An einen schönen Busen

[217] Weiße, blendende Brust, welche den Einsiedler,

Den die Klause verschleußt, mit der verhaßten Welt

Auszusöhnen vermöchte,

Stets berauschest du meinen Blick.


Stets, o Himmel von Reiz, wenn du das Busentuch

Und die Bänder daran, hebest und niedersenkst,

Oder hinter der lichten

Silberwolke des Schleiers wallst.


Dir, o blendende Brust, will ich den Erstling weyhn,

Den der Blüthenmond zollt, will ich, im Blumentopf,

Junge Rosen erziehen,

Wenn der Winter die Flur durchheult.


Trotz der Beete voll Eis lächelt der Rosenstraus

Dann am Mieder, ah dann sinket mein trunknes Haupt

An den offenen Busen,

Deßen Farbe der Straus erhöht.
[217]

Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 217-218.
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