Friedensfeier

[425] Ich bitte, dieses Blatt nur gutmütig zu lesen. So wird es sicher nicht unfaßlich, noch weniger anstößig sein. Sollten aber dennoch einige solche Sprache zu wenig konventionell finden, so muß ich ihnen gestehen: ich kann nicht anders. An einem schönen Tage läßt sich ja fast jede Sangart hören, und die Natur, wovon es her ist, nimmts auch wieder.

Der Verfasser gedenkt dem Publikum eine ganze Sammlung von dergleichen Blättern vorzulegen, und dieses soll irgend eine Probe sein davon.
[426]

Der himmlischen, still widerklingenden,

Der ruhigwandelnden Töne voll,

Und gelüftet ist der altgebaute,

Seliggewohnte Saal; um grüne Teppiche duftet

Die Freudenwolk und weithinglänzend stehn,

Gereiftester Früchte voll und goldbekränzter Kelche,

Wohlangeordnet, eine prächtige Reihe,

Zur Seite da und dort aufsteigend über dem

Geebneten Boden die Tische.

Denn ferne kommend haben

Hieher, zur Abendstunde,

Sich liebende Gäste beschieden.


Und dämmernden Auges denk ich schon,

Vom ernsten Tagwerk lächelnd,

Ihn selbst zu sehn, den Fürsten des Fests.

Doch wenn du schon dein Ausland gern verleugnest,

Und als vom langen Heldenzuge müd,

Dein Auge senkst, vergessen, leichtbeschattet,

Und Freundesgestalt annimmst, du Allbekannter, doch

Beugt fast die Knie das Hohe. Nichts vor dir,

Nur Eines weiß ich, Sterbliches bist du nicht.

Ein Weister mag mir manches erhellen; wo aber

Ein Gott noch auch erscheint,

Da ist doch andere Klarheit.
[427]

Von heute aber nicht, nicht unverkündet ist er;

Und einer, der nicht Flut noch Flamme gescheuet,

Erstaunet, da es stille worden, umsonst nicht, jetzt,

Da Herrschaft nirgend ist zu sehn bei Geistern und Menschen.

Das ist, sie hören das Werk,

Längst vorbereitend, von Morgen nach Abend, jetzt erst,

Denn unermeßlich braust, in der Tiefe verhallend,

Des Donnerers Echo, das tausendjährige Wetter,

Zu schlafen, übertönt von Friedenslauten, hinunter.

Ihr aber, teuergewordne, o ihr Tage der Unschuld,

Ihr bringt auch heute das Fest, ihr Lieben! und es blüht

Rings abendlich der Geist in dieser Stille;

Und raten muß ich, und wäre silbergrau

Die Locke, o ihr Freunde!

Für Kränze zu sorgen und Mahl, jetzt ewigen Jünglingen ähnlich.


Und manchen möcht ich laden, aber o du,

Der freundlichernst den Menschen zugetan,

Dort unter syrischer Palme,

Wo nahe lag die Stadt, am Brunnen gerne war;

Das Kornfeld rauschte rings, still atmete die Kühlung

Vom Schatten des geweiheten Gebirges,

Und die lieben Freunde, das treue Gewölk,

Umschatteten dich auch, damit der heiligkühne

Durch Wildnis mild dein Strahl zu Menschen kam, o Jüngling!

Ach! aber dunkler umschattete, mitten im Wort, dich

Furchtbarentscheidend ein tödlich Verhängnis. So ist schnell

Vergänglich alles Himmlische; aber umsonst nicht;


Denn schonend rührt des Maßes allzeit kundig

Nur einen Augenblick die Wohnungen der Menschen[428]

Ein Gott an, unversehn, und keiner weiß es, wenn?

Auch darf alsdann das Freche drüber gehn,

Und kommen muß zum heilgen Ort das Wilde

Von Enden fern, übt rauhbetastend den Wahn,

Und trifft daran ein Schicksal, aber Dank,

Nie folgt der gleich hernach dem gottgegebnen Geschenke;

Tiefprüfend ist es zu fassen.

Auch wär uns, sparte der Gebende nicht,

Schon längst vom Segen des Herds

Uns Gipfel und Boden entzündet.


Des Göttlichen aber empfingen wir

Doch viel. Es ward die Flamm uns

In die Hände gegeben, und Ufer und Meersflut.

Viel mehr, denn menschlicher Weise

Sind jene mit uns, die fremden Kräfte, vertrauet.

