[An Damon]

[96] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Auf die Erde zu kommen, Mädchenbildung

Anzunehmen, und unsre Heimathsfluren

In ein blühendes Eden umzuzaubern.

Lebt' ich tausend und tausend Jahr, ich würde

Nie was Schöners erblicken. Ihre Wange

Gleicht der Blüthe des Pfirsich, rothen Rosen

Gleicht ihr Mündlein. Aus ihrem blauen Auge

Blickt die Milde des Herzens. Sähst du ihres

Mundes liebliches Lächeln, traun, du würdest

In den Himmel zu blicken glauben. Aber,

Ach, du wirst sie wohl nimmer sehen, bis du

Sie dereinstens im Paradiese Gottes,

Unter Engeln itzt wandeln, itzt an meinem

Arme lichthell und lächelnd hüpfen siehest.

Weine, Damon, mit mir! Sie war einst meiner

Blüthenjahre Gespielin, war mir lieber,

Als mein Leben. Ein Mißverhängniß bannte

Sie in ferne Gefilde. Nimmer, nimmer

Wird dies Auge sie schauen. Veilchen will ich

Auf die Spuren des süßen Liebchens streuen,

Naßgeweinte Veilchen, will mich ihres

Seelenlächelns erinnern, und dann sterben.
[96]

Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 96-97.
Lizenz:
Kategorien: