Vierter Auftritt

[70] Frank. Frosch, der Adele und Ida hereinführt.


FROSCH. Die beiden Damen wollen den Herrn Chevalier Chargrin sprechen.

FRANK zuckt zusammen. Chevalier Chargrin!?

FROSCH. Ich habe Ihnen schon gesagt, daß wir keinen Herrn dieses Namens hier haben.

ADELE. Aber da ist er ja!

IDA. Dr. Falke hat uns die Wohnung ganz richtig beschrieben.

FRANK für sich. Die Olga mit der Ida, das fehlte noch! Zu Frosch. Laß uns allein!

FROSCH. Zu Befehl! Im Abgehen. Ein lustiges Gefängnis hier! Ungeheuer fidel!

ADELE. Der Herr Chevalier wundern sich gewiß über diesen Besuch?

FRANK. Allerdings ... ich hatte nicht gehofft, so früh schon ...

ADELE. Wir haben Ihnen eine Bitte vorzutragen.

IDA. Und meine Schwester meinte, frisch gewagt ist halb gewonnen. Da der Herr Chevalier sich heute ganz besonders[70] für meine Schwester zu interessieren schienen ...

FRANK verlegen. Allerdings! Für sich. Sie sind übrigens alle beide allerliebst!

ADELE. Da hielt ich es für meine Pflicht, Ihnen ein Geständnis zu machen!

FRANK. Oho! Für sich. Mir wird ganz heiß!

ADELE. Daß ich nicht das bin, was ich scheine!

FRANK. Sie sind ganz allerliebst, und das genügt mir, mein Engel!

IDA. Meine Schwester ist aber keine Künstlerin.

FRANK galant. Was nicht ist, kann noch werden!

ADELE. Das meinte meine Schwester auch, und deswegen kommen wir zu Ihnen.

IDA. Sie sind ein vornehmer Herr und könnten ihr leicht behilflich sein.

FRANK. Ich! Wieso?

IDA. Wie gesagt, meine Schwester ist noch nicht Künstlerin ...

ADELE. Auch noch nicht einmal Elevin, sondern bis jetzt nur Stubenmädchen des Herrn von Eisenstein.

FRANK. Ein Stubenmädchen! Und Sie haben sich von mir die Hand küssen lassen?

ADELE. Den Mund ja auch!

FRANK. Pst, nichts ausplaudern!

ADELE. Es bleibt unter uns! Aber da Sie Herrn von Eisenstein sprechen werden, hätte ich noch eine Bitte.

FRANK. Nun?

ADELE. Der Herr weiß, daß ich ohne Erlaubnis der gnädigen Frau in ihrem Kleide die Villa Orlofsky besucht habe. Schluchzend. Ich bitte, ich beschwöre Sie, legen Sie ein gutes Wort für mich ein!

FRANK. Daß er Ihnen verzeiht?

ADELE. Nein, daß er mir das Kleid schenkt, weil es mir gar so gut steht!

FRANK. Das ist doch ein bißchen viel verlangt! Augenblicklich entlassen wird Sie Ihre Herrschaft.

IDA. Ach, wenn es weiter nichts ist, entlassen hat sie sich schon selbst.[71]

ADELE. Ich habe nämlich die Idee, mich fürs Theater ausbilden zu lassen.

IDA. Und da sollten uns der Herr Chevalier behilflich sein. Mich hat auch so ein vornehmer Herr ausbilden lassen.

FRANK. Ich soll Sie ausbilden lassen? Ja, haben Sie denn auch Talent?

ADELE. Ob ich Talent habe? Sonderbare Frage!

Nr. 14. Couplet

1


ADELE.

Spiel ich die Unschuld vom Lande,

Natürlich im kurzen Gewande,

So hüpf ich ganz neckisch umher,

Als ob ich ein Eichkatzerl wär'.

Und kommt ein saubrer junger Mann,

So blinzle ich lächelnd ihn an,

Durch die Finger zwar nur

Als Kind der Natur,

Und zupf an meinem Schürzenband;

So fängt man Spatzen auf dem Land.

Und folgt er mir, wohin ich geh,

Sag ich naiv: »Sö Schlimmer, Sö!«

Setz mich zu ihm ins Gras sodann

Und fang auf d'Letzt zu singen an:

La la la la la la la la!

