68.
An Eugenien

[128] Ich finde mich allein und leb in Einsamkeit/

Ob ich schon nicht versteckt in ungeheure Wüsten/

In welchen Tygerthier und wilde Vögel nisten.

Ich finde mich allein vertiefft in herbes Leid/

Auch mitten unter Volck/ das ob der neuen Zeit

Des Friedens sich ergetzt in Jauchzen-vollen Lüsten/

Find ich mich doch allein. Wir/ die einander küßten

In unverfälschter Gunst/ sind leider nur zu weit.

Ich finde mich allein/ und einsam/ und betrübet;

Weil Sie so fern von mir mein Alles und mein Ich/

Ohn die mir auf dem Kreyß der Erden nichts beliebet/[128]

Doch tritt ihr werthes Bild mir stündlich vor Gesichte/

Solt ich denn einsam seyn? Ihr Bild begleitet mich.

Was kan sie? wenn ihr Bild mein Trauren macht zunichte.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 128-129.
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