Der vierdte eingang.


[29] Exabolius. Michael Balbus.


MICHAEL.

Wo werd ich, Exabol, den käyser finden können?

EXABOLIUS.

Er wird, wie ich vermein, dir stracks verhöre gönnen.

MICHAEL.

Warum? wie ich vermein, was thut er ohne dich?[29]

EXABOLIUS.

Er selbst thut, was ihn dünckt. Der käyser herrscht vor sich.

MICHAEL.

Wie so bestürtzt? so still? so einsam? so betrübet?

Wo geht der seuffzer hin? Hat er, den du geliebet,

Hat Leo, der nunmehr auch keiner freunde schont,

Mit ungunst, wie er pflegt, den langen dienst belohnt?

Er schweigt? Er kehrt sich um! Was gilts, ich hab es troffen!

Hat einer denn nicht mehr als solchen danck zu hoffen,

Der sich in heiße noth und tieffen kummer stürtzt,

In dem der fürst die zeit mit tausend listen kürtzt?

Er schwimmt in einer see mehr denn gewünschter wonne,

Weil wir in eisen stehn und leiden staub und sonne,

Und wider feind und lufft und land zu felde ziehn.

Wir wagen unser blut; wann heere vor uns fliehn,

Dann heists: der käyser thats; man füllt die siegeszeichen

Mit seinen titteln aus. Wenn wir im graß erbleichen,

Denn deckt man unsern ruhm und stärck und muth und stand

Und thaten und verdienst mit einer hand voll sand.

Bringt man den müden leib, die wunden-vollen glieder,

Den halb zustückten kopff und brust nach hofe wieder,

So schaut er uns, als die, so ihm geborget, an,

Und wo ein schlimmer stand, den niemand führen kan,

Wo ein verzweiffelt ort, den keiner weiß zu halten,

Wo ein gefährlich amt, das heist man uns verwalten

Und setzt um kundschafft uns verräther an die seit,

Dass hier mehr furchts und noths, als in dem grimsten streit,

Biss dass man was versiht, biss dass der printz was glaubet;

Denn wird uns ehr und gut mit sammt dem haupt geraubet![30]

EXABOLIUS.

Mein freundt! der freye mund bringt dich in höchste noth.

Wo fern uns iemand hört, so bist du lebendt todt.

MICHAEL.

Diß klag ich, dass nicht mehr erlaubet auszusprechen,

Was leider mehr denn wahr. Man schätzt für ein verbrechen,

Daß schwerdt und pfahl verdient, ein unbedachtes wort.

Wo ist die freyheit hin? die freyheit, derer ort

Ein honig süßer mund, ein schmeichler eingenommen,

Der durch sein heucheln ist auf diese stelle kommen,

Die meine faust erwarb! Ich spey mich selber an,

Dass ich diß krumme spiel so lange schauen kan.

Der mensch, der sich durch list hat in den thron gedrungen

(Wie erd und sonne weiß), der keinen feind bezwungen,

Als durch ein fremdes schwerdt, der kein anbringen hört,

Das etwas unsanfft ist, der ohrenbläser ehrt

Und tugend unterdruckt und redligkeit verdencket

Und sich mit fremder furcht und falschem argwohn kränket,

Der nie ein fremdes volck mit stahl und glut verderbt

Und stets die klau'n im blut der Byzantiner färbt,

Der sich von jedem knecht und buben läst regieren

Und schändlich um das licht als mit der nasen führen,

Der ists, den du und ich mit zittern müssen schaun!

Der ists, dem wir das reich und gut und halß vertraun!

Wie lange wird uns noch furcht, wahn und schrecken bländen?

Da fern du wilst, was ich, so steht in diesen händen

Das ende solcher noth.

EXABOLIUS.

Der anfang neuer pein!

Ich bitte, was ich mag.

MICHAEL.

Stell alles bitten ein

Und thu, was deiner ehr und tapfferkeit gebühret!

EXABOLIUS.

Ich thu, was freundschafft heist. Wer einem der verführet,[31]

Den rechten weg entdeckt, wer einen mann erhält,

Der nach dem abgrund eilt, und disem, der nun fält,

Sich selber unterlegt, thut mehr denn zu begehren.

Du suchst, was man durch blut, durch würgen und verheren

Und flamm' und tod kaum find. Eh' geh die stoltze ruh

Der sichren länder ein! Rufft schild und spiß herzu!

Setzt alle schwerdter an! Kanst du ohn argwohn glauben,

Dass alle, nicht vor sich, nur dir zu nutze rauben?

Noch mehr! wer fällt uns bey? Vier hände thun es nicht!

Viel können, wenn ein mund nicht aller treu bricht.

Gesetzt auch, dass wir schon mit tausend heeren dringen

Ins käyserliche schloss und hoff und stadt bespringen,

Würd Leo wol allein ohn schwerdt und tartsche stehn?

Nein! sicher, die nunmehr an seiner seiten gehn,

Die seine macht erhub, und die durch ihn nur leben,

Die müssen hertz und halß für seine crone geben.

Warum? sein untergang würd' ihr verderben seyn.

Auch der, dem was er schafft, geht trefflich bitter ein,

Der stets nach neuer zeit und neuen herren flehet

Und nur lobt, was man hofft, was gegenwärtig, schmähet,

Der nichts denn seine faust und von rost rothen spieß,

Und was der harte Pers in jener schlacht verließ,

Herschnarchet, der tyrann und printzen keck zu tödten,

Wenn man mit gläsern schantzt bey vollen nachtpancketen,

Zerschmeltzt voll heißer angst, wenn die trompet erwacht,

Wenn man den schild ergreifft und in dem harnisch kracht.

Viel wündschen nur die macht des fürsten zu beschneiden,

Nicht gäntzlich abzuthun. Viel können fremde leiden;

Mehr nur ihr eigen blut. Die ungewisse macht

Der waffen geht nicht fest; wer auf den satz der schlacht

Um throne spilen wil, kan durch die schlacht verschwenden

Diß, was er sucht und hofft und schon hat in den händen,[32]

Ja finden angst und ach und schmertzenvolle noth,

Und nach erlangter quaal den jammer-port, den tod!

Der himmel selber wacht vor die gekrönten haare

Und steht dem scepter bey. Die ringen nach der baare

Und nehmen unverhofft ein schnell und schrecklich end,

Die das besteinte gold der schweren crone blendt.

Bedenck auch, was es sey, vor so viel tausend sorgen

Stets als gefangen gehn, wenn der bestürtzte morgen

Die angst der welt entdeckt, anhören, was das schwerdt

Der Persen niederwirfft; wohin der Scyten pferd

Den schnellen fuß einsetzt; was Susa vorgenommen;

Wie weit der barbar sey; wie weit der Gothe kommen;

Itzt dass der Hunnen grimm schon durch den Ister setzt,

Dass Cypern frembde sey, dass Asien verletzt,

Dass Colchus neue ränck und Pontus list ersinne;

Bald, dass der stoltze Franck in Griechenland gewinne;

Dass Taurus nicht mehr treu. Itzt heischt die große stadt,

Die königin der welt, was man zu hoffen hatt.

Itzt schickt uns Illiris, bald Sparten abgesandten;

Bald fordert Nilus hülff, und unsre bunds-verwandten

Entdecken, was sie druckt; bald rufft das heer nach sold,

Die länder wegern korn, den städten mangelt gold.

Itzt will der wellen schaum biss an die mauren fließen;

Itzt will des himmels neid die äcker nicht begießen;

Der strenge Titan sengt mit glüend heißem licht

Die dürren garben weg; die erde selber bricht

Und will nicht länger stehn, wenn Hemus gipffel zittert,

Wenn sich die hohe last der schweren thürn erschüttert

Und tempel und altar und burg und hof und hauß

In einem augenblick verdeckt mit kalck und grauß.

Itzt heckt die faule lufft geschwinde pestilentzen

Und steckt die länder an; bald streiffen auf den gräntzen

Die, so nur raub ernährt; bald bringt man auf die bahn,

Gereitzt durch aberwitz und dünckel-vollen wahn,

Ein unerhörte lehr, (o seuche dieser zeiten!)

Die mächtig, gantze reich und völcker zu verleiten,[33]

Dass sich des pfeilers grund, der cron und infell trägt

Und creutz und scepter stutzt, erschüttert und bewegt.

Diß geht nicht ieden an, doch ieder hat zu leiden

Vor sich sein eigen theil. Der fürst kan nichts vermeiden;

Er fühlt die gantze last. Wenn einer was verbricht,

Der ihm zu dienste steht, den fürcht der pöbel nicht,

Die schuld, wie groß sie war, dem printzen zuzuschreiben.

Kan etwas, was er schafft, wohl ungetadelt bleiben?

Er zagt vor seinem schwerdt. Wenn er zu tische geht,

Wird der gemischte wein, der in crystalle steht,

In gall und gifft verkehrt. Alsbald der tag erblichen,

Kommt die beschwärzte schaar, das heer der angst geschlichen,

Und wacht in seinem bett. Er kan in helffenbein,

In purpur und scharlat niemahl so ruhig seyn

Als die, so ihren leib vertraun der harten erden.

Mag ja der kurtze schlaff ihm noch zu theile werden,

So fällt ihn Morpheus an und mahlt ihm in der nacht

Durch graue bilder vor, was er bey lichte dacht,

Und schreckt ihn bald mit blut, bald mit gestürtztem throne,

Mit brandt, mit ach und tod und hingeraubter crone.

Wilst du mit dieser bürd abwechseln deine ruh?

Warum? Dir scheust der strom der höchsten güter zu.

Verlangt dich auch nach ruhm? Du bist so hoch gestiegen,

Dass du das gantze reich schaust dir zu fuße liegen.

Des krieges große macht beruht in deiner hand.

Wer nach des käysers schloss von printzen wird gesandt,

Läst sich bey dir und denn durch dich bei hof antragen.

