Dritter Auftritt

[128] Lisette, Hanswurst, Alcantor auf der Seite.


LISETTE zu Hanswurst. Ja ja! meine Augen haben mich nicht betrogen, es ist der Herr Fourierschütz.

HANSWURST. Ja! Sie angenehmes Magazin meiner verliebten Herzensseufzer, auch meine vier Augen haben mich nicht betrogen, sie zu sehen.

LISETTE. Was? haben sie vier Augen?

HANSWURST. Ja! mein Schatz! zwey im Kopfe und zwey im Herzen.

LISETTE. Zu was brauchen sie denn so viele Augen?

HANSWURST. O! ich hab hieran noch zu wenig, ein Liebhaber, besonders bey dieser Zeit soll, wie ein Würfel, auf allen Seiten Augen haben, und da hätt er noch zu thun, ein Fiauenzimmer gänzlich auszunehmen. / Aber wir wollen alle verliebten Höflichkeiten beyseite setzen, / du kömmst mir itzt so erwünscht meine liebe Lisette, als der Todtfall[128] eines alten reichen Weibes einem jungen Manne; mein Herr ist voll Verzweiflung, er weiß nicht, was er aus der ganzen Sache schliessen soll, er hat dem Friseur deines Fräuleins schon heut früh einen Brief gegeben, den er ihr eilends hätte behändigen sollen, er hat sich aber noch nicht bey uns sehen lassen; wir wissen folgsam nicht, ob ihn das Fräulein bekommen, ob sie noch nicht Zeit zu antworten gehabt, oder ob der Friseur gar zum Schelme geworden, und mit dem Brief etwas anders angefangen habe.

LISETTE. Das weiß ich auch nicht, wie sich die Sache verhält; so viel aber ist gewiß, daß mein Fräulein weder durch den Friseur, noch durch sonst Jemanden von deinem Herrn heute einen Brief bekommen habe; der Friseur ist schon lange von uns weg, und ich weiß es gewiß, daß er ihr nichts behändiget hat, ich war stets um sie, bis auf die wenigen Minuten, binnen welcher ich im Seidengewölbe war, und du darfst es sicher glauben, daß ich auch etwas davon wissen müste, wenn mein Fraeulein einen Brief erhalten hätte, denn vor mir wird sie es gewiß nicht geheim halten, ich wollt ihr es nicht rathen.

HANSWURST. Was denn, in Liebsgeschäften gar, denn da sind Fräulein und Kammermädgen gar oft Schwestern zusammen.

LISETTE. Dem sey, wie ihm wolle, so steckt ein Betrug dahinten.

HANSWURST. Das glaub ich selbst; um also das Sichere zu spielen, hat mein Herr den nämlichen Brief nochmal abgeschrieben; Zeigt ihr den Brief. den kannst du nun selbst der Henriette geben, und ihr dabey melden, daß sie so eilends, als es möglich ist, meinem Herrn eine Antwort darauf schriftlich oder muendlich geben soll, denn es ist die größte Nothwendigkeit darinn enthalten.

LISETTE. O Ho! was wird denn auch für eine entsetzliche Wichtigkeit darinn vorkommen.

HANSWURST. Du wirst alles hören. Genug; es ist das ganze Centrum von meines Herrn und meiner Liebe im Brief darinn.

LISETTE. Nun so geb ihn her, das Fräulein soll ihn gleich zu lesen kriegen.


Hanswurst will der Lisette den Brief geben; Alcantor schleicht sich hervor, hält der Lisette seinen Brief vor, und nimmt mit der andern Hand des Hanswurst seinen weg, und schleicht in das Haus ab.


HANSWURST in der Meynung, daß Lisette seinen Brief habe. Ich bitt recht sehr, mach, daß wir bald eine Antwort bekommen.

LISETTE in der Meinung, daß sie den rechten Brief habe. Ich werd dir gleich sagen, wie geschwind, und was für eine Antwort darauf folgen kann Will den Brief öfnen.

HANSWURST verwehrt der Lisette den Brie, aufzumachen. Du! vergreif dich an meines Herrn Briefe nicht! wer hat dir Erlaubniß gegeben, die Brief, die an dein Fräulein gehören, aufzubrechen?

LISETTE. Sie selbst. Denn da es selten thunlich ist, ihr einen Brief zuzubringen, so hat sie mir Befehl gegeben, alle Briefe, die an sie kommen, bey mir aufzubehalten, zu erbrechen, durchzulesen, und ihr nur den Innhalt davon zu sagen, weil der alte Herr ihr oft die Säcke durchgesucht, und Briefe darinn gefunden hat.

HANSWURST. Nu! wenn es so ist, so lis.