Wenn Sie das gesehn, müssen Sie gestehn,

Es wär' der Schaden nicht gering,

Wenn mit dem Talent ich nicht zum Theater ging'!


2


Spiel ich eine Königin,

Schreit ich majestätisch hin,

Nicke hier und nicke da,

Ja, ganz in meiner Gloria.

Alles macht voll Ehrfurcht mir Spalier,

Lauscht den Tönen meines Sangs.

Lächelnd ich das Reich und Volk regier,

Königin par excellence!

La la la la la la la la![72]

IDA die Trompete nachahmend.

Tratatatata! Tratatatata!

FRANK die Trommel nachahmend.

Rem, pem, plem, prrr, rem, pem, plem, prrr!

ADELE.

Wenn Sie das gesehn, müssen Sie gestehn,

Es wär' der Schaden nicht gering,

Wenn mit dem Talent ich nicht zum Theater ging'!


3


Spiel ich 'ne Dame aus Paris, ach, ach,

Die Gattin eines Herrn Marquis, ach, ach, –

Da kommt ein junger Graf ins Haus, ach, ach,

Der geht auf meine Tugend aus, ach!

Zwei Akte lang geb ich nicht nach,

Doch, ach, im dritten werd ich schwach.

Da öffnet plötzlich sich die Tür:

O weh, mein Mann! Was wird aus mir? Ach!

»Verzeihung!« flöt ich; er verzeiht, ach!

Zum Schlußtableau, da weinen d'Leut', ach! Ja!

FRANK spricht. Zum Stubenmädchen sind Sie allerdings etwas zu emanzipiert!

IDA. Sie wollen also meine Schwester ausbilden lassen, Herr Chevalier?


Es läutet.


FRANK ans Fenster gehend. Ich muß doch sehen, wer da ist? Prallt erschrocken zurück. Donnerwetter, Marquis Renard! Was mach ich nun?

FROSCH ist gekommen. Soll ich öffnen?

FRANK. Ja ... nein ... warte noch! Für sich. Ich bin ganz konfus! Zu Frosch. Führe die Damen in ein anderes Zimmer!

FROSCH. Ich habe nur noch Numero 13 frei!

FRANK. So führe sie auf Nummer 13!


Es läutet wieder.


FROSCH leise. So werden sie also eingesperrt?

FRANK. Nein ... das heißt ja! Meinetwegen! Sperre sie ein, mach nur, daß sie fortkommen! – Was mag der Marquis hier wollen?[73]

FROSCH. Wollen Sie die Güte haben, meine Damen?

ADELE. Ist Numero 13 Ihr Empfangssalon?

FROSCH. Freilich! Oh, wir haben mehrere solche Salons, weil wir oft längeren Besuch bekommen.

IDA. Also führen Sie uns auf Nummer 13!

FROSCH beiden Damen den Arm bietend. Wenn's gefällig? Adele und Ida hängen sich ein. Fideles Gefängnis bei uns! Ungeheuer fidel!


Ab mit Adele und Ida.


Quelle:
Johann Strauß: Die Fledermaus. Text nach H. Meilhac und L. Halévy von C. Haffner und Richard Genée, Stuttgart 1976, S. 70-74.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Naubert, Benedikte

Die Amtmannin von Hohenweiler

Die Amtmannin von Hohenweiler

Diese Blätter, welche ich unter den geheimen Papieren meiner Frau, Jukunde Haller, gefunden habe, lege ich der Welt vor Augen; nichts davon als die Ueberschriften der Kapitel ist mein Werk, das übrige alles ist aus der Feder meiner Schwiegermutter, der Himmel tröste sie, geflossen. – Wozu doch den Weibern die Kunst zu schreiben nutzen mag? Ihre Thorheiten und die Fehler ihrer Männer zu verewigen? – Ich bedaure meinen seligen Schwiegervater, er mag in guten Händen gewesen seyn! – Mir möchte meine Jukunde mit solchen Dingen kommen. Ein jeder nehme sich das Beste aus diesem Geschreibsel, so wie auch ich gethan habe.

270 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon