Studenten.

[408] Studenten betriegen 1) Wenn sie bey ihrer Immatriculirung, unter dem Vorwand, daß sie das behörige Alter nicht hätten, den gewöhnlichen academischen Eyd nicht ablegen, damit sie nur hernach desto freyer wider die Leges academicas leben dürffen. 2) Wenn sie sich gar nicht immatriculiren lassen, damit sie weder die Immatriculations-Gebühren erlegen, noch auf beschehene Citation, ihrer Conduite halber / vor dem Rectore Magnifico erscheinen dürffen. 3) Wenn sie sich mit einem falschen Nahmen inscribiren lassen / damit man sie auf erfolgte Ungelegenheit weder beym rechten Nahmen citiren / noch auch, da sie in Termino peremtorio nicht erscheinen, relegiren könne. 4) Wenn sie sich zur Expectantz derer Communität- oder Convictoristen-Stellen inscribiren lassen, ehe sie noch würcklich die Studia academica angefangen, damit sie hernach bey ihrem Anzug so gleich zu einer Stelle gelangen, und andern Beneficiariis, oder vielmehr Expectanten / vorgezogen werden mögen. 5) Wenn sie sich unter dem Vorwand simulirter Armuth die Collegia von den Professoribus frey und gratis ausbitten / und gleichwohl, zu üppigen Kleider-Pracht, Schmausereyen, und andern sündlichen Dingen Gelds genug haben. 6) Wenn sie sich bey Herumgebung des Zettels, worauf diejenige, so ein Collegium mit zu halten gesonnen sind / entweder gar nicht oder mit einem falschen Nahmen aufschreiben[408] oder auch um solche Zeit, da dergleichen Zettul herum gegeben wird / aus dem Collegio bleiben, und hernach erst selbiges zu besuchen / anfangen. 7) Wenn sie die Collegia mit anfangen, hernach aber, da sie bald zu Ende gehen / oder die Herren Professores ihre Bezahlung erinnern / davon aussen bleiben, und ihnen solche weder halb noch gantz bezahlen. 8) Wenn sie eines Professoris Collegium, um einigen Gewinstes willen / heimlich und wieder desselben Vorbewust drucken lassen / und dadurch entweder mit Vordruckung ihres Namens sich selbst einen Ruhm, oder aber dem Professori, welchen sie zum Auctore angeben dessen Mentem aber nicht allezeit recht capiret, eine Blame damit machen. 9) Wenn sie die Collegia von den Professoribus gratis und frey haben, und gleichwohl, als ob sie solche bezahlen müsten / ihren Eltern weiß machen / folglich das davor von Hauß empfangene Geld sonst liederlich durchbringen. 10) Wenn sie das Ihnen zu Anschaffung benöthigter Bücher von Hauß geschickte Geld sonst wohin übel anwenden / und hernach um anders Geld / unter allerhand erdichteten Prætexten / nach Hause schreiben. 11) Wenn sie simulirte Kanckheiten nach Hause berichten / damit die Eltern ihnen desto mehrere Gelder vor den Medicum und Artzney überschicken, sie aber sodann / desto mehr zu verthun, die Mittel haben mögen. 12) Wenn sie die von Eltern mit vielen Kosten angeschaffte Bücher um halb Geld wieder verkauffen, und hernach / daß sie Ihnen von andern gestohlen worden / fälschlich vorgeben. 13) Wenn sie überhaupt die edle und theure academische[409] Zeit nicht wohl anwenden, sondern mit Faulentzen und liederlichen Leben hinbringen, und gleichwohl ihren Eltern zumahl unstudirten, von ihren erlangten Profectibus und Gelahrsamkeit einen blauen Dunst vor die Augen machen. 14) Wenn sie sich die Specimina ihrer zu erweisenden Erudition von andern machen lassen, und solche an ihre Eltern oder Patronen /als ihre eigene Arbeit, nach Hause schicken, wo von oben unter dem Titul Disputanten mit mehrern gehandelt worden. 15) Wenn sie ihre Hauß- und Tisch-Wirthe anführen / und jenen das Logis, diesem den Tisch nicht zu behöriger Zeit, unter dem Vorwand, sie könten sich noch nicht wohl resolviren / wüsten nicht / ob sie noch länger auf Vniversitäten verbleiben würden, wolten erst von Hause ihre Brieffe erwarten aufkündigen, immittelst aber heimlich um ein anderes Hospitium und Kost umthun und so bald sie ein anständiges gefunden, das Alte quittiren, und offtmahls verursachen / daß solches hernach Jahr und Tag leer stehen muß. 16) Wenn sie ihren Tisch-Herrn das behörige Kost-Geld nicht zu rechter Zeit quartaliter abtragen, unter der Entschuldigung / es sey ihr Wechsel noch nicht angekommen / und wolten sie, so bald sie solchen empfingen / Richtigkeit machen, da sie inzwischen das Geld verdomminiren, und dem Tisch-Herrn offt Jahr und Tag auf die Bezahlung warten lassen. 17) Wenn sie eine geraume Zeit auf Credit gespeiset /und nun, da es zur Bezahlung kommt, ihre Sachen heimlich fortschaffen, den Coffre aber leer oder mit Steinen ausgefüllt, stehen lassen, und unter dem Prætext, daß sie nur verreiseten / ohne ihren Hospitem zu bezahlen /[410] auf und davon gehen. 18) Wenn sie ihre Creditores ansetzen / und von Ihnen / unter dem erdichteten Vorgeben / es geschehe mit ihrer Eltern Vorbewust und Consens, Geld oder Waare erborgen /hernach aber dieselbe, ehe sie solche wieder contentiren / so lang rennen und lauffen lassen / biß sie es endlich von selbst müde / oder / da sie die Schuld-Sache klagbar gemacht, daß man etwa wegen des ausgetretenen Debitoris Studiosi und erdichtet gewesenen Elterlichen Consenses, ihnen nicht helffen könne, abgewiesen werden. 19) Wenn sie gegen Unterpfand von Leuten Geld aufnehmen, und solches gegen wöchentliche Verzinsung des Thalers mit 1. Pfennig (welche mehr denn Jüdische und fast à 18. Thlr. pro cent jährlich steigende Zinß auf einigen Universitäten genommen wird) in gesetzter Zeit wieder einzulösen versprechen / hernach aber mit der versprochenen Zahlung nicht einhalten, auch wohl ohne das Pignus, wann solches auf obige Interesse lange gestanden /und dessen Werth das Creditum übersteiget, einzulösen darüber fortziehen. 20) Wenn sie einen in groben Delictis gravirten Studenten / welcher auf obrigkeitlichen Befehl aufgesuchet werden soll, in ihren Stuben verhehlen, und hernach demselben durchhelffen. 21) Wenn sie ihrem Stuben-Gesellen allerhand Uberlast thun / und damit er seinem Studiren nicht recht obliegen könne, mit Zuführung starcker Sauff-Compagnien verhindern, hernach aber, daß solche Zech-Brüder ohngebeten gekommen wären / fälschlich vorgeben, dergleichen Betrügereyen unter dem kurtz vorhergehenden Titul:[411] Stuben-Gesellen noch mehrere angeführet worden. 22) Wenn sie von Leuthen Pferde miethen, und wider Versprechen / solche nicht starck zu reiten / entweder solche dergestalt strapeziren / daß sie davon erkrancken und wohl gar crepiren / oder aber gar mit denselben davon reiten / und dem Eigenthums-Herrn das Nachsehen lassen. 23) Wenn sie wissen / daß dieser und jener von Hauß einen Wechsel mit der Post zu gewarten, alsdann auf die Post gehen, sich vor diejenige, an welche der Wechsel gehöre, ausgeben, und also solchen dem andern vor dem Maul wegnehmen. 24) Wenn sie mit andern gleiches Zunahmens sind, und daher die an jene gestellte Brieffe / von welchen sie doch wissen, daß solche an sie nicht gehören, sich von der Post geben lassen, selbige erbrechen und lesen, hernach aber, da sie zu ihrem Vortheil nichts darinnen finden unter der Entschuldigung / sie hätten sich durch den Titul oder Aufschrifft verführen lassen, und sehen sie nun erst, daß der Brieff an jemand anders gehöre etc. winder hingeben. 25) Wenn sie bey Schmausereyen es mit ihren Cameraden anlegen, daß diese nebst ihnen einem und dem andern / den sie in der Compagnie gerne berauscht haben wollen / und von welchem sie wissen, daß er nicht viel vertragen kan, starck zutrincken / damit sie hernach an demselben ihr Müthlein zu kühlen desto mehr Anlaß haben mögen. 26) Wenn sie unter dem Schein guter Freundschafft einander zum Schmauß oder aufs Dorff invitiren, hernach aber mit denenjenigen / gegen welche sie einen heimlichen Groll tragen / allerhand Stänckereyen[412] anfangen / und darzu offtermahls die Ursachen vom Zaun abbrechen. 27) Wenn sie voneinander die nachgeschriebene Collegia abborgen, und solche hernach ihrem Eigenthums Herrn nich wieder zustellen / sondern unterm Vorwand, daß sie ihnen auf ihrer Stuben unwissend von wem / gestohlen worden / oder sie selbige sonst verlohren hätten / vor sich behalten. 