Fünfter Auftritt


[194] La Roquette tritt ein. Die Vorigen.


LUDWIG. Sie sind nicht in der Kirche, Präsident? Man pflegt Sie um diese Zeit im Beichtstuhl zu sehen.

LA ROQUETTE. Der Drang, Ew. Majestät nach Allerhöchstdero Rückkunft von Versailles wohlbehalten und in jugendlicher Schöne zu begrüßen ...

LUDWIG. Hat sich während meiner Abwesenheit im Parlamente Neues begeben?

LA ROQUETTE. Die Tatsachen stehen in Frankreich auf so festem Grunde, daß es der Veränderungen und Neuigkeiten wenige gibt.

LUDWIG. Und denken Sie sich, La Roquette, dennoch verbieten meine Räte und Minister eine harmlose Komödie, die zum Vergnügen der Einwohner von Paris auf meiner Bühne dargestellt werden sollte!

LA ROQUETTE. Ew. Majestät meinen –

LUDWIG. Den Tartüffe von Molière, einem Dichter, den ich schätze, den ich auszeichne. Können fromme Gemüter dadurch beleidigt werden, wenn man religiöse Falschmünzer an den Pranger stellt?

LA ROQUETTE. Ew. Majestät muß ich danken, daß ich bei dieser Veranlassung von dem Tartüffe etwas Näheres erfahre. Die Bühne liegt so ganz außer dem Kreise der Dinge, auf welche ich meine sündigen Augen richte –

LIONNE beiseite. Spitzbube!

LUDWIG. Nicht wahr, Lionne? Sie sagten etwas? Sie sehen ohne Zweifel, daß auch Präsident La Roquette es fühlt, wie treffend der Stoff ist, wie belehrend und wie harmlos![194]

LA ROQUETTE. Unendlich harmlos! Nur bedaur' ich in diesem Falle jene armen Deputationen, die im Vorsaal harren, um Ew. Majestät für die Unterdrückung des Tartüffe den Dank aller Ihrer getreuen Untertanen auszusprechen –

LUDWIG voll Erstaunen. Delarive!


Delarive geht an die Tür und öffnet.


LUDWIG. Deputationen, die mir Glück wünschen, daß ich den Tartüffe verboten habe! Ha, ha! Herein doch mit diesen komischen Leichengratulanten! Wahrhaftig, wäre Molière da, daraus macht' er eine Komödie!


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 2, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 194-195.
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