|
[118] Der erste haufe der verschworenen. Theodosia.
1. VERSCHWORENER.
Das demand-feste joch der grausen tyranney,
Die felsen schwere last der rauen henckerey,
Der scepter von metall, der thron auf blut gesetzet,
Die all-verzehrend angst, die städt und feld verletzet,[118]
Und was ein grimmer fürst noch mehr bringt auf die bahn,
Ist durch uns, ob wohl späth, doch endlich abgethan.
Eur herrschen ist nun aus. Das ungezäumte toben,
Der alle schlagend arm ist in die lufft verstoben.
Lern ietzt, die du regiert, gehorchen und versteh,
Wie offt nur eine nacht sey zwischen fall und höh!
2. VERSCHWORENER.
Das hart bedrängte land, das seiner schweren bürde
Entledigt, schöpffet lufft und jauchzt, nun euer würde
In solchen hohn verfällt; doch klaget iedermann,
Dass man nicht nach verdienst tyrannen straffen kan.
Er liefert einen leib vor tausend schelmereyen.
Wenn ein gemeiner fählt, den fristet kein verzeihen.
Man setzt auf schlechte schuld rad, mordpfahl, rost und herd,
Oel, siedend bley und pech, ein glüend eisern pferd.
Er wird durch boßheit groß und blüht, wenn die vergehn,
Die vor die redligkeit mit hertz und armen stehen.
1. VERSCHWORENER.
Was kan man endlich thun? Wer, was er schafft, auffasst:
Den presst er, biss zu letzt die überhäuffte last
Ihm nack und ruck eindrückt. Darff einer ihm versagen
Mehr, als wol möglich fällt, (wie groß der muth) zu tragen,
Dem schmirt er auffruhr an, der hat das volck verhetzt,
Dem printzen nachgestelt, die majestät verletzt,
Der muss von hier, will er sich nicht selbst an euch wagen.
Tyrannen! eer euch nicht schlägt, wird von euch geschlagen.[119]
THEODOSIA.
So habt ihr, wie ihr rühmt, tyrannen umgebracht?
1. VERSCHWORENER.
Wer zweiffelt?
THEODOSIA.
Hört uns an! Wer setzt euch in die macht?
Wer traut euch dieses schwerdt? Wer hat euch so begabet?
Wer? Der, den ihr nur schmäht. Als er mit höchster pracht
Euch neben sich erhub und schier zu göttern macht,
Wer war er? ein tyrann? Ihr sung't mit andern zungen.
Jetzt, nun das bubenstück, nun euch der mord gelungen,
Heißt er, ich weiß nicht, wie? So lang ein fürste gibt,
Und die, die es nicht werth, als wolverdiente liebt,
Und aller geitz mit gold und ehren sucht zu stillen,
Denn muss sein lob das reich, sein ruhm die welt erfüllen.
So bald er nicht mehr schenckt, ja nicht mehr schencken kan,
So bald er auffruhr strafft, steckt auch die untreu an.
So bald die pest euch reitzt und schelmen sich verbinden,
Die lust zu neuer macht und stadt-sucht leicht entzünden,
Denn heist er ein tyrann. Man lästert den, der liegt.
So wird ein todter löw offt von der maus bekriegt.
2. VERSCHWORENER.
Der löwe, dem diß schwerdt das leben abgekürtzet!
THEODOSIA.
Ruhmswerthe sach! Ihr habt von seinem thron gestürtzet,
Wen? einen? ihr so viel? Ihr habt in schwartzer nacht,
Verräther! mehr durch list, als wunden umgebracht
Den, dem ihr offt vorhin, meineydige! geschworen.
Was habt ihr wider den vor waffen nicht erkohren,[120]
Der ungewaffnet gieng! Mag dieser grausamkeit
Was zuvergleichen sein? Ihr habt die große zeit,
In der sich gott uns gab, mit fürsten mord entweyet,
Und in den heilgen ort, der schuldige befreyet,
Unschuldig blut gesprützt. Wer ietzund zweiffeln kan,
Ob ihr noch christen seyd, schau in dem tempel an
Den gantz zustückten leib, der auf dem kreutze lieget,
An welchem Jesus hat der höllen obgesieget,
Des herren wahres fleisch, das ihr mit blut besprengt;
Sein blut, das ihr mit blut des kaysers habt vermengt.
2. VERSCHWORENER.
Es liegt nicht dran, wie, wenn und wo man bösen steure.
THEODOSIA.
Ein mensch macht unterscheid, nicht ihr, ihr ungeheure!
1. VERSCHWORENER.
Man strafft die schuld mit recht.
THEODOSIA.
Wer gibt euch diese macht?
Ein fürst fällt dem allein, der in den wolcken wacht.
Der in den thron uns setzt, kan aus dem thron uns bannen.
2. VERSCHWORENER.
Der minste von dem volck ist hals-herr des tyrannen.
1. VERSCHWORENER.
Der höchste führt sein recht durch menschenarme aus.
2. VERSCHWORENER.
Und stürtzt durch menschen um tyrannen und ihr haus.
THEODOSIA.
So kan man sonder müh ein schelmenstück verblümen!
1. VERSCHWORENER.
Nennt man ein schelmenstück, was tausend seelen rühmen?
THEODOSIA.
Und zehnmal tausend schmehn?
2. VERSCHWORENER.
Weist du, wem du diß sagst?
THEODOSIA.
Dir, der du mit dem mord gott zu gericht austagst.[121]
1. VERSCHWORENER.
Dein leben, blut und tod beruht in diesen händen.
THEODOSIA.
Drum eilt, das jammer-spiel mit unserm tod zu enden!
2. VERSCHWORENER.
Der muth, der eh man ernst verspüret, hefftig groß,
Sinckt, wann noth einbricht, hin.
THEODOSIA.
Stoß zu! die brust ist bloß.
Meynt ihr, dass Leo tod? Er lebt in diesem hertzen
Und ruffet rach aus uns. Wir sind durch seine schmertzen,
Durch seine wund entleibt. Sein geist ist, der uns regt,
Der athem schöpfft in uns, der diese faust bewegt,
Der in den adern schlägt. Kommt! öffnet ihm die thüre,
Den kercker, dieses fleisch, dass er uns mit sich führe!
Doch braucht dasselbe schwerdt, das durch sein hertze gieng,
Als sein zustückter arm den grausen tod umfieng!
Nichts schöners, als wenn zwey so fest verbundne seelen
Auf eine zeit und ort ziehn aus des leibes hölen.
1. VERSCHWORENER.
Nachdem die helden-faust den löwen hingericht,
Vor dem die welt erbebt, acht man der hunde nicht.
Auch soll kein frauen blut den schönen stahl beflecken,
Den ins tyrannen brust die werthe nacht hieß stecken.
2. VERSCHWORENER.
Ein ander tödte dich! Diß ist uns mehr denn viel,
Dass dein bestürtzter geist den tag nicht schauen wil.
Es ist uns mehr denn viel, dass wir dich tödten können
Und doch (was du dir selbst missgönnst), das leben gönnen.
THEODOSIA.
Barmhertzig grausam sein! geschmünckte tyranney!
Mit gold verdecktes gifft! gelinde barbarey!
1. VERSCHWORENER.
Folg uns!
THEODOSIA.[122]
Wo gehn wir hin? Welch elend ist verhanden?
Was hat man mit uns vor? Schleußt man mit kett und banden
Die zarten glieder ein? Stellt man der tollen schaar
Des pöbels diesen hals zu einem opffer dar?
Komm angst, wie groß du bist! und eile, dieses leiden,
Den kummer-vollen rest des lebens abzuschneiden!
Ade, beherrschtes reich! Ade, besessner thron!
Ade, verlohrner hof! Ade, geraubte cron!
Ade, du pracht der welt! Ade, verwirrtes leben,
Das überzuckert gifft, beperltes creutz umgeben!
Palläste voll von angst! Ihr scepter, schwer von weh!
Du purpur, roth von bluth! wir scheiden hin, ade!
Ausgewählte Ausgaben von
Leo Armenius
|
Buchempfehlung
Die ersten beiden literarischen Veröffentlichungen Stifters sind noch voll romantischen Nachklanges. Im »Condor« will die Wienerin Cornelia zwei englischen Wissenschaftlern beweisen wozu Frauen fähig sind, indem sie sie auf einer Fahrt mit dem Ballon »Condor« begleitet - bedauerlicherweise wird sie dabei ohnmächtig. Über das »Haidedorf« schreibt Stifter in einem Brief an seinen Bruder: »Es war meine Mutter und mein Vater, die mir bei der Dichtung dieses Werkes vorschwebten, und alle Liebe, welche nur so treuherzig auf dem Lande, und unter armen Menschen zu finden ist..., alle diese Liebe liegt in der kleinen Erzählung.«
48 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro