An den Leser.

Standes und Würden nach Geehrtester Leser.

[201] Hjermit überliefere ich dir meine längst-begehrte MARIAMNE; Ein solches Trauerspiel / von dem ich mit Wahrheit melden kan / daß es Threnen erwecket hat. Grausamste Ehr-Sucht / Verläumdung und Verrätherey bekämpfften die Tugend dieser schönsten Princessin.

Sie sähe den Eh-Mann in einen Hencker / jhre Bluts-Freinde in beschimpffte Leichen / sich selber in eine Sclavin verwandelt. Nichts minder stund sie als ein Fels unter den Wellen. Jhr Purpur gläntzte niemals herrlicher / als da jhn die Rubinen jhres unschuldig-verspritzten Blutes bestrahlten. Ja ich würde nicht jrren / wenn ich sagte / daß MARIAMNE mehr im Tode / als im Leben gelebet. Massen jhr ungeschmincktes Lob nicht nur durch Griechisch- und Römische / sondern auch durch Frantzösische Federn verewiget worden. Welche der Meinigen Anlaß gegeben / dieser so grossen Königin grosses Gemüthe in einem Trauerspiele abzubilden / und dem hiesigen Schau-Platze zu gönnen. Sie hat sich gezeiget / und (darff ichs sagen?) mit höchster Vergnügung. Numehro zeiget sie sich auch auff dem Papiere nebst etlichen Anmerckungen / welche ich mehr der jetzigen Gewonheit als Nothwendigkeit wegen (weil Gelehrten ohne diß hierdurch zu viel / Ungelehrten aber annoch zu wenig berichtet wird /) kürtzlich hindanfügen wollen. Und so ja etwann über Verhoffen einige Druck-Fehler in das Trauerspiel möchten eingeschlichen seyn / so wird doch der nachsinnende Leser leicht erachten /wie dieses oder jenes Wort zu verstehen sey. Jndessen gehab dich wol / und urtheile von meiner MARIAMNE nicht zu scharff; Sondern


Fürchte Gott

und

Ehre den Kaiser.

Quelle:
Johann Christian Hallmann: Sämtliche Werke. Band 1, Berlin und New York 1975, S. 201.
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