[117] Hagen von Tronje tritt ein.
HAGEN.
Nun, keine Jagd?
GUNTHER.
Es ist ja heilger Tag!
HAGEN.
Daß den Kaplan der Satan selber hole,
Von dem er schwatzt!
GUNTHER.
Ei, Hagen, mäßge dich.
HAGEN.
Was gibts denn heut? Geboren ist er längst!
Das war – laßt sehn! – Ja, ja, zur Zeit der Flocken!
Sein Fest verdarb uns eine Bärenhatz.
GISELHER.
Wen meint der Ohm?
HAGEN.
Gekreuzigt ist er auch,
Gestorben und begraben. – Oder nicht?
GERENOT.
Er spricht vom Heiland.
HAGEN.
Ists denn noch nicht aus? –
Wer hält mit mir? Ich eß kein Fleisch zur Nacht,
Das nicht bis Mittag in der Haut noch steckt,
Auch trink ich keinen Wein, als aus dem Horn,
Das ich dem Auerstier erst nehmen muß!
GUNTHER.
So wirst du Fische kauen müssen, Freund,
Am Ostermorgen gehn wir nicht zur Jagd.
HAGEN.
Was tun wir denn? Wo ist der heilge Mann?
Was ist erlaubt? Ich hör die Vögel pfeifen,
Da darf der Mensch sich doch wohl fiedeln lassen?
Zu Volker.
So fiedle, bis die letzte Saite reißt!
VOLKER.
Ich fiedle nicht, solang die Sonne scheint,
Die lustge Arbeit spar ich für die Nacht.
HAGEN.
Ja, du bezögst auch dann noch dir die Geige
Gern mit des Feindes Darm und strichest sie
Mit einem seiner Knochen.
VOLKER.
Würdest du
Vielleicht auf die Bedingung Musikant?[117]
HAGEN.
Ich kenne dich, mein Volker. Ists nicht so?
Du redest nur, wenn du nicht fiedeln darfst,
Und fiedelst nur, wenn du nicht schlagen kannst.
VOLKER.
Mag sein, Kumpan.
GUNTHER.
Erzähl uns was, der Tag
Wird sonst zu lang. Du weißt so mancherlei
Von starken Recken und von stolzen Fraun.
HAGEN.
Nur von Lebendgen, wenn es dir beliebt,
Daß man sich sagen darf: die krieg ich noch,
Den vor mein Schwert und die in meinen Arm!
VOLKER.
Ich will dir von Lebendigen erzählen,
Und der Gedanke soll dir doch vergehn.
Ich kenn den Recken, den du nimmer forderst,
Und auch das Weib, um das du nimmer wirbst.
HAGEN.
Wie! Auch das Weib? Den Recken laß ich gelten,
Doch auch das Weib? Du meinst den Schlangentöter,
Den Balmungschwinger, den gehörnten Siegfried,
Der, als er einmal Schweiß vergossen hatte,
Durchs Bad sich deckte vor dem zweiten Mal –
Allein das Weib?
VOLKER.
Ich sag dir nichts von ihr!
Du könntest ausziehn, um sie heim zu führen,
Und kämst gewiß nicht mit der Braut nach Haus.
Der Schlangentöter selbst wird sich besinnen,
Ob er als Freier bei Brunhilden klopft.
HAGEN.
Nun, was Herr Siegfried wagt, das wag ich auch.
Nur gegen ihn erheb ich nicht die Klinge:
Das wär ja auch, wie gegen Erz und Stein.
Glaubts oder zweifelt, wie es Euch gefällt:
Ich hätt mich nicht im Schlangenblut gebadet,
Darf denn noch fechten, wer nicht fallen kann?
GISELHER zu Volker.
Schon hört ich tausend Zungen von ihm plappern,
Doch, wie die Vögel durcheinander zwitschern,
Es gab kein Lied. Sprich du einmal von ihm!
GUNTHER.
Vom Weibe erst. Was ist das für ein Weib?
VOLKER.
Im tiefen Norden, wo die Nacht nicht endet,
Und wo das Licht, bei dem man Bernstein fischt[118]
Und Robben schlägt, nicht von der Sonne kommt,
Nein, von der Feuerkugel aus dem Sumpf –
Man hört in der Ferne blasen.
HAGEN.
Trompeten!
GUNTHER.
Nun?
VOLKER.
Dort wuchs ein Fürstenkind
Von wunderbarer Schönheit auf, so einzig,
Als hätte die Natur von Anbeginn
Haushälterisch auf sie gespart und jeder
Den höchsten Reiz des Weibes vorenthalten,
Um ihr den vollen Zauber zu verleihn.
Du weißt von Runen, die geheimnisvoll
Bei dunkler Nacht von unbekannten Händen
In manche Bäume eingegraben sind:
Wer sie erblickt, der kann nicht wieder fort,
Er sinnt und sinnt, was sie bedeuten sollen,
Und sinnts nicht aus, das Schwert entgleitet ihm,
Sein Haar wird grau, er stirbt und sinnt noch immer:
Solch eine Rune steht ihr im Gesicht!
GUNTHER.
Wie, Volker? Dieses Weib ist auf der Welt,
Und ich vernehms erst jetzt?
VOLKER.
Vernimm noch mehr!
So ists. Bei Eis und Schnee, zur Augenweide
Von Hai und Walfisch, unter einem Himmel,
Der sie nicht einmal recht beleuchten kann,
Wenn nicht ein Berg aus unterirdschen Schlünden
Zuweilen seine roten Blitze schickt,
Ist aller Jungfraun herrlichste erblüht.
Doch ist das öde Land, das sie gebar,
Auf seinen einzgen Schatz auch eifersüchtig
Und hütet sie mit solcher neidschen Angst,
Als würd es in demselben Augenblick
Vom Meere, das es rings umbraust, verschlungen,
Wo sie dem Mann ins Brautbett folgt. Sie wohnt
In einer Flammenburg, den Weg zu ihr
Bewacht das tückische Geschlecht der Zwerge,
Der rasch umklammernd quetschend Würgenden,
Die hören auf den wilden Alberich,[119]
Und überdies ist sie begabt mit Kräften,
Vor denen selbst ein Held zu Schanden wird.
GUNTHER.
Wie das?
VOLKER.
Wer um sie wirbt, der wirbt zugleich
Um seinen Tod, denn führt er sie nicht heim,
So kehrt er gar nicht wieder heim, und ist
Es schon so schwer, nur zu ihr zu gelangen,
So ist es noch viel schwerer, ihr zu stehn.
Bald kommt auf jedes Glied an ihrem Leibe
Ein Freier, den die kalte Erde deckt,
Denn mancher schon zog kühn zu ihr hinab,
Doch nicht ein einziger kam noch zurück!
GUNTHER.
Nun, das beweist, sie ist für mich bestimmt!
Hei! Meine lange Brautwahl hat ein Ende,
Brunhilde wird die Königin Burgunds!
Man hört die Trompeten ganz nahe.
Was gibts?
HAGEN tritt ans Fenster.
Das ist der Held aus Niederland.
GUNTHER.
Du kennst ihn?
HAGEN.
Schau nur hin! Wer zöge wohl
So trotzig bei uns ein, wenn ers nicht wäre,
Und hätte doch nur zwölfe im Gefolg!
GUNTHER tritt gleichfalls ans Fenster.
Ich glaub es selbst! Doch sprich, was führt ihn her?
HAGEN.
Ich weiß nicht, was ihn reizt! Er kommt wohl nicht,
Um sich vor dir zu bücken, und er hat
Zu Haus doch alles, was man wünschen kann.
GISELHER.
Ein edler Degen!
GUNTHER.
Wie empfängt man ihn?
HAGEN.
Du dankst ihm, rat ich, wie er dich begrüßt.
GISELHER.
Ich gehe ihm entgegen!
GERENOT.
So auch ich!
HAGEN.
Wers tut, der wird sich nicht erniedrigen!
Denn, daß ers euch nicht selbst zu melden braucht:
Er steckt nicht bloß in seiner Haut von Horn
Und hat die Balmung-Klinge an der Seite,
Er ist auch Herr des Nibelungenhorts[120]
Und trägt die Nebelkappe Alberichs,
Und alles das, ich muß es redlich sagen,
Durch seine Kraft und nichts durch Hinterlist,
Drum geh ich mit.
GUNTHER.
Wir kommen schon zu spät.
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