Neunte Szene.

[32] PRINZESSIN TRULL steckt wie im Anfang verstohlen ihren Kopf herein und spaziert dann gewichtig in die Stube nach allen Seiten winkend und sich verbeugend. Guten Morgen, Herr Minister ... guten Morgen, Herr Adjutant ... guten Morgen, liebe Aurelie ... oh ... es ist doch mein achtzehnter Jahrestag[32] heute ... ach ... ich bin heute so jung ... ich bin doch so schön wie eine Tulpenblume ... ich bin doch die Tochter des Königs von Araukanien ... ich bin doch die schöne Prinzessin Trull ...


Alle Raschkes geraten in immer tolleres Gelächter.

Die Stube wird immer heller.

Die Totentanzmelodie ist ganz nahe gekommen.


DER ALTE RASCHKE. Es kommt ein Geiger ... das muß der alte Motz Gothla sein ... Die Tür fliegt auf. Es kommen auch Pfeifen ... nun ja ... wo ein Geiger ist, muß auch ein Pfeifer sein ...


Es sind hereinspaziert der Geige spielende Motz Gothla im grünen, napoleonischen Gardefrack, mit goldenen Knöpfen, genau wie er im Auftakt des Aktes im Tiefdunkel gegen ein Fensterkreuz als Gaukelgestalt gesessen. Er streicht lächelnd die Geige. Bald darnach hinter ihm drein ein kleiner,

dickerDudelsackpfeifer, ein komischer Oboespieler, ein Harmonikamann, ein spindeldürrer Flötist, alle mit ihrer Musik die Totentanzmelodie umrankend. Allgemeines Bekomplimentieren. Es tanzen allerhand Leute noch zu Türen und Fenstern herein. So der Hausknecht aus der Dorfschenke, der Amtssekretär, der Dorfpastor, der Dorfkaplan, die Pastorin, die Pastorstöchter, der Lehrer, die Lehrersfrau. So daß eine Weile ein Tohuwabohu von Musik und Getümmel entsteht. Alles wirbelt allmählig bunt durcheinander. Bis das Bild ganz ins Schemenhafte einsinkt. Einige Leute stürzen. Lärm und Musik verhallen immer mehr. Die Bühne fällt in Tiefdunkel. Allein noch die Totentanzmelodie der Geige hört man, als wenn sie immer weiter in die Ferne zöge.


Der Vorhang fällt nicht.


Quelle:
Carl Hauptmann: Die armseligen Besenbinder. Leipzig 1913, S. 32-33.
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