An Teuthard

[86] Trotz jedem Ausland, stürmet Begeisterung

In deutschen Seelen. Barden, ihr zeuget es,

Die ihr von Sarons Palmen, und von

Heimischen Eichen euch Kränze wandet.


Mit schnellern Flügen, als der Hesperier

Und Britte flogt ihr, Barden des Vaterlands,

Auf Bragas Gipfel. Noch war Dämmrung,

Dämmrung zerflog, und die Mittagssonne


Stand hoch am Himmel. – – Muse Teutoniens,

Du bietest deiner Schwester, der Brittinn Trotz,

Und überfleugst sie bald; du lächelst,

Muse, der gaukelnden Afterschwester,


Des bunten Mädchens, das an der Seine Strand

Ein Liedgen klimpert. Schande dem Sohne Teuts,

Der's durstig trinket, weil es Wollust

Durch die entloderten Adern strömet!


Kein deutscher Jüngling wähle das Mädchen sich,

Das deutsche Lieder haßet, und Buhlersang

Des Galliers in ihrer Laute

Tändelnde Silberaccorde tönet!


Schwing deine Geißel, Sänger der Tugend, schwing

Die Feuergeißel, welche die Braga gab,

Den Natternschwarm, der unsre deutsche

Redligkeit, Keuschheit und Treue tödtet,


Zurückzustäupen. Ich will, o Freund, indeß,

Wenn deine Geißel brauset, der tollen Brut,

Am Busen eines deutschen Mädchens,

Unter den Blumen des Frühlings, lachen.
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Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 86-87.
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