Dritter Auftritt


[221] Molière tritt ihm aus der königlichen Lage entgegen. Die Vorigen.


ALLE. Der Präsident!

LIONNE. Er selbst! Ich erstaune, Sie im Theater zu sehen –

DELARIVE. Noch nie hatten die Schauspieler des Königs die Ehre, selbst den Herrn Präsidenten La Roquette anzuziehen –

LEFÊVRE beiseite. Ohne Zweifel – er ist der Tartüffe!

MOLIÈRE. Hab' ich die Ehre, von Ihnen erkannt zu sein?

DUBOIS beiseite. Ehre? Erkannt zu sein? Er scheint schon in der Irre zu sprechen –

LIONNE. Er fühlt die Beziehung des Stückes auf –

CHAPELLE. Herr Präsident, seien Sie versichert, daß ich alles aufbieten werde, diese Satire des Molière in allen Zeitschriften zu zergliedern, und Sie sollen sehen, daß es in Frankreich noch Federn gibt –

MOLIÈRE. Die von Gänsen herkommen –

CHAPELLE UND LEFÊVRE. Von Gänsen?

LIONNE beiseite. Er scheint in der Tat seiner Sinne nicht mehr mächtig – Laut. Herr Präsident, liegen Ihnen die Schicksale der Familie Duplessis so am Herzen?

LEFÊVRE. Sie wissen doch ohne Zweifel, daß die heutige junge Debutantin, Madeleine, eine von den unglücklichen Töchtern des Duplessis ist?

MOLIÈRE hocherstaunend. Wie? Wer?

LEFÊVRE. Die Papiere des Matthieu, den Sie verhaften ließen, beweisen, daß Sie, Sie es waren der eine Zeitlang im Hause der Eltern dieses Mädchens –

MOLIÈRE. Wessen? Madeleines? Madeleine wäre – die Schwester Armandens? – Himmel! Ich höre die Klingel des Souffleurs – Das erste Zeichen – diese wunderbare Nachricht von Madeleinen – Im dritten Akt, meine Herren, sehen wir uns wieder.


Ab.
[221]

ALLE lachend. Es war Molière!

CHAPELLE. Molière als Tartüffe!

LIONNE. Bewunderungswürdig! Der leibhafte Präsident!

LEFÊVRE. Es ist kein Zweifel, La Roquette ist der Tartüffe, La Roquette ist – Für sich. der falsche Freund des Duplessis?

DELARIVE. Das wird die größte Rolle, die Molière je gespielt hat. Sehen Sie das unermeßlich gefüllte Haus! Kommen Sie! Einen Augenblick nur! Er lüftet den Vorhang.


Alle treten vorsichtig allmählich in die Loge hinein, gehen auch nicht ganz an die Brüstung, der Vorhang fällt hinter ihnen zu.


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 2, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 221-222.
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