28) Wenn sie andern ums Geld Collegia abschreiben / die Zeilen aber so weitläufftig voneinander setzen, daß man gleich sam mit einem Wagen darzwischen hinfahren kan /nur damit ihnen desto mehrede Bögen bezahlet werden mögen. 29) Wenn sie die am so genanten schwartzen Bret angeschlagen Billets heimlicher weise abreissen / oder da ein dergleichen Zettul, worauf etwa ein gewisses Subjectum zu einer vacanten Informations-Stelle verlanget wird / von andern bereits unterschrieben / solche Unterschrifft radiren und hergegen ihren eigenen Nahmen und Logis davor darunter setzen. 30) Wenn sie mit ledigen Weibs-Personen sponsalia de futuro machen / auch solche, daß sie ihnen zur Annehmung eines academischen Gradus den Vorschuß thun / bereden, hernach aber, da sie bedienstet worden / dieselbige sitzen lassen, und sich mit einer andern verloben. 31) Wenn sie die Gradus academicos unverdienter weise annehmen, und die Assessores Facultatis philosophicæ mit Geld bestechen / daß diese beym Examine rigoroso ein Auge zudrucken und 5. gerade seyn lassen mögen. 32) Wenn sie sich vor graduirte Personen, sonderlich vor Magistros oder Poëtas Laureatos Cæsareos ausgeben / auch[413] das grosse M. ihrem Nahmen vorsetzen, und doch niemahls dergleichen Gradus academicos gewöhnlicher massen angenommen haben. 33) Wenn sie ohne Noth umsatteln, und insonderheit vom Studio Theologico, unter dem erdichteten Prætext, daß sie schwacher Leibes-Constitution wären, mehren theils aber nur zeitliche Absichten darbey haben / sich zum Studio Juridico oder Medico wenden. 34) Wenn sie sich mit einem academischen Testimonio versehen lassen / und hernach solches bey Standes- oder sonst begütterten Personen zu einem offenen Bettel-Brieff mißbrauchen / das empfangene Allmosen auch wohl wiederum durch die Gurgel jagen / und, daß sie durch Herren-Dienst oder Information ihr Brod verdienen mögen, unbemühet seyn. 35) Wenn sie sich in Patria / durch stoltze Aufführung ein Ansehen grosser Erudition zu machen suchen, und daher viel Rühmens hier und da von sich machen / da doch nichts dahinder ist. 36) Wenn sie zu ihrer Beförderung allerhand krumme Wege gehen, und da sie endlich ein Dienstgen erwischet, solches ihren Meriten und Geschicklichkeit zuschreiben.


Mittel: 1) Durch ausdrücklichen obrigkeitlichen Befehl zu verhüten / daß nicht so viel junge Leute / nach ihrem Belieben und der Eltern Gutdüncken studieren /sondern nur diejenigen / welche genugsame Capacität und Mittel darzu haben / weil man im gemeinen Wesen allezeit mehr nützliche Bürger / Handwercker / Bauren und Soldaten / als Gelehrte brauchet / auch über dieses bey solcher überhand genommenen Studier-Seuche vieles Geld aus dem Land geschleppet wird / hingegen dieses mit manchem unnützen Subjecto beschweret. 2) Genaues Verzeichniß des jedesmahligen Numeri Studiosorum; zu deren[414] Behuff ein jeder Haußwirth seine ankommende und abgehende Inquilinos, damit wegen der Immatriculation kein Unterschleiff vorgehe / richtig anzusagen / gehalten seyn solte. 3) Daß Eltern nach deren Vermögens Beschaffenheit ihren studierenden Söhnen zum jährlichen Unterhalt ein gewisses Quantum, und hierüber bey denenjenigen / welche etwa zum liederlichen Leben geneigt scheinen / redliche Administratores oder resp. Inspectores morum & studiorum setzen. 4) Nachdrücklichen Verboth wieder das in hohen Summen anlauffenden Borgen derer Studenten / mit der Verwarnung / daß niemand / wer der auch sey / einigem Studioso, über die / in denen Statutis academicis, jedes Orths gesetzte Summe ein mehrers creditiren / vielweniger von Ihnen Wechsel-Brieffe acceptiren / wiedrigen Falls aber / daß Ihnen zu der Ubermasse und Forderung nicht verholffen werde / gewärtig seyn solle / dergleichen höchstlöbliches die Studiosos zu Leipzig und Wittenberg angehendes Mandat von Ihro Königl. Pohln. Majest. Friedrich August erst im vorigen Jahr /andern Universitäten zur Nachfolge / ausgestellet und publiciret worden. Bes. Siculs Leipziger Jahr-Buch und Coburgischen Zeitungs-Extr. ad A. 1719. im Jan. p. 14.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 408-415.
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