Patmos

[186] Dem Landgrafen von Homburg


[Bruchstücke der späteren Fassung]


Voll Güt ist; keiner aber fasset

Allein Gott.

Wo aber Gefahr ist, wächst

Das Rettende auch.

Im Finstern wohnen

Die Adler, und furchtlos gehn

Die Söhne der Alpen über den Abgrund weg

Auf leichtgebaueten Brücken.

Drum, da gehäuft sind rings, um Klarheit,

Die Gipfel der Zeit,

Und die Liebsten nahe wohnen, ermattend auf

Getrenntesten Bergen,

So gib unschuldig Wasser,

O Fittige gib uns, treuesten Sinns

Hinüberzugehn und wiederzukehren.


So sprach ich, da entführte

Mich künstlicher, denn ich vermutet,

Und weit, wohin ich nimmer

Zu kommen gedacht, ein Genius mich

Vom eigenen Haus. Es kleideten sich

Im Zwielicht, Menschen ähnlich, da ich ging,

Der schattige Wald

Und die sehnsüchtigen Bäche

Der Heimat; nimmer kannt ich die Länder.[187]

Viel aber mitgelitten haben wir, viel Male. So

In frischem Glanze, geheimnisvoll,

In goldenem Rauche blühte

Schnellaufgewachsen,

Mit Schritten der Sonne,

Von tausend Tischen duftend, jetzt,


Mir Asia auf und geblendet ganz

Sucht eins ich, das ich kennete, denn ungewohnt

War ich der breiten Gassen, wo herab

Vom Tmolus fahrt

Der goldgeschmückte Paktol

Und Taurus stehet und Messogis,

Und schläfrig fast von Blumen der Garten,


O Insel des Lichts!

Denn wenn erloschen ist der Ruhm, die Augenlust, und gehalten nicht mehr

Von Menschen, schattenlos, die Pfade zweifeln und die Bäume,

Und Reiche, das Jugendland der Augen, sind vergangen

Athletischer,

Im Ruin, und Unschuld, angeborne,

Zerrissen ist. Von Gott aus nämlich kommt gediegen

Und gehet das Gewissen, Offenbarung, die Hand des Herrn

Reich winkt aus richtendem Himmel, dann und eine Zeit ist[188]

Unteilbar Gesetz, und Amt, und die Hände

Zu erheben, das, und das Niederfallen

Böser Gedanken, los, zu ordnen. Grausam nämlich hasset

Allwissende Stirnen Gott. Rein aber bestand

Auf ungebundnem Boden Johannes. Wenn einer

Für irdisches prophetisches Wort erklärt


Vom Jordan und von Nazareth

Und fern vom See, an Capernaum,

Und Galiläa die Lüfte, und von Cana.

Eine Weile bleib ich, sprach er. Also mit Tropfen

Stillt er das Seufzen des Lichts, das durstigem Wild

War ähnlich in den Tagen, als um Syrien

Jammert der getöteten Kindlein heimatliche

Anmut im Sterben, und das Haupt

Des Täufers, gepflückt, war unverwelklicher Schrift gleich

Sichtbar auf weilender Schüssel. Wie Feuer

Sind Stimmen Gottes. Schwer ists aber,

Im Großen zu behalten das Große.

Nicht eine Weide. Daß einer

Bleibet im Anfang. Jetzt aber

Geht dieses wieder, wie sonst.


Johannes. Christus. Diesen möcht

Ich singen, gleich dem Herkules, oder[189]

Der Insel, welche festgehalten und gerettet, erfrischend,

Die benachbarte mit kühlen Meereswassern aus der Wüste

Der Flut, der weiten, Peleus. Das geht aber

Nicht. Anders ists ein Schicksal. Wundervoller.

Reicher, zu singen. Unabsehlich

Seit jenem die Fabel. Und jetzt

Möcht ich die Fahrt der Edelleute nach

Jerusalem, und das Leiden irrend in Canossa,

Und den Heinrich singen. Daß aber

Der Mut nicht selber mich aussetze. Begreifen müssen

Dies wir zuvor. Wie Morgenluft sind nämlich die Namen

Seit Christus. Werden Träume. Fallen, wie Irrturn,

Auf das Herz und tötend, wenn nicht einer


Erwäget, was sie sind, und begreift.

Es sah aber der achtsame Mann

Das Angesicht des Gottes,

Damals, da, beim Geheimnisse des Weinstocks, sie

Zusammensaßen, zu der Stunde des Gastmahls,

Und in der großen Seele, wohlauswählend, den Tod

Aussprach der Herr, und die letzte Liebe, denn nie genug

Hatt er, von Güte, zu sagen

Der Worte, damals, und zu bejahn Bejahendes. Aber sein Licht war

Tod. Denn karg ist das Zürnen der Welt.

Das aber erkannt er. Alles ist gut. Drauf starb er.

Es sahen aber, gebückt, desungeachtet, vor Gott die Gestalt

Des Verleugnenden, wie wenn

Ein Jahrhundert sich biegt, nachdenklich, in der Freude der Wahrheit

Noch zuletzt die Freunde,


Doch trauerten sie, da nun

Es Abend worden. Nämlich rein[190]

Zu sein, ist Geschick, ein Leben, das ein Herz hat,

Vor solchem Angesicht, und dauert über die Hälfte.

Zu meiden aber ist viel. Zu viel aber

Der Liebe, wo Anbetung ist,

Ist gefahrreich, triffet am meisten. Jene wollten aber

Vom Angesichte des Herrn

Nicht lassen und der Heimat. Eingeboren

Wie Feuer war in dem Eisen das, und ihnen

Zur Seite ging, wie eine Seuche, der Schatte des Lieben.

Drum sandt er ihnen

Den Geist, und freilich bebte

Das Haus und die Wetter Gottes rollten

Ferndonnernd, Männer schaffend, wie wenn Drachenzähne, prächtigen Schicksals,

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Stuttgart 1953, S. 186-191.
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