[301] Raths-Herren betriegen 1) Wenn sie bey Erwehlung eines neuen Raths-Glieds mehr auf Gunst / Freund-und Schwägerschafft / als Meriten sehen / damit sie nur hernach in andern Angelegenheiten desto mehrere Vota und Stimmen haben mögen. 2) Wenn sie denen regierenden Bürgemeistern zu Gefallen / nur Ja-Herren abgeben / und alle Vorträge desselben / sie mögen auf der Stadt Bestes oder Verderben abzielen / an statt / daß sie ihnen in unbilligen Dingen Widerpart halten solten / approbiren / damit jene sich in dieser Angelegenheit dargegen auch willfährig erzeigen mögen. 3) Wenn sie die gemeine[301] Stadt-Gelder dahin / wo ihnen in ihren Privat-Wesen Vortheil oder Nutzen zuwächset / verwenden / und dargegen die gemeine Stadt-Kirchen- und Schul-Gebäude nicht im Bau und Wesen erhalten. 4) Wenn sie / als verordnete Ohm-Herren und Wein-Meister / auf die Wein-Schencken nicht gute Achtung haben / und um eines guten Truncks willen / welchen der andere wol bezahlen muß / zu allerhand Mischmasch stille schweigen. 5) Wenn sie auf den Märckten alles übertheuren lassen /und / da sie das Fleisch / Brodt und Wein in billigmäßigen Preiß schätzen solten / bey dem Tax um einer guten Schöpß-Keule oder Kälber-Bratens, Kuchen und Flaschen Weins willen ein Auge zuthun. 6) Wenn sie bey Steuer-Einnahmen ihre Verkehr haben / und aus Gunst einigen lange nachsehen / andere aber so gleich nach geschehener Abkündigung exequiren lassen / damit sie hernach die eingetriebene Gelder eine Weile auf Interesse ausleihen / oder sonst ihren Vortheil damit machen mögen. 7) Wenn sie Stadt-Gelder aus der Gemeinen Rechnung lassen / und unter sich entweder verthun / oder hier und dar verspendiren und die Obere damit bestechen. 8) Wenn sie dergleichen Ausgaben in Rechnung zwar bringen, aber dem Kind einen andern Namen geben. 9) Wenn sie als Handwercks-Leute mit in Rath gezogen werden / und hernach bey sich ereigneter Gelegenheit ihren Handwercks-Genossen in und um eigenen darunter versirenden Interesse willen / recht sprechen / wohin sonder Zweiffel das Alterthum in folgenden Reimen gezielet hat:
[302]
Wo der Bürgemeister schencket Wein /
Und die Metzger mit im Rath seyn /
Und der Becker wiegt das Brodt /
Da muß die Armuth leiden Noth.
Mittel: Daß man solche Leute zu Raths-Herren erwehle / welche / wie Joseph von Arimathia erbar / Marc. XV, 43. 2) gute und fromme / das ist / redliche und Gerechtigkeit liebende Leute Luc. XXIII, 50. 3) Behertzte die etwas wagen und nicht in den Rath der Gottlosen willigen / Marc. l.c. Coll. Ps. I. 1., und mit andern dergleichen Tugenden mehr begabet sind.