Der Poet Friedrich Weidebrand / hat wegen deß Vngehorsams / deß Knabens in Freyberg / seine Straff also in Teutsche Vers gegeben.

[67] Ein Vater schickt sein Sohn von sich /

Was auszurichten embsiglich /

Als der nun steht und geht nicht fort /

Flucht ihm der Vatr; Führt solche Wort /

Steh daß du must dein Lebtag stehn /

Vnd mögst kein Tritt von dannen gehn /

Darauff der Knab alsbald bestund /

Kein Fuß er förders heben kund /

Vnd ob er gleich im stehn war müd /

Kont er doch sitzn odr liegen nit /

So mann ihn trug anders wohin /

Fiel er in Ohnmacht todt dahin /

Do stund er nun so lang und viel /

Daß auff der Brücken in der Dihl

Man sah die Fusstapfen im Tritt /

Weiln er von dannen mocht kommen nit /

Deß Nachts aber zu seiner Ruh

Richt man ein Stand mit Polstern zu /

Daß er das Haubt und Arm drauff stöhnt /

Vnd so ein wenig schlaffen könt /

Allda hafft er drey gantzer Jahr /

Gar unbeweglich immerdar /

Vnd must stets stehn am selben Ort /

Daß man ihn nicht möcht bringen fort /[67]

Traurig / bekümmert / bleich / halb tod /

Enthielt sich mit eim stücklein Brod /

Doch durch der Kirchen stetm Gebet /

Endlich Gott Gnad verleihen thet /

Daß er bißweiln ein weng hät Ruh /

Auff ein Bäncklein gemacht darzu.

Also stund er vier andre Jahr /

Vnd wenn er drumb gefraget war /

Warumb er stünd? Was er da mach /

So sprach er; diß ist Gottes Rach /

Vnd g'rechte Straff die ich verdient /

Bin g'west ein ungehorsams Kind /

Fürm Vng'horsam thu ich da seyn /

Vnd leid nun diese schwere Pein.

Das solchs also geschehen sey /

Zeugt in Meissen / Freyberg frey /

Vnd kan noch zeigen in der Dihl

Die Fußtrit / wers da sehen wil.

Ihr Kinder solt hieraus nun lernen /

Daß ihr eur Eltern halt in Ehren.

Ihr Eltern mit bescheidenheit /

Eur Kinder zieht zu iederzeit /

Denn gleich wie frommer Eltern segn /

Den Kindern bringt viel guts zu wegn /

Also ihr Fluchen und ihr Scheltn /

Böß Kinder müssen offt entgeltn.


Zweene von Adel entführen einem vornehmen Herren seine Tochter / leben beiserseits ihres willens[68] mit ihr; Der Vater Klagt dem Stadhalter die gewalthätige entführung / der läst solche gefänglich einnehmen /die müssen darumb spielen / solcher massen daß der eine sie ausstatten solt / nach Stands gebür / der andere freyen / und auff wem die Ausstattung käme /müste den Kopff lassen / ob es nun wohl schwer hergieng / so muste doch diß Vrtheil exeqviret werden. Schauplatz pag. 24.

Quelle:
Hammer, Matthäus: Rosetum Historiarum. Das ist: Historischer Rosengarten [...]. Zwickau 1654, S. 67-69.
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