Und es lehret Gestirn dich, das

Vor Augen dir ist, doch nimmer kannst du ihm gleichen.

Vom Allebendigen aber, von dem

Viel Freuden sind und Gesänge,

Ist einer ein Sohn, ein Ruhigmächtiger ist er,

Und nun erkennen wir ihn,

Nun, da wir kennen den Vater

Und Feiertage zu halten

Der hohe, der Geist

Der Welt sich zu Menschen geneigt hat.


Denn längst war der zum Herrn der Zeit zu groß

Und weit aus reichte sein Feld, wann hats ihn aber erschöpfet?

Einmal mag aber ein Gott auch Tagewerk erwählen,

Gleich Sterblichen und teilen alles Schicksal.[429]

Schicksalgesetz ist dies, daß Alle sich erfahren,

Daß, wenn die Stille kehrt, auch eine Sprache sei.

Wo aber wirkt der Geist, sind wir auch mit, und streiten,

Was wohl das Beste sei. So dünkt mir jetzt das Beste,

Wenn nun vollendet sein Bild und fertig ist der Meister,

Und selbst verklärt davon aus seiner Werkstatt tritt,

Der stille Gott der Zeit und nur der Liebe Gesetz,

Das schönausgleichende gilt von hier an bis zum Himmel.


Viel hat von Morgen an,

Seit ein Gespräch wir sind und hören voneinander,

Erfahren der Mensch; bald sind wir aber Gesang.

Und das Zeitbild, das der große Geist entfaltet,

Ein Zeichen liegts vor uns, daß zwischen ihm und andern

Ein Bündnis zwischen ihm und andern Mächten ist.

Nicht er allein, die Unerzeugten, Ewgen

Sind kennbar alle daran, gleichwie auch an den Pflanzen

Die Mutter Erde sich und Licht und Luft sich kennet.

Zuletzt ist aber doch, ihr heiligen Mächte, für euch

Das Liebeszeichen, das Zeugnis

Daß ihr noch seiet, der Festtag,


Der Allversammelnde, wo Himmlische nicht

Im Wunder offenbar, noch ungesehn im Wetter,

Wo aber bei Gesang gastfreundlich untereinander

In Chören gegenwärtig, eine heilige Zahl

Die Seligen in jeglicher Weise

Beisammen sind, und ihr Geliebtestes auch,

An dem sie hängen, nicht fehlt; denn darum rief ich

Zum Gastmahl, das bereitet ist,

Dich, Unvergeßlicher, dich, zum Abend der Zeit,

O Jüngling, dich zum Fürsten des Festes; und eher legt[430]

Sich schlafen unser Geschlecht nicht,

Bis ihr Verheißenen all,

All ihr Unsterblichen, uns

Von eurem Himmel zu sagen,

Da seid in unserem Hause.


Leichtatmende Lüfte

Verkünden euch schon,

Euch kündet das rauchende Tal

Und der Boden, der vom Wetter noch dröhnet,

Doch Hoffnung rötet die Wangen,

Und vor der Türe des Hauses

Sitzt Mutter und Kind,

Und schauet den Frieden

Und wenige scheinen zu sterben,

Es hält ein Ahnen die Seele,

Vom goldnen Lichte gesendet,

Hält ein Versprechen die Ältesten auf.


Wohl sind die Würze des Lebens,

Von oben bereitet und auch

Hinausgeführet, die Mühen.

Denn Alles gefällt jetzt,

Einfältiges aber

Am meisten, denn die langgesuchte,

Die goldne Frucht,

Uraltem Stamm

In schütternden Stürmen entfallen,

Dann aber, als liebstes Gut, vom heiligen Schicksal selbst,

Mit zärtlichen Waffen umschützt,

Die Gestalt der Himmlischen ist es.
[431]

Wie die Löwin, hast du geklagt,

O Mutter, da du sie,

Natur, die Kinder verloren.

Denn es stahl sie, Allzuliebende, dir

Dein Feind, da du ihn fast

Wie die eigenen Söhne genommen,

Und Satyren die Götter gesellt hast.

So hast du manches gebaut,

Und manches begraben,

Denn es haßt dich, was

Du, vor der Zeit

Allkräftige, zum Lichte gezogen.

Nun kennest, nun lässest du dies;

Denn gerne fühllos ruht,

Bis daß es reift, furchtsamgeschäftiges drunten.[432]

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Stuttgart 1953.
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