein dunkten, wurde ich so kühn, wann dergleichen Gefecht angieng, auch einen Karbiner oder, wie mans nennen will, ein Bandelierrohr an die Seite zu hängen und neben dem Truppen auch zweien zu begegnen, und solches desto[33] hartnäckiger, weil ich und mein Pferd vermittelst der Kunst, die ich von vielgedachter meiner Würtin erlernet, so hart war, daß mich keine Kugel öffnen konnte.

So giengs und so stund es damal mit mir: ich machte mehr Beuten als mancher geschworner Soldat, welches auch manchen und manche verdroß; aber da fragte ich wenig nach, dann es gab mir Schmalz auf meine Suppen. Die Verträulichkeit meines sonst (gegen meiner Natur zu rechnen) ganz unvermöglichen Manns verursachte, daß ich ihm gleichwohl Farb hielte, ob sich gleich Höhere als Hauptleute bei mir anmeldeten, die Stelle seines Leutenants zu vertretten; dann er ließe mir durchaus meinen Willen. Hingegen war ich nichtsdestoweniger bei den Gesellschaften lustig, in den Konversationen frech, aber auch gegen den Feind so heroisch als ein Mann, im Feld so häuslich und zusammenhebig als immer ein Weib, in Beobachtung der Pferde besser als ein guter Stallmeister und in den Quartieren von solcher Prosperität, daß mich mein Hauptmann nicht besser hätte wünschen mögen; und wann er mir zu Zeiten einzureden Ursach hatte, litte er gerne, daß ich ihm Widerpart hielte und auf meinen Kopf hinausfuhr, weil sich unser Geld so sehr dardurch vermehrte, daß wir einen guten Partikul darvon in eine vornehme Stadt zu verwahren geben mußten. Und also lebte ich trefflich glückselig und vergnügt, hätte mir auch meine Tage keinen anderen Handel gewünscht, wann nur mein Mann etwas besser beritten gewest wäre. Aber das Glück oder mein Fatum ließe mich nicht lang in solchem Stand; dann nachdem mir mein Hauptmann bei Wißlach todgeschossen wurde, siehe, so ward ich wiederumb in einer kurzen Zeit zu einer Wittib.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 31-34.
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