Die Ehrsucht

[37] Großer Name! – Millionen Herzen

Lockt ins Elend der Sirenenton,

Tausend Schwächen wimmern, tausend Schmerzen

Um der Ehrsucht eitlen Flitterthron.


Seine schwarze, blutbefleckte Hände

Dünken dem Erobrer göttlichschön –

Schwache morden scheint ihm keine Sünde,

Und er jauchzt auf seine Trümmer hin.


Um wie Könige zu prahlen, schänden

Kleinre Wütriche ihr armes Land;

Und um feile Ordensbänder wenden

Räte sich das Ruder aus der Hand.


Pfaffen spiegeln um Apostelehre

Ihren Narren schwarze Wunder vor;

Um Mariasehre krächzen Nonnenchöre

Wahnsinn zum Marienbild empor.


Graue Sünder donnern, ihre Blöße

Wegzudonnern, rauh die Unschuld an;

Gott zu leugnen, hält so oft für Größe,

Hält für Größe noch so oft – ein Mann.


Göttin in des Buben Mund zu heißen,

Gibt das Mädchen ihren Reiz zum Sold;[38]

Mitzurasen in Verführerkreisen,

Wird der Bube früh ein Trunkenbold.


Doch es sträubet sich des Jünglings Rechte,

Länger sing ich von den Toren nicht.

Wisse! schwaches, niedriges Geschlechte!

Nahe steht der Narr am Bösewicht.

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Stuttgart 1946, S. 37-39.
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