Der fürst kan andern wohl, du kanst dem fürsten sagen.

Leid etwas über dir! Der, den der ehrgeitz jagt,

Der sich ins weite Feld der leichten lüffte wagt

Mit flügeln, die ihm wahn und hochmuth angebunden,

Ist, eh als er das ziel, nach dem er rang, gefunden,[34]

Ertruncken in der see. Zwar Phaeton ergriff

Die zügel; aber als der strenge wagen lieff

Und Niger, Phrat und Nil' in lichter flamme schmachten,

Als schon die donnerkeil auf seinem kopff erkrachten,

Verflucht er, doch zu spät, die hochgewünschte macht.

MICHAEL.

Diß rede kindern ein! Ein helden geist, der lacht

Diß leichte schrecken aus. Ein mann wird, mag er leben

Nur einen tag, gekrönt in höchste noth sich geben.

Diß was unmöglich scheint, wird möglich, wenn man wagt.

Man schätzt die scepter schwer, doch legt sie, der es klagt,

Nicht ungezwungen hin. Ist wohl ein stand zu finden,

Den nicht sein eigne pein mit kummer muss umwinden?

Furcht schwebt sowohl um stroh und leinwand, als scarlat.

Wenn Phocas, wenn Iren gebillicht deinen rath,

Sie würden nimmermehr die cron ergriffen haben.

Wenn Leo selbst so tieff ein iedes ding durchgraben,

Wenn ihn die leichte furcht so weibisch abgeschreckt,

Wär ietzt wohl Michael ins härne kleid versteckt?

EXABOLIUS.

Wenn Phocas, wenn Iren sich mehr in acht genommen,

Wär er wohl um den leib und sie ins kloster kommen?

Wenn diß Leont was mehr und öffter übersehn,

Hätt er nicht auf dem platz, umbringt mit hohn und schmehn

Und marter, angst und ach den geist austoßen müssen.

MICHAEL.

Hät ihn Justinian getreten ie mit füßen?

Hätt er die Bulgarey zu seinem heil bewegt,

Wenn er die zarte faust sanfft in die schos gelegt?

EXABOLIUS.

Er stund nach seinem reich, aus dem er war vertrieben.

MICHAEL.

Wer deinem rath gefolgt, wär in dem elend blieben.[35]

EXABOLIUS.

Er war durch falsche list und auffruhr ausgejagt.

MICHAEL.

Glaubt man, dass Michael nicht über auffruhr klagt?

EXABOLIUS.

Er gab das willig hin, was ihn zu sehr gedrücket.

MICHAEL.

Ja, als ihn Leo schier in dem pallast bestricket.

EXABOLIUS.

Er konte keinem feind gewaffnet widerstehn.

MICHAEL.

Drum lernt er aus dem hof ins wüste kloster gehn.

EXABOLIUS.

Da must ein held das reich, das schon erkrachte, stützen.

MICHAEL.

Warum nicht itzt, nun schon die stütze nicht wil nützen?

EXABOLIUS.

Was ist, das man mit recht und warheit tadeln kan?

MICHAEL.

Diß, dass der käyser nie, was lobens werth, gab an.

EXABOLIUS.

Man sieht das große reich in stillem friede blühen.

MICHAEL.

Weil ich, nicht Leo, must gerüst zu felde ziehen.

EXABOLIUS.

Der vorrath kömmt ins land mit segel-reichem wind.

MICHAEL.

Weil Ister und der Pont durch mich versichert sind.

EXABOLIUS.

Der Perse schenckt uns gold.

MICHAEL.

Das ich ihm abgezwungen.

EXABOLIUS.

Der raue Scythe ruht.

MICHAEL.

Er ist durch mich verdrungen.[36]

Was legt man andern zu, was ich zuwege bracht?

Sein leben, seine cron steht unter meiner macht.

EXABOLIUS.

Ich bitte nicht zu hoch!

MICHAEL.

Noch höher! Solt ich schweigen?

Vor mir muss Franc und Thrax die stoltzen häupter neigen.

Mich fürcht der Hellespont; vor mir erschrickt die welt,

Die ewig steter frost in eyß gefangen hält.

Der weißbezähnte mohr entsetzt sich vor den thaten,

Die meine faust verübt; die in Cyrene braten,

Erzehlen meine werck und meiner palmen ehr.

Ihr hättet, (wäre ich nicht) was? keinen käyser mehr!

Ich hub ihn auf den thron, als Michael geschlagen;

Ich zwang ihn, dass er sich must in den anschlag wagen;

Und bin ich nicht mehr der, der Ich vor diesem war?

Mein leben ist sein heil, mein dräuen seine bar;

Sein scepter, cron und blut beruht auf diesem degen,

Der mächtig, seine leich ins kalte grab zu legen,

Der, nun er ein tyrann und schwartzen argwohns voll,

Ihm durch den grimmen brunn der adern dringen sol.


Quelle:
Andreas Gryphius: Werke in drei Bänden mit Ergänzungsband. Band 2, Darmstadt 1961, S. 29-37.
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