Unter den Alpen gesungen

[44] Heilige Unschuld, du der Menschen und der

Götter liebste vertrauteste! du magst im

Hause oder draußen ihnen zu Füßen

Sitzen, den Alten,


Immerzufriedner Weisheit voll; denn manches

Gute kennet der Mann, doch staunet er, dem

Wild gleich, oft zum Himmel, aber wie rein ist,

Reine, dir alles!


Siehe! das rauhe Tier des Feldes, gerne

Dient und trauet es dir, der stumme Wald spricht

Wie vor alters, seine Sprüche zu dir, es

Lehren die Berge


Heilge Gesetze dich, und was noch jetzt uns

Vielerfahrenen offenbar der große

Vater werden heißt, du darfst es allein uns

Helle verkünden.


So mit den Himmlischen allein zu sein, und

Geht vorüber das Licht, und Strom und Wind, und

Zeit eilt hin zum Ort, vor ihnen ein stetes

Auge zu haben,


Seliger weiß und wünsch ich nichts, so lange

Nicht auch mich, wie die Weide, fort die Flut nimmt,[45]

Daß wohl aufgehoben, schlafend dahin ich

Muß in den Wogen;


Aber es bleibt daheim gern, wer in treuem

Busen Göttliches hält, und frei will ich, so

Lang ich darf, euch all, ihr Sprachen des Himmels!

Deuten und singen.

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Stuttgart 1953, S. 44-46.
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