Dritte Szene

[702] AGNES. Hier, mein Vater?

CASPAR BERNAUER. Hier, meine Tochter, hier erwarten wir ihn, nirgends sonst. Wie ist dir denn zumute? Etwas anders, wie[702] gewöhnlich, wenn du die Augen aufmachst, nicht wahr? Nun ja, das ist natürlich. Die Mädchen zögern gern aus Angst oder Neckerei noch eine Weile vor der Tür, wenn sie auch wirklich schon hineinwollen und wissen, daß der Bräutigam ihnen längst die Arme entgegenstreckt. Du armes Ding hast nun nicht einmal Kranzwindens-Zeit.

AGNES. Also, Euer Entschluß ist gefaßt?

CASPAR BERNAUER. Es gibt nur ein Mittel! Und wenn du nur bereit bist: Für ihn mögt ich stehen!

AGNES. Ja?

CASPAR BERNAUER. Ich kenns, wenns auch lange her ist, daß ich selbst an dem Fieber litt! Eine treue, redliche Seele! Er zieht etwas aus der Tasche. Was hab ich da?

AGNES. Mein Kettlein! Aber, das hab ich ja gestern abend gleich wieder weggelegt!

CASPAR BERNAUER. Kann doch wohl nicht sein, denn Theobald hats auf der Straße gefunden, als er hinter uns herschritt!

AGNES. Theobald?

CASPAR BERNAUER. Ja, den hast du ebensowenig gesehen, wie ich! Was sagst du? Der närrische Junge ist uns, solange die Reichsknechte hier sind, jeden Abend heimlich gefolgt, wenn wir das Haus noch verließen, und hat auf uns gewartet, bis wir wieder heimgingen. Nie hat er sich etwas davon merken lassen, und wenn ichs jetzt weiß, so kommt das daher, daß er deine Kette fand! Ist das einer?

AGNES. Es freut mich, daß er so an Euch hängt!

CASPAR BERNAUER. Nun dächt ich, es wär die beste Antwort für den tollköpfigen Herzog, wenn du dem Theobald rasch, noch heute morgen, ja augenblicklich die Hand reichtest! Du bist ihm ja doch den Finderlohn schuldig!

AGNES. Wie?

CASPAR BERNAUER. Ihr beide trätet ihm dann Hand in Hand entgegen, ich aber stände segnend hinter euch und riefe ihm zu: So wars im Himmel beschlossen, und was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden!

AGNES. Vater!

CASPAR BERNAUER. Fürchte keine Gewalttat! Auch hier stehen wir auf roter Erde, auch in Augsburg ist Westfalen, ja – – doch,[703] wozu das! Nun, Jungfer Tochter, was sagt Ihr? Der Bräutigam ist, wie ich hoffe, bereit und sogar der Priester nicht weit! Sprich, solls so sein?

AGNES. Nie! In Ewigkeit nicht!

CASPAR BERNAUER. Das heißt: heute nicht!

AGNES glühend. Es heißt –

CASPAR BERNAUER unterbricht sie. Morgen! Morgen! Morgen!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 702-704.
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