LISETTE. Wenn es eine Sache ist, die gleich kann beantwortet werden, so kannst du hier vor dem Hause noch auf die Antwort warten.

HANSWURST. Lis nur, du wirst dich wundern, und wirst samt deinem Fräulein zugleich eine grosse Freude haben.

LISETTE. Das will ich gleich sehen. Reißt den Brief auf, und list. »Mannsüchtige Henriette!« / Zu Hanswurst. was Teufel ist dieß für ein Ehrentitel?

HANSWURST. Das versteh ich auch nicht, das wird vielleicht eine verliebte sächsische Redensart seyn.

LISETTE schüttelt den Kopf, und list weiter. »Mannsüchtige Henriette! wie habt ihr jemals so närrisch seyn können, zu glauben, daß ich mich in Ernste in euer Fratzengesicht verlieben würde.« Zu Hanswurst. Nu! was ist dieß? das lautet nicht übel:

HANSWURST vor sich. Das begreif ich nicht. Zu Lisette. Lis nur weiter, es muß schon besser kommen.

LISETTE list weiter. »Ihr Närrin! ein anderes ist Scherzen, ein anderes wahrhaft lieben; das Letztere zu glauben, hättet ihr euch wohl nie sollen träumen lassen, wenn ihr anders jemals den Unterscheid zwischen euren und meinen Verdiensten einsehen wollen, ich finde mich gezwungen, euch also zu schreiben, damit ihr aus eurem dummen Irrthume kommet; ich gehe morgen zum Regimente, und ihr könnt zum Teufel gehen.« / Zu Hanswurst. Ist dieß noch sächsisch?[129]

HANSWURST zu Lisette. Nein! das ist grob deutsch! Vor sich. das ist mir unbegreiflich, ist mein Herr ein Narr geworden?

LISETTE list weiters. »Läßt euch vor meinen Augen ja nicht sehen, machet mir auch keine schriftliche Vorwürffe, den ich will weder etwas von euch, noch von euren abgeschmackten Zeilen wissen. Hauptmann Valere!« / Zu Hanswurst. unvergleichlich! ist dein Herr ein solch niederträchtiger Mensch? / und du überbringest solche Briefe.

HANSWURST. Lisette! hab ich ein Wort gewußt von dem, was im Briefe steht, so soll der Teufel mich, meinen Herrn, und unser ganzes Regiment hohlen; du sihst, ich bin unschuldig, von mir ist nichts im Brief enthalten.

LISETTE. Gedult! es ist noch eine Nachschrift hier.

HANSWURST. Nu! da wird es darinn stehen, daß ich nichts davon weiß; es muß sich zeigen.

LISETTE liest. »Mein Diener der Hanswurst laeßt der Lisette gleichfalls melden, sie soll sich auf einen Fourierschützen, wie er ist, keine Rechnung machen, sondern geschwind, eh sie gar rostig zu werden anfängt, sich um einen Trager oder Vaßzieher umsehen.«

HANSWURST zornig. Nein! / das ist eine Lug, das hab ich Lebenslang nicht gesagt!

LISETTE. So! du verdammter Kerl! so bist du beschaffen? /

HANSWURST voller Verwirrung. Lisette! ich bitte dich um alles in der Welt, die ganze Sache ist falsch.

LISETTE. Du willst es noch läugnen? du Schlingel! / wer hat diesen Brief geschrieben?

HANSWURST. Mein vermaledeyter Herr!

LISETTE. Und wer hat ihn mir gegeben?

HANSWURST. Ich bin der Esel gewest! aber ich hab kein Wort gewußt was darinn.

LISETTE. Schweig! ich will kein Wort mehr hören, du bist der schlechtste Mensch auf Erden.

HANSWURST. Aber, so erweg nur selbst, wie soll denn ich schreiben, daß du würdest anfangen rostig zu werden?

LISETTE. Genug! mein Aug betrügt mich nicht, ich bin endlich auf das Wahre gekommen.

HANSWURST. Ich hab noch nicht geweint, weil ich beym Regimente bin, Fängt an zu weinen. / aber, Lisette! ich bitte dich, hör mich nur an, und laß dir sagen:

LISETTE. Geh mir aus den Augen! du und dein Herr, ihr seydt ein gleiches paar Schlingel, ein paar schlechte Kerls! / itzt geh ich gleich, und laß meinem Fräulein den verfluchten Brief lesen. / Dir aber, schlechter Mensch! will ich versprochener massen eine Antwort, und zugleich den Abschied hiemit geben Gibt dem Hanswurst eine Maulschelle, und geht zornig in das Haus ab.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 128-130.
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